Okkultismus 1925 - 12

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Lentralhlatt fiir Okkultismus, Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften. Herausgeber u. verantwortlicher Schriftleiter: Max Altmann, Leipzig. Beitrige und Zusehriften fir das Zentralblatt arta eines eingainen Wottes | sind zu rightan an desson Herausgeber auBer Abonnement Mk. 1,25 portofret, JR, Sods Sen 3 Heremneo Falls am Ende eines dahrganges nicht augdriick- Max Altmaun, Leipzig, Frommann-Strafe 5. lich Abbestellung erfolgt, gilt der Bemg Allon Zusohriften und Anfragen ist Antwort: _als fiir den nachsten Jalrzang verlingert. a Zahtungsort un! Gerichissiaud ist. Leipzig. Hevpre elena: Anzeigenpreigo; Die Vertasser habon die in ten Arbeiten nieder- | 20 Pig. dio einspalt. 60 Pig. dio zvoispalt Milli legten Ansiokten aclbat au: vertreton, meterzeile bezw. deren Raum, Seiten Anahtet ae it trot Alle Geldsendungen sind an die Verlagsbuchband- Halbjatvs-Bezugspeeis M. 6.— nedst 30 Pfg. Porto, | “lung Max Altmann in Leipzig 2u riehten. furs Ausiand 60 Pfg. Porto. Postschecikonto Wr. 62708. i XIX. Jahrgang. | Juni 1926. | 12. Heft Bezugseinladung! Mit diesem Heit am Schluf des 19. Jahrganges des Zentralblattes fiir Okkultismus angelangt, kiénnen wir den Lesern die erfreuliche Mittellung machen, dal fiir dessen neuen Jahrgang schon jetzt eine Reihe ebenso vor- trefflicher wie hochinteressanter Arbeiten vorliegt, von denen die folgenden bereits in den nichsten Heften zur Verdfientlichung gelangen: nig, Die Forschungen Durvilles. — Kern, Traum und Leben. — dto., Schwerkraff. — Dy. med. Beyer-Piirten, Die geistige oder Lebens- kraitheilbehandlung Ii. Teil. Ihre Ausiibung in der Lebenskraftbestrahlung und Heilfiihluntersuchung. Ill. Teil. Der Entwicklungsgang des geistigen Mellers, seine reingelstige Fern: und Massehbehandlung. — Sigerus, Die ‘Yelepathie bei Menschen und Tieren und die Bezichung der telepathischen Vorgange zu Technik u, Metaphysik, dto. Die Geschichte eines telepathischen Verbrechens. Leonhardt, Einféhrung in die Magie. — Heyner, Berichte aus dem Leserkreise. — Frégonneau, Der Schwarzmagier Faust in Sage und Geschichte, -- Rouhier, Der Yagé, eine Telepathie hervorrufende Pflanze. — Tarlaruga, Das Geheimnis der Agyptischen Pyramiden. — Lang- ner, Die Sfigmatisation. — Osty, Pascal Forthny, ein franzésisches Me- dium, Hentges, Albert de Rochas und sein Werk. -- dte., Die Magus- Sage. — dto., Sédir, sein Leben und sein Werk. — Richet, Ein allgemeines biologisches Problem mit Bezug aut neue kryptisthetische Versuche. — Kniese, Antipathie und Sympathie, — Schwickert, Zwischen 11 und 12, — dto., Ein néchtliches Eriebnis im Schwarzwald. — Diirr, Der kiinstliche Traum. dto., Wahrtriume. —- —i—, Das Weltbild eines Mystikers, — dto., A. E. J. O. U., Ein neuer Weg fiir Tischklopferkreise. — dto., Japans Krieg gegen die Vereinigten Staaten im Jahre 1925, — U. a. m. Im neuen Jahrgange werden, wie schon im ablaufenden begonnen, noch diter angesehene auslindische okkultistische Autoren zu Worte kommen, reiche Erfahrungen darbietend. Es ist ja doch leider immer noch so, daf die okkul- tistische Forschung im Auslande uns voraus ist. Der Verlag scheut auch trotz der ungiinstigen wirtschaiflichen Lage die Kosten nicht, den ncven Zentralblatt flr Okkultiswue, XIX. Jetirgang. BL http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0533 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg golondert rch le DFG — 580 — Zeitschriftjahrgang in einem schmuckeren Kleide erscheinen zu iassen. S6 diirfen wir wohl anf weitere treue Gefolgschalt des Leserkreises rechnen. Die Welterlieterung des 20. Jahrganges an alle bisherigen Bezicher wird als erwilnscht angenommen, falls bis 1. Juli nicht ausdriicklich Abbe- stellung erfolgt. Der Herausgeber und Verleger. Yoga-Suggestion. Von Karl Kern. Beeinflussung des eigenen Ich oder eines fremden Ich ist es, was wir Suggestion nennen, Anregen einer Idee in dem UnterbewuBtsein, dic dann nach ¢ pGesetz der unterbewuliten Zielstrebigkeit® (Baudouin) ihre Verwirklichung erstrebt und auch Mittel und Wege zu der Ver- wirklichung findet Nach der Ansicht und den durch Erfahrung gewonnenen Lehren der ,Schule von Nancy“ sind bei jeder Suggestion drei Stufen zu unter- scheiden: 1. Die Vorstelling einer Verinderung im Organismus; 2. der ProzeB der Verwirklichung dieser Idee, der aber fiir unser augenblick- liches Ich unbewu8t bleibt, und 3. das Hervortreten der Veranderung die wir gedachi haben. Dic zweite Stufe ist, mbewubt, Wir haben also cine Kausalkette vor uns, deren Endglieder wir in der Hand haben, wihrend wir das Mittelstiick nicht sehen. Welche starken und umvéilzenden Veriinderungen eine Suggestion im Organismus herverrufen kann, ist wohl bekannt. Und awar erstreckt. sich die Wirksamkeit durchaus nicht mur auf funktionelle Ande- derungen, wie stets von Bernheim einschrinkend festgestellt wurde, son- ern auch auf organische Umwiilzngen. Zur Beleuchtung der sug- vestiven Méglichkeiten mochte ich die von mir éfter durch Hitzesugge: tion erreichte Abhebung der oberen Haut (Brandblase) erwihnen. Die von P. Janet erreichte Riickversetzung einer Fran in eine Schwanger- schaftsperiode fithrte ich schon frither an) Bin interessanter Fall ist das Beseitigen eines Hornhautgeschwirs, das beim Weitergreifen zur villigen rblindung gefiilirt hatte. Fin Maximum ist die Beschleunigung einer Geburt um 3—4 Wochen. (Bericht von Dr. Bonjour auf dem [TT, Internationalen KongreB {. Psychologie und Psychotherapie zu Miinchen.) Denken wir an die durch Suggestionen hervorgerufenen sogen. auto- matischen Bewegungen. Wir émen fiir cine sehr lange Zeit jemand den Arm rollen machen. und gwar weit tber die Zeit hinaus, innerhalb welcher wihrend einer normalen Bewegung langst cine [Ermiidung eintreten witrde. (Aus dieser Tatsache, daB, ebenso wie bei reflexen Muskelkontraktionen, keine Ermtidungsspuren auftreten, zog Prof. Richet ') Z £ O. Nr, 7 (Januar 1926) S324, igoteertauren ale http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0534 © Universitatsbibliothek Freiburg DFG — 531 — den SchluB, daB bei Bewegungen die Willensanstrengung und nicht die Verktirzung der Muskeln die Ermiidung hervorraft.) Denken wir weiter an das Anfgabengebiet der planmafigen Suggestion in der Padagogik, und gwar in Hinsicht der Fremd- und auch der Selbsthecinflussung, und wir werden kein Gebiet finden, in dem nicht die Suggestion herrscht. Wir finden kein Ende ihrer Wirksamkeit und wir steigern unsere Erwartungen immer hiher, »Durch unhérbares Murmeln wird eine Begegnung mit jemandes Lieblingsgottheit herbeigefiihrt.“ Wir finden diesen Satz im Yoga des Pantanjali. In gewdlmliche Sprache tibertragen will das heiben, dab wit durch unaufhérliche uns selbst gegebene Suggestionen schlieBlich doch der uns bewegenden Idee die Zielstrebigkeit in dem Unterbewubtsein hervorrufen kénnen, die die Idee au ihrer Verwirklichung treibt. Tech erinnere mich des indischen Glaubens, dali der, der cinen Gedanken eine bestimmte Zeit fest, unbeweelich hegen kann, also die Vorstellung irgend viner Verindering, diesen Gedanken oder, wie wir es auch nennon kinnen, diese Tdee, in die Wirklichkeit wngeseizt sehen wird (Kryshakti). Dab hei dem Yoga noch anderes cine Relle spiclt, ist bekannt. Wir kénuen aber alle Ubungen als Hilfsmittel auffassen, die den Organismus frei von Ablenkungen uad ffhig fiir die Aufnaime von Suggestionen machen sollen, die im Verhalinis zu den vorher angefiihrten so wnerhért sind, daB wir sie kaum fiir méglich halten, Kérperliche Abhirtungen, Kastei- ungen und iihnliches sullen das beeinflussen, von dem die Realisations- tendenz des Psychischen abhangig ist, mimlich die Affektivitit. Denn um die Suggestion vollstindig za begreifen, miissen wir uns vor Augen halten, dab das Problem der Suggestibilitit immer wieder auf das der Affektivitat fiihrt. Dic Suggestibilitit, d. lh. die Fahigkeit zur restlosen Aumahme beaw, Verwirklichung ciner Idee (Sugees dic Affektivi (. durek sie verschiedengradig abgestufte psychische Bereitschaft zum Auf- nebmen neuer, in besonderem MaB zum Ausdruck neigenden Vorstellungen, Halter, wir uns die Tatsache stete vor Augen, dab Suggestion von Micki, Suggestibilitit von Affektivitit abhingig ist, so begreifen wit cinesteils die’ Nichiwirksamkeit von Suggestionen bei bestimmten Indi- videen, andernteils aber erhalten wir einen génzlich newen Minblick in das System der indischen Religionsphilosophie. Wir haben dort ein derart fein und bisin alle kleinsten Binzelheiten ausgebautes System der Be- cinflussung des Geistigen durch das Geistige und damit des Auberlich- Kérperlichen durch das Geistige vor ans, wie es nur im Laufe von vielen, vielen Jahrhunderien aufgebaut werden konnte, und auch wie dies System der Beeinflussung hat aufgebaut werden kénnen nur von Menschen, die, noch frei von den ,Sognungen” der heutigen Zivilisation aa ion), ist die durch Affektbetouung der Vorstellungen) bedingte und http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0535 © Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 582 — im engsten Zusammenleben mit und in der Natur an und in sich selbst die Beeinflussung des Physischen durch das Psychische erlebt und er- kannt hatien. Wir haben cin System yor uns, das eine Erklarung und Erléuterung des Satzes ,,bewwlit leben“ ist. BewuBt leben durch das Unbewubte! Wir finden im Yoga‘) lange Abhandlungen, dic sich damit befassen, das physiologische Wirken im menschlichen Organismus zu meistern, die kérperliche Gesundheit zu festigen und den Willen zu schulen. Wir finden aber auch andere Stellen, in denen diese Art verworfen und dar- gdegt wird, daB und wie das Denken als solehes au bemeistern ist. Wir sehen so die Richtung des ,,mens sana in corpore sano‘, daf die Entwicklung und Gesundung des Kérpers auch eine Entwicklung des Geistes nach sich gieht; wir sehen aber auch den Weg, der gefihrt ist nach der Anschauung, es ist der Geist, der sich den Kérper baut." Aber beide Wege sind zu gehen zu dem Ziel” der Ausbildung aller Tugen- den und der psychischen Beeinflussung und Entwickelung. Ich las einst in dem Werke eines Erliuterers des Yoga (den Verfasser kann ich leider nicht mehr anfiihren): .Man nimmt ferner an, dali dieses innere Organ (cittam = denken) bemeistert und in einer Zustand absoluter Ruhe ve: setzi werden kann, trotz seiner im innewohnenden Neigung, auf die eine oder andere Verinderung auf Grund der Lestindig vortiberaichenden Dinge einzugehen,“ — Damit sollte gesagt sein, dab die Yoga-Philoso- phen auf dem Standpankte standen, daB eine Bemeisterung des Willens unl Denkens, kurz eine Herrschaft iiber das BewuStseia, durchaus miglich sei. Sie hatten dasselbe erkannt wie die alten Kabbalisten: hinter dem Willen steht der Wunsch. Nach ihrer Erkenntnis ist der Wille von dem Wunschleben, d.h, von dem Affekt des Individwums abhingig. Thr Streben war nach dieser Erkenntnis darum auf das Ziel gerichtet, das Wun und Triebleben zu beeinflassen, um den Willen unabhangig von dem Affeké zu machen bezw. ihn méglichst von dem Affekt loszulisen. Ich schrieb oben: Die Suggestibilitat .... ist die durch die Affektivitat bedingte und durch sic verschiedengradig abgestufte psychische Bereit- schaft zum Aufnehmen neuer ... Vorstellungen. Wir sehen also, dal wir bei den Yoga-Philosophen die Erkenntnis dieses Satzes finden und daB ihre Absicht eine Beeinflussung der ktivitat, del. des Wunseh- und Trieblebens ist, um den stérenden Faktor fiir die Aufnahme und die Verwirklichung ,neuer, i besonderem Mafe zum Ausdruck neigender Vor stellungen zu beseitigen. Da meines Wissens die Suggestionswirkung im Yoga-System noch nicht in aller Scharfe betont und ausgearbeitet war, méchte ich, um jeg- 1) Ichs preche hier nicht yon ch.cm bestimmten Vogasystem, sondem Yoga schlechthin. ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0536 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg i. $38 lichom MiBverstandnis vorzubeugen, nch einmal dic Krkliirung des Wortes j Suggestion” betonen. Wir verstchen unter Sneestion den Vorgang, dab cine Idee, dic in uns eingedrungen oder in uns absichtlich — sei es von uns selbst uder von anderen ~~ gelegt ist, nach einem mehr oder weniger langen Werdegang ihre Wirkungen hervorbringt. In diesem Satze ist mic grobter begrifflicher Deutlichkeit und Scharfe das Wesen und die Aufflassung der Suggestion dargelegt. Man mufi sich aber hiiten, den Be- aviff ,Suggestion™ nur auf grob kérperlich sich zeigende Exdwirkungen zu bescirinken und uur auf sie anguwenden. Denken wir an das, was ich oben sagte, da letzten Endes in ihrem innersten Wesen Suggestion eine Beeinflussung des Geistigen durch das Geistige ist, Dane werden wir gu der Uberzeugung kommen, dab das Hochzicl und End- ziel in dev Anwendung der Suggestion sich durch die vielen Jahrtausende seit dem Entstehen des Yoga gleichgeblicben ist. Das ist tiber die Auswir- kung in kérperlicher Hinsicht hinaus die Auswirkung im Geist — durch den Geiss, Ein Hellscher- Prozess in Miinchen. Claire Reichart vor Gerieht. Von Fritz Voelkel. esbestimmuune Wie cs bei der in Bayern noch bestehenden Gesetz Art. 51 des bayerischen Polizeistrafgesetzbuches nicht anders mu erwar- ten war, endete die Verhandlung gegen die Helischerin Claire Reicha rt ver dem Amtsgericht Miinchen-Au mit ciner Verurteilung. Claire Reichart wurde, wie ans den Zeitungsmeldungen bereits zu erseien war, wegen fortgesetater Chertretung der .Gaukelei (Art. 54 des bayerischen Polizeistrafgeseizbuches) zu ciner Geldstrafe von LOO Mark, fiir den Fall der Uneinbringlichkeit zu 10 Tagen Haft kosten- fallig verurteilt, Der Vergang ist kurz, folgende Claire Reichart (eigentlich Therese Reichart, Claire ist ihr Kiinstlor- name), cine blasse, zarte Erscheinung von ungefihr 36 Jahren, Toch- ter eines Schneidermeisters, wuchs unter schweren Hntbehrungen auf. Anfangs war sic als Verk#uferin in Regensburg und Miinchen titig, spiiter lieB sie sich als 'Tanzerin ausbilden. Schon als Kind hatte sic cigenartige Visionen. Vor Beendigung des Krieges sah sic dessen Ende voraus, schilderte die kommende Revolution in Bayern, den An- schlag auf den bayerischen Abgeordneten Auer wa. Seit Herbst vorigen Jahres befabte sic sich damit, Personen, die zu ihr kamen, die Zukunft vorauszusagen, Dabej nahn sie des Oftern ~~ sie befand sich in arnlichen Verhaltnissen — Meine Geschenke an, Daraufhin wurde http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0537 © Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 584 — ihv ein Suratbefehl zugesandt, gegen den sie Einspruch erloben hatte und der den Grund zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Minchen-Au bildete. Zur Verhandlung waren 16 Zeugen geladen, denen sie weit suriick liezende Ereignisse aus ihrem Leben mit einer oft geradezu erstaun- lichen Sicherheit erzahlte, sowie die Zukunft betreffende Dinge, dic latstichlich cingetroffen sind. Wenn, wie beispielsweise aus der Zeugen- aussage eines Naturwissensehaftlers, eines Dr. Dietrich, der sie aufsuelte, wal er sich sehr lebhaft fiir psychische Phénome interessierte, auch angenommen werden kénnte, dali das, was ihm Claire Reichart tiber sein vergangenes Leben erzihlte, auf Grund telepathischer Chertragung erfelgte, so standen dem doch cine Reihe Zeugenaassagen gegeniiber, bei denen diese Schlubfolgerung nicht gezogen werden konnte. es ist hier nicht der Raum, auf all die Aussagen niher einzugchen, es ge- t, dai der Teil der Aussagen, der ihre Prophezeiungen bestitigte, weit ttberwiegt, um irgendwelche Zufallsmomente, dic angenommen wer- den kénnten, auszuschalten. Zudem hat auch das Aamtsgericht in der Begriindung des Urteils angefiihrt, dab ihre Voraussagen teilweise in Erfillung gegangen seien Und trotzdem die Verurteilung? Art. 51 des bayerischen Polizeistrafgesetzbuches vom Jahre {871 (1), der also heute noch in Kraft ist, bedrolt Personen mit Strate. die »gezen Lohn oder zur Erreichung cines sonstigen Vorteils sich mit augeblichen Zaubercien oder Geisterbeschworungen, mit Wahrsagen, Kartenschlagen, Schatzgraben oder ahnlichen Gaukeleien abgeben.“ Das Jericht’ kennt, wie in der Urteilsbegriindung zu héren war, keinen Unterschied zwischen Wahrsagen mit positiven oder negativen Erfolgen, Die Angeklagte mufte demnach bestraft werden, wenn auch ilire Angaben talsiichlich eingetroffen sind. Es liegt hier zweifellos cine Gesctzesbestimmung vor, die mit den Ergebnissen der molernen wissenschaftlichen Forschung wnmiglich mehr in Kinklang zu bringen ist. Es geht wohl nicht an, die nachstbeste Kaffeersatz-Circe mit Leuten auf eine Stufe zu stellen, die, wie bei spiclsweise Astrologen, ihre Voratissagen auf Grund von langvwierizen astronomischen bezw. mathematischen Berechnungen geben. Tnteressant waren die Ausfihrungen des Vertreters der Anklage behdrde, Staatsanwalt Aubele: Es sei nicht erforderlich, festzustellen, ob Wahrsagen den Gesetzen der Wissenschaft standhalte oder ob Walrsagen immer Schwindel sei. Das sei Sache spezieller wissenschaftlicher For- schung. Fir das Gericht miisse es geniigen, da® ernste Manner der Wisssenschaft die Méglichkeit zugeben, dali riiumliche und zeitliche Ent ferr ungen, dic mit den gew0hnlichen Sinnesorgenen nicht erreicht werden http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0538 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 585 -- kénnten, von den inneren Kraften des sympathischon Nervensystems mu tberbritcken scien. (Also doch das Eingestindnis, da Hellschen nicht immer Schwindel sei, d. Verf.) Hin Betrugsfall kénne nicht angenommen werden, weil nicht zu bezweifeln sei, daB die Angeklagte an ihre Fihigkeiten geglaubt habe, Hr beantrage auf Grund der Er- gebnisse der Zeugenaussagen wegen Ubertretung des bereits erwahnten Ar- tikels, nachdem festgestellt wurde, da® Fri, Reichart tatsichlich Bezallang beaw. Geschenke angenommen hatte, die Angcklagte fiir schuldig zu er- keunen. Es sei gewi8 kein Verbrechen, was Claire Reichart begangen habe, aber das Gesetz, das Wahrsagen verbiete, intisse unbedingt respek- Uiert werden. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Georg Gétz, wies in seinem Plai- doyer darauf hin, dai er sich der Bestimmung des fraglichen Artikels wohl bewubt sei. Aber Bayern nehme durch diese veraltete Bestimmung geradezu cine Ausnahmestellung cin. In ganz Deutschland giibe es keine Bestimmung, die sich in der gleichen Art auBere wie der Art. 54, BE evinnerte an den Fall Drost in Bernburg, der von wesentlich giinstigeren Positionen aus ausyefochten werden konnte. Interesse erreste seine Be merking, dab cin Kollege des Anklagevertreters. cin Heidelberger Staats anwalt, sich selbst hellseherischer Personen zur Aufdeckung von Ver- brechen bediene. Man komme unméglich tiber die Tatsache hinweg, dab cine Reihe der Voraussagen tatsichiich cingetroffen sei, und es kénne daber unnézlich von Gaukelei gesprochen werden, Mit unabwendbarer Notwendig- keoit drange sich die Frage auf, ob angesichts dieser Sachlage die alte Be- stimmung noch anwendbar sei. Wenn also das Gericht sich wirklich zw der Uherzeuging durehringen kénne, da Hellselen vorliege, kénne es keine Verurteilung aussprechen. Wenn dem Art. 54 des bayrischen Poli- acistrafgesetzbuches das unterlegt wirde, was wirklich der Wille des Ge: setagebers sei, némlich eine Schutzmafinahme gegen die tblichen Zigeuner- wahrsagereien, dann sei der Prozef nicht wmsonst gefiihrt. Letzten Endes handle es sich doch wirklich nicht daram, ob die Angeklagte zehn oder lundert Merk an die bayrische Staatskasse abzufiliren habe, sondern viel- mehr darum, cine Méglichkeit zu schaffen, um cine offensichtliche Ung rechligkeit im Gesetze auszumerzen. Wenn also, betonte er nochmals, wirklich Hellschen vorliegt — und bei den Zeugenaussagen sei wohl kaum daran zu zweifeln — dann kénne nur ein Freispruch erfolgen. In diesem Zusammenhang erinnerte er an das Bernburger Urteil, bei dem sich das Gericht einer Bejahung oder Verncinuug dieser Frage enthalten habe. Der als Gerichtssachverstindige zugezogene Obermedizinalrat Dr. Hermann, der Claire Reichart auf ihren geistigen und kérperlichen Zu- tand untersucht hatte, erklirte, da& Fri, Reichart ihr Erstaunen dartiber ausgedriickt habe, dai man an ihrer geistigen Zurechnungsfihigkeit http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0539 © Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG aweille, Nach seiner Ansicht sei dic Angeschuldigte [tie ihre Tat yoll verantwortlich, von ciner geistigen Erkranlang kéune keine Rede sin, Sie zeige wohl cine aberordentlich schwarhliche Konstitution, ile Gewicht betrage bei ciner Kérpergrébe von 156 m nur St Prund, auch seien bei ihr nervése Stérungen zo konstatieven. Zu der Frage, ob wirkliches Hellsehen vorliege oder nicht, wolle er sich nicht aéuBern, Von ciner Belrugsabsicht kone nicht ve: sprochen werden, er habe vielmelir den Kindruck. dab die Angeklagte vou ihren Fahigkeiten tiberzeugt sei Das ist also der Ausgang cines Prozebes, der in Mitnchen mit groper Spannung erwartet wurde. Soviel man hort, witd es bei diesem Urieil noch nicht sein Bewenden haben, da der Verteidiger der Verurteilten Bi nufwig cinlegen wird. Bei der Berufungsverhandhing werden dann jeden- falls eine Reihe Sachverstindiger geladen wertlen. Vom jwristisehen Staudpunkt aus gesehen, wird vielleicht gegen das Urteil nicht allauvicl einzuwenden sein, da sich das Gerirht an die veraltete Gesetzbestimmung au halten hatte, Es darf aber die Erwartung ausgesprochen werden, dali Art. 51 des bayrischen Polizeigesetzbuches in dieser veraligemcinernden Form ftir die Dauer unméglich Linger aufrecht erhalten wird. Berichte aus dem Leserkreis Von Studienrat O, Heyner. (Portsetzung.) ©) Bekundungen Verstorb: i Dic Bekundungen Verstorbener dlmeln in der Art wie sie sich be merkbar machen, vielfack den Bekundungen Sterbender, Das Tibe ver muten, daB sowohl Sterbende wie Verstorbene sich dev gleichen Mittel be dienen, wenn sic Menschen Mitteilimgea augehen lassen. Das zeigt sich auch im Folgenden Als ersten Berichterstatter Lasse ich Herr HH. Ph. aus Klingeuthal in chsen zu Worte kommen. dem wir bereits wertvolle Berichte iiber Ahnungen und Bekundungen Sterbender verdanken. Lerr Th. schreibt in seinem Briefe vom 15, 2. 24 a »Meine Frau muBte ich mir aus unsagbarcn Hindernissen beraus erkimpfen, Um so gliicklicher war unsere Fhe, ‘Tage nach unserer Hochzeit vertich meine aiitige Frau in einem After von Aber cin Jahr wid 3 nur Jahren das Irdische. Ich gleubte bis datin weder an einen Gott nock an sonst etwas wel kam in meiner Veraveithing dem [rrsinn niahe, Der Grund des Todes war die Bolee er Geburt meines Sohuchens. Ich habe getobt, mir die Augen wund geweint, die Welt, mich, mein Kind und das Schicksal verflucht. Matte ich doch nicht einen Trost, der mir half, indem er mir vorstellte, dafi es cin Weiterleben wibe. Dic geliebie Leiche. http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0540 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg 37 kalt und mit hiBlich entstellten Gesichtsztigen daliegend, leitete mich natirgemali dazu itber, mich mit dem Sterben und seinen Weiterungen zu beschiiftigen, Endlich wurde es m granenvollen Kampfen, die mich val vermiirbten: der Tod ist nur ein Waln unserseits, in Wahrheit ist er ein Cbergang von diesem zu cinem veistigen Zustand, zu cinem freieren Weiterleben. All. das Schreckliche litte nicht in mir wiiten kinnen, wiirde die Kirche wns nicht den unyer- stiindlichen, oft widersinnigen Formelkram zur Kost geben, sondern Wahr- heit, Aufkidrung. Wie viclen Mitmenschen wird es so wie mir gegangen sein und noch gehen. Hierzu die Erlebnisse. Als ich die Erkenntnisse des Weiterlebens noch nicht hatte, klopfte es cines Nachts ich war noch nicht eingeschlafen — laut und durch- dringend an meine Bettstelle, vielmals. Das kurz nach dem Ableben meiner Frau. Soll ich Ihnen sagen, dal ich mich fiirchtete? Als es nicht authérte. schwitate ich direkt vor Erregung. Was wubte ich damals von derartigen Vorkommnissen’ Es geschah nie wieder,’ Telekinetisel mu Gewibheit, wenn auch nach , d. h. durch mediale Eigenschaften des Herrn Th, kann dieses anhaltend laute Klopfen nicht entstanden sein, Dagegen spricht aweierlei, Einmal haben sich bei Herrn Th, telekinetische Pahigkeiten nic vezeigt, und dann bekundete sich die Sterbende in ihrer Sterbenacht einer Freandin, indem sie diese bat, ihren Mann zu trésten, da si Dies Exlebnis erzihlte ich im vorigen Abschnitt. So ergibt sich ungezwingen nur die cine Deutung, daB durch das lange und heftige Klopfen sich die Verstorbene bekundete. Ahnliches wie Herr 'Ph. erlebte Frau 1. H. in Hamburg und sebreibt mir hierdber am 11, 8 25 wlch habe vor 4 Jahren meine cinzige Tochter verloren, Wir hingen selir innig ancitander, und infolge der lange wahrenden Krankheit meiner Tochter dic an Litngentuberkulose litt, haben wir beide uns eingehend mit Okkultismus befabt, Ich reiste am L4, September 1921 mit meiner Vochter nach ‘Virol, wo ich fiir sie noch Besserung zu finden hoffte, leider vergebeny, Wir lebten in Igls bei Innsbruck. Am 28. Dezember selbigen Jahres schlummerte mein geliebtes Kind sanft in die Ewigkeit hinitber, sie multe in den letzten Minuten etwas Entsetzliches innerlich geschen, haben, denn sie vergerrte das Gesicht dreimal furchtbar. Das konnte nicki durch korperliche Schmerzen verursacht sein, da sie kérperlich gar nicht litt und mit mir kuz vorher noch gesprochen hatte. Es konnte sich also min um ein seclisches Hrlebnis handeln, Am Sylvester ist sie dann in lvls beigesetzt worden. [eh blicb noch am Platz und hatte etwa L4 Tage spiiter cin sonderbares Hriebnis, Ich lag so gegen 9 Uhr im Bett und war volistindig wach, als ich im nebenan Hegenden Wohnzimmer, in dem meine Tochter verschieden war und dessen Verbindungstitr offen stand, cin http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0541 © Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG ~~ 538 — lautes, dreimaliges Klopfen an der AnBenwand vernahm (also auch hier ein Klopfen wie oben bei Herrn Th. aus Klingenthal). Da wir' im 2. Stock wohnten, konnte kein Mensch ven auben an dieser Siclle geklopft haben. Darauf horte ich cin starkes Rausqhen dures ganze Zimmer gehen bis att einer neben der Tiir stehenden Kommode, wo ich Photographien. lette Andenken, Tannenstriuke sowie cine grobe Blume aus Wachs vom Grabe meiner Tochter aufgebaut hatte. Die Blume wurde auf cinem darunter liegenden Album mit Papierumschlag so laut hin- und hergeschoben, dab ein schartes Gerduseh entstand. Daraul war alles still, Am andern Morgen suchte ick eine Ursache fiir das ndehtliche Geriusch festzustellen, vermochte aber trota cifrigen Suchens nichts finden, wodarch das Geriusch ent- standen sein konnte, Ich legte am folgenden Tage die Blume wieder auts Grab und habe in den folgenden 2 Monaten, die ich noch in Igis ve brachte, nichts AuBergewolmliches mehr gehdtt, Was war das nun? Wollte die liebe Entschlafene mir ein Zeichen geben, um mich zu trosten? Ich glaube, meine Tochter war schr medial veranlagt, und ich bin es auch wohl, bin aber nicht hysterisch, sondern cin sehr gesunder Mensch, der mit beiden Fitben fest auf dem Boden steht. Tch hatte auch cinen Traum ungefihr 3 Jahre yor dem Tode meines Kindes, worin mir mitgeteilt wurde, dab sie in 2 Jahren zur ewigen Rahe cingehen wiirde. Es ist das nicht ganz genau in der Zeit eingetroffen.* Man kann mit einer gewissen Berechtigung diesen Fail auf reine Ge hérshalluzinationen zurtickfthren, die bei der von Kummer tiefgebeugten Matter nichts Aufergewohuliches waren, Indessen spricht das fir Be- kundungen Verstorkencr typische starke Klopfen fiir eine Mitteilung der vor kurzem abgeschiedenen Tochter, ebenso eine gewi Fahigkeit der Mutter solche Bekundungen aufzunehmen, die daraus zu ersehen ist, daB dic Mutter Veranlaguag ftir Wahrtriume besitzt und mediale Krifte zu be- sitzen glaubt. Auch das Rauschen und Hin- und Herschiében der Wachs- blume, welches die Mutter im Nachbarzimuier zu horen glaubte, hat in der okkulten Literatur genug Gegenstiicke. Vou einem ahmlichen Erlebnisse mit einer Blume, die dem Grabhiigel eines vor kurzem verschicdenen Solines entnommen war, fas ich yor ciniger Zeit eniweder in den Psychischen Stu- dien oder in unserem Zentralblatt. Auf einen Verstorbenen kann anscheinend auch mur das folgende Ex- lebnis zurtickgefithrt werden, Es tragt alle Merkmale, wie sie sich in Spuk- fallen zeigen, die mit abgeschiedencn Seelen in Zusammenhang zu stehen scheinen. Das Vorkommnis berichtet ans Herr Peter Matschnig aus Klein- St. Paul in Kérnten in einem Briefe vom 4, 5. 1924, Von demsetben Herr stammt die Schilderung des Blutmals als Todesankiindigung im vorvorigen Abschnitt. Herr Matschnig schreibt: goteert auren ale http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0542 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 639 — Ich stand vom Jauner 1894 ab im Besitztum des Thomas Sch. in Zelt- schach bei Friesach in Karnten im Dienste. Der Besitzer Thomas Sch, war bereits im Frithjahr 1893 verstorben, ich habe ihn also nicht melir persénlich gekannt, Uns mimnlichen Dienstboten wurde die Schlaf- stelle auferhalb des Hauptgebitudes angewiesen und avar in einer Kammer des Nebengebiudes, Diese Kammer hatte drei Eingiinge, einen nach Siiden, cinen nach Westen und einen nach Norden. Der Stideingang fiihrte zu einer 4 Meter langen Treppe, die binunter auf den Hof nach dem Hauptgebiiude zu ging. Haupteingang war der westliche und fihrte zu einem Vorrawm, Vom Nordeingang trat man in einen angrenzendey Wagenschuppen, in welchem cine Kalesche des verstorbenen Besitzers stand. In diesem Schuppen befand sich auBerdem eine Hobelbank und zwar neben dem Nordeingang zur Kammer. Neben der Hobelbank war cine Leiter an die Wand gelehnt, die um Dachboden der Kammer an deren Ostseite entlang fihrte, Innerhalb der Kammer standen nach Osten zu. beim Nordeingang beginnend, vier Betten. Das erste Bett neben dem Nordeingange war mir und einem meiner Arbeitsgenossen angewiesen, Ich war damals, 1894, im 16., mein Arbeits- und Schlafkamerad im 195 Lebensjahre. Es war cine schine, mondhelle Samstagsnacht im Frihjahr, als meine Arheitsgelahrten ausgegangen waren und mich allein gelassen hatten, Sic trafen sich mit jimgen Madchen. ich war noch zu jung, um an solchem Verkehr Gefallen zu finden, So legte ich mich in der 10. Stunde ganz allein in der Kammer ins Bett, kounte aber nicht gleich cinschlafen. Nachdem ich ctwa LO Minuten schlaflos im Bette verbracht hatte, hérte ich oben auf dem Dachboden itber der Kammerdecke Achzen und schwere ‘Tritte nach Osten in der Richtung zur Leiter gehen. Es war, als wenn, jemand auf Fubsocken ging. Teh horchte, wer da wohl gchen kénnte, Ich hatte sofort den Gedanken, es hitte sich jemand hineufgeschlichen, um mich zu argern, oder ich wire vielleicht doch ciugeschlafen’ gewesen und hatte das Hinaufgehen tiberhért. Die ‘Tritte kamen dic Leiter heruntergehuscht durch den Wagenschuppen auf den nordlichen Kammer- eingang zu. Dessen Tir dffnete und schlof sich, Da mein Bett wnmittel- bar neben dem Nordeingang stand, mufte die Person an meinem Bett vorlibergehen, und ich mufte sie sehen wid erkennen, Doch ich horte wohl dic Schritte laut wid deutlich unmittelbar vor meinem Bette vor- tihergehen, aber ich sali nicht das Geringste, obwohl ich mich mit Schen ansivengte, Dic Tritte gingen an der Ostseite der Kammer entlang, als ob das unsichtbare Wesen etwas suchte. Schlieflich kehrten sie wieder zum Nordausgange zurtick, und dessen ‘Tir Offnete und schloB sich wieder. Laut und deutlich hérte ich den unheimlichen Besucher durch den Wagen- schuppen dic Leiter hinauf und auf der Ostscite des Dachbodens der http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0543 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — MO Kanimer schweren Schrittes cntlang gehen, Nach 5 Minnten horte ich dieselben Schritte ‘wie zuvor, ebenfalls das Achzen, ferner das Betreten der Leitersprossen und des Schuppens, das Offnen und Schlieben der Kam- mertir und das Vortibergelien an meinem Bett, aber schon ctwas lauter und ungestiimer als zuvor, Da ich aber wieder nichts sehen konnte, obschon der Mond die Kammer hell beleuchtete, fing es mich an zw gruseln, [ch konnte nicht mehr an ein Necken durch meine Kameraden glauben und nahm mir vor, durch den Stidausgang ther die Treppe nach den Hofe zu verschwinden, sobald das Gespenst die Kammer wieder v lassen hatte. Dieses benahm sich jetzt sehr laut. Es klang so, als wollte es alles hinter den Kleidertruhen heraufriiumen und suchte dort mit Sticken herum, SchlieBlich kehrte es an mir voriber zum Nordausgang awtick, Offmete und schloB dessen Ttir und kletterte lauten Trittes an der AuBenseite der Kammer entlang die Leiter hinauf, Jetzt wollte ich flichen, tberlegte mir aber die Sache nochmals und dachte, ich werde jetzé beten, dann kann mir das Gespenst nichts anhaben. In diesem Augenblicke kehrte es aber schon wieder, Ich hérte das Achzen, Betreten der Leitersprossen, Offnen wid Schlieben der ‘Tiir, alles noch viel lauter als vorher, Ich betete meine Gebete, die mich meine gute Mutter ielrte. Da war es mir, als schleuderte das Gespenst einen kleineren Holzhlotz zu Boden, so dal ich formlich aufschrak. Ws ging darauf wieder zur Tur hinaus, die Leiter hoch und mit schweren Tritten oben iiber dic Kammerdecke and fichzte, Jetzt oder nicht! dachte ich, sprang aus meinem Bette, raffte meine Kleider zusammen, rannte aun Sudatisgang, dic Stiege fhunter zum Hofe, blicb unten an der Haus- ecke stehen und horchte aurick und hinauf. Da horte ich, wie das Gespenst im Wagenschuppen die Kalesche vom Boden hob und mit ihrer ganzen Schwere niederfallen lie8. Ich verlie® dann das Haus, ging geradenwegs zum Rinderstail und legte mich in eine Schafskrippe, wo ich die Nacht ruhig verbrachte. Die gleichen gespensterhaften Vorgiinge, die ich in dieser Nacht beobachtete, nahm mein Schlafkamerad allnachtlich wahr und erzihlte mir jeden Tag von diesem Nachtschwirmer. Ich hatte seinen Hrzahlungen hisher nicht glauben wollen, num muite ich ihnen glauben. Ich habe allerdings auSer diesem Brlebnis nie wieder etwas vom Gespenst gemerkt, obschon ich meine alte Schlafstelle neben dem erwiilnten Schlafgenossen wieder bezog. Dieser jedoch hirte das Rumoren des Gespenstes. laufend weiter, und zwar muBte er dieselben Anfechtuagen tberall, wo er im Gchifte sich sehlafen legte, erleiden. Das Dienstpersonal brachte den Umgang des Gespenstes damit in Zosammenhang, daB der verstorbene Besitzer bei seinen Lebzeiten immer die Kleidertruhen des Gesindes in dessen Abwesenheit durchstébert hatte. ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0544 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 54f — Von diesem Eesitzer waren noch sonderbare Vorkommnisse zu berich- ten, die sich zutrugen, als er anf dem Sterbebette lag. Wenn es Sic interessieren sollte, kann ich sie Ihnen berichten.“ Ich bat darauf Herrn Matsehnig um einen Bericht, und Herr Matsehnig war so freundlcih, mir am 14. Juli 1924 zusammen mit seinen Mitteilungen tiber das sonderbare Blutmal folgendes zu schreiben Als 1893 der Besitzer Sch. starb, war es in Kirnten noch Sitte, Mann als Bestattungslader zu schicken, und zwar wurden zuerst die entfernter, dann die naher Wohnenden geladen, So mubte nach dem Tode Sch.’s der eine Bestattungslader nach dem vom Sterbehaus drei Gehstunden entfernten G. bei Neumarkt in Steiermark gehen, um den Schmiedemeister zu laden. Als der Kinlader bei diesem eintrat wid zur Bestattung Ind, schaute ilm der Schmicdemeister verbliifft an. Er meinte, dieser halte ihn zum besten und crlaube sich mit ihm einen SpaB. Da. aber der Schmiedemeister den Ernst sah. entgegnete er, dai Herr Sel gerade diesen Augenblick bei ihm war, sie sich gegenseitig wieder g stritten hatten und im Streite auseinander gegangen wiiren, wie frither yehon oft. Uin sich ga tiberzeugen, ob der Bi v Sch. wirklich tot sei und nur dessen Geist mit ihm gesprochen habe, versprach der Schmiede- meister dem Bestattungsiader, zur Beerdigung zu kommen. Wenn Sch. tatsichlich gestorben sei, dann wolle auch er an cin Jenseits glauben. So kam er denn wirklich zum Leichenbegingnis, was er sonst nicht getan hitte, und née sich vom Tode Sch.’s tiberzeugen. Der Schmiede- meister wird dem Verstorbenen hoffentlich im Herzen verzichen und die alte Rechnung mit ihm beglichen und den gegenscitigen Streit abge schlossen haben. Ich bin bereit, mich nach dem mir unbekannten Namen des Schmiede meisiers und des Bestattungsladers zu erkundigen. Der Vorname des letateren ist Andreas, cr wohnt nicht allzuweit entfernt von miry’ Darauf bat ich Herrn Matschnig um Angabe der Nameu und erhielt. am J5, April 1925 folgenden Bescheid: »Mir ti4 es sehr leid, daf ich Thnen nicht gleich antworten konnte. Die Erkundung der gewiinschten Adressen erforderte einige Miihe, und sis waren infolge der vielen inzwischen verstrichenen Jahre kaum noch au erfahren. Den Bestattungslader habe ich wieder gefunden, er bestiitigte die Richtigkeit meiner yorher gesandten Angaben. Der Schmic demeister selbst ist aber schon lingst gestorben. Die Adresse des Zengen lauiet: Andreas Ogries, Maier bei Franzbauer in Maria Weitschach, Post Guttenberg, Karnten. Ich bitte alles Nihere bei diesem zu erfragen.* Leider kennte ich nicht umgehend an Herrn Orgies schreiben, habe es aber vor einiger Zeit getan. Ich hoffe seine Antwort noch yor Ab- schluf der Gesamtarbeit veroffenUichen zu kénnen, ow http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0545 © Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 542 — Vorausgesetzt, dab keine Mifiverstindnisse vorliegen ond es sich nicht etwa um eine der héufigen Bekundungen eines Sterbenden handelt, die durch Weitererzéhlen irrtitimlich entstellt ist, so sind die seltsamen Geschehnisse in der Schmiede durchaus nicht anméglich. Gegenstiicke, wo sogar die Phantome Lebender wie leibhaftige Menschen aussehen, sprechen und handeln, berichtet Aksakow in seinem ,,Animismus und Spiritismus", Bd. IT, Abt. TV, A, IV, ,,Verkdrperungen in der Ferne“, Von Spuk, der anscheinend mit einem Verstorbenen zusammenhingt, berichtet auch der nachste Bricfschreiber, Herr Albert Marx ans Sprem- berg im Schwarzwald in seinem Schreiben vom 27. Februar 1924, aus dem ich bereits Bekundungen Sterbender und Todesanktindigungen ver- éffentlichen konnte wn méchte ich Thnen noch cine eigenartige Erscheinung mitteilen, welche sich einem mir bekannten und befreundeten Herm in scinen Jugendjakren zeigte. Die Mitteilmg dieses Ereignisces erfolete wnaut- gefordert und zufallig, Wir beide gingen gerade durch einen Wald, und weil mein Freund das Geschehnis im Walde erlebte, so kam ihm auf der Waldwanderung die Erinnerung. Ich mu8 vorausschicken, da® der be- ueffende Herr von okkulten Dingen keine Ahnung bat, furchtlos ist und in Bezug auf Religion und Ubersinnliches eher dem Atheismus zuneigt, als an ‘ein Fortleben nach dem Tode zu glauben, Daram halte ich seine Aussagen fiir vailkommen der Wahrheit entsprechend. In seiner Ju- gend — er mochte damals in den zwanzi Jahren gestanden haben -- mufte er auf der Riickkehr nach Hause von seiner Arbeilsstatte durch dea Wald gehen, Nichts ahnend, sah er plitalich in einiger Fnifernung vor ihm herschreitend cinen Mann in schwarzem Anzug mit cinem langen Stabe. In der Meinung, der Fremde sei seitlich aus dem Waldo gekommen, nakm mein Freund zunichst keine Notiz von ihm und sehritt hirter ihm her. Schlicblich rief er ihn an und fragte ihn nach seinem Zicl, Der Mann antwortete nicht, sondern lief weiter, ohne den Kopf zu drehen oder riickwarts zu schauen. Nun beschleunigte mein Fround chritte, win den wunderbaren Mann einzuholen, aber er wurde au, seinem Erstaunen gewahr, da® er immer in gleicher Entfernung blich, bezw. dab der Fremde seinen Gang in gleichem Male beschleunigte, um dann bald im Walde wieder zu verschwinden. Obwohl mein Freund von cinem gewissen Unbehagen ergriffen wurde, schritt er seincs Weges fort und erzihlte nicmand von dieser Begegnung. Spiter, als ot diesen Weg wieder passierte, war auch der Fremde wieder da. Diesmal war mein Freund fest entschlossen, den Mann einzuholen, begann zu laufen und verfolgte ihn in den Wald hincin, konnte ihn jedoch weder erreichen noch sein Angesicht sehen, Diesmal wurde ihm aber unheim lich zu Mute, er lief eiligen Schritues nach Hause und teilte spiter sein seine ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0546 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 548 — Evlebnis einem alten Bauern seines Ortes mit. Dieser lachte und sagte ihm, dafi dieser Mann schon lange Jahre sich in jener Gegend aufhalte, schon von vielen geschen wurde und nicht gefihrlich sei. Man hieBe ihn den ewigen Juden", der wandern miisse, weil er im Grabe aus irgend cinem Grunde keine Ruhe finden kénne. Derselbe Herr hatte noch cin anderes Erlebnis, Als junger Mann war er hier in Micte und bewohnte ein Zimmer in einem noch nicht alten Hause, Beim Schlafengehen bemerkte er jedesmal neben sich cin Geb riusch, das sich ausnahm, als ob sich jemand direkt neben ihn hin- legte. Er wuBte anfangs dafiir keine Erklirung zu finden und glaubte an Selbsttduschung. Als sich aber dieses Erlebnis allabendlich wiederholte, wurde ¢s ihm wngemiiilich und er vertraute sein Geheimnis cinem-Freunde an, Beide beschlossen, die Nacht gemeinsam im Aimmer zu verbringen. Das Gleiche ercignete sich wieder, mein Freund verlie& darauf die Wohnung. Sein Nachfolger, ein Schriftsetzer, hielt dort ebenfalls nicht lange aus. Nun méchte ich noch einer seltsamen Sache, die sich auf cinen: Friedhofe in der Nithe meiner Heimat abspielte, Enwigung tun. Dort befindet sich das Grab cines Selstmirders. Man hatte festgestellt, dal sicl. der Grabstein nach kurzer Zeit verindert hatte, d. h. er nahm cine andere Stelling ein, indem or sich nach vorn néigte. Man war ang fangs det Ansicht, da® das frische Grab daran seluld sei, indem sich der noch nicht feste Boden gesetat hatte. Als der Stein nach ciniger Zeit wieder in seine richtige Stellung gebracht wurde, konnte man spiter wieder beobachten, da® er sich yon neuem nach vorn neigte. also die schiefe Stellung wieder cimmahm. Dies wiederholte sich so oft, als man den Stein in die richtige Stellung gebracht hatte, Herr Georg Aichinger aus Weiden in der Oberpfalz, von dem ich im letzten Abschnitte unserer Abhandlung, im spiritistischen ‘Leile, noch mancheriei fesselnde Enlebnisse at berichten habe, schreibt in einem Brief yom 21, 1. 1925 auch von Yorgingen, die anscheinend in das Gebiet des Spukes Verstorbener gehdren: In dor Seitschrift ,.Die Oberpfalz" habe ich in Nr, 4 von 1921 ge- lesen, daB 13 Stunden von Amberg sich eine schin gelegene Rittor- burg befinde, der Heimhof. Da ich mm mein engeres Heimatland noch zu wenig kenne, nahm ich mir vor, das alte SchloB zu besuchen, So machte ich mich am 15, August 1921 auf den Weg, fulir aber Amberg nach Ursensollen und kam nach dem Schlosse Heimhof. Aut dem Wege dorthin borte ich, daf auf dem Htigel, auf dem die Burg steht, in einem kleinem Hanschen ein Schneider Wolfl wohne, Dieser habe die Schliissel zum SchloB, sei aber nicht mehr ganz richtig im Kopfe, denn. er habe behauptet, dab er taglich mit dem Burggeist rede, Dieses Gerede im Voli¢ machte mich besonders neugierig, und ich besehlof, thn auf http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0547 © Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 544 — gusuchen, Teh ging also 2u ihm und crsuchte ihn, mir das Schlob m zeigen, was er auch sehr gern tat. Aber oh wel! Wie sah es in der Bure aus! Hier scheint wieder cin Stick deutscher Romantik dem Unter gange geweilt zu sein. Von Zimmern und Silen ist keine Rede mebr, Man, sicht vom ErdgeschoB bis zum Dach hinant. In kurzer Zeit wird auch dieses cinstitrzen, und dau laben wir eine Buine mehr. Als wir uns nun im fritheren Rittersaal befanden, erwalinte ich zegen- iiber meinen Fhrer, mir wire mitgeteilt, daB er tiglich mit dem Burg geist spreche. Ich bat wn nahere Angaben, da ich mich fur Spuk int cssiere. Da wurde er zutraulich und erzililte Als eine Urahne seiner Frau im Sterben lag, lieB sie die Schlob frau rufen. Aber diese sagte: ,Was geht mich das alte Weibel an ! und kam nicht. Darauf wurde nochmals Botschaft zu ihr geschiekt, sie michte ja kommen, dic alte Frau habe der SchloBherrin in deren cige nem Interesse wichtige Mitteilungen au machen. Darauf ging sie. Aber als die’ Burgfrau zu der Alten kam, war diese bere tot. An diese Geschichte hat nun die Bhefrau meines filirenden Schuci- ders oft gedacht wid sich hiufig gefragt, was wird wohl mein Alii au sagen gehabt haben. Hines Abends schlicf sie mit dem Wunsche ein, es midchte ihr doch einmal cine Kundgebung hiertiber gemacht werden. Und elie, in der Nachs ~ sie behauptete, sie sei wach gewesen — habe sie sich an die Augen und an die Stirn gefabt und gefrayt, schlate oder wache ich, sieht sie das SchloB erlewchtet und befinded sich im chloB. Vor ihr geen der SchloBherr und seine Frau und tragen Gold und Siibersachen auf dea Armen, Beide gehen hinunter in den Seh’ob keller, sie, die Schneiderin, im Abstand hinterdrein, Als sich alle drei im Keller befanden, blickt sich der Schlofherr um, zicht cin grobes Messer und will damit auf dic Schneiderin cindringen. Diese aber flict, und das Bild war auch versehwunden, In der niehsten und ithernaichsten Nacht sah sie das Gleiche, (Vermutlich handelt es sich hier um schr Iebhafte ‘Priume.) Am darauf folgenden Tage hat min die Frau versucht medial at reiben. Der Burggeist kam und schrieb , Wilhelm von Loctew". Br schrieb, dai im SelloB ein Schatz vergraben ist, heschrieh seine Lage und teilte mit, da&, wer ihn finde, das SchloB wieder aufbauen soll: Dann sei er erlést, denn or sei verurteilt, als Ratle im Schlof a1 hansen, Ur sagte auch, da® er als Raubritter viele Menschen wmgcbracht babe und daf cin Madchen in cinem Scitengebaude cingemanert sei. Auch be schrieb er eine Stelle des Schlosses, an welcher der SeiloBplan im Wand- verputz eingeritzt. sei, Der Schneider Wolfl hat darauf im Schlosse wesncht und tatsichiieh auf Grand der Angaben ein Gerippe x http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0548 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 645 — funden, das mit Nageln befestigs war, und unter dariiber gewachsenem Moos auch der Schlobplan. Letzteren zeigte er mir sogar. Am Sylvesterabend 1920 pochte es 4412 Uhr an die Haustiir des Wolfl. Wolfl selbst war zu ciner Sylvesterfeier gegangen und nur seine Frau daheim, Frau Wolfl, die in einem oberen Zimmer schlief, erwachte von dem Klopfen, stand auf und sah zum Fenster hinaus. Da sah sie Ginen Mann vor der Haustiir stehen, der war genau gekleidet wie der, welcher ihr cinst erschienen war. Sie dffnete aber die Tiir nicht, und darauf ging der Mann dreimal um das SehloB, obwohl kein Weg herum+ fiihrt. Als es 12 Uhr schlug, verschwand er. So berichtete mir das Schneiderehepaar Wolfl, Was an der Sache Wirklichkeit oder Kinbildung ist, kann ich nicht sagen. Aber das weiB ich, daB die beiden mir bewubt keine Unwahrheit gesagt haben. Bei dem Berichte des Schneiderchepaares Wolfl ist man leicht ver- sucht, denselben fiir reich] phantast hi zu erkliren, zumal bei ihm der Spiritismus die Hand im Spiele hat. Auch aus den SchluBworten des Herrn Aichinger spricht ein leises MiBtrauen, Aber sein eigenes entkraftet er mit der Versicherung, dai das Ehepaar nach bestem Wissen und Gewissen seine Erlebnisse dargestellt habe, DaB diese Erlebnisse teilweise auf spiritistische Bekundangen zuriickgehen, spricht nicht ohne weiteres gegen sic. Im letzten Abschnitt meiner Abhandlung, der vom Spiritismus handcit, bringe ich so viel hochwertige Belegstoffe, daB nur ciner, der nicht sehen will, sich der Uberzeugung verschlieden kann, da8 der Spiritismus een realen Hintergrund hat, Und daB Wolf] aut Grund dieser Bekundungen das Gerippe und den vollig wberwucher- ten SchloBplan findet, gibt im Zusammenhang mit allen andern Er- lebnissen des Ehepaares doch mu denken. Alchymnie. Von Carl Friedrich Alfred Leonhardt. Vor mir liegen zwei Werke, das eine cin dicker Band ,,La Révo- lution Chimique et la Transmutation des Métaux", herausgegeben vom Direktorium de La Rose Croix, erschionen zu Paris 1925, und das andere, ein diinnes Heftchen ,,180 Elemente, deren Atomgewichte und Bingliederung in das harmonisch periodische System.“ Selbstverlag des Verfassers Franz Tausend, des Autors der ,,Grundlagen zur ‘Trans- mutation der Elemente‘. Obermenzing bei Miinchen, Wessebrunner- strafe 1. ia Das erste Buch sandte mir der Verlag des Zentralblattes, das zweite iberreichte mir ein Freund, wohl schwerlich ahnend, dad er damit einem Jugendtraum des fritheren Berufscherikers mr Wirklichkeit Zentralblatt tar Okkuitigmus, XIX, Jahrgang. a5 http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0549 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a . — 546 — verhalf. Denn schon immer stellte ich den Lehrsatz auf: ein Element ist Keinesfalls eine unzerlegbare Binheit, sondern ein Stoff, zu dessen Zer- legung uns heute noch die Mittel fehlen. Geht die ,,Révolution chimique“ in die Hermethik ther, so bewegt sich Franz Tausend auf den niichternen PiBen der Exakte. Das Buch de la Rose Croix bietet Experimente, teilweise sogar unter Benutzung. des dektrischen Starkstromes. Ich will es deshalb nicht geringer einschitzen als das geniale Schriftchen des Deutschen. Viele Wege fihren nach Rom, und die Verwirklichung der Transmutation liegt vielleicht in ab- sechbarer Ferne. Es gelang bekanntlich Prof. Miethe, aus Quecksilber Gold zu gewinnen. Da fallt cins wuf: sowohl die von Miethe wie durch die franzdsischen Versuche gewonnenen Goldmengen sind auBerst ge- ring, Also mit dem, roten Lowen der quinta essenta der Rosenkreuzer hat es noch lange Wege. Denn dieses Blixier soll ja im Handumdrehen der. Beutel voll Dukaten gefiillt haben. Die transmutischen Metalle sind nach den Angaben der ,,Révolution chimique®, je nach den Rezepten Kupfer, Silber und Gold, immerhin schon etw: Ich kann hier dem Leser nicht mit chemischen Formeln kommen, auch fehlen mir augenblicklich die Mittel, experimentell nach- aupriifen. Ich halte indessen die Sache fiir plausibel, zumal sich die Révolution chimique‘ bei ihren Bezugsquellen-Nennungen auf die Chem. Fabrik yon Merck, Darmstadt, bezieht und man dort einer gewissen héchstgrad: Reinheit ihrer Fabrikate sicher ist. Sonst sind nam- lich Kupfer, Silber und Gold in anderen Metallen fast immer in geringe- ren Mengen enthalten, und zwar so, da8 letztere nachweisbar bleiben. Map erhob bekannterweise gegen Prof. Miethe diesen wand, den er indessen entkraftete. Miethes Experiment lieB natiirlich. die Franzosen nicht schlafen, und so finden wir denn seinen Namen auch in der ,,Révo- lution chimique“ erwahnt, worin Frankreich resp. Herr F. Yollivet Castelot, Direktor der ,,Rose Croix“, den Direktor des Journals ,,La Nature“ schon auf Versuche aus dem Jahre 1911 hinweist. Unazweifelhaft ist Frankreich ein Land, dem die Chemie seit Lavosier Au8erordentliches verdankt; ich will also seinen Ruhm nicht schmilern. Indessen wird Miethe fiir immer der erste Goldmacher auf streng wis- senschaftlicher Grundlage bleiben, wenngleich er sich ernstlich dagegen verwahren wird, ein Alchymist zu sein. Auch er kann freilich tber den starren Rahmen der Akademie nicht hinaus. So hérte ich ihn. neulich folgenden Satz auBern: ,,Alle Planeten kénnten verschwinden, die Fix- sterne kénnten nicht mehr sein, und selbst der Mond kénnte vergehen; sobald nur die Sonne bliebe, wiirden wir auf der Erde davon nichts ver- spiiren.’ Was mich eigentlich an diesem Mann mit so iiberaus reichem Wissen sehr gewundert hat, denn es beweist cin recht mangelhaftes Ver- ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0550 © Universitatsbibliothek Freiburg — 47 — stindnis fir dic Zusammenhinge des kosmischen Lebens. Nach dieser Richtung hin halte ich dic in der ,Révotution chimique“ vertretenen Ansichten fir natirlicher. Micthe vergaloppierte sich arg, wahirschein- lich, um den bisen Astrologen eins aufzubrennen. Ich billige keineswegs alle Theorien von Papus, Guaita und ahnlichen Phantasten, doch steckt in diesen manches Goldkorn. Unsere nach Erkenntnis ringende “eit kommt dem Lehrsatz immer niher: daB irdisches Sein kosmisches Sein bedeutet, und umgekehré. Sehr lesenswert in dor ,,Révolution chimique“ ist auch das Kapitel uber die Alchymie unter den Papsten, der Tarot Alchimique und Anderes mehr, die radioaktiven Emanationen, Struktur des Atome und der Versuch, zu beweisen, daB die Transmutation der Elemente nicht radioaktiy ist Es fihrt hier zu weit, naher darauf einzugehen. Das Werk ver- diente, ins Deutsche tbersetzt zu werden, indem man auch die chemischen Formeln durch gute deutsche Worte ersetzt, um dic darin enthaltene Chemie auch Laien verstindlich zu machen. Denn wer darin nicht ge- rade beru: ig steht wie ich, kommt trotz seiner Schulbankkenntnis sonst nicht zurecht. Nun aber 2u Franz Tausend, der mir als Exakter naher liegt. Zu- nachst rechnet er mit der Unzulinglichkeit des seitherigen Systems der Atomgewichte griindlich ab und baut ein neues auf, bei welchem er die Tonschwingungswelien gugrunde legt. Ich entnehme seiner Schrift wortlich folgendes: ,,Der tiefste bekannte ‘Ton wird als C mit 16 Sehwingungen angenommen. Nach 8 Tonen = eine Oktave wiederholen sich sdmtliche Tone; C, hat somit 32 Schwingungen, C= 64,6: ¢= 129,3, cy = 2586. Wir haben innerhalb 4 Oktaven simtliche Tone, deren Schwingungswellen mit den Atomgewichten der Elemente tbereinstim- men. Daher die Wiederholungen der gleichen Higenschaften; wie in den Tonen, so auch bei den Elementen.“ »Dies muB der Fundamentalsate fur alle chemischen Forschungen sein.“ »Wenn uns die Natur im Reiche der Tone cine Harmonie zeigt und dieselbe, wie die Reihenfolge der Atomgewichte ‘beweist, auch bei den Elementen vorhanden ist (die Atomgewichte stimmen mit der Lange der ‘lonwellen therein), so ist uns dieses Gesetz ein Pihrer durck: das bisher noch unzugingliche Gebiet.« »Die Harmonie der Elemente ist der Weg zur Transmutation der- selben.* Hin Blement mit hoherem Atomgewicht als 251,35 gibt es nicht, dagegen Elemente mit niederen als Wasserstoff. Jedes Element kann Grundstoff fir eine Anzahl bestimmter anderer Elemente sein.‘ 35" http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0551 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a — 548 — »Ein Element ist die Harmonie von mindestens 3 Stoffarten. Aber unser Begriff ,,Element‘ ist relativ, nimlich abhiingig von dem MaBe unserer Herrschaft tiber die Naturkrifte, sodaB die Méglichkeit, Gold za zerlegen oder aus anderen Naturkriften aufzubauen, keinesfalls als vollig ausgeschlossen gelten darf.“ Soweit Franz Tausend. Die Schrifé wurde im Januar 1922 ge- druckt; er kannte mithin Miethes Erfolge noch nicht, Es ist bemerkenswert, dai Franz Tausend Elemente niederer Atom Gewichte als H= 1.008 annimmt. Das zerschligt cine Theorie mancher Okkultisten, im Wasserstoff den Vater des Seins zu erblicken, da er dann nicht mehr als erster figuriert. Man nimmt freilich eine Zerleg- barkeit des Wasserstoffes an. Richnowsky z. B. behauptete, dies tun zu kérnen, doch entzog er die Kontrolle seines Apparates jeder wissenschaft- lichen Nachforschung, auch andert dies nichts an der Sache. Noch eins erscheint mir bemerkenswert: Tausend schreibt, da Ele- mente aus organischen Stofien gewonnen, sich besser zur Transmutation eignen. Z. B. gibt Asche von Vegetabilien in ihren Salzen klare Er- kennung: chen der Elemente aller denkbaren Verbindungen beaw. Trans: mutationen, die im Kreislauf ihrer Atome liegen. Dies soll mir die Briicke bilden, ther welche ich das Land der Exakte verlasse. Kniipfen wir nimlich an Letztgesagtes an, so erscheinen uns die sonderbaren Kapriolen der Alchymisten mit der Benutzgung von Mumie ete. lange nicht mehr als heilloser Aberglaube, sondern er- halten’ Sinn. Einer der seltsamsten Explosivstoff-Fabrikanten, der bib- lische Schlauberger Moses, scheint schon das auf die gliihende Holzkohle des ausgezogenen Altarfeuers gegossene Blut der Opfertiere zur SchieB- pulverfabrikation verwendet. zu haben, und es ist wahrscheinlich, dal uns Kenntnisse verloren gingen, in denen man friilier besser Bescheid wuBte. Die Erfolge Mosesawaren ja gar nicht schlecht: er inszenierte am Sinai ein Feuerwerk, bei dem er sich das Gesicht verbrennt, logt eino Mine und sprengt die Rotte Korah in die Luft. Spiter werden die Stadt- mauern Jerichos umgelegt. Simsons Geschichte beschreibt, wie man den Sprengstoff unter die Sdulen praktizierte, um den Palast einzusttrzen, und Daniel fiittert den Bel zu Babel mit kleinen Bomben. Gewif erstaun- liche Leistungen, wenn man der Primitive die Technik unserer Chemie entgegenstellt. Wie bekannt, haben auch einige Goldmacher mit Blut manipuliert; sie hérten wohl ein Lauten, aber nicht das Zusammenschlagen. Der rote Lowe, die quinta essentia, jene Wundertinktur, welche Silber durch bloBes Benetzen in Gold verwandelt haben soll, spukt noch heute, namentlich in der Literatur der Orientalen. So haben mir zu meinem Erstaunen bereits mehreremale Tiirken und Araber, welche in Dahlem Chemie studierten, gestanden, daB sie alte Handschriften be- ote auren le | http'//dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/2b_olkultismus1925/0552 “" © Universitatsbibliothek Freiburg — 549 — silen, nach deren Inhalt ihnen die Moglichkeit der Goldmacherkunst in greifbare Nuhe geriickt erscheine. Es waren dies keinesfalls An- fanger im Studium der Chemie, sondern Leute in den letzten Semestern. Sie kamen zu mir in der heimlichen Absicht, vielleicht Brocken zu er- haschen und dadurch die letzten Schlufglieder zu ermitteln. Um Gold m machen, studierten sie Chemie. Bine andere Frage ist, ob auf dem Goldmachen Segen ruht, denn der Fluch, welchem die Bositzer cer quinta essentia verfielen, ist zu offensichtlich, War es im Mittclalter die Habgicr der Fursten, so dirftc dic unserer Goldmagnaten heute nicht weniger gefihrlich sein. Das Alchymisten-Gold sol! sich zum geschiirften wie der synthetische Edelstein zum gewachsenen verhalten haben. Eine Geheimhaltung der Erfindung wirde darum nicht lange méglich sein, und die dann ein- setzende Verfolgung des Entdeckers konnte Kinoschriftstellem den phan- tastischsten Stoff, aber diesmal aus dem Leben, liefern, Wird einmal dic Traasmutation der Elemente auf exakt wissenschaftlichem Wege ge- lst, so wird sip der ganzen Welt kundgetan. Wir miBten uns dann nach anderen Wertmessern umsehen. Bs war Helfferichs Verdicnst, mit Binfihrung der Kornmark Deutsch- land vom Goldfluch zu befreien, und cs gehirte sehr viel politische Kurzsichtigkeit daz, diesen wieder heraufzubeschworen. An und fiir sich ist Gold cin bochst unniitzes Mctall mit reichlich beschrinkter Anwendungsméglichkeit; sein Wert fuBt nur auf der Seltenheit des Vorkommens. Wohingegen die Erméglichung der Transmutation aller Elemente epochal wirken miiSte, Verbilligung bedeuten wiirde. Sobald erst einmal, wie durch Franz Tausend, die grundlegenden Ider, gegeben sind, dauert es meist nicht lange, bis sie der Verwirklichung entgegenreifen, Das Ganze ist lediglich eine Frage des Geldes. Dieser jetzt recht selten gewordene Vogel felt mir leider auch in dem unbedingt notigen Uberfluf. Sonst, wer wei8, viele der Bxperimente in der ,,Révo- Jution chi:mique und in Tausends Schrift scheinen mir des Versuches wert. Spaltung der Persénlichkeit. Von Julie Kniese. Die Frage, ob eine Spaltung der Persdnlichkeit moglich ist, 4. h. ob es méglich ist, dal} unsere Seele, unser Astralkérper, bei Lebzeiten den Kérper verlassen und in ihn, da doch nicht ganz geldst, auriick- kehen kann, ist schon oft aufgeworfen, verneint und bejaht worden,’ DaB das lebendige Ich kurz vor dem ode schon aus dem Kérper! heraustreten kann, ist yon vielen bestitigt, und auch ich fihrte einige Valle in meinem Aufsatze, Am Ausgange des Lebens (Heft 1), an. http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0553 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg golondert rch ae — 550 — Von interessanten Beobachtungen an cinem Medium, das im Tiefschlaf aus seinem Kérper heraustrat| und einer fremden Intelli- gonz Raum gab, berichte ich demnichst, — und sicher sind wir selbst imstande, im tiefon Schlaf den Kérper zu verlassen und ungebunden an Reum und Zeit m wandern. Gewisse seltsame ,,"Praumerlebnisse" bleiben als lebendige Erinnerung aurick, das haben wohl die Meisten schon erlebt. So méchte ich auch manch eignes ‘Traumerlebnis deuten, wun- derbare Wanderungen in ferne Tiinder, dic sich schwer andets als durch cin Verlassen des Erdenkérpers erkléren lassen. — Ein solches ‘Traam- erlebnis, das den Beweis vom Austritt des Astralkirpers bringt, wurde auch in Heft 9 des % £. O. mitgeteilt. Heute mochte ich yon merkwirdigen Brlebnissen berichten, dio noch greifbarer die Spaltung der Personlichkeit ins Bereich der Mbglichkeit stellen. Kiiralich lieB mich cine befreundete Dame rufen, die sich plotzlich in cinem seltsamen Zustand befand. Durch ihr Kind aus tiefstem Scblaf geweekt, fublte sic ihren Kérper von der Brust an abwiirts nicht mehr und hatte das mpfinden, mit dem Oberkirper frei in der Luft au schweben. Der Unterkérper war wie abgestorben, von weiBlicher Farbe, kalt und véllig gefiihllos, so dab Nadelsticho, trotzdem Blut floB, Stoben, Zwicken nicht gefuhlt wurden, dagegen wurde es, als ich mit der Nadel uibemerkt in den, den Korper zunichst umgebenden Luftraum stach, als heftiger Schmerz cmpfunden. ‘ der Astralkérper icilweise ausgetreten war. HeiSe Fichtennadelbider und Magnetisieren liefen, wenn auch sehr langsam, den Empfindungskorper sich wieder in die Kérperhiile zuriickzichen. Hicr haben wir entweder den Beginn .einer Spaltung, die wahr- scheinlich vollstandig geworden ware, wenn die Dame nicht durch An- nuf geweckt worden wire, oder dic véllige Spaltung hatte stattgefimden und der Astralkorper trat auf das Wecken hin langsam wieder ein. Aus dem Leben Goethes wird cin merkwlirdiges Erlebnis berichtet (siehe ,,Goethe und der Okkultismus" von Seiling), Goethe macht mit cinem befreundeten Herrn nach arbeitsreichem Tago einen Spaziergang nach Belvedere. Auf dem Rickweve sicht er plotzlich einen abwesenden Freund auf sich zukommen, zu seinem Erstaunen in seinem cigenen Schlafrock und seipen Pantoffeln, -- dem Bogleiter unsicnthar. Er begriiBt den Freund, spricht ihm seine Verwunderang tber seine Be- kleidung aus und sieht die Gestalt, die er fiir kérperlich greifbar hiclt. zi seinem Entsetzon plitzlich verschwinden. Wr hilt die Urscheinung mun, da sein Bogleiter nichts davon sah, ftir eine unheilverkiindonde Vision. : ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0554 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg « Als er aber in seine Wohnung kommt, sitzt eben der fern gewesene und nach dev Erscheinung fiir tot gchaltene Freund mit Goethes Scblaf- rock und Pantoffeln bekleidet in dessen Zimmer und berichtet-nun, dab er, traurig, iha nach so langer ‘Trennung nicht anzutreffen, Iebhaft und ungeduldig an iln gedacht und ihn in Gedanken auf seinem Wege be- gleitet habe, dann wohl eingeschlafen sei und im ‘Traum Goethe an eben der Stelle, da dieser die Erscheinung gehabt, gesehen und die Worte ge- hort habe, dic Goethe zu ihm gesprochen. Hier haben wir ganz deutlich den Vorgang einer solchen Spaltung der Perséulichkeit; — Friedrich, der Freund, glaubt in Schlaf zu verfallen, —— in Wirklichkeit verla&t er den Korper und geht Goethe entgegen, wird von diesem gesehen und erkannt und héré dessen Worte, die er aus ,dem Traum“ mit ins Erwachen, heriibernimmt. Noch greifbarer, aber fir mich fast unbeg Jebnis, das ich erst kitrzlich hatte: Ich sitze im Konzert, cin gutes Stick vor mir, mir mit dem Gesicht zugewandt, sitzern ein mir bekannter Herr und seine Frau. Kurz nach 9 Uhr steht der Herr auf und geht hinaus. Ich wundere mich dariiber, daB er allein geht, und‘folge ihm iit dem Blick\ Als ich aber zuriick- schaue, sehe ich ihn zu meiner Verbliiffung mit merkwiirdig starrem Ge- sichtsausdruck noch neben seiner Frau sitzen, und doch war's keine ‘iuschung, da ich ihn hatte hinaus gehen sehen, Ich ging der Sache nach. Aut Befragen erklirte der Herr nun, er sei um 9 Uhr fort- gegaugen, seine Frau behaupiete, er sei neben ihr sitven ge- blieben und sie sei mit ihm nach Hause gegangen, sic scien beide wohl sehr miide gewesen, — Um dieselbc Stunde aber ist der Herr an drittem Ort ganz stark, fast kérperlich nahi empfunden worden, und awar so stark, dali die betreffende Person plétzlich gezwungen war, in dem Gefiihl, er stche neben ihr, seincn Namen auf cin Blatt Papier zu schreiben, ohne zu wissen warum. Wir haben hier cinen ganz auBergewéhnlichen Fall von Spaltung der Persdnlichkeit, — ratselhaft, unbegreiflich und vorlaufig nicht in den Rahmen eines uns bekannten Naturgesetzes hinein passend, —- aber wir haben darum nicht das Recht, merkwitirdige Erscheinungen zu ver- neinen. Ich iiberlasse das SchluBwort Meister Goethe: ,,Man kann in den Naturwissenschaften iiber manche Probleme nicht gehér sprechen, wenn man die Metaphysik nicht 2u Hilfe ruft und: ,,Das Allermerkwiirdigste, das Allervorztiglichste was hervortritt, das begegnet, wird solange verneini, als es méglich ist. Dieser Wahnsinn unserer Zeit ist auf alle Falle schlimmer, als wenn man das AuBerordeniliche, weil es geschali, geawungen zugab und dem ‘Teufel zuschrieb!" eifbar, ist folgendes Mr- http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0555 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 552 — Den Zontralblattles rh ware ich sehr dankbar, wenn sie mir — Joer die Schriftleitung oder dirckt im Zentralblatt, damit alle etwas davon haben — ihnliche Erlebnisse yon Spaltung der Persénlichkeit mitteilen wiirden. Der Hiindedruck. Von Max Zei Wie Furcht entsteht, ich meine physiologisch entsteht, w alle. Die berufenen Vertreter der Gelehrsamkeit haben diesen Vorgang nicht nur erforscht, sondern ihn auch experimentell yorgefiihrt, ohne freilich den internsten scel en P t, der als ursichliches Moment. der Furchtauslisung anzusprechen ist, geniigend und einwandfrei ent- hleiert zu haben. I das fiir sich. Hinter dieses Riatse!, das letzten Endes uns vielleicht das eigentiiche Wesen der Natur selbst, mit ihm das Geheimnis des ,,Ding an sich“, entschleiern wirde, zu kommen, ist Menschengeist und Menschenkénnen offenbar unzulinglich, somit nicht berufen. Und es ist wahrscheinlich gut so! Wer weiB, ob das Dasein nach der Aufhebung dieses letzten Vorhanges tberhaupt noch Lebens- reiz und Lebenskraft bot Damit wollen und miissen wir uns bescheiden. Bekannt ist, dai Napoleon [. nur knapp cinem Dutzend seiner Offiziere Furchtlosigkeit nachriihnte. Er selbst bekannte offen und freimiitig, daB er zu dieser kleinen Auslese nicht gehérte. Und er hatte recht so. In Wirklichkeit gab und gibt es nur wenige Menschen in der Welf, dic frei von Furcht sind, trotz ihrer gegenteiligen grofprahle- chen Versicherungen. Das hic Rhodus hic salta haben diese letzteren GernegroBe bekanntlich noch nie bestanden. Teh habe im letzten Feld- zuge oft mit der Furcht zu kimpfen gehabt, sie aber mehr oder weniger schnell durch eiserne Willenskraft und das Bewultsein, dai ich meine Lage dadurch nur verschlimmere, dennoch tiberwunden. Nur in dem einen Fall erfaSt mich heute noch, trotz gesteigerter Willenskraft, eine schwer zi bekiimpfende Furcht: ich kann cinen gewissen Handedruck nicht vertragen! Das psychisch-dynamische Prinzip des Handedrucks ist noch viel m wenig erforscht, seine seelisch-individuelle Bedeutung bis heute zu lasch, wenn itberhaupt wissenschaftlich bohandelt worden, Anders scheint das in Amerika zu sein. Hier hat man diesem Umstand nicht nur gréite Aufmerksamkeit geschenkt als beachtenswerten Faktor einer persinlichen Beeinflussung, man hat auch versucht, ihm, soweit angingig, cine wissen- schaftliche Erklarung zu geben. Schon vor Jahren kam mir einmal cine kleine, sehr beachtliche Broschiire eines amerikanischen Wissenschafilers auf dem Gebiet der Seelenlehre und Seclenkunde in die Hinde, die auch dem Handedruck ein weites Kapitel widmete. Der Artikel war sehr y ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0556 © Universitatsbibliothek Freiburg — 553 — instruktiv wnd belehrend, wenn aucli in der Jourzen,. knappen Act der amerikanischen Schreibweise, die bekamntlich mehr andeatungsweise als ausfthrend gehalten ist, geschrieben. Man soll nach dem amerikanischen Schrifisteller sogar unter ge- gebenen Umstinden einen gecigneten bezw. gecignet gemachten Men- schen durch den Handedruck ,,beeindrucken konnen. Das ist durch- aus nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen, wohl gar noch ins Lacherliche gu ziehen, (Ich verweise hierbei auf meine eigenen durch dic Presse des In- und Auslandes gegangencn Artikel, insbesondere tiber ,Sympathie und Antipathie’ — ,,Psychodynamik und Spiritualis mus —- Das Ratsel der Ruten- und Pendelschwingungen — ,Laut- sprechende Gedankentibertragungen“ u. a.) Tatsache ist es, daB infolge ihrer zahllosen Nervenendigungen und dor hicrmit eng verquickten orhdhten Sensibilitat dic Hand, wie kein aweites Organ des menschlichen Kérpers, seelische Impulse, in diesem Pall also Zuneigung und Abneigung, zum Ausdruck bringt. Ich ver- weise hierbei noch besonders auf dig beziiglichen hochinteressanten For- schungen und graphischen Bilder des russischen Staatsrats Aksakow, weleh letztere ganz deutlich das Uberstrémen des Fluidums von Fingerspitze m. Fingerspitze bei Zuneigung und das Umstiilpen und Zuriickweichen desselben bei Abneigung in all seinen Schattierungen und Zwischen- stufen deutlich sichtbar zum Ausdruck bringen. Jtingst hesuchte mich in einer geschiftlichen Angelegenheit eu Herr, mit dem ich tiber eine Stunde konferierte. Dieser Mann. craihlte mir im Verlaufe der Unterhandlung kurz seine Lebensgeschichte. Aus dic: ser ergab sich, daB er ,mit gar nichts“ angefangen und es im Laufe der Jahre trotz mannigfacher Ritckschliige doch m etwas gebracht: hatte. _ Dieser Besuch war mir entsetzlich unsympathisch. Er hacte sich nicht angemeldet, sondern war sozusagen mit der Tur ins Haus gefallen, sonst hatte ich ihn garnicht. angenommen. Dine gedrungene, etwas protzen- haft sich gebende Gestalt mit breitem, rotem Burgundergesicht und Doppelkinn. In seinen derben Ztigen lag eine Ricksichtslosigkeit und brutale Energie, die nur den Higennutz, nichts weiter, zu kennen schie- nen. Ich hérte rein mechanisch seinem selbstgefilligen Redeschwall mu. Es ging von dem Mann ein Etwas aus, das wie eine cisige Kalte- welle berihrte, aber auch alles mechanisch von sich stieB oder eben zertriimmerte, was sich wagte ihr entgegenzustellen. Ich atmete wie befreit auf, als der unangenchme Gast sich endlich empfahl. Ich konnte seinem Handedruck aus Schicklichkeitsrticksich- ten nicht entgchen. Es legte sich seine grobe, kurzfingerige Hand nur kurz in dic moins, aber os erfiillte mich schon diese Bertthrung mit solch einem Entsetzen, daB ich unwillkiirlich zusammenfuhr und cine Unruhe http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0557 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG mich iberfiel, der ich gar nicht Herr werden konnte. Dieses Gefthl lést sich bei mir immer aus, wenn ich mit dem Typus in der Art jenes Besuches gezwumyen bin, einen Hindedruck zu wechseln. E cine Higenart dieser Leute, daB sie die Hand des Partners nicht wmfassen, sondern diese nur mit der ihren in lose Berithrung bringen, das heiGt die cigene Hand an die andere nur heranlegen. Teh bia itherzeugt, dab diese Art des Hiindedruckes die meisten meiner Loser schon selbst beobachtet haben. Wo nicht, so mégon sic kiinftig darauf etwas achten. Sic werdon diese Art der BegriBung vielfach fin- den, Die Logik liegt nun sehr nahe, aus der letzteren generell! und individucll auf den Charakter es Partnors mm schlioBen, was in Wirklichkeit, falls nicht dirckte Tiuschung und Verstellung mitwirken, durchaus méglich ist. Aber auch in diesem Falle wird fiir den fein- fillligen wnd feinsinnigen Psychologen noch immer die Unterscheidung von Wahrheit und Verstellung moglich sein. Der Handedruck des scclisch yertieften, charakterfesten und uncigennittzigen Menschen spielt sich in seinen Answirkungen so ganz anders ab. Er legt sich mit festem — oft mu festem — Druck um dic Hand des Partners, er ver- weilt in dieser Stellung wenigstens cine Sekunde und hinterlift als Rudiment in dem seelisch Gleichgestimmten das stirkende und wohl- tuende Geftihl cines inneren Austausches, das noch lange nachwirkt und durch die Erinnerung, oft noch nach Jahren, wieder ausgélést und erweekt werden kann. Gehen wir von der Richtigkeit wid Brfahrung dieser Erwigungen ans, und sie sind richtig und die Erfahrungen vieler Jahre, so finden wir auch die logische Erklarung fiir dic ,Licbe auf den ersten Blick“, nicht minder fiir die ,,Froundschaft auf den ersten Blick.“ Der Volks- mund sagt nicht mit Unrecht, der erste Eindruck ist dor maBgebende. Das ist er in der at auch, weil Zuneigung und Abneigung, unbe- ribré von dem Kinflu8 der Abstumpfung und Gewohnheit, hier unge- schminkt ihre Kriéfte austauschen. Man sollte dieser Tatsache viel mehr Bedeutung beilegen als Richtschnuw auf die Schliisse einer tieferen Individualitat wnd Seclenanalyse. Man wird sich, falls man ein halb- wegs guter Beobachter und Registrator seiner eigenen Empfindungen ist, sclten nach dieser Richtung hin tiuschen, Wie off hért man als Nachhall einer vollzogenen Bekanntschaft die Worte auBern: ,,Ich konnte mir nicht helfen, der Betreffende war ja duBerst zuriickhaltend, héf- lich und nett, aber ich wurde das Geftthl nicht los, daB er cin Blender, cin brutaler, cigenntitziger Mensch, ein Phraseur und Schmeichler ist.“ Hier hat dic Erfahrung jeacr Annahme noch nicht sichtbaren Aus druck gegeben, aber das Gefithl des ersten Eindrucks wuchert fermen- tativ in uns weiter, daB es 'so ist. Und es ist sicher so und kommt ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0558 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 555 — frither oder spiter durch cine Handlung des Andern noch sichtbar zum Ausdruck, Se haben wir in unserm Geftihl selbst und yornehmlich in seiner subtilsten und feinsten Auswirkung, dem Hindedruck, einen Gradmesser der Beurteilung des Anderen, der cin beachtenswertes, wenn auch nicht unfeblbares Instrument abgibt nicht nur zu unserem Selbstschutz, sondern auch zur gerechten, vorurteilslosen Bewertung von Mitmenschen. Das Wort unseres Dichterfiirsten: ,,Geftthl ist alles, Name ist Schall und Rauch", hewahrheitet sich nicht minder auch in der Beschrinkung dieser rein mechanisch-individuellen Auslegung. Wir haben in ihm cine natiirliche Hadhabe, die, gut ausyebildet und angewendet, uns nur Vortcile sichern kann. riume als Ankiindiger wichtiger Ereignisse. Von H. Siebert. »Traume sind Schéume" sagt cin altes Sprichwort, und in der ‘Cat sind Tritume im ailgemeinen ohne Bedeutung, denn sic sind fast immer nur eine Wiederholing von Simeseindriicken, von Hrlebnissen, die man vorher im wachen Zustand gehabt hat, nur fehlt im Schlaf die Mit wirkung des ordnenden Verstands, soda Triume keinen logischen Zu- sammenhang haben und in ihnen gewdhnlich das Sinnloseste und Un- gewOhnlichste miteinander verbunden wird. Aber doch nicht alle riume sind nur Sehiume. Es gibt deren, die nichts Wirres und Sinnloses aus frither Erlebtem wieder vorgaukeln, sondern die wichtige Breignisse klar und deutlich im yoraus anzeigen. Leh selbst habe mehrfach solehe Tridume gehabt, und da cs sich also nicht um ein Nacherziihlen vom Hérensagen handelt, sondern um etwas, woftir ich voll cinstehen kann, so will ich einige der bemerkenswertesten dieser Traumerscheinungen hier- mit verdffentlichen. Damit wil! ich keineswegs den_ ,,Geisterklopfern'* Vorsehub leisten; vielleicht findet sich jemand, der dic Sache zt erklitren yermag, was bis jetzt restlos noch nicht’ gelungen ist. Wenn es, um mit Hamlet zu reden, mehr Dinge im Himmel und auf Brden gibt, als unserc Schulweisheit sich triumen liBt, so heibt es doch auch wieder: in der Natur geht alles natiiriich zu, Der Hergang des Mrériumens von erst in der Zukuntt eintreten- den Ereignissen erscheint uns nur jetzt noch ebenso ubernaitirlich, wie os vor twa 50 Jahren z. B, mit der drahtlosen Telegraphic und deren Er findungen und Erscheinungen bei unvermitteltem Vorkommen der Fall gewesen sein witrde. Kommen wir nun zam Traum selbst. Ich hatte miy als junger Mann eine gute Stellung erworben, von der ich glaubte, dab es eine Lebensstellung sein witrde, da ich das volle Vertrauen meines’ Prinzipals besa’, der mich bis dahin wegen meiner zufriedenstellenden http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0559 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 556 —~ Leistungen auch sonst stots bevorzugt und geférdert hatte. Da triumte ich, daf ich mit meinem Prinzipal Streit bekommen und meine Stelle verloren hitte. Ich sah in diesem Traum ganz deutlich das zornige Ge- sicht- meines Prinzipals, wie ich es schon am nachsten Tag nach der ‘Traumerscheinung in Wirklichkeit sah. Denn wegen eines Vorfalls, an den niemand hatte denken kéunen, entzweiten wir uns so sehr, daB ich meine Stellung aufgeben muBte. Ein weiterer Pall: Ich war yerheiratet und wir hatten ein ecinziges Kind, cin ctwa dreijihriges, herziges Téchterchen. Da, in einer Nacht, es war vom Samstag auf Sonntag, hire ich im Traum die Vorplatzschelle. Ich 6ffne selbst, und yor mir stcht cine befreundete Nachbarsfrau, die aut ihrem Arm unser weinendes Téchterchen hereinbringt, dessen weibes Schiirzchen tiber und iiber mit Blut bespritzt war. Daraufhin wurde ich sofort wach und orzihlte, noch stark erregt durch diesen Traum, meiner Frau sofort, was ich gesehen, Tagstiber dachten wir dann nicht weiter dariiber nach. Nachmittags kam die im Traum gesehene, Nachbars- frau und bat, wisere Kleine als Gespiclin fitr thre beiden Jungen, wie schon off geschehen, mitnehmen zu diirfen. Ohne in diesem Augenblick an den bésen Traum der yorhergehenden Nacht zu denken (er sollte offen- bar in Erfiillung gehen!), gaben wir das Kind mit. Beide waren kaum cine Viertelstunde fort, als es bei uns schellte. Ich 6ffnete selbst die Vor- platatiir, und vor mir stand die Nachbarin, auf dem Arm unser weinendes Tichterchen, dessen weifes Schtirzchen tiber und ther mit Blut bespritat war, genau so, wie ich es im Traum geschen. Das Kind war vom Stuhl gefallen und blutete heftig aus der Nase. Hinige Zeit nachher. erkrankte es an Hirnhautentziindung und starb; ob das mit cine Folye des Falles waz, kann ich allerdings nicht sagen. Wir bekamen spiter wieder Kinder und hatten zu der Zeit, da sich! der nachfolgende dritte Fall ereignete, zwei Téchter im Alter von 11 und 6 Jahren und einen Jungen von nicht ganz 5 Jahren. Der Junge er- krankte an Diphtheric, weshalb die beiden Madchen sofort von ihm ge- trennt wurden. Diese waren nach drztlicher Untersuchung von der Krankheit noch véllig wnberiihrt und schienen es auch nach fiinf Tagen noch zu sein, als ich im Traum sah, wie mein lingst verstorbener Vater vom Himmel herniederstieg, an jede Hand eines der Madchen nahm und mit ihnen fortging, indem er sagte: ,,Die beiden nehme ich mit in den. Himmel.” Tags darauf erkrankten dann auch wirklich die Madchen ebenfalls und starben nach vier Tagen, beide an demselben Vormittag, wahrend der Junge in dem némlichen Augenblick entschieden in dic Gee nesung trat. Wenn das Voraussehen des Todus sich auf den Jungen bee zogen hatte, so wiirde man in diesem Falle schon eher einen Zusammen,- hang finden kénnen, weil der Junge bereits ernstlich krank war und ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0560 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 557 — den Traum hatte hervorrufen oder becinflussen kénnen. So aber holte der Grofvater in der Trawnerscheinung nur die beiden noch gesunden Mad- chen, wahrend er sich um den schwerkranken Jungen gar nicht kiimmerte. ht, waren es immer groBe Unelitc! ‘Traum voraussall, niemals etwas Erfreuliches, und unter den berichteten E heinungen sticht besonders der zweite Fall durch die auSerordentlich genaue Ubereinstimmung zwischen Traum und Erfillung hervor. Be- merkenswert ist auch die Promptheit, mit der die ‘Triume in Erfillung ingen, stets schon am Tage nachher. SchlieBlich will ich noch bemerken, da$ ich solehe ‘Traumerscheinungen mur zwischen meinem 30. wid 45. Lebensjahr hatte, weder vorher novh nachher. Wie man ‘lle, die ich imf Das Wunder von Mantara. Von Karl Heise. Die Baronin Natalie von Uexkuell hat soeben ein Buch geschrieben; »Orientbriefe’ (Ziirich, Orell FaBli), das mich in yerschiedenen Teilen sehr gefesselt hat, u. a, dort, wo neben den Verfolgungen asiatisclier Christen kleine jesuitische Schelme: und Spitzbitbereicn ciner gewissen Geistlichkeit dargestellt werden. Das Buch enthilt Berichte tiber neun Reisen nach den Heiligen Isindern (Paliistina, Syrien, Tyrus und Sydon (Saida), Damaskus usw.). die zum Teil recht spannend zu lesen sind, und einen Anhang, der sich in finfzig Seiten tber cine hichst seltsame libersimmliche Erscheinung verbreitet, von der schon in den ,,Orient~ bricfen“ selbst gesprochen worden ist. Man kann soweit gehen, dic neun Orientbriefe iiberhaupt als die Einleitung zum ,,Anhang zu bewer- ten, denn die Baronin hat sich zum berufenen Anwarter gemacht da- fiir, daB das ,,Wunder von Mantara‘, das sich am 11. Juni 1911 ercignet haben soll, in der weiten gesitteten und kultivierten wie religidsen Welt beachtet werde, Aus diesem Grunde mul man die ,,Orientbriefe", welche rund 250 Seiten umfassen, als den eigentlichen Unterbau fir das betrach- ten, was die Autorin als das ,,Wunder“ bezeichnet, obwoll es zunichst nicht den Anschein hat, als ob die “ — vor allem die ersten — irgendetwas mit ,,Mantara‘ au tun hitten Die Baronin entstammt dem rémisch-katholischen Glauben, war in jungen Jahren als Studentin der katholischen Theologie immatrikuliert und benutzte spiterhin ihre vortrefflichen Bezichungen zu den hochsten fiirstlichen, diplomatischen, erzbischdflichen usw. Kreison dazu, ganz ungewohnliche Wege auf ihren Orientreisen einmuschlagen. Mehrmals hatte sie den Vorzug, die hohen Wiirdentriger im Vatikan zu Rom be- suchen 2u dirfen, und einem der letaten Papste wurde sie in seinen Ge- michern gugefihrt, um mit ihm die Lage der orientalischen Christen http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0561 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg golondert rch ae DFG — 558 — die oft wenig beneidenswert ist — zu besprechen. Im Mai 1910 legte Natalie von Uexkuell auf dem Altare der Kirche zu Stolp in Pom- mern das Geliibde ab, fortab ihr Leben der Kircheneinigung au widmen, d. i, der Wegriumung der Steine, welche die verschiedenen christlichen Glaubensbckenntnisse von einander trennen, Starke Wider- sacher fand sie bei Genfer Jesuiten, bei denen sie auf eine Férderung. ihrer Pline besonders fiir die Rechte der orientalischen Kirche gehofft hatte. In ciner Audionz, dic sie in der gleichen Sache beim dkumenischen Patriarchen in Konstantinopel, Joachim, gehabt, duBerte dieser ihr gegentiber: ,,Um zu der Kircheneinigung zu gelangen, mu tlichkeit sowohl des Orients wie des Ok- Die Ursachen der Kirchentrennung sind nicht cogmatisch, tiber die Glaubenslehren kénnte man sich verstindigen, dic Politik ist der Hauptgrund der Kirchentrennung. Das Schicksal hat die Baronin zur Fiirsprecherin besonders der melchitischen Christenheit gemacht, d. hb. der griechisch-unierten Chri- sten, die sich herleiten von den kénigstreuen Christen des frithen byzan- tinischen Kaiserreiches im Orient (ebendeshalb sind sie ,,Melchiten“, d. i. »Konigstreue“ oder ,,Royalisten“, genannt). Ihre Wohnsitze haben sie in Syrien. Erst nachdem sie alle Hoffnung auf die Wiederhersteliun ciner christlichen Monarchie aufgeben lernten, schlossen sie sich der ré- mischen Papstkirche an, jedoch nur soweit, daB sie niemals darauf ver- zichtet haben, ihre urspriingliche Unabhangigkeit und Freibeit in kirch- lichen Dingen und Beschliissen sich vormubehalien. Demzufolge haben sie ihren eigenen Patriarchen, werden daftir aber auch von Rom nicht nur nicht anerxannt, sondern auf alle mégliche Weise desavouiert und verfolgt. Sie ihrerseits aber beten fiir das Heil des Papstes und der abend- landischen Brider. Es ist wertvoll, in diesen ,,Oricntbriefen“ allerlei Tragisches tiber ihr Schicksal, das sic durch die Jahrhunderte gehabt haben, kennen zu lernen, u. a. durch die tiirkischen Massakers, die ihre Scelenzahl von 60 Millionen bis auf rund 24 Millionen dezimiert haben. Die Franzosen tiben das Protektorat tber die melchitischen Christen aus, — eine Einrichtung, die sich von den Krenzztigen herleitet, in denen die Melchiten den Kreuzfahrern zu Hilfe cilten., In Wirklichkeit ist von einem franzdsischen Schutz aber gar nicht die Rede, also daB die Melchiten chen den Massakers durch die ,,Kkrummnasen“ (die Tiirken) nicht widerstehen konnten. Da nun dieser alte Volksstamm niemals von Rom noch yon der Grande Nation (Frankreich) beschtitzt worden und des- halb dem miachtigen Arm des ,,Propheten“ verfallen ist, so herrscht unter seinen Angehdrigen vom Firsterzbischof-Patriarchen herab bis zum ein- fachsten Manne eine grenzenlose Furcht, die dieses cinstmals aristokra- tische Volk bis zur Sklavennatur herab gedemutigt hat, also dab die Mel- ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0562 © Universitatsbibliothek Freiburg — 559 — chiten sich scheuen, tiber das ihnen zuteil gewordene ,,Wunder“ ein freies Bekenntnis vor jedermann abzulegen. Darin firchten sie nicht weniger Kom, das alle ,,gdttlichen Wunder" fur sich usurpiert, als auch die franzisischen Freimaurer, die das Spirituelle heutzutage leichtsinnig ins Lacherliche zichen und die materialistische Durchseuchung des We- stens auf dem Gewissen haben, wie sie die Tirken als die Feinde ihrer christlichen Glaubensiibungen betrachien miissen, die ihnen ihre heiligen Statten zerstéren und ihre Dérfer vernichten. Sv sind also nicht etwa diese Melchiten diejenigen, die um Anerkennung des ,,Wunders von Ma: kara werben, — im Gegenteil, aus lauter Furcht vor ihren Feinden in Ost und West schwichen sie ab, was am 11, Juli 1911 in der stillen Grotte von Syrien so Selisames geschehen sein soll. Baronin von Uexkuell setat sich mit der ganzen Schwere ihres Na- mens, ihrer hohen Herkunft aus aitem baltisch-deutschen, katholischen Geschlechte und mit der Starke ihres Minflu infolge ihrer nahen Beziehungen zur Elite der Gesellschaft fiir iibersinnliche Ereignis des Trinitatissonntags im sydonischen Lande Und sie awingt in ihrem Buche den Erzbischof von Saida (Sydon), Basilio Aggia, dazu, Farbe zu bekennen, indem sie seine am & Juli 1913 gegebene Unterschrift, die das Ereignis von Mantara bezeugt, vor aller Welt ausbreitet. Worin besteht nun das Wunder vou Matara? Es besteht darin, dab am 11. Juni 1911 von mehr denn sechzig Personen, darunter dem Pra- sidenten der franzisisch-syrischen Freimaurer, Herrn Savoya zu Saida, der fiir sein Bekenntnis spiter nach Smyrna stralversetzt wurde, die Wr- scheinung der Heiligen Jungfrau mit dem Kinde wirk lich erlebt worden ist. Begleitet war Herr Bechara Savoya, der den 23. Grad der Hochgradfreimaurerei innehat, bei seinem Besuch der Grotte Unserer lieben Frau‘ von Mantara vom franzésischen Vizekonsul yon Saida, Mr. Ladicrre (cinem Franzosen), sowie sonstigem Anbhang, dazu von einigen Personen, die entweder griechisch-uniert, romisch-katho- lisch oder von maronitischem Ritus sind. Ein weiterer Begleiter des frei- maurerischen Bischofs Savoya war der Direktor der tiirkischen Regie in ‘aida, Mr, Joseph Aumann. arn Landleute aller Schattierungen aus Syricn in der Grotte anwesend, so daB also alles in allem sechzig und mehr Menschen fiir das erlebte iibersinnliche Lreignis zeugen. Gegen sechs Uhr abends yollzog sich das seltsame Geschehen. Uber dem Altar der Grotte erschien in natiirlicher GroBe in tberirdisch-strah- lendem Lichte die Heilige Jungfrau mit dem Jeguskinde, von leuchten- den Wolken umgeben, Line intensive Helligkeit ging yon der Erschei- nung aus; Mutter und Kind zeigten sich wie lebend und von unbeschreib- licher. Schinheit,. Die Imagination war vollkommen und von den sichtbaren Bewegungen der Hinde, des Kopfes und der Augen der Jungfrau bes ny, http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0563 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 5600 — gleitet. Gnade und liebreizende Anmut sprachen sich in Blick und Gesten aus, dazu dic ganze Majestat der gittlichen Geistigkeit. Und eine der- artige Erschlitterung. bemichtigte sich der europiischen, franzdsischen Herren, dab diese nur tief ergriffen die Grotte zu verlassen vermochten. Der franzdsische Konsul, cin tapferer, unerschrockener Soldat, war, um die Erscheinung zu untersuchen, mit brennender Kerze gegen dieselbe zu- geschritten. Im Moment, da er ihr wnmittelbar nahe war, erschrak er dermaBen, daB8 er — goblondet von dom unirdischen Glanze — die Kerze fallen lief und in dic Worte ausbrach: ,,Wahrhaftig, die Heilige Jung- frau ist es selbst, die uns erscheint!* Die Vision wahrte linger als zwei Stundeny denn als die Besucher dic Grotte verlieBen, lachelte und nickte und winkte die Jungirau noch immer, und das Jesuskind lachte froh und glicklich jenen Anderen zu, die noch weiter in Andacht im Raume verblieben. Weshaib wir diese Dinge veréffentlichen? Weil wir als Okkultisten verpflichtet. sind, die bezeugten Erlebnisse von Zeitgenossen vor cine Welt hinzustelien, die unwissend und glaubenslos gegeniiber allen héheren Dingen geworden ist. Hier handelt es sich um eine Imagination, um ein Bilderleben, das in der Geschichte der Heiligen und christlichen Kirche gar nicht selten, aber deshalb genau so wirklich ist, wie sonst die reale Wirklichkeit uns umgibi. Und daB fiir dieses imaginative Erleben neben dem Prior von Saida, Pater Nicolas Halabi, eben auch ein im Range eines Bischofs stehender Hochgradfreimaurer und ein Wiirdentriger der franvdsischen Regierung einstehen, das ist fiir unsere Zeit schon be- dentsam, Unsere Zeit mu wieder in weitem AnsinaBe zu itbersinnlichem Erleben yoranschreiten und die imaginative Erkenntnis muf uns wieder m eigen werden. Der seit dem 15. Jahrhundert heraufdimmernde Intel- lektualismus hat die imaginative Schau im Menschen des Westens aus geschaltet (der Osten hat sich den imaginativen Blick bis heute bewahr und damit die grenzenlose Ode iber unsere europiisch-amerikanis Gegenwart ausgebreitet, die fast unertréglich geworden ist, weil sie au- gleich aller Ideale entbehrt. Durch eine geistgemife Schulung kénnen wirwieder, aber vollbewu8t, zu einer Schau kommen, die nicht nur inner- lich-geistig verstehen lernt, was im ,,Wunder von Mantara“ zu den Menschen sprechen wollte, sondern es kann crreicht werden, da8 sich uns der ganze Kosmos geistig erdffnet und wir aus den Imaginationen heraus den groBen Weltzusammenhang wieder verstehen lernen, den wir ver- loren haben, obwohl wir in ihn eingewoben sind und von demderMensch im Grunde der Mittelpunkt ist. In der Grotte von ,,Mantara“ (d. hu in der Grotte der ,,Erwartung") isionire Erscheinungen keine Seltenheit. Wer dortselbst nur eine ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0564 © Universitatsbibliothek Freiburg DFG — 561 — Stunde vor dem Altar schlafend verbringt, wird kaum ohne Imagination heimkehren, sei es, daB ihm die Heilige Jungfrau oder die HI. Magdalene die dort fast standig erlebt wird, innerlich zuspricht. Nicmand aber braucht nach Mantara au pilgern! Wer innerlich offen fir eine hohere, geistige Welt ist, dem wird dic Welt der Offenbarungen auch anderwarts immer nahe uch im engen Stibchen zuhause. Indem wir yon Mantara ersiblten, wollten wir nur auf das auch heute noch nicht erloschene ,,Zeitalter der Wunder" hinweiscn. Metamorphose. Bine okkultistische HrzahInng. (Eortsetzung.) . Von Ernst Schillemeit. Indem er nun minutenlang wie ein Siulenbild sa8 und sein Auge starr auf die Klasse heftete, kam ihm doch vicles seltsam verindert vor. Wohl war iim der Name vieler Sehiiler noch gegenwartig, doch kostete es ihm unsigliche Muhe, sich diese ins Gedichtnis zuriickzurufen, und es war ihm, als sollten dabei die Krafte seiner Seele ins Uferlose dahin- strémen. Unter dex ‘kleinen Leuten waren ihm aber die meisten unbe- kannt. Es hatte sich jedenfalls vieles im aufern Klassenbilde verindert. Es muBte demgemaB etwas in seinem BewuBtsein nicht stimmen. E fublte sich stehen vor einer undberbrickbaren Kluft und bemihie sich daher krampfhaft, mit alter Sicherheit sich in den gegenwartigen Tat- bestand einzufiigen, ohne weiter durch fruchtloses Gritbeln den Kontakt mit den Dingen au verlieren. Anders bei den Kindern. Sie waren einen Ofteren Weehsel der Leh- rerpersinlichkeit wihrend der Kriegsjahre gewohnt. Seit ihr eigener Lehrer zu den Soldaten gegangen war, hatte schon so mancher eben aus dem Seminar enthipfte Neuling oder Kriegsinvalide sein pidagogisches f ihr immer wieder abwehrbereites Verstandesorgan austoben So war dieser eben wieder einer von den vielen, und hichstwahr- scheinlich ein Grundwitiger, dessen stechender Blick die Schar schon im voraus zu konsumicren schien. Die Kleidung jedoch, die nur aus dem Notdiirftigsten bestand, die bestaubten, langschaftigen Stiefel wollten ihnen mit dem Begriff, den sie von einem Lehrer hatten, durchaus nicht harmonieren. So konnte es nicht feblen, da8 bald leise Zweifel in den Kopfen einzelner Kinder aufstiegen und dies sich durch Tuscheln und Schwatzen unter den Skeptikern kundgab. Zuletzt waren es namentlich die gréferen Kinder, welchen vieles wh dem neuen Lehrer bekannt vorkam, so bekannt, dai sie schon im voraus wuften, welche Bewegung des Lehrers erfolgen mite, wenn Zentralblatt fOr Okkultiswus, XIX. Jabrgang, 3G http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0565 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg golondert rch ae — 562 — eine yollzogen war; so nach dem Schniirchen hatten sie in fritheren Jahren ihren alten Lehrer auswondig gelernt. Sic sannen und bericten hin und her, olme indes naturgemiB auf don hochst seltsamen CGedanken zu kommen, es in dieser wunderbaren Aufiachung mit ihrem alten Lehrer zu tun zu haben. Die Klasse hatte sich bereits geftillt. Det Lehrer klopfte auf den Tisch und gab damit das Zeichen zum Beginn des Unterrichts. Nichts konnte in den Kindern die Vermutung aufkeimen lassen, daf hier ein Wahnsinniger ver ibnen stinde. Das Morgengebet- wurde ordnungsge ma gesprochen, als sich plotzlich von den hinteren Banken cin kleiner rotzndisiger Bursche erhob und mit freundlich verziiekter Miene fragte: »Sind Sic unser neuer Herr Lehrer?“ e war hierdurch zum Blatzen gekommen. Ratlos muBte unser angstlich im Gehirnschatz umherwih- lender Delinquent den Ansturm der viclen neugierigen Stimmen iiber sich ergehien lassen. Endlich besann er sich: wlhr wollt woll enern alten Lehrer nicht mehr erkennen, — ilr seid wohl ganz aus dem Hiiuschen?* »Ei, unser Lehrer, der ist ja bei dic Soldaten im Krieg! Das war ja der helle Wahnsinn. Er faBte sich an die Stir, ob er noch seine fiint Sinne beisammen hatte, als’ noch auletzt eine helle Stimme in den Chorus hincinrief: Ki, das ist ja unserm richtigen Lehrer sein Freund! Ich habe ihn schon ofter hier bei ihm gesehen!" Diese Worte Wsten ein neues Hallo der Kinder aus, Viele gaben vor, den Freund ihres Lehrers mit seinen roten Haaren und seinem hin- kenden Ful auch schon zu kennen, Sie waren jetzt mit sich ins Reine gekommen:. Also, dieser Freund ihres Lehrers war erschienen und wollte sich einen Spa® mit ihnen machen, Hierauf einzugehen war ihnen na- ch cin Hauptvergniigen. Minutenlang muBte unser Freund mit der aus Rand und Band geratenén Horde kimpfen, che es ihm gelang, den Sturm cinigermaBen zu bandigen. Da er sein eigener Freund sein sollte, kam ihm auBerst komisch vor, und ctwas war in seinem Unterbewubtsein, was sich mit aller Kraft widersetate, die sichtbaren Zeichen seiner selbst als Argumente des Zweilels anzuerkennen, GewiB multe vieles in seinem Oberstiibchen nicht richtig sein. Er fublte immer deutlicher eine tiefe Kluft, die sich nicht tiberspringen lie; doch atgenblicklich war er durchaus bei klarem Verstand, und was hinter ihm lag, muBte fir immer dberwunden sein. Er wandte sich nach einigem Nachsinnen an die Kinder: Also, meine lieben Kleinen, was ihr da sagt, stimmt durchaus nicht, Ich bin in der Tat euer alter Lehrer, der plotzlich aus dem Kriege wieder heimgekehrt ist, Thr mégt mich wohl mit meinem Freunde ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0566 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 563 — verwechseln, der iiberhaupt eine grofe Ahnlichkeit mit mir besa’. Im Kriege wurde schon so manchem tapferen Soldat sein Bein zerschossen, und im tibrigen steht euch nicht an, itber die Veriinderungen, die im Laufe der Zeit sich mit mir vollzogen, eure térichten Gedanken zu auBern, Statt dessen wollen wir getrost den Unterricht beginnen und ihr sollt dann bald merken, mit wem ihr es zu tun habt. Wir haben doch jetzt Rechnen; wo sind wir doch beim letzten Mal stehen geblieben ?* Mit glicklichem Instinkt durehschiffte er alle Klippen, woran seine Verstandestatigkeit bei naherem Eingehen scheitern konnte, und steuerte, statt sich mit den aufdringenden Ratseln abzugeben, dirckt auf den Stoff des Unterrichts zu. Wie ich spater aus dem eigenen Munde der Kinder vernahm, iibte er die Funktion so korrekt aus und imitierte dabei die Manieren des alten Lehrers so naturgetreu, daB auch in den Képfen der dlteren Schiiler schlieBlich der Gedanke lebendig wurde, es doch mit Berger zu tun zu haben. Nicht nur der Klang der Stimme, auch dic Art der Fragestellung wie jede einzelne Handbewegung erinnerte so sehr an die Art seines Lehrverfahrens, daB es unmdglich einen zweiten in der Welt geben konnte, dem sie diese Manieren zuschreiben konnten. Wer weil, wie lange unser alias Berger noch ungestért unterrichtet. hatte, wenn sich nicht plotelich dic Tir des Klassenzimmers aufgetan hatte und im Rahmen derselben ein junger, baumlanger Mensch erschienen ware, eben der damalige Vertreter, welcher den Unterricht in reichlich vorgeschrittener Zeit beginnen wollte. Da er den Betrieb dreier Schulen in seinem Bezirk als Kriegsuntaug- licher zu gleicher Zeit tbernehmen muSte und an einem anderen Orte wohnte, kam er des Morgens regelmaQig zu spit, und die Kinder fanden dies schlieBlich so in der Ordnung, da8 sic ihr Tempo demgemal sireckten und ihren jungen Lehrer nicht durch zu grofe Bilfertigkeit beschimen wollten, Als unser Vertreter sich der Klassentiir nahte und sich durch sein Gehdr davon itiberzeugte, daB der Unterrichtsbetrieb bereits im vollen Gange war, bekam er es mit der Angst zu tun. Er dachte nichts an- deres, als daB sein Kreisschulinspektor schon vor ihm auf den Plan ge- treten wire und in Ermangelung des schlafenden Lehrkdrpers die Faden selbst in gestrenge Hinde genommen hatte. Er stand nun eine geraume Zeit mit schlotternden Knien vor der Tur und malte sich mit Entsetzen aus, welch eine Strafpredigt den saum- seligen Jugendhirten erwarte. SchlieBlich faSte er sich doch cin Herz, gab sich einen Ruck, offnete die Tur und sah sich einem wildfremden Menschen gegeniiber, der hier mit der Jugend umging, als wenn er schon jahrelang dies Geschift am gleichen Orte versehen hitte. aut golondert rch ae http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0567 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg — 564 — In seiner Aufregung merkte der Lehrer nichts von der seltsamen Kleidung des Dozierenden, verbengie sich linkisch an der ‘ir und starrte mit fiebernden Augen in den Klassenraum. Das Schiilervolk erhob sich nach und nach von den Banken und begriiBte den Ankémmling mit einem lauten ,,Guten Morgen“. Hieraus merkte unser Held, daB er es offenbar mit der Person des Vertreters zu tun hatte, und fand sich auBerordentlich schnell in der neuen Sachlage zurecht, schritt also dem jungen Mann freundlich entgegen und reichte ihm die Hand, worauf dieser sich verbeugte, seinen Namen nannte und sich als den Vertreter des ins Feld geriickten Lehrers zu erken- nen gab. Jener stellte sich nun ebenfalls vor und nannte dem vor Verwunderung starren Vertreter den Namen dessen, den er hier am wenigsten vermutet hatte. Da er Alfred Berger nie zuvor im Leben gesehen hatte, muBte er schon, wohl oder iibel, annehmen, es mit dem richtigen zu tun zu haben und fand im iibrigen keine Zeit, tiber das plétzliche Auftreten desselben und seine eigentiimliche Verfassung nachzudenken. xWie Sie schon sehen,“ nahm dieser das Wort, ,,bin ich Knall und Fall ftir immer yon den Preuen zurtickgekehrt und befinde mich augen- blicklich dabei, wieder Fiihlung mit meiner alten Klasse zu nehmen. Selbst- verstindlich bin ich nicht in der Lage, Sie mit eben derselben Plétzlich- keit vom Dienst 2u dispensieren und bitte Sie, getrost den Unterricht! weiter zu verselen, bis der Bescheid der Regierung eintrifft, der ich meine Riickkehr aus dem Felde sogleich mitteilen werde Es war bewundernswert, wie unser Kranker, dessen Gedachtnis nur wenig Daten zur Verfiigung standen, mit instinktmaBiger Schlauheit sich den neuen Situationen anpaite und mit automatischer Sicherheit das fehlende Gedachtnismaterial erganzte, ohne sich seines abnormen Geisteszustandes dabei bewuBt zu werden. Er hiitete sich auch, sich durch unnutze Fragen eine Blofe zu geben, lied den Vertreter rubig sprechen, griff mit geschickten Redewendungen ein und wubte so aus dessen Munde gerade dasjenige herauszuzichen, was geeignet war, einiges Licht in das mystische Dunkel zu bringen. Wahbrend so die beiden Schulherren im Gesprach vertieft waren, nahte das Ende der Stunde, und der Vertreter schickte die Kinder auf den Schulhof. Von all diesen Vorgiingen, die sich im Klassenraum abspielten, hatte indes Frau Berger, die den anderen Teil des Schulgebaéudes bewohnte, gar keine Notiz genommen. Sie hatte sich wie gewdhnlich am frihen Mor gen erhoben, weckte ihre Mutter, die seit Abriicken ihres Mannes zur wirt- schaftlichen Unterstiiteung in ihr Haus gezogen war, und half der kleinen Ursula bei der Morgentoilette. ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0568 © Universitatsbibliothek Freiburg DFG — 565 — Der hiuslichen Sorgen gab es nun gerade genug. Da waren Feld und Garten wihrend der Frithjahrszeit zu bestellen und in Ordnung zu halten, zwei Kithe, drei Schweine und cine Anzahl Gefltigel zu versehen. Der ganze Tag fand die ristige Hausfrau bei ttichtiger Arbeit. Wo hatte sie da noch Zeit und Interesse gehabt, sich um die Schulverhiilitnisse, deren Betreuung ganz in fremde Hinde tibergegangen war, zu ktimmer. Dazu kamen noch die seelischen Aufregungen um das Schicksal ihres Mannes, dic ihr manche bangen Tréume verursachten. Auch heute nacht hatte sic einen unkeilvollen Traum gehabt, sah ihren Mann bei cinem Ansturm gegen die Feinde von ciner platzenden Granate zerrissen — und dieses schreckliche Gesicht verfolgte sie wahrend der Morgenstunden und lie® mancherlei Ahnungen und Vermutungen in ihrem angsterfiillten Herzen aufsteigen. Zum Uherflu8 brachte ihr noch der Postbote einen Feldpostbrief ins Haus, den sie nur mit zitternden Handen entgegennahm, Es war sozusagen cin Abschiedsbrief fir immer. Die Stellung in Flandern war eine auferordentlich bedrohliche, eine Deckung vor dem Feinde infolge des sumpfigen Gelindes fast ausgeschlossen, eine Behaup- tung der Stellung vor dem anstirmenden Feinde nur mit grofen Opfern zu erkaufen, Alfred bat sie schlieflich, im Fall seines Ablebens, das er vor- aussehe, Mut zu fassen, da cr es nicht ftir ausgeschlossen halte, auch dann noch in persénliche Fuhlung mit ihr za treten. Bei dieser letzten Wendung des Bricfes muBte Else doch unwillktrlich licheln. Sie wufte es schon seit Jahren: Ihr Mann war ein unverbesser- licher Phantast, der sich mit ganz besonderer Hartnéckigkeit spiritisti- sehen Dingen hingab, Es war hieritber 6fters zu Zwistigkeiten gekom- men, da Else sich in diesem Punkt dank ihres braven, hausmiitterlichen Verstandes dem Gatten tiberlegen fihlte. Fir sie existierten in dieser Welt tiberhaupt keine Geheimnissse; es war ja alles so durehsichtig klar, und etwas Wunderbares hinter den natiirlichen Dingen zu wittern, war nach threr tberzeugung Symptom krankhafter Veranlagung. thr Mann war eben tiberspannt, und daber wehrte sie sich auch tapfer mit Handen und FiiSen, als er sie eines schinen Tages belehren wollte und den Versuch hinten herum wagte, aus ihr ein Medium zu machen, Else wuBte auch, wo der wahre Urheber zu suchen sei, der ihrem sonst so klar denkenden Mann den Kopf verdreht hatte. Dieser griiblerische, geistesschwache Ulrich Trentkin hatte ihn ganz gewiB ins Schlepptau genommen und etappenweise den niichternen Verstand ihres atten in das mystische Spintisieren hineingezogen. An dieser Uberzeugung gab es nichts zu riitteln, denn der Bauernsohn hatie vom ersten Tage ihrer Bekannt- schaft etwas Unheilvolles fir sie gehabt. Sic habte seine feine Wit- terung fiir wnausgesprochene Geftihle, und wenn er des ofteren thren older rch a http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0569 DFG ‘© Universitatsbibliothek Freiburg — 566 Mann besuchte, um mit ihm bis tief in die Nacht hinein Uber diese un- sinnigen Dinge zu sprechen, so hielt sie ihn fiir den Verderber seiner Seele und war erst froh, wenn er wieder seine Pfade zog. Uber den letzten Punkt des eben empfangenen Briefes tiefer nachzu- denken, hie& denselben Marotten nachgehen, die sie bei ihrem Manne verdammte. Trotzdem sie von Natur cin frauenhaft weiches, ja frommes Gemiit besa, war, wie fiir so viele ihres Geschicchts, der Tod der letaten Weisheit Schiu8. Einen Gott, der Himmel und Erde lenkte, lieB sie noch allenfalls gelten, Es mute doch irgend jemand in der Welt sein, der diese groBe Wirtschaft versah und in Ordnung hielt, dagegen an eine Fortdauer der Seele zu glauben, nein, dazu war sie im fortgeschrittenen Jahrhun- dert su aufgeklart. Wenn sie auch bis jetzt noch nicht einmal den Namen Haeckel ver: nommea, platschert> doch ihr Lebensschifilein im munteren Fahrwasser des Materialismus dahin, Schon das Nachdenken tiber dergleichen Dinge war fir sie Ausflu8 eines kranken, iiberspannten Gemiites, und im wbrigen, was auch kommen mige, so waren ja die Pfaffen die einzig richtige Instanz, denen die Sorge um jenseitige Dinge von Amts wegen oblag. An Hand dieser Ausfithrangen wird man leicht ersehen, warum es Alfred unterlassen, seine Frau rechtzeitig von seinem hintersinnigen Vorhaben, nach seinem Ableben in der Gestalt seines Freundes sein ver- gangliches Dasein fortzuleben, in Kenntnis zu setzen und sich so eine Erleichterung nach erfolgter Umwandlung vorsorglich 2u schaffen. Else war eben dab uber den Hof nach dem Stalle zu gehen, wobei ihr das dreijihrige Tuchterchen mit einem gefilllten Napf folgte, als ihr plétzlich die eben der ersten Stunde entronnene Schuljugend mit lautem Jubel entgegenstirmte: Der Herr Lehrer sei da, der Herr Lehrer sei da, rief der aufgeregte Chorus, und Else wuBte vorerst iberhaupt nicht, wessen Ankunft sie mit diesen Worten zu melden gedachten. Auf ihre Fragen wurden die Kinder deutlicher, indem sie mit dem Finger auf den mraum wiesen: ,Unser Lehrer, Ihr Mann, Herr Berger —!" yin der Klasse sitat er bei seinem Vertreter und hat bereits schon eine Stunde bei uns unterrichtet. Das war ftir den niichternen Verstand unserer Hausfrau denn doch m viel. Ihr Mann heimgekehrt, bereits unterrichtend, ohne sie zuvor aufgesucht zu haben, das war ja reiner Unsinn, Ihre Gedanken standen sitll. Sie lic&B den Eimer, den sie gerade in der Hand hatte, zu Boden sinken und sah nicht gerade sehr geistreich auf das beweg- liche Volk der Kinder, welche ihr immer wieder beteuerten, daB es wirklich Herr Berger sei, welcher mit dem Vertreter in der Klasse weile. ote auren le | http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/2b_olkultismus1925/0570 “" © Universitatsbibliothek Freiburg Sie wubte kaum noch, ob sie ihre FiBe trugen, Ihr Mann konn'te ja wirklich’ aus dem Felde zuriickgesommen sein, --- die Gewahrung eines Urlaubs geschah ja meistens gan unerwartet, — aber daB er sich nun gerade diesen Scherz erlaubte und sich firs erste in dem Klassenraum festsetate, war doch eine etwas starke Zumutung an den gesunden Men- schenverstand. Also cilte sic aufgeregt in den Mlur und stilrate mit einem unartikuliertem Schrei der offenen Klassentiir entgegen. Wie festgewurzelt blieb sic in dem Tiirrahmen stehen. GewiS hat- ten sich die Kinder doch einen recht boshaften Scherz erlaubt. Statt ihres in feldmarschmaBiger Ausriistung erwarteten Mannes sah sie zwei Gestalten, die ihr seit langem wohl bekannt waren. Unfuhig, noch einen Schritt vorwaris zu tun, verharrte sie in sprachlosem Staunen und blickte mit hilfesuchender Miene um sich, Unser transformierter Freund hatte inzwischen seines Weibes mit keiner Silbe gedacht, und auch der Vertreter, der doch sicher ein vorheriges Zusammentreffen des Heimgekehrten mit seiner Ehehilfte als gegeben annehmen mufte, fithlte sich nicht bemiibigt, in diesem Punkte in sein unterstiitzungsbediirftiges Gedichtnis cinzugreifen. So hatten sich die beiden Schultyrannen indes mit belanglosen Dingen befaBt und der Vertreter mit gewichtigen Worten den Stand der Klasse klarzulogen gesucht, wobei er nicht verfehlte, sein Lehrgeschick in den rechten Farben auflevchten za lassen, als plétzlich die Erscheinung der verwirrten Frau in dem Tiirrahmen auftauchte und dadurch dem wich- tigen Geprichsthema das Wasser von der Mithie nahm. Wir hatten schon vorher gesehen, wie die sinnliche Gegenwart ge- wohnter Bilder mit blitzartiger Geschwindigkeit die Faden der Vergangen- heit in das orientierende BewuStsein schlug, und kaum wurde er der Frau ansichtig, als er auch schon ohne Zogern auf sie losschritt, um sein jangersehntes ‘Weib in seine Arme zu schlieBen. Die unglickliche Frau wufite im ersterr Moment nicht, ob sie die ganze Situation nicht von der komischen Seite aufzufassen hatte. Allein wie sie die ihr wohlbekannte Gestalt Ulrichs auf sich zuschreiten sah und dabei ihren Namen mit der Stimme ihres Mannes erklingen hérte, wurde sie ihrer fiinf Sinne plétzlich irre. Sic konnte sich unmoglich tauschen. Aus dem Blick, der aus dem flackernden Auge des Mannes drang, schaute ihr die Seele ihres lang erwarteten Gatten etgegen. Der furchtbare Ernst der Situation er- griff sic blitzartig und suchte sie zu Boden zu schmettern. Sie hatte eben noch Zeit, einen Schritt zur Seite zu weichen, um der Umarmung des unheimlichen Mannes zu entgehen, als sie auch-schon dem wie ver- steinert. dastehenden Vertreter zurief: ,Helfen Sie mir, Herr Behr, dieser Mann ist verriickt geworden!* http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0571 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 568 — Unser Vertreter, dem plotzlich viele Verdachstsmomente einfielen, die auf einen Wahnsinn des Gastes schlieBen lieBen, hatte nun nichts Eilige- res zu tun, als mit wildfuchtelnden Armen aus der Klasse heraus auf die StraBe zu laufen, anstatt der bedrohten Frau in ihrer augenblicklichen Bedrangnis Hilfe zu leisten. Vor dem Schulgebande hatte sich inzwischen schon eine grofe Schar Neugieriger versammelt, denn inzwischen war durch die Schulkinder die plotzliche Riickkehr des Lehrers bekannt geworden und diese Nach- richt wie ein Lauffeuer durch das Dorf geeilt. Von allen Enden waren nun die riiBigen Bewohner herbeigestrémt, um sich selbst durch den Augenschein yon der Wahrheit des Gertichtes 2u tiberzeugen. Als sie. nun den Vertreter wie einen gehetzten Hirsch aus dem Schulgebiude herausstitrzen sahen, der immerfort das Wort ,,verriickt yor sich hinschrie, glaubten sie nichts anderes, als da diese Worte ihm selber galten, und eilten unter lautem Geschrei hinter dem Davoneilenden her, Dieser hatte indes nichts anderes im Sinn, als zu dem Gutsherrn, der zugleich die Geschafte des Amtsvorstehers versah, zu laufen, damit dieser den Gendarmen gegen den Wahnsinnigen mobil mache, und lied unterdes die Schuljugend auf dem Hofe vergntigt umhertummeln. Unser Freund, dem das Gebahren seiner angeblichen Frau ganz seltsam vorkam, erkannte, welch ein Unheil er durch sein unbesonnenes Auftreten angerichtet hatte, Wahrend diese nun ganz sprachlos und irre in einer Ecke des Raumes festgeklemmt dastand, versuchte er, dic Auf geregte zu borihigen, indem er immer wieder beteuerte, ihr nichts 7u Leide tun zu wollen und vollkommen seiner Sine machtig 2 seit atch glaube schon, liebe Blse, daB dich mein plotzliches, unmotiviertes Erscheinen an diesem Orte in einiges Grauen versetzt. Ich bitte dich jedoch, vollkommene Ruhe zu bewahren, indem ich dir hoch und heilig versichere, daB alles in guter Ordnung sich befindet, und in einigen Mi- nuten werde ich dich tiberzeugt haben, da ich dein Mann Alfred bin, der plotzlich aus dem Felde wieder zu den Seinen zurtickgekehrt ist,“ Diese Worte waren nur imstande, das Grauen zu erhdhen. Wenn nicht der Anblick der ihr woblbekannten Gestalt sie eines Bessern he- lehrt hatte, fiel durch den Klang der Stimme wie durch die ganze Art und Weise, sich zu geben, der Bindruck lithmend in ihr BewuBtsein, es in dieser kérperlichen Erscheinung wirklich mit ihrem Manne zu tun mu haben, und lange sweifelte sie, ob sie sich in einem Zustande des Traums befinde oder vollkommen wach ware. Der Wahnsinnige hatte indes mit beschwichtigeaden Worten ihre Hand ergriffen und bat sie, um jedes unlicbsame Aufsehon zu vermeiden, in das Wohnzimmer zu treten, wo sie sich in Ruhe von seiner Identitac tberzeugen konne, Else gehorchte automatisch, und beide gelangten nun ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0572 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 569 — in das Wohnzimmer, welches sich aut der andern Seite gegeniiber dem Klassenraume befand. Die etwas schwerhrige Mutter der jungen Frau hatte von der ganzen Szene nichts wahrgenommen und sa, die kleine Ursula auf dem SchoBe, ahnungslos in der cinen Ecke des Zimmers, als sich plétzlich dic Tiir 6ffnete und sich ihren Blicken folgende héchst aufregende Szene darbot: Kurz nachdem er in das Zimmer cingetreten, fiel der Blick des Irren auf das Kind, welches mit Angstlichen Augen den Zustand seiner Mutter gewahr wurde. Er wollte sich rasch dem Kinde nahern, um es in seine Arme zu schlieBen, als Else in héchster Angst wieder die Besinnung erlangte, sich mit tatkraftiger Enischlossenheit vor das Kind stellte, es an sich riB und dem Anstiirmenden jeden weiteren Schritt verwehrte. Rithre mein Kind nicht an“, rief sie mit erregter Stimme, ,,Wenn du dich selbsé fiir seinen Vater halten solltest, so bist du waimsinnig, ich rufe die Hilfe der Leute an!“ Der Kranke senkte den Kopf. » Wohl glaube ich selbst, daB irgend etwas Ungehcures mit mir vorge- gangen sein muB, und wir wollen uns denn auch zunichst auf den Stand- punk? stellen, daB wir beide es hier mit einem Wahusinnigen zu tun haben. Dennoch méchte ich dich wiederum bitten, dich zu fassen, und verspreche dir, weder dir noch unserm Kinde irgendwie au nahe treten au wollen. Wenn du selbst nicht glaubst, daf ich es bin, wie soll ich es dir beweisen? — Das muBtest du doch schlieBlich fih'en, o Else, hilf, hilf! — Ich muB weit und lange eurer Néhe entriiekt gewesen sein Es ist vieles in meinem Hirn, was auf cinen ungeheuren Zustand traum haften Daseins schlieBen lat. Vorlaufig bin ich nicht imstande, diese Kluft zu tberspringen, und mir ist, als wenn ich bis jetzt irre gewesen und mir erst von diesem Augenblick an die Vernunft wiedergekom men ist.“ Kise kam ein resoluter Gedanke. Indem sie Ulrich beim Arme er- griff und sein Gesicht dem Wandspiegel zukehrte, rief sie: ,Hier ist der Beweis! Blicke hinein, erkenne dich! Was du gesprochen, ist Ausflu8 des Wahnsinns. Du bist nicht Alfred, du bist Ulrich Trentkin! Etwas Ungeheures muBte in der Seele des Mannes vorgehen, als er sich so wnvermutet seinem Spiegelbilde gegentiber sah. Fassungslos be- trachtete er die Gestalt, die ihm so fremd und doch durchaus wesensahnlich erschien, Zuniichst glaubte er an cine Téuschung der Sinne, trat wic- detholt. vom Spiegel zuriick, um sich ihm immer wieder mit. steigernder Angst zu nihern, Fr fihlte den kalten Schweib yon seiner Stirn herun- terlaufen, ein Zittern ergriff seine Glieder, seiné Haare striubten sich vor schauderndem Entsetzen. http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0573 © Universitatsbibliothek Freiburg older arch a DFG — 570 — SchlieBlich begriff er langsam und ruckweise, stieB die geballte Hand vor den Kopf and achzte mithsam gepreBt hervor: »Helft mir, ich bin verriickt! Hollischer Wahnsinn stitrete mich in diesen Leib, in dem ich fortan zu hausen verdammt’ bin! Noch immer kam es ihm nicht zum BewuB8tsein, daB er es selbst gewesen sei, der sich durch Monoideismus in den Besitz dieses Kérpers versetat hatte. Er hatte nur die eine entsetzliche Empfindung, tot. zu sein, um in diesem Leibe langsam zu verwesen. Nin wildes Schluch- zen tibermannte ihn. Er fiirchtete, wirklich wahnsinnig zu sein, tor- kelte einige Schritte im Zimmer wmher wd sank dann bewuBtlos auf das Sofa nieder. Laut aufweinend umfaBt: Else ihre fassungslos dastehende Mutter und schrie immer wieder: ,.Nimm ihn fort, nimm ihn fort! Nun weib ich es, er ist tot, or ist tot und ist jetzt crschienen, mir zu verkiinden, daB ich von dieser Stunde an Mutter einer Waise bin!" In der Gestalt des Ungliicklichen ihren Mann selbst vor sich zu haben, war ihr unfabbar und hatte dic Weltanschanung ihres gesunden Menschenverstandes vollig tiber den Haufen geworfen, Es war faktisch unmoglich, es war Unfug, diesem Gedanken im Hirn irgendwie Raum za geben. Es war ihr deshalb ganz undenkbar, wie dieser Mensch in so vollen- deter Weise die Manieren ihres Gatten in Ton und Geste annehmen konnte, trotzdem sie sich an die frihere Wahrmehmung wie an einen Rettnngsbalken Klammerte, in Ulrich Trentkin schon unzithlige Male Ahnlichkeiten mit den Kleinsten Zilgen ihres Mannes entdeckt zu haben. Allein, dies war kcine Tuschung, keine Imitation, hier muBte letzten Bndes die iuBere Erscheinung cine Musion sein, denn es war ihr Mann, der da in lebendiger Gegenwart sich zu erkennnen gab. Sie filhlte seinen Odem, sein Wesen in greifbarcr Nahe und machte sich dabei nur dies eine immer wieder klar: es iuB etwas unaussprechbar Bntsetzliches geschehen sein und die Natur eruptiv aus ihren Grenzen geschleudert haben. Es verstrichen Minuten, in denen man nur das Weinen der Frauen, das Schreien des Kindes an diesem Ort des Grauens vernchmen konnte. Dann kam der Ohnmichtige langsam wieder au sich, und es war ihm, als wenn inawischen eine Decke von seinem Bewubtsein gefallen ware. Seine Secle hatte aus unsichtbarer Quelle news Nahrung, neue Erkennt- nisse und Aufwartstricbe geschépft, und os stand jetzt mit plotzlicher Wlarheit vor ihm, daB er selbst es war, der sich in dem Korper seines Freundes manifestierte und daB-er fortan mit dieser Inkarnation rechnen muBie. ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0574 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 571 — Nur in einem Punkte wollte ihm das Gedichtnis jeden Dienst ver- sagen: Es gab ihm keine Antwort auf die Frage, wo er in der Zeit seiner Abwesenheit von Hause gewesen und was inawischen mit ihm vorgegangen sei. Diese ganze Periode schien aus seinem Leben wie weggestrichen, wnwiederbringlich verloren. Sein Geist tberschlug ein- fack die Ereignisse und kniipfte an cine frihere Epoche an, als wenn er dazu verurteilt ware, mit dem Hirn seincs Freundes weiterzuarbeiten und sich dessen Vorstellungen furs erste zu bedienen, um sich in der alten Welt zurechtzufinden. Er erhob sich und erkannte mit Schmerzen das Unheil, welehes er im Kreise seiner Familie angerichtet hatte. GewiB, es war strafbar, die Grenzen der Natur zu verletzen wid sich wider Schicksal und Gott in das Leben zuriickzudrangen. Er hatte hierdurch eine ungeheure Schuld auf sich geladen, und der Fluch seiner Tat offenbarte sich ihm jetzt auf cine nicht miBzuverstehende Weise: Hier klopfte er an verricgelte T'iiren, der Kreis seiner Lieven muse ihm auf ewig versctlossen bleiben, Fur die Seinen blieb er der Ulrich Trentkin und mubte beim Beharren seiner Individualitat im Irrenhause enden. Plotzlich fuhr ctwas Neues, Belebendes aus dem dunklen Schacht seiner Seele ins BewuBtsein empor: Ja, er hatte einen untriiglichen Be- weis, Else von seiner Identitat zu iberzeugen, und er wandte sich jetzt an sie, indem er mit milder, ruhiger Stimme zu sprechen begann Wie du soeben bemerktest, liebo Frau, hat mich dic Enideckung wirklich in einem fremden Leibe zu stecken, auis auberste mitgenommen. Trotzdem bleibt es leider bei der Tatsache: Mein Bewuftsein, das mich als deinen Gatten zu erkennen gibt, vermag ich nicht so weit zu re dieren, da8 ich mich als meinen Freund gu fihlen’imstande bin. Es kcime dies cinem Selbstmorde gleich und wire obendrein vielleicht zweck- los, ‘Trotzdem wiirde ich, wenn du es wiinschest und fiir besser hieltest, mich in die Rolle meines Freundes finden und mich aller Anspriche auf mein Dasein begeben.“ Hie. unterbrach ihn die nun ruhiger aufhorchende Gattin wWenn du wirklich Alfred wairest, muBtest du wohl wissen, auf welche Weise du in diesen Korper gekommen und was inawischen mit dir vorgegangen ist. »Hieritber mich zu auBern, ware ich leider ganzlich auf die Hilfs- mittel meiner Phantasie angewiesen. Hs ist noch vieles dunkel in mei- ner Seele, was die Zcit meiner Abwesenheit betrifft, und ich kann nur hoffen, daB bei vollkommener Ruhe endlich ein Zustand eintritt, den ich als absolutes Wachséin bezeichnen kann und in dem mir alle verges- senen Bilder jtingster Zeit wie von selbst und ohne Anstrengung ins Ge- dichtnis zurtickkehren. Es mag vielleicht ganz gut und heilsam sein, http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0575 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 672 — daB mir meine Natur fiirs erste diese Daten vorenthalt, da sie in den Akt meiner zweiten Geburt stérend cingreifen kénnten. Dart bitte ich dich auch, meinem Gedachtnis nicht etwa durch dein cigenos Wissen zur TWilfe zu kommen. Ks wird sich alles langsam und naturnotwendig entwickeln, und es ist gut fiir uns beide, Ruhe zu finden, den Tatbe- stan festzustellen und den weiteren Verlauf der Dinge abzuwarten. Wohl muf ich einsehen, dab du noch immer Zweifel an mir hegen muBi, Diese zu zerstreuen, cntsinne ich mich auf eine Begebenheit, die. sich vor meinem Wegzug ins Feld creignete. Es handelt sich um ein Dokument, das ich dir unter Siegel hinterlicR fiir den Fall, daB einmal das Ereignis eintrate, das ich vorausgesehen habe. In meinem Sekretir, in dem unteren Fache links, wirst du in einer geheimen Holzspalte, von deren Existenz ich allein weiB, dieses hoch wichtige Dokument finden, Ich bitte dich, keinen Augenblick unniitz verstreichea zu lassen und dich durch diesen Beweis von meiner Identi- tat zu tberfithren.* Hiermit schritt er vor den stammenden Blicken der Frauen ins Schlafgemach, éffnete cine hdlzerne Truhe, entnahm dieser ein Etui und fiberreichte Else den Schliissel zu dem erwéhnten Fach seines Sckretars. Es bestatigte sich, was jener vorausgesagt hatte, in vollem Um fange. Else entnahm mit seiner Hilfe dem Fach cinen wohlversiegelten Brief, erbrach ihn und las seinen Inhalt mit zitternden Handen. Da mir spiter zur Aufklarung des Falls in zuvorkommender Weise dieses Schriftsttick tbergeben wurde, bin ich in der Lage, den Text desselben hier dem Le bekannt zu geben. Es enthielt folgenden Wortlant: »Meiner lieben Frau, unserm lieben Kinde itbermittle ich ftir den Fall ala ich nicht mehr Ichend aus dem Felde heimkehre, meine letzten Griibe. © kénnte jedoch sein, da& es meiner Seele gestattet sei, in irgend einer anderen Form auch noch nach meinem physischen Tode wieder mit meinen Licben in Verkehr zu treten, Ich bin vollkommen davon tiberzeugt und habe mannigfache Beweise dafiir, daB dic Secle noch nach Aufgabe des Korpers sich in der bisherigen Ebene manife- stieren, ja noch mehr, sich in einem zyeiten Kérper den Seinigen fir cine geraume Zeit erhalten kann. Zu Austithrung dieses Zweckes habe ich mich mit meinem Freund Ulrich Trentkin ins Einvernchmen gesctzt, und es ist nicht ausgeschlos- sen, da$ dieser mir nach meinem Ableben seinen Korper restlos zur Ver- figung stellen wird. Sollten wider Erwarten dem Akt der Umwand- lung Hindernisse entyegentreien, so bitte ich meine Lieben, nicht unniiiz um meinen Tod zu trauern, da ich auch dann noch geistig in ihrer Nahe weilen werde, sondern das Schriftsttick zu vernichten. ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0576 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 573 — Im Falle des Gelingens sche ich nun Schwicrigkeiten voraus, die Welt von der Fortsetzung meiner Existenz im anderen Kérper mu iiber- zeugen. Diesen Schwierigkeiten zu begegnen, soll dieses Dokument dic- nen, In dem Augenblicke, da Else diese Zeilen yon meinen Hinden empfingt, muB es ihr klar sein, da ihr Gatte im Felde den Tod der Ehre gefunden und nua si ihr in der Gestalt seines Freundes von neuem offenbart.“ Die nun in ihrer Uberzeugung schwankende Frau lieb aus kraft- losen Handen das Papier zur Erde flattern, starrte ihren Mann, der mit ngstlicher Miene den Kindruck jener Zeilen auf ihrem Gesichte er- erforsehte, an und schrie: »Unmiglich, unméglich! — Nein, cher glaube ich, daB ich wahn- sinnig bin wnd- die Welt aus den Fugen geht! Und solltest du wirk lich Alfred sein, was wire mir damit geholfen? —- Wie das Leben, so verlangt der ‘Tod sein Recht — du bist mein Gatte und bist es nicht! Vorlaufig weif ich ja noch immer nicht, ob wirklich das Entsetzliche eingetreten, — dann bleibt mir nur eins —.“ Indem siz diese Worte herausschrie, kam ihr ein- neuer Gedanke. © ergriff den Bricf, den sie an diesem Morgen empfangen und noch immer bei sich trug, hielt thn dem Manne hin und ricf » Wenn du es wirklich bist, so wirst du auch wissen, was dieser Brief enthalt, den ich als letzten von Alfred empfangen!* »Es kann sein“, erwiderte jener, indem er fruchtlos nach Anhalts- punkten in seinem Gedichtnisse forschte, ,,daB ich dir diesen Brief vor meinem Ende geschrieben und daB er ahnliche Gedanken ausdrtickt, wie sie das eben gelesene Dokument enthilt. Hier kann ich, wie gesagt, mur ratea, da mein Gedachtnis fir letatfristige Daten vollkommbn versagt. Uns bleibt nur eins, in Ruhe und Geduld abzwwarten, ob nicht die Zu- kunft atich Licht in dieses Dunkel bineintragt. So awingend der Beweis des Dokumentes fiir Else auch im Augen- blicke erschien, so lich das cben erfolgte Versagen rasch erneuten Zwei- hieBen, Statt aller Antwort kehrte sie dem verdutaten Manne cken und begab sich, ihr Kind hinter sich herzichend, mit ihrer Mutter ins anstoBende Gemach. (Wortsetzng folgt.) Okkulti: Natiirliche Erklarung eines biblischen Wunders. Im zweiten Buch der Kénige wird tber ein Wunder berichtet, das der Prophet Elias yollbrachte. Er crweckte den Sobn einer Witwe wieder zum Leben, indem er ihm Atem in den Mund blies. Der amerikanische Professor Yaldell Henderson hat bei http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0577 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 574 — einem Vortrag in England dieses Wunder auf natiirliche Weise zu erkliren versncht. Er meinte, das Kind habe sich wanrscheinlich in einer Art von Schlifsucht befunden, nachdem es auf dem Felde an Mohnblumen gerochen oder Mohnkirner geyessen hatte. Elias teilte dem Knaben durch das Kin- blasen seines Atems Koblensiture mit, die im menschlichen Atem enthalten ist. Wie neuere Versuche bewiesen haben, hat Kohlensiure bei Betéubungen cine anregende Wirkung. Wenn man sie zugleich mit Einschliferungsmitteln anwendet, so kann der Patient nicht aur freier atmen, sondern er erwacht auch rascher wieder aus seinem Schlaf. Der Professor nimmt an, daB Elias auf diese liche Weise ein Wunder gewirkt habe. Liner der englischen Zuhirer meinte, er glaube an sich lieber an das Wunder, aber die wissenschalt- lithe Erklérung sei doch ganz plausibel, (Mittags-Blatt, Hamburg.) »Was ,,Raphacls Prophetic Almanac" fiir 1926 voraussagt. (ber Deutsch land héren wir Folgendes: In der letzten Ausgabe stelite ich fest: Der Kinflu8 der Mohenzollern wird heimlich wachsen", und jetst haben wit Hin- denburg, die rechte Hand des Kaisertums, als Oberhaupt Deutschands. (Also der Kalender prophezeit nicht nur, er ,.beweist auch!) Es ist sehr zu be- dauern, dai wir nicht die Geburtszeit dieses ,Eisernen Manes" haben. (Die Englander haben die deutsche astrologische Literatur nicht hinteichend auf Plagiate usw. verfolgt, sonst wiiften sie, dal Hindenburgs Horoskop langst sowohl genar wie auch ganz falsch ansgerechnet worden ist. Hindenburg ist um 3 Uhr nachmittags in Posen geboren, unter dem Zeicen des Stein- bocks.) Hijedenbury, so geht die ,,Voraussage weiter, trat fiir den Krieg und fiir cinen neuen Militarismus ein, Wir miissen une auf eine Auferstehung Gsterreichs gefaBt machen, ferner auf Unruhen an der deutschen Ostfront und in den friiheren deutschen Kolonien in Afrika, auch anf dem Balkan. geheim werden die Deutschen cine diplomatische Verstindigung mit @en gréBten militarischen und Seemachten suchen und in mdglichst enge Freundschaft mit ihnen geeignet erscheinenden Vélkern treten. Ich bemerke avch, taB das deutsch: Spionagesystem auBerordentlich méchtig ist und daB— sein EinflaB in groBen Phitzen der amerikanischen Staaten fiihlbar ist. -- In dem Horoskop des Ex-Kronprinzen finde ich, daB Mars und Uranus (die beiden Planeten des Krieges und plétzlichen Unheils) sehr miichtig werden. Ich werde nicht iiber- rascht sein, wenn ich im Laute des Jahres von einem Versuch der W: herstellung der Monarchie hdren werde. ns eder- Soweit die deutsche Prognose eines der hervorragendsien englischen Astro- Jogen. Man braucht die Astrologic nicht zu kennen, um zu sehen, daB die Prognose fiir Deutschland nicht in den Sternen, wohl aber m_ englischen Zeitungen gelesen werden kann In Bezug auf England ist der Kalender natiirlich liebenswitrdiger. Da heiBt es, daB der hochverehrte Monarch Englands die herrlichste —,,kénig- liche Nativitit'' habe. Der Jupiter, dieser Gliicksplanct, stehe im Meridian und auBerdem im eigenen Hause, im Schitizen, dem Zeichen fiir England. Was auch immer in England an Parteizunft an der Spitze stche, ob Konservative, Sovialisten oder Demokraten, die kénigliche Position bleibt unerschiittert, Ob Kénige durch géttliches Recht ausyestattet sind cu regicren, kénnen wir nicht sagen, aber bei unserem Monarchen haben wir nicht nur eine kénigliche Nativitit, sondern durch die Venus in ihrem eigenen Zeichen, und aufgebend ist auch angezeigt, daB er mit* viel Glick und Hocbherzigkeit regieren wird. Die Gesundheit Sr. Majestit ist in diesem Jahre jedoch nicht giinstig durch die http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0578 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg — 575 — Sterne beeinfluft. Die Position des Mars zeigt an, daB die Frage der Landes- yerteidigung Englands wiederholt akut werden wird und da® der Kénig mehr- fach formelle wie auch politische Reisen unternehmen wird, Tm Horoskop GroBbritanniens geht der Gliicksplanet Jupiter auf, der anzeigt, daB die Macht des britischen Kk ches und seine Ehre unangetastet bleiben. Die totale Sonne: finsternis am 14, Januar wird dem englischen Reiche giinstige Handelsver trige bringen, Die Stellung des Neptun im cchten Hause zeigt den ‘Tod von eiigen groBen und beriihmten Sozialistenfihrern an. — Den Vereinigten Staaten geht es auch besser als uns. In diesem und dem niichsten Jahre. steht der Planet Saturn in den Eckhiusern der Horoskope des Prisidenten Coolidge und Wasbingtotis. Weiter wird voraus- gesagt, da Président Calvin Coolidge ein siegreicher Fuhrer der Republikaner war, der zu Macht und Anschen aufyestiegen ist. Ferner wird cine friihere Rede des Priisidenten zitiert, dad ,Amerika kein irdisches Reich sucht, gebaut aus Blut und Gewalt", Sonst fehit die cigentliche Voraussage, die bei der groBen Bedeutung, die Amerika auch fiir uns hat, sehr interessant wire. Uber RuBland wird in jedem sich die englischen und franzdsischen Astrologen cinig. Saverwein hatte es nicht besser machen kornen, Jupiter steht jetzt im herrschenden Zeichen Rub ahr dasselbe geweissagt. Darin sind lands, im Wassermann, und zeigt den Zusammenbruch des ganzen_fiskalischen und nationalistischem ems. Saturn zeigt Verwirrung an und Auswiichse des Bolschewismus, die ihn selbst zerstren. Von Moskau a schwérungen ausgehen, und Plinderungen und Schrecken werden das ganz Land bedrohen, (Fr. Langner, Hamburg.) us werden Ve Biicherti sch. = i} fl (Dio angegebenon BUcherpreieo sind unverbindlich,) Licht auf dem Pfad. Von M.C. Mit Leipzig, Max Altmann. Les ist ein kleines Heft, das zumeist eine Reihe von Regeln enthiilt, wie sic den Schiller der alten Mysterienbiinde auf seinem miihevollen und doch vom Glanz der Ewigkeit erleuchteten Pfade geistiger Entwicklung leiteten. Als recht vorteilhaft fiir das Studium wird es der Leser bemerken, daB eine Gruppe solcher Regeln immer erst, soweit es zum evaten Verstiindnis nétig ist, kurz aber recht treffend anschaulich erliutert werden, so daB auf diesem Grunde durch stetige Meditation und aufrichtiges Eintcbon in die erschlossene Geistes- rklirungen von Yogi Ramacharaka welt nach und nach das tiefere Verstindnis dieser kurz und eindringlich gefab. ten Wahrheiten sich erarbeiten liBt, Mége das Biichlein auch bei uns vielen Lesern ,,Licht auf den Weg" bringen! th. Gehira und Seele. Von Dr. med. P. Stinner. Berlin, Verlag Ullstein, (Wege z. Wissen, Bd. 28.) Dieses handliche Taschenbandchen unterrichtet in vorziiglicher Weise tiber die physiologischen und vor allem psychologischen Grundfragen des Seelen- lebens. Die verschiedenen im Laufe dey Jahrtausende aufgetretenen Anschau- ungen fiber das Leib-Scele-Problem werden in Klarem UmtiB erditert, wobei alles Doktrinire vermieden und immer wieder aut die offenen Fragen hingewiesen witd, Obgleich dem Neovitalismus cin besonderes Kapitel gewidmer wird, wahrt http://¢l.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0579 ‘© Universitatsbibliothek Freiburg older rch a DFG — 576 — der Verfasser doch die Objektivitit, die Lehren von Driesch zwar als ver- heiBungsvolle Lésungsversuche, doch ht als Lésungen schlechthin zu be- zeichnen. Des weiteren erdrtert er die heute viel besprochene Frage des iiber- individuellen Seelischen und behandelt in diesem Zusammenhange Telepathie, Hellsehen, Inspiration, Intuition und Traum, sowie die Ansichten ber Ober- und Unterbewubtscin, soda® dieses Biichlein jedem Okkultisten zur allgemeinen Einfiibrung in die neuere Psychologie sebr zu empfehlen ist G Ww. Franz Hartmann, Vertrauliche Mitteilungen. 2. erv haus, Leipzig. 3 M., geb. 5 M Es ist eine stattliche Sammlung nicht nur aphoristischer, sondern bei aller Kiirze und Gedringtheit doch sorgfiltig durchgearbeiteter, umfassender Be- trachtungen fiber die groSen Fragen um Mensch und Weltall, ihre Entwicklung und ihr gegenseitiges Verhalmis, dann aber auch iber dic BeyuBtscinszu stinde und Daseinsebenen im individuellen wie im kosmischen Leben, Be- merkungen zum Problem der Symbolik und schlieBlich aber die Weibe Loge und die Theosophische Gesellschaft. - Kleine Abhandlungen, die wenigstens etwas die mit Recht so hochgeschatzten, aber heute kaum noch zu erlangenden Mit- teilungen in den ,,Lotus-Bliiten ersetzen. Im zweiten Teile werden eine Reihe von Briefen des Mahatmas an K.H., im folgenden einige Meisterbriefe an Hart- mann und im vierten Teile Briefe des Chela A.B. an seinen Schiller mitgeteile; der Anhang bringt cinige Briefe an BO Yan Ras an Taku Meru. Man mag var Frage der Mahatmas stehen wie man wolle — die rechte Einstellung dazu ist nicht eine Einstellung des Intellekts, sondern der Spiritualitit und ihrer Ent- Aufl, Theosoph. Verlags- wicklung —, so wird man doch in den hier vorliegenden Dokumenten zum mindesten auBerordentliche Reizmitel zur Erweckung und Entfaltung der eige- nen innersten Wesenheit finden. =y, ‘Trliume. Eine theosophische Studie von C. W. Leadbeater. 2. verm. Anfly, Autoris. Ubers. y. Giinther Wagner. Leipzig, Max Altmann. Preis 4— Mk. Lange Zeit ist die Traumforschung hintangestellt, und von der ziinftigen Wissenschaft verachtet worden, und nun sie sich ihrer angenommen hat, ge- schieht dies mit einer Kinseitigkeit und Obertreibung, die dem ganzen dabei auftauchenden Problemenkomplex nicht gerecht wird. Unvoreingenommene For scher, auch Arzte, scheuen sich aber heute bereits nicht mehr vor einer ok'ult- psychologischen Betrachtung des Traumes. Da darf ein Buch, das auf 4 indischen Anschauungen iiber die Natur des Menschen, fiber das Seclenproblem und uber das Geist-Stofi-Problem tberhaupt fuBt, ethéhte Aufmerksamkeit be- anspruchen, Die Darlegungen sind durchaus niichtern, nicht mehr spekulativ, als jede tiefer dringende Erfahrungswissenschaft es auch ist und sein muB, Mégen auch Einzelheiten den und jeuen befremden, als Ganzes ist das Schriftchen doch recht anregend und bildet cine gute Grundlage fiir klirende Auseinander- setzungen. Ri Claudin Woldt. Roman von Carl Bernk. Heggi. Bild. und Buchverlag, Berlin 1925. In Leinen geb. 6.30 M. Ein Buch, das einer seltsam ans Herz fait. Man fithit, so kann nur jemand jebt hat, und so schreiben, aus deren Seele sich ein Schrei ungestillter Sehnsucht ringt, Der miinnliche Deckname verdeckt nicht das Weib, das aus jeder Zeile spricht Der Roman gibt, weil er Wirklichkeit ist und einen tiefen Blick in cine ringende Frauensecle tun laBt, viel zu denken JK schreiben, der das alles nn nur eine Frau, eine Mutter, ote auren le http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0580 DFG © Universitatsbibliothek Freiburg

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