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Spiegel: Fatale Rücksicht
Spiegel: Fatale Rücksicht
men, an diesem Mittwoch nun muss der jedoch, dass durchaus ein späterer Termin
STUTTGART 21
Ministerpräsident selbst aussagen. Er hat im Oktober denkbar gewesen wäre. Der
Fatale stets betont, zu keinem Zeitpunkt die Po- Termindruck war offensichtlich hausge-
lizei beeinflusst zu haben. macht. In der Villa Reitzenstein, dem Re-
Der vertrauliche Vermerk des Landes- gierungssitz in Stuttgart, drängte man
polizeipräsidenten und weitere Doku- wohl zur Eile.
Rücksicht mente zeigen jedoch, wie eng die Staats- In einer Mail von Michael Pope, dem
kanzlei und Mappus in die Vorbereitun- Referatsleiter Innenpolitik und Verkehr
gen der Polizei eingebunden waren. im Staatsministerium, wird deutlich,
Interne Dokumente zeigen, wie
Bereits am 20. September, also zehn warum. Unter dem Stichwort „Schloss-
eng Staatskanzlei und Minister- Tage vor dem geplanten Einsatz, schrieb park/Bäume“ hält der Beamte am 17. Sep-
präsident in die Vorbereitungen ein Protokollant anlässlich eines Besuchs tember fest: „Details werden – mit StM
des katastrophalen Polizei- von Ministerpräsident Mappus in Beglei- (Staatsministerium –Red.) – in einer se-
einsatzes eingebunden waren. tung von Verkehrsministerin Tanja Gön- paraten ‚Baumbesprechung‘ am 20.09.
ner im Polizeipräsidium Stuttgart: „MP abends besprochen, auch im Hinblick auf
D
ie Hundertschaften waren angefor- erwartet offensives Vorgehen gegen die Terminierung und die geplante RE
dert, die Absperrgitter aufgeladen, Baumbesetzer.“ Im weiteren Verlauf des (Regierungserklärung –Red.) des MP am
die Wasserwerfer betankt. Doch Protokolls heißt es, die Anwesenden sei- 7.10. Anschließend Info MP.“
24 Stunden vor dem seit Wochen geplan- en sich darin einig, die Baumfällarbeiten Dass die Mappus-Regierungserklärung
ten Polizeieinsatz im Stuttgarter Schloss- sollten „möglichst schnell (möglichst un- offenbar entscheidend für den Zeitdruck
garten wollte Landespolizeipräsident Wolf mittelbar nach Ende der Wachstumspe- war, bestätigten überraschend auch zwei
Hammann den Einsatz plötzlich abblasen. riode) beginnen“. Zeuginnen, die am vorigen Dienstag vor
Denn seit 12.09 Uhr an diesem 29. Sep- Das Fällen der Platanen durfte aus Na- dem Ausschuss aussagten. „Ich hatte den
tember war klar, dass die Pläne der Poli- turschutzgründen zwar nicht vor dem 1. Eindruck, dass die Polizeiaktion vor der
zei durchgesickert waren. In den einschlä- Oktober beginnen. Sowohl Zeugen der Regierungserklärung des Ministerpräsiden-
gigen Internetforen forderten erste Stutt- Polizei als auch führende Mitarbeiter der ten stattfinden sollte“, sagte Beate Schuler,
gart-21-Gegner ihre Mitstreiter auf, am Deutschen Bahn bestätigten im Ausschuss Ministerialrätin im Verkehrsministerium.
nächsten Tag wegen der Baum- Allen sei klar gewesen, dass man
fällarbeiten unbedingt in den auf diesen Termin Rücksicht neh-
Park zu kommen. „Damit ist der men wollte. Eine Kollegin aus
Überraschungseffekt hinfällig“, dem Finanzministerium teilte auf
schrieb der Polizeichef in einem Nachfrage diese Einschätzung.
internen Vermerk. Mappus, der zu diesem Zeit-
„Wenn sich im Park zu Beginn punkt noch eine konservative
der Polizeimaßnahmen mehrere Law-and-Order-Politik gegen die
tausend Personen befinden, ist „Berufsdemonstranten“ am
mit verhältnismäßigen Mitteln Bahnhof verfolgte, „wollte sich
eine Räumung – und damit ein in seiner Regierungserklärung als
Beginn der Fällarbeiten – nicht starker Mann präsentieren“,
möglich“, meldete Hammann glaubt Andreas Stoch, SPD-Ob-
vertraulich an den Amtssitz von mann im Ausschuss. „Da hätte
FOTOS: UWE ANSPACH / DPA