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Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien
Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien
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Ebook306 pages

Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien

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About this ebook

Salka Viertel beherbergte in ihrem Exil Schauspieler, berühmte Intellektuelle und anonyme Personen, die vor dem Nationalsozialismus geflüchtet waren.

Die Biographie schildert das Leben von Salka Viertel, einer jüdischen Schauspielerin, die nach Hollywood emigrierte und die sich als Drehbuchautorin der schwedischen Schauspielerin Greta Garbo einen Namen machte. Zudem hielt sie einen Salon in Santa Monica in Kalifornien ab, in dem sich ein großer Teil der europäischen Exil-Intellektuellen versammelte. Salka war eine für die damalige Zeit sehr moderne und interessante Frau, die ihren Platz in der Geschichte verdient.

Das Buch beschäftigt sich mit der vermeintlichen Bisexualität von Salka Viertel sowie mit ihren zahlreichen berühmten Freunden, unter anderem: Albert Einstein, Charles Chaplin, Sergei Eisenstein, F. W. Murnau, Max Reinhardt, Arnold Schönberg, Thomas Mann, Bertolt Brecht, Greta Garbo, Montgomery Clift… Ebenso wie Gertrude Stein und andere berüchtigte Frauen unterhielt sie ihren eigenen Literatursalon, in dem sich Schriftsteller wie Truman Capote, Christopher Isherwood, Gore Vidal und viele mehr einfanden. Weitere Themen dieses Werks sind das Berlin der zwanziger Jahre oder der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm aus der Perspektive des Film-Mekkas Hollywood. Der Aufstieg Hitlers und die daraus entstehenden Konsequenzen für die Juden; das Leben im Exil für die Intellektuellen, die aufgrund des Zweiten Weltkriegs nicht länger in ihre Heimatländer zurückkehren konnten. Der Kalte Krieg und die Hexenjagd gegen die Anhänger des Kommunismus. Ohne Zweifel verläuft das Leben von Salka Viertel und ihren Freunden vor dem Hintergrund der großen Ereignisse des zwanzigsten Jahrhunderts.

Für die Arbeit an diesem Projekt erhielt die Autorin die Stipendien Shanghai Writing Program (China, 2016) und des Baltic Centre (Schweden, 2017).

„Eine sehr interessante Geschichte und meiner Meinung nach auch heutzutage noch von aktueller Bedeutung, da wir in meinen Augen nicht so viele Fortschritte gemacht haben, was die Akzeptanz der zwischenmenschlichen Gefühle im Allgemeinen betrifft. Ein großartiges Buch mit vielen interessanten Informationen über das Hollywood der dreißiger und vierziger Jahre und den Einfluss der europäischen Künstler aus Ländern wie Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweden, England, der Ukraine und vielen anderen. Ein herausragendes und qualitativ beeindruckendes Forschungsprojekt in Form einer detaillierten Schilderung vieler berühmter Persönlichkeiten und ihrer privaten Beziehungen." -Joannes W. M. Groenewege, Übersetzer

„Obwohl Salka Viertel eine herausragende Rolle in der Exil-Gemeinschaft spielte, wurde nur wenig über sie geschrieben. Núria Añós Buch gleicht dies aus und füllt zahlreiche Lücken, die 'Das unbelehrbare Herz' offen ließ, mit Details." -Dialog International

LanguageDeutsch
PublisherBadPress
Release dateSep 16, 2021
ISBN9781071576700
Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien
Author

Núria Añó

Núria Añó (1973) is a Catalan/Spanish novelist and biographer. Her first novel "Els nens de l’Elisa" was third among the finalists for the 24th Ramon Llull Prize and was published in 2006. "L’escriptora morta" [The Dead Writer, 2020], in 2008; "Núvols baixos" [Lowering Clouds, 2020], in 2009, and "La mirada del fill", in 2012. Her most recent work "El salón de los artistas exiliados en California" [The Salon of Exiled Artists in California] (2020) is a biography of screenwriter Salka Viertel, a Jewish salonnière and well-known in Hollywood in the thirties as a specialist on Greta Garbo scripts.Some of her novels, short stories and articles are translated into Spanish, French, English, Italian, German, Polish, Chinese, Latvian, Portuguese, Dutch, Greek and Arabic.Añó’s writing focus on the characters’ psychology, most of them antiheroes. The characters in her books are the most important due to an introspection, a reflection, not sentimental, but feminine. Her novels cover a multitude of topics, treat actual and socially relevant problems such as injustices or poor communication between people. Frequently, the core of her stories remains unexplained. Añó asks the reader to discover the deeper meaning and to become involved in the events presented.Literary Prizes/ Awards:2023. Awarded at International Writers’ and Translators’ House in Latvia.2020. Awarded at International Writing Program in China.2019. Awarded at International Writers’ and Translators’ House in Latvia.2018. Fourth prize of the 5th Shanghai Get-together Writing Contest.2018. Selected for a literary residence in Krakow UNESCO City of Literature, Poland.2017. Awarded at the International Writers’ and Translators’ Center of Rhodes in Greece.2017. Awarded at the Baltic Centre for Writers and Translators in Sweden.2016. Awarded at the Shanghai Writing Program, hosted by the Shanghai Writer’s Association.2016. Awarded by the Culture Association Nuoren Voiman Liitto to be a resident at Villa Sarkia in Finland.2004. Third among the finalists for the 24th Ramon Llull Prize for Catalan Literature.1997. Finalist for the 8th Mercè Rodoreda Prize for Short Stories.1996. Awarded the 18th Joan Fuster Prize for Fiction.

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    Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien - Núria Añó

    Núria Añó

    Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien

    (Salka Viertel beherbergte in ihrem Exil Schauspieler, berühmte Intellektuelle und anonyme Personen, die vor dem Nationalsozialismus geflüchtet waren)

    übersetzt von Sarah Raabe

    Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien

    von Núria Añó

    Copyright © 2020 Núria Añó

    Die Originalausgabe ercheint unter dem Titel El salón de los artistas exiliados en California © 2020

    www.nuriaanyo.com

    Alle Rechte vorbehalten

    Herausgegeben von Babelcube, Inc.

    www.babelcube.com

    Übersetzt von Sarah Raabe

    www.sarahraabe.com

    Cover © Fie Tanderup

    www.fietanderup.com

    Foto der Autorin von Michal Jašek. Zeichnung von Gordon Johnson

    Babelcube Books und Babelcube sind Schutzmarken der Babelcube Inc.

    Die Arbeit an diesem Buch wurde im März 2017 durch ein internationales Residenzstipendium des Baltischen Zentrums für Schriftsteller und Übersetzer von Visby (BCWT), Schweden, unterstützt. Zuvor war dieses Projekt Bestandteil der Auszeichnung als Schriftstellerin des Programms für Autoren von Shanghai (SWP), China, in den Monaten September und Oktober 2016.

    Alle Rechte vorbehalten. Die Vervielfältigung dieses Werks oder von Auszügen ist ohne die schriftliche Genehmigung des Copyright-Inhabers unter Androhung der durch das Gesetz festgelegten Strafen verboten, egal durch welches Verfahren, eingeschlossen des Nachdrucks und der Datenverarbeitung. Wenn Sie dieses Buch anderen Personen zugänglich machen möchten, erwerben Sie bitte weitere Exemplare, um auf diese Weise die Arbeit der Autorin wertzuschätzen.

    Inhaltsverzeichnis

    Title Page

    Copyright

    Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien

    Vorwort

    Salka Steuermann

    Berthold Viertel

    Der Vertrag in Hollywood

    Ein Haus in der Mabery Road

    Der Salon

    Greta Garbo

    Mach’s gut, Berthold

    Mercedes de Acosta

    Von der Schauspielerin zur Drehbuchautorin

    Drei sind eine zu viel

    Die Königin Christina von Schweden

    Der Aufschwung des Nationalsozialismus

    Ein neues Exil

    Unterstützung durch die Europäische Filmförderung

    Die Frauen bei MGM

    Salka als Greta Garbos Drehbuchautorin

    Abendessen mit den Gebrüdern Mann

    Der Zweite Weltkrieg

    Greta Garbos Karriere-Ende

    Andere Drehbücher

    Die Rückkehr der Garbo?

    Die Mieter aus dem Garagenzimmer

    Der Literatursalon

    Was wird nun aus uns?

    Die kommunistische Liste des FBI

    Das Komitee für unamerikanische Umtriebe

    Das Ende des amerikanischen Traums

    Rückkehr nach Europa

    Klosters

    Der große Besuch

    Memoiren

    Korrespondenz

    FILMOGRAPHIE

    ANMERKUNGEN

    LITERATURVERZEICHNIS

    Über die Autorin

    Weitere Titel der Autorin

    Die tote Schriftstellerin

    Der Blick des Sohnes

    Tiefe Wolken

    Über die Übersetzerin

    I am so glad I spent that time at Mabery Road, because I would never have quite realized what a marvellous woman you are.

    CHRISTOPHER ISHERWOOD

    Der Salon der Exilkünstler in Kalifornien

    Illustration 1: Foto von Salka Viertel. © Katharina Prager, (2018). Berthold Viertel: Eine Biografie der Wiener Moderne. Wien: Böhlau Verlag.

    Vorwort

    Salka Viertel (Sambir, 1889 - Klosters, 1978) war eine jüdische Schauspielerin und Drehbuchautorin. Sie heiratete den Lyriker, Film- und Theaterregisseur Berthold Viertel, mit dem sie drei Kinder hatte. Wie viele andere Ehefrauen von europäischen Künstlern und Intellektuellen emigrierte sie mit ihrem Mann in die USA, als dieser einen Vertrag in Hollywood angeboten bekam und Kalifornien sich zum Mekka des Filmbusiness entwickelte. Dort, an der Küste des Pazifischen Ozeans, rief Salka einen renommierten Salon ins Leben, in dem prominente Künstler ein- und ausgingen. In den Zeiten von Hitlers Machtübernahme beherbergte sie zahlreiche Europäer, die vor dem Nationalsozialismus in Deutschland flüchteten. Salka lebte damals getrennt von ihrem Mann und wurde von Metro-Goldwyn-Mayer als Drehbuchautorin für die schwedische Schauspielerin Greta Garbo eingestellt, zu der sie eine enge Freundschaft entwickelte. Mit dem Beginn des Kalten Krieges wurde Salka jedoch verdächtigt, Anhängerin des Kommunismus zu sein, woraufhin ihr die Türen der Filmstudios verschlossen blieben, so dass sie ihrem Beruf nicht länger nachgehen konnte. Die willkürliche Hexenjagd auf Ausländer und die Einschränkung ihrer Freiheiten, mit der die amerikanische Politik sich gegen diejenigen wendete, denen sie Jahrzehnte zuvor noch eine glänzende Zukunft versprochen hatte, bedeuteten für Salka das Ende ihres amerikanischen Traums und ihre Rückkehr nach Europa, wo sie in der Schweiz zum zweiten Mal im Exil lebte.

    Salka Viertel erlebte den Holocaust aus der Fremde und auch viele andere jüdische Frauen aus dieser Epoche, seien es nun deutschsprachige Drehbuchautorinnen, Schriftstellerinnen oder Dichterinnen wie Vicki Baum, Gina Kaus, Hilde Spiel, Nelly Sachs oder Else Lasker-Schüler, ergriffen die Flucht oder wurden in ein Konzentrationslager gebracht, wie die junge Ruth Klüger, die nach Auschwitz deportiert wurde. Sie alle verspürten den Drang, ihre Erinnerungen aufzuschreiben, um durch ihren Lebensweg, der so eng mit den Ereignissen dieser Epoche verstrickt war, auch über das Dasein ihrer Zeitgenossen zu berichten.

    Im April 1969 veröffentlichte Salka Viertel ihre Memoiren auf Englisch. Der Titel lautete The Kindness of Strangers, da sie sich nach eigener Angabe immer auf die Güte von Fremden verlassen hatte. Ihre Worte waren eine Anspielung auf die Figur der Blanche DuBois in Endstation Sehnsucht. Ein Jahr später erschien die deutsche Fassung, die sich von dem ursprünglichen Titel löste und lieber Das unbelehrbare Herz der Autorin betonte, doch der Bezug auf Tennessee Williams berühmtes Werk blieb weiterhin bestehen und zwar an der Stelle, an welcher der Mangel an moralischer Geradlinigkeit der Figur diskutiert wird und die Antwort daraufhin lautet: „Was ist schon Geradlinigkeit? Eine Linie kann gerade sein, oder eine Straße… aber ein menschliches Herz?"¹ Die einzige spanische Fassung ließ noch länger auf sich warten und erschien erst im Jahr 1995 bei Ediciones del Imán. Der Titel wurde erneut verändert und nahm mit Die Zuwanderer der Mabery Road² Bezug auf die Straße, in der Salka Viertel in Santa Monica lebte und die der Treffpunkt der europäischen Intellektuellen im Exil war. Die Publikation, deren Vorwort Salkas mittlerer Sohn, der Schriftsteller Peter Viertel, verfasste, fand jedoch ebenso wie frühere Versionen nur eine geringe Verbreitung.

    Salka Viertel berichtet in ihrer Autobiographie mit scharfsinnigem Blick von den verschiedenen Ereignissen, welche die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten. Ihr Buch ist eine Chronik von erheblicher historischer und politischer Bedeutung, auch wenn es nach der Veröffentlichung wenig Beachtung erhielt, was jedoch vermutlich unter anderem auf den Umstand zurückzuführen ist, dass es von einer Frau geschrieben wurde. Es gibt jedoch noch einen weiteren, möglicherweise entscheidenden Grund und zwar den, dass Salka sich im Hinblick auf ihr Privatleben sehr bedeckt hielt. Sie bewahrte die ihr anvertrauten Erfahrungen vieler Freunde lieber für sich und verschwieg sogar, um niemanden bloßzustellen, den Namen mancher berühmten Persönlichkeit, die sich in ihrem Haus aufgehalten hatte.

    Im Laufe der Zeit verfassten jedoch einige dieser Freunde ebenfalls ihre Memoiren und verwiesen an der einen oder anderen Stelle auf Salka. Diese Werke sind im Literaturverzeichnis aufgeführt, ebenso wie verschiedene Dokumente aus internationalen Archiven und Bibliotheken wie dem Deutschen Literaturarchiv von Marbach, der University of Southern California von Los Angeles, der Margaret Herrick Library und der Academy of Motion Pictures Arts and Sciences von Beverly Hills, The Rosenbach Museum & Library von Philadelphia, der Deutschen Nationalbibliothek und dem Deutschen Exilarchiv 1933-1945 in Frankfurt am Main, der Library of Congress in Washington, der Franklin D. Roosevelt Presidential Library in New York, der Deutschen Kinemathek in Berlin, dem Jewish Museum in New York oder dem Archiv der Akademie der Künste in Berlin. Sie schildern das Leben einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und ihren Platz in der Geschichte verdient.

    Mein Dank gilt allen Personen, die einen Teil dieser Geschichte aufgezeichnet und mich bei meinen Forschungen unterstützt haben, indem sie mir Dokumente zur Verfügung stellten, meine Fragen beantworteten oder ihr Einverständnis für die Publikation erteilten. Ich bedanke mich herzlich für die erhaltene Unterstützung und nicht zuletzt für die Freundlichkeit von Michaela Ullmann (University of Southern California); Kristine Krueger (Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Margaret Herrick Library); Dr. Marcel Lepper, Thomas Kemme und Dörthe Perlenfein (Deutsches Literaturarchiv Marbach); Michael Schwarz und Sabine Wolf (Akademie der Künste); Regina Elzner (Deutsche Nationalbibliothek); Rosemary Hanes (Library of Congress); William Baehr (Franklin D. Roosevelt Presidential Library); Thomas Kuhnke; Andrew Viertel; Katharina Prager; Don Bachardy; Phyllis Green (The Christopher Isherwood Foundation); Scott Reisfield; Alexandra Tyrolf; Mark A. Vieira; Robert A. Schanke; Nina Bahrendt (Villa Aurora); John (GarboForever); Elizabeth E. Fuller (The Rosenbach Library); Daniela Maurer (Israelitische Kulturgemeinde Wien); Małgorzata Budzyńska, Alan Schwartz und David Behrman. Selbstverständlich gilt mein Dank auch Lena Pasternak und Patrik Muskos (Baltic Centre), die an mein Projekt geglaubt und mir ein Aufenthaltsstipendium in Visby, Schweden, gewährt haben, um an dieser Biographie zu arbeiten.

    Salka Steuermann

    Salka Viertel, geborene Salomea Sara Steuermann, kommt am 15. Juni 1889 als Tochter einer jüdischen Familie in Wychylowka zur Welt, einem Vorort von Sambir ³ in der Provinz Galizien, die damals Teil des österreichisch-ungarischen Reiches war, später zu Polen gehörte und heutzutage in der Ukraine liegt. Sambir ist zum Ende des 19. Jahrhunderts eine kleine Stadt mit 25.000 Einwohnern, in der Ukrainer, Polen und Juden gemeinsam leben. Ihr Vater, Josef Steuermann, besitzt eine Anwaltskanzlei und wird zum ersten jüdischen Bürgermeister der Stadt gewählt. Ihre Mutter Augusta wollte ursprünglich Opernsängerin werden, gibt diesen Traum jedoch unvermittelt auf. Mit ihrer blassen Haut, den hellen Augen und dem blonden Haar hätte man sie leicht für eine Arierin halten können. Salka ist die Älteste von vier Geschwistern. Ihre Schwester Rose wird 1891 geboren; Edward im Jahr 1892; der jüngste Bruder Zygmunt mit dem Spitznamen Dusko kommt 1898 zur Welt.

    Ihre Kindheit ist geprägt durch den Lebensstil einer wohlhabenden, jüdischen, aber nicht gläubigen Familie, in der die Schönen Künste geschätzt werden und eine bereits von den Urgroßeltern zelebrierte Begeisterung für die Musik herrscht. Da sie zwei Kilometer von Sambir entfernt auf dem Land leben, gehen die Kinder nicht zur Schule und werden stattdessen von einigen deutschen und französischen Lehrerinnen unterrichtet. Salka beherrscht beide Sprachen fließend, zusätzlich zu der polnischen und ukrainischen Sprache, die in ihrer Familie gesprochen wird und in der sie sich mit Niania verständigt, ihrem Kindermädchen, das weder lesen noch schreiben kann und sich wie eine zweite Mutter um sie kümmert. Sie verbringt eine glückliche Kindheit in Wychylowka, einem Ort inmitten einer idyllischen Landschaft mit Wäldern, einem Fluss, einem Gemüsegarten mit zahlreichen Obstbäumen und am Horizont das grüne Bergpanorama der Karpaten, deren Gipfel je nach Jahreszeit erdfarben oder schneebedeckt sind.

    In jungen Jahren wird das Buch Maria Stuart von Friedrich Schiller zu ihrem treuen Begleiter und sorgt dafür, dass Salka ihre Leidenschaft für das Theater entdeckt. Sie liebt die Rolle der Maria I. Königin von Schottland, beherrscht den Text auswendig und rezitiert ihn zu Hause vor ihren Geschwistern und den Hausangestellten. Die älteren Familienmitglieder reagieren darauf mit einer gewissen Zurückhaltung; möglicherweise, weil Salkas rebellischer Charakter sie befürchten lässt, dass ihr zukünftiger Lebensweg auf die Theaterbühne führen könnte. Diese Vorstellung missfällt ihnen und Schauspielerin scheint ihnen kein angemessener Beruf für eine Frau zu sein. Wenn Salka Texte rezitiert, kommt es vor, dass die Frauen ihrer Familie sich über sie lustig machen, auf ihren zweiten Namen Sara anspielen – genau wie die berühmte Schauspielerin Sarah Bernhardt! – und sie regelrecht auslachen. Ihr Vater lauscht jedoch aufmerksam dieser Maria Stuart, die zwar etwas frühreif, aber liebenswert und voller Begeisterung ist. Salkas graue Augen blitzen angesichts neuer Entdeckungen voller Neugier und können gleich darauf von Melancholie getrübt sein. Ihr rötliches Haar, das sie üblicherweise als wilde Pracht trägt, steckt sie zu gewissen Gelegenheiten ordentlich zurück, ebenso wie auf der Fotografie in diesem Buch. Im Laufe ihrer zukünftigen Karriere als Schauspielerin wird es sie einige Mühe kosten, die Rolle der schottischen Königin zu spielen. Nicht nur, weil es sich um eine begehrte Rolle handelt, die erfahrenen und berühmten Schauspielerinnen vorbehalten ist, sondern auch, weil sie auf dieser improvisierten Bühne im Kreis der Familie damit konfrontiert wird, dass man sie nicht für eine Schönheit hält und nicht einmal ihre anmutige Gebärde am Schluss der Darbietung zu würdigen weiß. Ihre Schwester Rose hingegen muss nur dasitzen ohne etwas Besonderes zu tun, um sämtliche weiblichen Familienmitglieder von ihrer unglaublichen Schönheit schwärmen zu lassen.

    Im Alter von zehn Jahren zeigt sich bei Salka eine verstärkte Krümmung der Wirbelsäule und um diese zu korrigieren, besucht sie das Orthopädische Institut der schönen Stadt Lwiw. Dort findet auch Schulunterricht statt, die religiöse Unterweisung ist jedoch freiwillig und es wird eine gemischte Schülerschaft aufgenommen, was für die damalige Zeit eher unüblich war. Das Zentrum wird von zwei Flüchtlingen aus dem russischen Sektor in Polen geleitet. Schon bald wecken die Themen der polnischen Geschichte und Literatur, die Madame Dalecka lehrt, die Kreativität der jungen Salka und sie beginnt, Erzählungen und Gedichte von melancholisch-patriotischer Natur zu verfassen. In den naturwissenschaftlichen Fächern weist sie hingegen einige Defizite auf.

    Ihre Leidenschaft für die Literatur lässt sie Bücher von George Sand wie Indiana verschlingen, dessen Inhalt ihrer Großmutter und den meisten anderen älteren Frauen skandalös erscheint. Sie rezitiert William Shakespeare, den polnischen Dichter Juliusz Słowacki und als Jugendliche verstärkt sich der Wunsch, Schauspielerin zu werden. Ihre Mutter und ihre Tanten haben jedoch andere Vorstellungen und versuchen, Salkas Aufmerksamkeit vermehrt auf die Aussteuer zu lenken, da sie hoffen, dass sie sich angesichts all der hübschen Dinge mehr auf das Dasein als Ehefrau freuen und das Theater vergessen würde.

    Ihre Eltern Josef und Augusta streiten sich häufig und Salka ergreift in der Regel für ihren Vater Partei, weil sie ihre Mutter für die Stärkere in der Familie hält, die ihre Unterstützung folglich nicht benötigt. Offensichtlich versteht Salka sich besser mit ihrem Vater, auch wenn dieser seinen Kindern gegenüber eine gewisse Distanz zeigt.

    Salka begegnet Stas, einem jungen Mann, der bei ihrem Vater arbeitet. Mit dem Einverständnis ihrer Familie gehen die beiden einige wenige Male miteinander aus, doch dann erkrankt Stas plötzlich und stirbt. Salka trauert sehr um ihren Verlobten. Einer Tante des jungen Mannes tut es leid, sie mit nur fünfzehn Jahren so melancholisch und niedergeschlagen zu sehen und sie überzeugt Salka, bei einem Vorsprechen in Wien ihr Glück zu versuchen. Dort besucht Salka eine Vorstellung der berühmten Sarah Bernhardt, die auf ihrer Europa-Tournee Die Kameliendame aufführt und diese Darbietung beeindruckt sie nachhaltig.

    Beim Vorsprechen in Wien teilt man Salka mit, dass ihr Deutsch einen starken slawischen Akzent aufweise und sie an ihrer Aussprache arbeiten müsse, um auf der Bühne stehen zu können, dass sie jedoch zweifellos schauspielerisches Talent besitze. Damit Salka klassische junge Heldinnen spielen darf, willigt ihr Vater letztendlich ein und unterzeichnet den Arbeitsvertrag, obgleich die damaligen Vertragskonditionen in Europa die Schauspieler zu einer regelrechten Sklaverei verdammten. Ungeachtet dessen ist für Salka ein Traum in Erfüllung gegangen. Während der kurzen Ruhepausen zwischen den Vorstellungen kann das junge Mädchen ihren Wunsch, bald wieder weit weg von zu Hause und ihrer Familie zu sein, kaum verstecken. Sie pflegt Briefkontakt zu ihrer Familie und trägt hin und wieder einen halbfertigen Brief mit sich herum, den sie hinter den Kulissen schreibt. So pendelt sie zwischen verschiedenen Orten hin und her und fühlt, dass sie die Charakterstärke ihrer Mutter geerbt hat. Wenn sie nach Sambir zurückkehrt, wo sie zuvor stets von den wichtigen Amtspersonen des Ortes gegrüßt wurde, weil sie die Tochter des Bürgermeisters, eine Steuermann, war, muss sie nun erleben, dass diese aufgrund ihres Daseins als Schauspielerin den Respekt vor ihr verlieren und sie wie eine gewöhnliche Person behandeln. Auch bei ihrer Arbeit bleiben ihr unangenehme Erfahrungen nicht erspart und sie wird mit den Annäherungsversuchen eines Theaterregisseurs und den Unverschämtheiten einiger Schauspieler konfrontiert. Salka lebt nun in einem Ambiente, das sich drastisch von den früheren, gewohnten Kreisen unterscheidet, in denen sie als gut erzogenes und gebildetes junges Mädchen verkehrte. Und es gibt den einen oder anderen, der nicht an solche Mädchen in der Theaterkompanie gewöhnt ist, so dass es häufiger vorkommt, dass sie oder andere Darsteller, die nicht die deutsche oder österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, beleidigt werden. Zu jener Zeit zeigen sich bereits fremdenfeindliche Anwandlungen am Theater.

    Im Alter von zwanzig Jahren feiert Salka ihr Debüt mit Medea im Stadttheater von Pressburg an der Donau. Kurz darauf erhält sie Arbeit am Theater von Teplitz-Schönau in Böhmen, wo sie kleinere Rollen in Werken wie Maria Stuart spielt, während eine andere, erfahrenere Schauspielerin in die ersehnte Rolle der Königin schlüpft. Später reist sie nach Zürich, wo sie eine Rolle in Wallenstein übernimmt, einem weiteren Werk Schillers, doch bei der Premiere hagelt es vernichtende Kritiken. Bis zu jenem Zeitpunkt variierte der Name, mit dem sie im Theaterprogramm erschien zwischen Salomea Steuermann und Mea, bis sie sich für Salka Steuermann entscheidet, unter anderem auch deshalb, um das erlebte Scheitern in der Schweiz hinter sich zu lassen.

    Es fällt ihr nicht leicht, Arbeit zu finden, und so probiert sie ihr Glück in Berlin, wo sie mit ihrem Bruder Edward, den sie Edek nennt, zusammenwohnt. Die beiden teilen sich eine kleine Wohnung im Osten Berlins und ganz in der Nähe befindet sich ein Restaurant, in dem regelmäßig Personen aus der Künstlerwelt verkehren, so dass die Geschwister Steuermann häufig Besuch empfangen. So wird ihre Wohnung innerhalb kürzester Zeit zu einer Art Bohemien-Salon, wo man anregend diskutiert, unmoralische Ideen teilt und neue Freundschaften pflegt. Ihr Bruder nimmt damals Klavier- und Kompositionsstunden bei Arnold Schönberg, der von der wohlhabenden Albertine Zehme mit der Partitur des Gedichtzyklus des Pierrots beauftragt wird, die Edward später gemeinsam mit anderen Musikern interpretiert. Auf der Bühne sind alle Musiker und sogar der Dirigent von Wandschirmen verdeckt. Die einzig sichtbare Person ist Albertine Zehme, die mit weiß geschminktem Gesicht und verkleidet als Pierrot melancholische Gedichte rezitiert, welche sie langsam und Silbe für Silbe ausspricht, was ihre Darbietung qualvoll unharmonisch und zutiefst modern macht. Diese Vorstellung mit dem Titel Pierrot Lunaire erntet vor allem Pfiffe, Buhrufe und Empörung bei den Zuschauern, auch wenn später das große Talent Schönbergs anerkannt wird.

    Berlin bietet Künstlern viele Möglichkeiten. Salka ist entschlossen, diese zu nutzen und begibt sich zu einem Vorsprechen bei der Kompanie Max Reinhardt. Trotz der anfänglichen Nervosität werden ihre Schritte, sobald sie die Bühne betritt, immer sicherer, auch wenn es nach wie vor nicht zu ihren Stärken zählt, die eigene Weiblichkeit zu ihrem Vorteil einzusetzen. Die Szenen, die sie an jenem Tag wählt, zeigen ihre schöne, dunkle Stimme. Ihre lebhaften Hände heben die Bedeutung einzelner wichtiger Worte hervor, bei einigen Ausrufen mischt sich Jubel in ihre Stimme und ihre Atemzüge sind ruhig und langsam. Als sie anschließend auf die Entscheidung wartet, wird ihr Gesicht nachdenklich – ebenso wie das der anderen Frauen, da sie nicht die Einzige war, die an jenem Tag ihr Glück versuchte und diese oder jene Rolle vorführte, die sich frisierte und schminkte, so gut sie es vermochte, die mit der eigenen Nervosität kämpfte. Die angesichts der aushängenden Liste vor Enttäuschung oder vor Freude weinte und zu guter Letzt ihre Gegnerinnen umarmte. Die Auserwählten, so wie sie, unterzeichnen einen Vertrag mit der Kompanie des Deutschen Theaters. Für ihr Leben und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse stellt dies eine deutliche Veränderung dar. Das Glück ist nun auf ihrer Seite und hinter den Kulissen lernt sie zukünftige Filmregisseure wie Ernst Lubitsch oder Friedrich Wilhelm Murnau kennen. Obgleich sie noch Anfängerin ist und zunächst nur beiläufig am Ende des Programms erwähnt wird, erhält sie schon bald Hauptrollen in klassischen Werken wie Faust II, Hamlet, Penthesilea oder der Inszenierung der Orestie, in der Salka eine trojanische Sklavin spielt.

    Der Theaterregisseur Max Reinhardt besitzt mehrere Theater an verschiedenen Standorten in Berlin. Salka erkennt ihn meist schon von weitem. Er taucht auf, gibt Anweisungen aus dem Auditorium oder auf dem Weg zu den Umkleideräumen und wirkt in höchstem Maße unerreichbar. Seine blauen Augen besitzen eine unglaubliche Wirkung und mit nur einem einzigen Blick gelingt es ihm, dass zahlreiche Schauspielerinnen sich ihm wortwörtlich vor die Füße werfen. Einige halten ihn für sehr attraktiv, während andere nahezu in Ohnmacht fallen, sobald sie ihren Chef aus der Nähe sehen. Salka verbringt eine glückliche Zeit in Berlin. Im Sommer reist sie mit ihrem Bruder Edward nach Wychylowka und bei ihrer Rückkehr nach Berlin gesellt sich ihre Schwester Rose mit dem Plan, Literatur studieren zu wollen, zu ihnen und die drei arrangieren sich gut miteinander in der winzigen Zwei-Zimmer-Wohnung. Gleich nach ihrer Ankunft stellt Rose fest, dass ihr Berufswunsch in Wirklichkeit nicht die Literatur ist, sondern dass sie auf der Bühne stehen und all die Rollen spielen möchte, die sie aus den Büchern liebt. Die drei verbringen nur wenige Monate zusammen in Berlin, denn nach ihrer Rückkehr fällt es Salka zusehends schwer, Hauptrollen zu erhalten. Ellen Geyer, eine ihrer früheren Kolleginnen, unterbreitet ihr den Vorschlag, sich der Wiener Kompanie Neue Wiener Bühne anzuschließen, die zu jenem Zeitpunkt neue Darsteller sucht. Auch ihre Schwester Rose bricht nach Wien auf, um dort Schauspielunterricht zu nehmen, so dass die beiden weiterhin nahe beieinander sind.

    In Wien spielt Salka Hauptrollen in Theaterstücken wie Der Vater von August Strindberg oder John Gabriel Borkmann von Henrik Ibsen. In dieser Stadt lernt sie auch Alexander Jaray

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