Weißes Buch Über Den Sprachenstreit Zwischen Bulgarien Und Der Republik Nordmazedonien

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Weißes Buch

über
den Sprachenstreit
zwischen Bulgarien
und der Republik Nordmazedonien
Diese Ausgabe entstand durch die freiwillige Arbeit des Autorenkollek-
tivs:

Wlado Treneski – Republik Nordmazedonien


Dejan Tantschovski – Republik Nordmazedonien
Erlin Ago – Аlbanien
Iwan Nikolov – Serbien
Ilija Stojanovski – Republik Nordmazedonien
Methodi Iwanov – Bulgarien
Rumen Srebranov – Bulgarien
Spas Таschev – Bulgarien

Rezensenten:
Prof. Dr. Ana Kotscheva
Doz. Dr. Liljana Wasileva

Redakteur:
Zanko Serafimov
© Wlado Treneski, Dejan Tantschovski, Erlin Ago, Iwan Nikolov,
Ilija Stojanovski, Methodi Iwanov, Rumen Srebranov,
Spas Taschev, Autoren, 2021
© Verlag „Orbel“, 2021
Übersetzung: S.&.A.Takev

Auf dem Buchumschlag: Karikatur des berühmten bulgarischen


Künstlers, Karikaturisten und Feuilletonisten mazedonischer Herkunft
Rajko Aleksiev, ermordet 1944. Originaltext unter der Karikatur: „Das
chauvinistische Belgrad „serbisiert“ auch Kyrill und Methodius, aber
ein Zeichen aus deren Alphabet konnte nicht serbisiert werden und die-
ses wird am dunklen mazedonischen Himmel leuchten und das Herz des
Bulgaren erwärmen“.

ISBN 978-954-496-150-3
Wlado Treneski, Dejan Tantschovski, Erlin Ago,
Iwan Nikolov, Ilija Stojanovski, Methodi Iwanov,
Rumen Srebranov, Spas Taschev

Weißes Buch
über
den Sprachenstreit
zwischen Bulgarien
und der Republik Nordmazedonien

• Оrbel •
Sofia
2021
INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG ......................................................................................9
ERSTES KAPITEL
DIE BULGARISCHE SPRACНЕ IN DER VERGANGENHEIT UND
GEGENWART ...................................................................................22
1. Die bulgarische Sprache in der Zeit des Ersten Bulgarischen Reiches
(681-1018) .........................................................................................22
2. Die bulgarische Sprache in der Zeit der byzantinischen Herrschaft
(1018-1185) und des Zweiten Bulgarischen Reiches (1185-1396) ...30
3. Der Zustand der bulgarischen Sprache in der Zeit der osmanischen
Herrschaft ...........................................................................................36
4. Die bulgarische Sprache z.Z. der nationalen Wiedergeburt (18. Jh.-
1878). Die Kodifizierung der modernen bulgarischen Buchsprache durch
Sprecher verschiedener Mundarten ................................................. 39
5. Vernichtung des kulturhistorischen Erbes der bulgarischen Wiederge-
burt durch den Mazedonismus ...........................................................53
ZWEITES KAPITEL
DIE KODIFIZIERUNG DER „MAZEDONISCHEN“ SPRACHE ..61
1. Die Rechtschreibreform in Bulgarien 1945 – ein Angriff der BKP auf
die schriftliche Einheit der bulgarischen Mundarten .........................61
2. Sprachkomissionen in Skopje und die Kodifizierung der neuen „ma-
zedonischen“ Sprache mittels Dekonstruktion der einheitlichen bulga-
rischen Sprache...................................................................................62
3. Das Schicksal derjenigen, die mit der Kodifizierung nicht einverstan-
den waren. ..........................................................................................67
4. Widerstand und Ablehnung der Schriftnorm von Skopje im ägäischen
Mazedonien, Pirin-Mazedonien und Albanien nach 1948 ................73
5. Grundlegende sprachliche Beweise für die Einheit der offiziellen
Sprachnormen in Sofia und Skopje ....................................................82
DRITTES KAPITEL................................................................................
BEISPIELE AUS AKTUELLEN LEHRBÜCHERN UM 2020 UND
DAS AUFZWINGEN DER LÜGE ÜBER DIE HISTORISCHE

5
KONTINUITÄT DER „МАZEDONISCHEN“ SPRACHE. VERGLE-
ICH FALSCHER BEHAUPTUNGEN UND FÄLSCHEN VON ORI-
GINALEN ..........................................................................................86
1. Joakim Kartschovski ......................................................................86
2. Kiril Pejtschinovitsch .....................................................................90
3. Raiko Zhinsifov..............................................................................92
4. Gebrüder Miladinov ...................................................................... 94
5. Grigor Parlitschev ..........................................................................98
6. Teodossi Sinaitski.........................................................................101
7. Partenij Sografski ........................................................................104
8. Kusman Schapkarev .....................................................................106
9. Jordan Hadschikonstantinov–Dschinot ........................................109
10. Die Junge mazedonische Literaturgesellschaft und Zeitschrift „Losa“
(Weinstock).......................................................................................111
VIERTES KAPITEL
DIE HEUTIGE SPRACHLICHE SITUATION IN DER REPUBLIK
NORDMAZEDONIEN ....................................................................114
1. Die Suche nach der Wahrheit und die Lage der Menschenrechte in
der heutigen Republik Nordmazedonien .........................................114
2. Die zeitgenössische Kommunikation im bulgarischen
Sprachraum ......................................................................................130
FAZIT ...............................................................................................137
AUSGEWÄHLTE BIBLIOGRAFIE ...............................................143
ANHANGSVERZEICHNIS ............................................................145
Anhang 1. Das Fälschen literarischer Denkmäler ............................145
Anhang 2. Das Fälschen und Vernichten von Steininschriften ........150
Anhang 3. Sammlungen von Volksweisheiten mazedonischer
Persönlichkeiten ...............................................................................151
Anhang 4. Die Wahrheit über die frühen Mazedonisten .................155
Anhang 5. Offizielle Statistik des Osmanischen Imperiums von 1902
über die Bevölkerung einiger Gebiete, die sich auf dem Territorium der
heutigen Republik Mazedonien befinden.........................................163

6
AN DIE LESER DIESES BUCHES

Im Namen eines großen Teils der Bevölkerung der Balkanhal-


binsel bitten wir Sie höflich, sich diese Studie anzusehen, die die ver-
hängnisvollen Versuche einer kleinen Gruppe von Menschen und
mehrerer Organisationen in der Republik Nordmazedonien aufzeigt, die
ihre europäische Integration zu verhindern versuchen.
Die uneingeschränkte Unterstützung, die die Republik Bulgarien
der Republik Mazedonien (jetzt Republik Nordmazedonien) seit ihrer
Unabhängigkeitserklärung vor 30 Jahren gewährt hat, ist mehr als of-
fensichtlich: Bulgarien hat 1991 als erstes Land dessen Unabhängigkeit
anerkannt und unternimmt als EU-Mitgliedstaat ernsthafte Anstrengun-
gen, um den Integrationsprozess der Republik Nordmazedonien in die
EU zu beschleunigen.
Diese Studie enthält unwiderlegbare Beweise für die böswilligen
Handlungen der oben genannten Gruppe, welche durch skandalöse
Fälschungen, Gewalt und Repressionen immer noch versucht, die Zwie-
tracht auf dem Balkan aufrechtzuerhalten, indem sie Hass zwischen
Geschwistern hervorruft - eine langfristige Operation, die Mitte der
1940er Jahre begann.
Diese Veröffentlichung enthüllt die angewandten Mittel, mit
denen erreicht werden soll, dass Bulgarien und seine Menschen als Fein-
de in den Köpfen und Herzen der Bevölkerung der Republik Nordma-
zedoniens wahrgenommen werden sollen. Wir legen klare Beweise vor
für die Falschheit aller Anschuldigungen, für den offensichtlichen Ras-
sismus, die Verleumdungen und Beleidigungen, die von führenden Per-
sönlichkeiten der Republik Nordmazedonien an Bulgarien und Bulgaren
gerichtet wurden.
Ziel dieses Buches ist es, den festen Standpunkt Bulgariens
gegen den Beginn des Verhandlungsprozesses zum Beitritt der Republik
Nordmazedonien zur EU mit Argumenten zu verteidigen, bis die gegen
Bulgarien und die Bulgaren gerichtete rassistische Hassrede aufhört. Die
historische Wahrheit, die auf authentischen Dokumenten und Artefakten
basiert, muss in allen Schulbüchern anerkannt, von historischen
Fälschungen befreit und entsprechend korrigiert werden.
Es ist notwendig, dass die politische Klasse der Republik Nord-
mazedonien erkennt, dass ihre groben Verstöße gegen die Grundwerte

7
der Völker der Europäischen Union, nämlich gegenseitiger Respekt,
Achtung der objektiven Wahrheit, Achtung der Menschenrechte und
Ehrlichkeit, es unmöglich machen, mit den Verhandlungen über den Bei-
tritt ihres Landes zur Europäischen Union zu beginnen.
Das Hauptthema dieses Weißen Buches ist die Klärung des
Sprachenstreits und der bulgarischen Herkunft der Sprache, die heute in
der Republik Nordmazedonien verwendet wird. Die sprachlichen und
historischen Beweise, die wir liefern, stehen im Mittelpunkt dieser Un-
tersuchungen. Wir glauben, dass diese Studie von entscheidender Be-
deutung sein und dazu beitragen wird, Ihre Meinung zur
bulgarisch-mazedonischen Frage bilden zu können und die Gerechtig-
keit zu verteidigen.

Hochachtungsvoll,

Erlin Ago Dejan Tantschovski Ilija Stojanovski

Iwan Nikolov Methodi Iwanov Rumen Srebranov

Spas Taschev Wlado Treneski


8
EINLEITUNG

Am Ende des Jahres 2020 gab das Land Bulgarien mehrfach


keine Zustimmung dafür, dass der Verhandlungsprozess für den Beitritt
der Republik Nordmazedonien zur Europäischen Union eingeleitet wird.
Als Hauptargument wird es darauf hingewiesen, dass Skopje das Fre-
undschaftsabkommen zwischen den beiden Ländern ab 2017 systema-
tisch nicht einhält. Als offene Probleme verweist Sofia auf die
massenhaften Fälschungen der historischen Vergangenheit, die Repre-
ssionen gegenüber Personen mit bewahrtem bulgarischen Selbstbe-
wusstsein und den Charakter der Amtssprache von Skopje.
Bulgariens Partner in der EU berücksichtigen diese Position. Am
16. Dezember 2020 akzeptierten die Botschafter der EU-Mitgliedstaaten
die bulgarischen Anforderungen an die „Fehlinterpretation der Gesch-
ichte“ und nahmen den vollständigen Namen der Republik Nordmaze-
donien in ihre Schlussfolgerungen auf. Für diejenigen, die mit der
Vergangenheit und Sprache Bulgariens nicht vertraut sind, bleibt Sofias
offizielle Position jedoch etwas unverständlich.
Eine Schwäche der bulgarischen Politik besteht darin, dass sie
ihren außenpolitischen Partnern bisher nicht die Art und das Ausmaß
der sprachlichen Spaltung im kommunistischen Jugoslawien und die
völlige Fälschung bestehender Dokumente offenbaren konnte. Es wurde
auch nicht bekanntgemacht, wie der Diebstahl des bulgarischen kultu-
rellen und historischen Erbes in Skopje heutzutage andauert, wie die
Menschenrechte systematisch verletzt werden und wie die physische
Unterdrückung und sogar Ermordung von Bürgern, die mit dieser Politik
nicht einverstanden waren, erfolgte. Diese Tatsachen zeigen und
bestätigen die Fälschungen und die Kontinuität totalitärer Praktiken in
der jüngeren Vergangenheit, indem sie sehr ernste Fragen aufwerfen.
Die vorliegende Analyse gibt eine Antwort auf diese Fragen.
Die in dieser Veröffentlichung verwendeten Begriffe gehören
demjenigen Bereich des Vokabulars, der spezifische Phänomene und
Fakten im Zusammenhang mit kulturellen, historischen, politischen und
sprachlichen Fragen in den Beziehungen zwischen Bulgarien und der
Republik Nordmazedonien bezeichnet.
9
Die Kodifizierung ist ein sprachlicher Begriff, der verwendet
wird, um die Regulierung der literarischen Sprache zu bezeichnen, ihre
Etablierung als sprachliche Tatsache, die häufig mit einem bestimmten
politischen Wandel verbunden ist. In der bulgarischen Geschichte ver-
suchten die neuen politischen Subjekte oft, nachdem sie die Staatsmacht
erlangten, die Sprache nach ihren Ansichten zu kodifizieren, z.B. die
Änderungen der Sprachnorm während der Herrschaft der bulgarischen
Agrarunion (bekannt als die sogenannte Omartschevski-Schreibweise
von 1921) sowie der Schreibweise von 1945 (bekannt als Vaterlandfront-
Schreibweise), die wir bis heute verwenden, trotz bestehender
Vorschläge für eine grundlegende Überprüfung der Norm alle 50 Jahre.
Die literarische Norm der Republik Nordmazedonien wurde
1945 durch eine Entscheidung der Sprachkommission festgelegt, die die
erste und natürlich politische Kodifizierung auf Grundlage der zentral-
und nordmazedonischen Dialekte mit einer starken Beimischung von
serbischen und lateinischen Elementen vornahm, so dass die Distanz zur
bulgarischen Literatursprache so groß wie möglich sein sollte.
Tatsächlich basiert die literarische Norm von Vardar auf dem bulgarisch-
en Dialekt, da sie alle Merkmale aufweist, die für die gesamte bulga-
rische Sprache charakteristisch sind: der bestimmte Artikel, der
nachgestellt ist (im Rumänischen ist nur der definite Artikel nachgestellt,
nicht jedoch der indefinite), die analytische Bildung des Komparativs
und Superlativs, das Ersetzen des Infinivs durch da-Konstruktionen, der
Abbau des Kasussystems und der Reichtum der Verbalkategorien. Auch
hier muss zwischen Literatursprache und Landessprache unterschieden
werden, da die Beziehungen zwischen ihnen Artengattungen sind, d.h
die literarische Sprache ist Teil der Landessprache, die die literarische
Norm und Dialekte (sozial und territorial) umfasst.
In der Republik Nordmazedonien versucht man zu zeigen, dass
der Fall Kyrill und Methodius die erste Kodifizierung der „mazedonisch-
en Sprache“ ist. Es ist jedoch zu beachten, dass die Kodifizierung Regeln
enthält, nach denen der einheitliche Sprachstandard funktioniert und for-
malisiert wird. Zusätzlich zur Standardisierung des Alphabets enthält es
Regeln, die alle Ebenen der Sprachanalyse betreffen - Phonetik (Orthog-
raphie), Morphologie, Syntax und Lexikologie, d.h. Rechtschreibung.

10
Man kann von einer anderen „mazedonischen“ Sprache als poli-
tisches Phänomen sprechen, seit sie 1945 tatsächlich standardisiert
wurde. Zuvor haben einzelne Aktivisten aus Mazedonien, z.B. Dimitria
(Dimitar) Tschupovski (Tschuparov), Georgija (Georgi) Pulevski, Kraste
(Krastju) Misirkov, Stefan Dedov, unter dem Einfluss und in Zusamme-
narbeit mit den serbischen Wissenschaftlern St. Novakowitsch, Al. Be-
litsch, J. Zvijtsch u. a. versucht, ein separates Alphabet zu erstellen oder
sogar die serbischen Buchstaben insgesamt zu übernehmen. Übrigens
sind die sogenannten mazedonischen Auftritte Misirkovs sehr umstritten,
da er sich in seinem Tagebuch von 1916 (das gemeinsam vom mazedo-
nischen Staatsarchiv und vom bulgarischen Staatsarchiv veröffentlicht
wurde) als Bulgare identifiziert. Selbst am Ende seines Lebens war er
Direktor der Schulen in Karlovo und Koprivstitza. Wie der damalige Di-
rektor des mazedonischen Archivs, Prof. Z. Todorovski, feststellt, sollte
die Ethik der historischen Wahrheit in Dokumenten und nicht in Inter-
pretationen gesucht werden.
Es ist interessant, dass die Schreibweise der Vaterlandfront und
die Kodifizierung der Vardar-Norm ungefähr zeitgleich durchgeführt
wurden, was weitere Fragen nach der Absicht ihrer Distanzierung auf-
wirft. Tatsächlich erfüllt die Sprachkommission der Antifaschistischen
Versammlung für die Volksbefreiung Mazedoniens (ASNOM) einen Be-
fehl der neuen politischen Macht unter dem Vorsitz von L. Kolischevski,
welche am 6. Mai 1945 anordnet, welche Buchstaben übernommen wer-
den sollen.
Die Beziehung zwischen den beiden Normen ist eine Beziehung
zwischen zwei Dialekten einer Sprache, d.h. ihre Unterschiede sind le-
xikalisch und phonetisch, aber grammatikalisch stimmen sie fast
vollständig überein. Bis 1944 betrachten alle weltberühmten Slawisten
die Dialekte in Mazedonien als untrennbaren Bestandteil der bulgarisch-
en Sprache. Unter ihnen sind die Russen A. M. Selisttschev, V. Grigoro-
witsch, P. Lavrov, A. I. Sobolevski, V. I. Stschepkin, T. Florinski, P. N.
Miljukov und N. S. Derschavin, die Tschechen V. Vondrak, P. Schafarik
und L. Niederle, die Franzosen A. Mazon, L. Leger und Velon, die De-
utschen B. von Arnim und G. Weigand, die Slowenen W. Oblak und F.
Mikloschitsch, der Pole A. Kalina, der Holländer N. van Viik u.v.a.

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Es ist kein Zufall, dass nach 1945 die schriftlichen Normen in
Bulgarien und in der heutigen Republik Nordmazedonien in eine Un-
tergruppe der südslawischen Sprachen unterteilt werden. Sogar besteht
hier der Unterschied nicht nur zwischen diesen Sprachen, sondern
überhaupt mit allen übrigen slawischen Sprachen. Die beiden Normen
haben auch heute dieselben Merkmale, die sie stark von den anderen
Sprachen der slawischen Gruppe unterscheiden. Aus diesem Grund leh-
nen moderne Wissenschaftler wie J. Clark, O. Kronsteiner, H. Stamler,
J. Babiniotis und andere die These ab, dass es eine vom bulgarischen
„Mazedonisch“ separate Sprache gibt. Die Anführer der authentischen
mazedonischen Befreiungsbewegung im Exil akzeptieren auch nie die
Trennung der mazedonischen bulgarischen Dialekte in eine eigene
Sprache.
Die Kodierer von Skopje, die sich auf Kr. Misirkov stützen, tref-
fen auf einen Dialekt, den sie für genug weit entfernt von der bulgarisch-
en Literatursprache halten und der die kleinstmögliche Anzahl
gemeinsamer phonetischer und lexikalischer Merkmale enthält. Mit die-
sen Argumenten wurde der zentrale Veles-Dialekt gewählt, mit einem
starken Einfluss des nördlichen Skopje-Dialekts. V. Markowski schreibt
in Veleser Mundart und verteidigt in der ersten Sprachkommission die
Notwendigkeit des Buchstaben Ъ (er wird als bulgarisches Element an-
gesehen, obwohl er Teil des kyrillischen Alphabets ist, von welchem
mazedonische Gelehrte behaupten, mazedonisch zu sein) in seinem
Streit mit Blazhe Koneski, welcher versucht, das gesamte serbische Al-
phabet durchzusetzen. Bereits am 28. Dezember 1944 wird der für seine
proserbischen Ansichten bekannte Philologe Vojislav Ilitsch aus Belgrad
als Angestellter der Sprachkommission entsandt. Er kommt nach Skopje,
um Blazhe Koneski zu unterstützen. Derselbe V. Ilitsch etabliert später
die Terminologie in der mazedonischen Grammatik und bedient sich
dabei vollständig der serbischen.
Dies führt zur Zweiten Kommission vom 15. Februar 1945, die
aus fünf serbischen Agenten besteht: B. Koneski, Vojislav Ilitsch, Lazar
Mojsov (der Freiheitskämpfer für das unabhängige Mazedonien, Zhivko
Ilijev, wurde von ihm persönlich im Jahr 1948 gefoltert), Liljana Tscha-
lowska (Ehefrau von L. Kolischewski) und E. Malinska. Auch die durch
12
B. Koneski vertretenen Thesen der serbischen Ideologen zur
vollständigen Einführung des serbischen Alphabets erzielen keinen
endgültigen Erfolg. Der damalige Ministerpräsident der Volksrepublik
Mazedonien L. Kolischevski war erschrocken über die Einführung des
Buchstaben Ъ und bittet die Belgrader Führung Jugoslawiens, bei der
Lösung dieses Problems behilflich zu sein. Gleichzeitig besteht B. Ko-
neski darauf, die Entscheidung zu verschieben. Es gibt niemanden, der
Einwände erhebt, da er Mitglied von OZNA ist, einem Vorgänger von
UDBA (jugoslawischer Geheimdienst, Anm. d. Übers.).
Mitte März 1945 trifft auf Befehl von Milovan Dschilas, Leiter
von Titos „Agitation und Propaganda“, sein Stellvertreter Radovan Zo-
govitsch in Skopje ein. Seine Hauptaufgabe ist es, die Position von B.
Koneski zu stärken. R. Zogovitsch spielt eine entscheidende Rolle bei
der endgültigen Übernahme des serbischen Alphabets Karadschitza als
mazedonisches Alphabet. Die gesamte Operation zur Aufzwingung des
mazedonischen Alphabets Karadschitza wird von Belgrad unter Führung
von General Alexander Rankovitsch, Mitglied des ZK der JKP, einer der
engsten Mitarbeiter von Tito, Leiter der OZNA und ihres Nachfolgers,
der UDBA, und Blagoje Neschkowitsch, seit dem 9. April 1945 Premi-
erminister Jugoslawiens, durchgeführt.
Am 24. April 1945 werden B. Koneski, V. Markovski und V. Ma-
linska von Milovan Dschilas nach Belgrad gerufen, wo ihnen die ser-
bischen Positionen durch Parteidiktat aufgezwungen werden. An diesem
Treffen mit Dschilas nehmen auch vier serbische Professoren teil: Ra-
domir Aleksitsch, Radoslav Boschkowitsch, Michajlo Stevanowitsch
und Radovan Lalitsch, mit deren Hilfe die Frage des mazedonischen Al-
phabets zugunsten der serbischen Doktrin von Mazedonien und Bulga-
rien endgültig beschlossen wird. Das verfolgte Ziel ist die maximale
Trennung der Mazedonier und der mazedonischen Kodifizierung vom
bulgarischen ethno-linguistischen Kontinuum. Dies führt zu dem Para-
doxon, dass ein Vokal, der nicht ignoriert werden kann, nicht als Buchs-
tabe geschrieben werden soll, sondern als Apostroph. Nach den
Entscheidungen, die in Belgrad von der Dritten Linguistischen Kom-
mission getroffen werden, ist der 3. Mai 1945 das Geburtsdatum der ma-
zedonischen Sprachkodifizierung. Später, nach dem sogenannten
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„Gesetz über die mazedonische nationale Ehre“, befinden sich die Geg-
ner des serbischen Alphabets und des serbischen Einflusses im
Gefängnis oder im Konzentrationslager, andere sind isoliert.
Skopje bezieht sich heute auf die Behauptung der Existenz get-
rennter kroatischer und serbischer Sprachen und zieht daher die Analogie
zu den bulgarischen und vardarischen Normen. So eine Behauptung ba-
siert nicht auf Kenntnissen der historischen Entwicklung von Sprachen.
In der kroatischen Sprache beispielsweise werden in der Vergangenheit
häufig lokale und unbestimmte gebräuchliche Namen wie Slowinisch,
Slowijenisch, Dalmatinisch, Illyrisch usw. verwendet, die heute als Teil
der kroatischen Sprache wahrgenommen werden. Zu Beginn des 19. Jh.
waren alle Kroaten durch ein gemeinsames Sprach- und Grafiksystem,
unterschiedlich vom Serbischen, vereint. Erst Ende des 19. Jh., nach der
Rechtschreibreform von Wuk Karadschitsch in Serbien, beginnen Ver-
suche der Annäherung der serbischen und kroatischen Sprache, um sie
unter dem gemeinsamen Namen „Serbokroatisch“ zu vereinen. Die
langjährige Tradition der Existenz der kroatischen Literatur ist die Grun-
dlage für die heutige Existenz einer unabhängigen kroatischen Sprache.
Im Gegensatz dazu werden regionale Mundarten in Mazedonien bis
1944 nie als eigenständige Sprache angesehen, weshalb in Skopje der
Faktor „unabhängige mazedonische Literaturtradition“ fehlt. Darüber
hinaus sind die mazedonischen Dialekte selbst sehr unterschiedlich. Der
Nevrokop-Dialekt ist dem Tarnovo-Dialekt viel näher als jeder andere
umgebende oder andere bulgarische Dialekt. Und wir wissen, dass der
Tarnovo-Dialekt die Grundlage der bulgarischen Literatursprache ist,
d.h. der Nevrokop-Dialekt, der von Skopje-Gelehrten als mazedonisch
angesehen wird, ist der bulgarischen Literatursprache viel näher als jeder
andere Dialekt außer dem Tarnovo-Dialekt.
Es kann praktisch aufgrund politischer Interventionen von jedem
Dialekt eine eigene Sprache getrennt werden, und von jeder ethnogra-
fischen (regionalen) Einheit kann ein eigenes Volk getrennt werden. Dies
gilt nicht nur für die Vielfalt der Dialekte und regionalen Einheiten der
bulgarischen Sprache und des bulgarischen Volkes, sondern auch für alle
anderen Sprachen und Völker. So schreibt z.B. eine der symbolischen
Persönlichkeiten des Mazedonismus, G. Pulevski, der sich
14
widersprüchlich äußert, über die Sprache der Mijazen. Die Politik der
Differenzierung getrennter Völker und Sprachen ist nicht nur ein Mer-
kmal des Balkans. Wir werden sie auch in den Bestrebungen der Ko-
mintern nach Trennung von Minderheitensprachen und Völkern sehen,
sowie in Hitlerdeutschlands Plänen zur Abspaltung von der polnischen
Nation und der Bildung einer neuen Gural-Nation und sogar bei den
Überlegungen zur Bildung eines Satellitenstaates Mazedonien ange-
sichts der zögernden Position Bulgariens und der Teilnahme am Bündnis
mit Deutschland. Das politische Engineering bei der Vermehrung von
Nationen und Sprachen, welches den lokalen Separatismus fördert, ist
ein Instrument zur Beseitigung der staatlichen und ethnischen Konsoli-
dierung des Gegners.
Die Kodifizierung der Vardar-Norm ist eine natürliche Fortset-
zung der serbischen Intervention in der mazedonischen Frage mittels
systematischer Förderung der Trennung von Sprache und Nation von
der bulgarischen Sprache und dem bulgarischen Volk. Aufgrund dieser
Intervention entsteht ein Kreis mazedonischer Aktivisten, die in Belgrad
ausgebildet werden und mit lokalen Professoren und Politikern zusam-
menarbeiten - vom Ende des 19. Jh. bis zur Entstehung der mazedoni-
schen Norm. Während der serbischen Besetzung von 1913 bis 1941 wird
systematisch ein Prozess der Serbisierung der Bevölkerung von Vardar-
Mazedonien durchgeführt, der eine Grundlage für die Auferlegung einer
getrennten Kodifizierung und Identität von Sprache und Volk bildet. Mit
der politischen Unterstützung der jugoslawischen politischen und repre-
ssiven Gremien wird die moderne serbische Kodifizierung der mazedo-
nischen Norm durchgeführt. Diese proserbische und antibulgarische
Richtlinie kann eine Vielzahl von Gelehrten schaffen, die sie
unterstützen, indem sie die serbischen Thesen über die sogenannte ma-
zedonische Sprache und Nation wiederholen.
Die Entstehung einer eigenen mazedonischen Identität, die auch
die Sprache einschließt, geschieht nicht über Nacht, wie Premierminister
Z. Zaev und andere Politiker in Skopje behaupten, sowie aber auch bul-
garische Gelehrte und Politiker, denen zufolge es bis 1944 Bulgaren gab,
die danach Mazedonier wurden. Die heutigen Tatsachen sind das Ergeb-
nis systematischer und zielgerichteter Maßnahmen des serbischen
15
Doktrinärs, der nach seinem Plan versucht, nicht nur eine eigene maze-
donische, sondern auch eine Schopen-Nation zu schaffen. Diese Praxis
steht im Einklang mit Russlands Plänen der separaten Bildung einer
Dobrudscha- und thrakischen Nation, und fällt mit den serbischen The-
sen zusammen, die bulgarische Identität zu leugnen und durch neue
Identitäten zu ersetzen, die auf regionalen Formen der bulgarischen
Sprache und des bulgarischen Volkes beruhen. Eine ähnliche Politik be-
ginnt in Belgrad mit lokaler proserbischer, mazedonischer und russischer
Unterstützung (einschließlich des russischen Konsuls in Bitola) ab dem
späten 19. Jh. und führt durch das Königreich SHS (Serben-Kroaten-
Slowenen, Anm. d. Übers.) und Jugoslawien, einschließlich Vardar-Ma-
zedonien, bis zur heutigen Zeit. Es ist kein Zufall, dass die größten
Verteidiger des Mazedonismus nicht alle Mazedonier sind, sondern der
russischen und serbischen Elite einschließlich ihrer Schützlinge in der
Republik Nordmazedonien angehören.
Die Besonderheit dieses Phänomens wird durch die Ansiedlung
serbischer Kolonisten in Vardar-Mazedonien verstärkt, die heute einen
ernsthaften Einfluss auf die Politik (auch im wissenschaftlichen Bereich
und im Journalismus) haben. Die negative russische Haltung gegenüber
Bulgarien ist bereits 1870 bemerkbar, als der russische Diplomat Graf
Ignatiev gegen Art. 10 des Dekrets des Sultans zur Errichtung eines bul-
garischen Exarchats protestiert, welches eine Volksabstimmung zum Bei-
tritt der mazedonischen Diözesen zu diesem vorsieht. Der russische
Antibulgarismus hat seine tiefsten Wurzeln nach dem Berliner Kongress
(1878), mit dessen Entscheidungen die russische Verwaltung drastisch
auf 9 Monate reduziert wird. Später, während der Regierungszeit von St.
Stambolov (1886-1894), beginnt Bulgarien eine unabhängige Politik zu
verfolgen und sich der Einmischung Moskaus in seine inneren Angele-
genheiten zu widersetzen. So kommt es zur Übereinstimmung der ser-
bischen und russischen Interessen an der Zerstörung der Unabhängigkeit
Bulgariens mit der Entstehung des bulgarischen Fürstentums.
Die Identität, die direkt mit der Sprache verbunden ist, wie Pre-
mierminister Z. Zaev feststellt, „wir sind Mazedonier und sprechen die
mazedonische Sprache“, steht in direktem Zusammenhang mit den Pro-
zessen der Verwaltung, der Konsolidierung, des überregionalen Be-
16
wusstseins und der Differenzierung von anderen Ethnien. Von den drei
Teilen Mazedoniens ist in Ägäis- und Vardar-Mazedonien die bulga-
rische Verwaltung am geringsten, obwohl das bulgarische Exarchat
einen großen Teil Mazedoniens besitzt. Andererseits provoziert die an-
haltende serbische Herrschaft von Vardar-Mazedonien die Bildung eines
separaten Bewusstseins, das einen Kompromiss darstellen soll. Das ist
das Ergebnis einer Alternative, denn es zeichnet sich für Belgrad die
Unmöglichkeit ab, die mazedonische Bevölkerung schnell zu serbisie-
ren. Bei der Abspaltung der mazedonischen Identität von der bulgarisch-
en, muss erstere also gegenüber den verbindenden Gemeinsamkeiten
negativ gegenüberstehen und darauf bestehen, dass es ein separates, vom
bulgarischen unterschiedliches Bewusstsein darstellt, welches seine his-
torischen Wurzeln hat und die auf einer Interpretation der gemeinsamen
Vergangenheit beruhen müssen. Diese Herangehensweise ist nicht rein
mazedonisch, sondern wir sehen sie in allen Aussagen serbischer Wis-
senschaftler und Politiker.
So kommen wir zur heutigen Realität, dass einige Mazedonier
sich als separate ethnische Gruppe definieren, die behauptet, eine sepa-
rate Sprache zu sprechen. Die Entstehung einer eigenen Identität und
einer getrennten Kodifizierung erfolgte jedoch keineswegs über Nacht,
sondern es war ein systematischer und schrittweiser Prozess, der das Er-
gebnis mehrerer Faktoren war, von denen der stärkste die konsequente
serbische Politik gegenüber Mazedonien hinsichtlich der Trennung vom
bulgarischen ethno-linguistischen Kontinuum war.
Wie in Jugoslawien zur Zeit Titos, so versucht auch heute die
Republik Nordmazedonien, sich in jeder Hinsicht als Opfer des bulga-
rischen Nationalchauvinismus zu präsentieren, und unberücksichtigt der
historischen, kulturellen und sprachlichen Tatsachen, auf ihrer Identität
zu bestehen, aber nicht nur in der heutigen Zeit, sondern auch in histo-
rischer Hinsicht, die bis ins Mittelalter zurückreicht und vor dem Vertrag
von Prespa sogar bis zur Antike. In Skopje werden die Wurzeln der „ma-
zedonischen“ Sprache im frühen Mittelalter, in der Zeit von Kyrill und
Methodius und noch früher gesucht. Um eine solche Position zu recht-
fertigen, beginnen systematische Fälschungen, Zerstörungen und Feh-
linterpretationen bestehender Quellen.
17
Diese Politik wird auch nach der Abspaltung von Jugoslawien
im Jahr 1991 in der heutigen Republik Nordmazedonien weiter ange-
wendet. Die mazedonische Akademie der Wissenschaften und Künste
(MANU) veröffentlichte sogar eine weitere offizielle Erklärung, in der
sie die These der „räumlichen und zeitlichen Kontinuität der mazedo-
nischen Sprache“ befürwortet, die einen weiteren direkten Eingriff in
das bulgarische kulturhistorische Erbe und in die dialektale Vielfalt der
bulgarischen Sprache darstellt. Diese weit verbreitete Praxis findet ihren
Platz sowohl in akademischen Veröffentlichungen als auch in
Schulbüchern, so dass der jungen Generation nicht nur der Zugang zu
objektiven Informationen verwehrt wird, sondern dass sie durch die Ver-
wendung von Hassreden weiterhin in einem Geist des Widerspruchs in
Bezug auf Bulgarien erzogen wird.
Ein solches Verhalten ist mit den Organisations- und Funktion-
sprinzipien der EU unvereinbar. Es ist eine besorgniserregende Tatsache,
dass der Wunsch einiger Regierungsbeamter in Skopje, mit Bulgarien
zusammenzuarbeiten und die geerbten Probleme zu überwinden, sowohl
von der heutigen vom „Tiefen Staat“ (Hinter den Kulissen der Macht,
Anm. d. Übers.) kontrollierten parlamentarischen Opposition und von
den ihr nahestehenden Medien mit Feindseligkeit aufgenommen wird,
als auch von der innerparteilichen Opposition. Es ist offensichtlich, dass
diese beiden Gruppen von einem Zentrum aus, das eng mit dem alten
jugoslawischen kommunistischen Regime verbunden ist, koordiniert
werden. Diese Abhängigkeit führt zu politischer Instabilität und zeigt,
dass die Republik Nordmazedonien zu diesem Zeitpunkt die grundle-
genden Kriterien von Kopenhagen nicht erfüllt, nämlich die institutio-
nelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtliche Ordnung,
den Schutz der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von
Minderheiten und die Möglichkeit, die Verpflichtungen der Mitgliedsch-
aft zu übernehmen, einschließlich der Fähigkeit zur wirksamen Umset-
zung der Regeln, der Standards und Richtlinien, aus denen sich die
EU-Gesetzgebung zusammensetzt („Gemeinschaftlicher Besitzstand“)
sowie die Einhaltung der Ziele der politischen, wirtschaftlichen und
Währungsunion.
Gerade mit dem Prespa-Vertrag versucht die Republik Nordma-
18
zedonien, Bulgarien einen Wortlaut für die Sprache aufzuerlegen, der in
der Erklärung vom 22. Februar 1999 fehlt, die von den damaligen Pre-
mierministern L. Georgievski und I. Kostov unterzeichnet und durch ein
gemeinsames lokales Memorandum vom 22. Januar 2008 bekräftigt
wurde. Nach diesen Dokumenten, die die mazedonische Seite unterze-
ichnet hat und die sie einhalten muss, sind alle Dokumente zwischen
den beiden Ländern gemäß ihrer Verfassung in den Amtssprachen un-
terzeichnet. Das Prespa-Abkommen ist ein Abkommen zwischen der
Republik Nordmazedonien und Griechenland und berührt oder bindet
Bulgarien in keiner Weise. Aus diesem Grund muss die in der Erklärung
von 1999 und im Memorandum von 2008 dargelegte Situation
unverändert bleiben, ohne die offizialisierten Grenzen zu überschreiten.
Der Präsident der Republik Nordmazedonien, Stevo Penda-
rovski, weist darauf hin, dass die mazedonische Kodifizierung aus dem
Jahr 1945 stammt, ohne zu erwähnen, dass diese Kodifizierung auf einer
dialektalen Basis basiert, die sprachlich bulgarisch ist. Wenn in einem
bilateralen Dokument die Kodifizierung einer mazedonischen Norm
berücksichtigt wird, muss die Dialektbasis bestimmt werden. Die Poli-
tiker in Skopje, die sich auf Blazhe Koneskis Thesen stützen, haben je-
doch nicht die Absicht, die linguistischen Fakten zu berücksichtigen,
sondern deren Interpretation. Deshalb ist die in der Erklärung von 1999
dargelegte Situation die äußerste Grenze, bis zu der Bulgarien kompro-
missbereit ist. Nun ist es für die mazedonische Seite an der Zeit, einen
eigenen Kompromiss einzugehen, da sie versucht, ihre Positionen
vollständig durchzusetzen, die eigentlich die der serbischen Ideologen,
Politikern und Gelehrten sind.
In westlichen Gesellschaften ist es verständlich, dass jeder das
Recht auf eine Identität, auf seine eigene Sprache und Geschichte hat.
Dies ist ein Grundrecht. Die Fakten dürfen aber durch falsche Interpre-
tationen nicht verdreht werden. Es ist absurd, endlose Interpretationen
vorzunehmen, denn dies muss dem einzelnen Leser überlassen bleiben.
Außerdem verwendet die heutige breite Zuhörerschaft problemlos Texte
seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. bis in die heutige Zeit. Dies gilt nicht
nur für historische, sondern auch für sprachliche Fakten, denn in diesen
Bereichen nehmen Wissenschaftler subjektive Interpretationen vor und
19
geben diese als objektive Wahrheit aus. Diese Fakten sollten natürlich
nicht so aufgeführt sein, dass sie eine bestimmte Meinung suggerieren,
sondern sie sollten so umfassend wie möglich sein und in ihrer
ursprünglichen, unveränderten Form.
Wenn die aufgeführten Probleme im innenpolitischen Leben der
Republik Nordmazedonien nicht rechtzeitig überwunden werden, und
der derzeitige, aus der totalitären Vergangenheit vererbte Umgang mit
jedem, der es gewagt hat, die Fakten der fernen und jüngeren Vergan-
genheit objektiv darzustellen, nicht eingestellt wird, besteht das Risiko,
dass zumindest regional die Einheit der EU, der NATO und ihrer uni-
versellen Werte in Frage gestellt werden. Skopjes Weigerung, mit der
jugoslawischen Abhängigkeit zu brechen, findet Ende 2020 seinen
Höhepunkt, als die Regierung von Z. Zaev und Präsident S. Pendarovski
den Oberst Zoran Sekulovski als nordmazedonischen Militärvertreter
für die NATO vorschlägt. Bei dieser Aktion „ignorierte die mazedo-
nische Seite den Rat bestimmter freundschaftlicher Dienste“, die sich
der Tatsache bewusst waren, dass der mazedonische Oberst enge Kon-
takte zu Serbien hat. Dieses Beispiel zeigt, wie Skopjes alte
Abhängigkeit vom nichtreformierten Belgrad die Koordination und
Konsolidierung der Südflanke der NATO erschwert.
Diese vorliegenden Ausführungen sollen der bulgarischen und
ausländischen Öffentlichkeit, die die bulgarische Sprache nicht kennt,
und der Gesellschaft in der Republik Nordmazedonien, die seit Jahr-
zehnten einem verzerrten Bild ihrer eigenen Sprache ausgesetzt ist, fol-
gendes zeigen:
● die vollständige Fälschung und manipulative Interpretation
von Dokumenten in Skopje, die sich auf die Vergangenheit der
Sprache beziehen, auf der geografischen Region Mazedoniens;
● die systematische Verletzung der Menschenrechte bei der Bil-
dung und Durchsetzung der schriftlichen Norm von Skopje und
der heutigen mazedonischen Identität;
● den aktuellen Stand der Sprachsituation in der Republik Nord-
mazedonien;
● das Anbieten praktischer Lösungen zur Überwindung des
Sprachkonflikts;

20
● eine anschauliche Darstellung der Ähnlichkeiten und Unter-
schiede sowohl innerhalb des Dialektenreichtums den unter-
schiedlichen schriftlichen Normen der bulgarischen Sprache
als auch in Bezug auf andere Sprachen der slawischen Gruppe.

Bei der Erörterung der heute in der Republik Nordmazedonien


verbreiteten Fälschungen und dem Vergleich mit den Originalen oder
bei der Vorlage anderer Dokumente, die die Verfolgung von Personen
mit bulgarischer Identität bescheinigen, sind die Wörter: der Bulgare,
die Bulgaren und bulgarisch zur besseren Übersichtlichkeit eingerahmt.
Alle Autoren dieses Textes sind mit der geografischen Region
Mazedoniens verbunden und direkt von den darin enthaltenen historisch-
en und zeitgenössischen Prozessen betroffen. Drei von ihnen sind Bürger
der Republik Nordmazedonien und dort geboren, drei sind Bürger der
Republik Bulgarien, einer aus Albanien und einer aus Serbien.

21
I. DIE BULGARISCHE SPRACНЕ IN DER
VERGANGENHEIT UND GEGENWART

1. Die bulgarische Sprache in der Zeit des Ersten Bulgarischen


Reichs (681–1018)

Mit der Gründung des bulgarischen Staates auf dieser Seite der
Donau im Jahr 681 und dem Beginn eines beschleunigten Prozesses der
ethnischen Konsolidierung, der alle Bevölkerungsgruppen auf seinem
Territorium umfasst, beginnt die rasche Entwicklung der bulgarischen
Landessprache. Es wird angenommen, dass vor der Aufklärungsarbeit
der Brüder Kyrill und Methodius die bulgarische Sprache nicht in
schriftlicher Form genutzt wurde. Laut dem altbulgarischen Schriftstel-
ler Tschernorisets Chrabar (Ende 9. Jh. – Anfang 10. Jh.) haben die Bul-
garen vor der Annahme des Christentums „mit Zügen und Strichen
gelesen und gedeutet“. Es wird angenommen, dass dies die sogenannten
„Runen“ sind, die an vielen Orten im Nordosten Bulgariens an den Ste-
inmauern von Gebäuden von Pliska, Preslav sowie von der Region der
nördlichen Schwarzmeerküste zu finden sind und mit den Bulgaren in
Verbindung gebracht werden, die nach 680 über die Donau kamen.
Ähnliche „Runen“ wurden auf dem Gebiet der Republik Nordmazedo-
nien gefunden, z.B. in der Gegend von Matka, 17 km von Skopje en-
tfernt, und wurden wahrscheinlich von den Kuber-Bulgaren hinterlassen.
Die historische Kontinuität war so stark, dass der heidnische Stein mit
den „Runen“ in die im 14. Jh. erbaute Kirche „Entschlafung der Hoch-
heiligen Gottesmutter“ eingebaut wurde, die bis heute erhalten geblieben
ist.
Aus verschiedenen Gründen herrscht die Ansicht vor, dass das
erste „slawische“ Alphabet - das glagolitische Alphabet, von Kyrill und
Methodius für die Mährische Mission geschaffen wurde. Eine solche
Ansicht basiert auf der Tatsache, dass 862 eine Delegation Großmähren
verlässt, die durch Bulgarien nach Byzanz gelangt und fordert, dass
christliche Missionare in einer für die Bevölkerung verständlichen
Sprache zum Predigen geschickt werden. Byzanz stimmt zu und
beschließt, die Brüder Kyrill und Methodius zu schicken. Es wird ange-
22
nommen, dass das Alphabet im selben Jahr erstellt wurde, in dem auch
im Frühjahr 863 die Übersetzungen durch die Brüder Kyrill und Met-
hodius erfolgen. Sie gehen zusammen mit ihren Schülern durch Bulga-
rien, kommen nach Großmähren, wohin sie die neuen Schriften und
Bücher mitnehmen.
In der Wissenschaft gibt es jedoch immer noch Kontroversen
darüber, ob das glagolitische Alphabet wirklich für die Bedürfnisse der
mährischen Mission geschaffen wurde oder ob es schon früher entstand.
Gegen die erste These gibt es eine Reihe von Argumenten. Lt. vieler
schriftlicher Quellen, wie z.B. „Die ausführliche Lebensgeschichte von
Konstantin-Kyrill“ und „Die kurze Lebensgeschichte von Konstantin-
Kyrill“, sind die beiden Brüder, obwohl byzantinische Missionare, bul-
garischer Abstammung. Es steht z.B. in „Die kurze Lebensgeschichte
von Konstantin-Kyrill“ geschrieben: „Das Vaterland dieses ehrwürdigen
Vaters Kyrill war die dreiherrliche und große Stadt Thessaloniki, in der
er geboren wurde. Der gebürtige Bulgare wurde von treuen und from-
men Eltern geboren.“
Die Analyse der Fakten rund um die Mährische Mission zeigt,
dass es nicht möglich ist, in einem Zeitraum von einem Jahr ein neues
Alphabet zu erschaffen, Vokabeln zu erstellen, die erforderliche Anzahl
von Schülern zu schulen und einen so komplexen Text wie die Evange-
lien in eine Sprache zu übersetzen, von der wir heute wissen, dass sie
zuvor nicht schriftlich existiert hat. Gleichzeitig gibt es Dokumente wie
„Leben und Heldentaten unseres ehrwürdigen Vaters Kyrill, dem Philo-
sophen“, verfasst von Kliment Ohridski oder einem anderen eng ver-
trauten Studenten, die eine Mission unter den Bulgaren vor ihrer Abreise
nach Großmähren beschreiben. Eine ähnliche Rede finden wir in „Ein
Wort von Kyrill dem Philosophen, wie er die Bulgaren taufte“, in der
berichtet wird, dass Kyrill, der Philosoph selbst von Gott die Worte
hörte: „Kyrill, Kyrill, gehe in das weite Land, in dem sich die Menschen,
die die slawische Sprachen gesprochen haben, selber Bulgaren nannten,
weil der Herr dich erwählt hat, ihnen ein Gesetz zu geben.“
Ähnliche Aussagen über die Mission in Bulgarien vor der
Mährischen Mission finden sich in „Lobrede für Kyrill von Kliment Oh-
ridski“, „Heilige Messe für den Hl. Methodius“ von Konstantin Pre-
23
slavski, „Die umfangreiche Lebensgeschichte des Hl. Kliment“ sowie
in „Die Legende von Mähren“, „Tschechische Legende“, „Italienische
Legende“ und in anderen Quellen, die die Verkündigung des Christen-
tums und die Taufe einiger Bulgaren vor der Abreise der beiden Brüder
nach Großmähren erwähnen. Zum Beispiel wird in der „Mährischen Le-
gende“ berichtet: „Als er ging (Kyrill zusammen mit Methodius, Anm.
d. Verf.), kam er zuerst bei den Bulgaren an, die er mit Gottes Hilfe durch
seine Predigt zum Glauben führte. Von dort aus kam er nach Mähren“.
Die Bedeutung der neuesten Dokumente ist äußerst groß, da sie nicht
von Bulgaren zusammengestellt wurden und es kein „patriotisches“
Motiv für eine nachträgliche Fehlinterpretation der Fakten gibt.

Aus „Wort des Kyrill von Thessaloniki, Slawe und bulgarischer Philosoph“:
„Es kam eine Stimme vom Altar, die sagte „Kyrill, Kyrill, gehe in das weite
Land, in dem sich die Menschen, die die slawische Sprachen gesprochen
haben, selber Bulgaren nannten, weil der Herr dich erwählt hat, ihnen ein
Gesetz zu geben.“ (1856).

Angesichts des Themas unserer Betrachtungen ist der Fakt wich-


tig, dass die Mährische Mission gescheitert ist, da sie es nicht geschafft
hat, die Praxis, das Christentum nur in den drei in Europa zu dieser Zeit
verwendeten Sprachen zu predigen, dauerhaft zu bekämpfen, nämlich
nur auf Latein, Griechisch und Hebräisch. Nach dem Tod von Kyrill
(869) und Methodius (885) werden ihre Schüler verfolgt, aber einige
von ihnen können zurückkehren und finden in Bulgarien Rettung und
Unterstützung. Im Frühjahr 886 werden sie von Fürst Boris in der da-
maligen bulgarischen Hauptstadt Pliska persönlich ehrenhaft begrüßt,
der ihnen alle notwendigen Voraussetzungen bietet, um ihre Mission for-
tzusetzen. Im selben Jahr werden Kyrill und Methodius in Bulgarien als
gleichberechtigte Apostel und große christliche Lehrer proklamiert.
24
Ende 893 oder Anfang 894 findet in Bulgarien in Preslav eine
kirchliche Volksversammlung statt, auf der u.a. entschieden wird, dass
die slawische Sprache* von Kyrill und Methodius die griechische im
Gottesdienst ersetzen soll. Während dieser Zeit wird die Sprache auch
als bulgarisch angesehen, da sie offiziell wird und nicht nur für die
Bedürfnisse der staatlichen Verwaltung verwendet wird, sondern auch
für literarische Werke. Obwohl diese altbulgarische Sprache terminolo-
gisch ein vollständiges Synonym für den Begriff altslawische Sprache
ist, der von einigen ausländischen Gelehrten verwendet wird, weist Al-
tbulgarisch einige charakteristische Merkmale auf. Es wurde auf der
Grundlage des bulgarischen Solun-Dialekts geschaffen. Seine phone-
tischen Eigenschaften sind auch nur für ihn spezifisch und kommen so
in keiner anderen slawischen Sprache vor. Dazu gehören die Verbindun-
gen шт, жд anstelle des protoslawischen tj bzw. dj, die breite Aussprache
des Jat-Lauts (Ѣ) sowie die Existenz des Dativs.
Ende des 9. oder Anfang des 10. Jh. wird in der Schule von Pre-
slaw auf Initiative Zar Simeons ein neues Alphabet geschaffen: die Ky-
rilliza - ein vereinfachtes, nutzerfreundlicheres Schriftsystem. Es wird
definitiv belegt, dass das einzige slawische Alphabet, das heute auf der
Welt verwendet wird - die Kirylliza, im heutigen Nordosten Bulgariens
und nicht in der geografischen Region Mazedoniens (die zu dieser Zeit
Teil des bulgarischen Staates war) geschaffen wurde. Die ältesten erhal-
tenen kyrillischen Inschriften der Welt befinden sich in Nordbulgarien.
So stammt z.B. die kyrillische Inschrift im Felsenkloster unweit des Dor-
fes Kreptscha, Region Targovischte, aus dem Jahr 921.
Eine weitere kyrillische Inschrift stammt aus dem Jahr 931, wel-
che auf einem Keramikgefäß in der alten bulgarischen Hauptstadt Veliki
Preslav gefunden wurde.
Das kyrillische Alphabet wird schrittweise in der zweiten litera-
rischen Schule in Bulgarien eingeführt - der Ohrid-Schule und somit
wird das von Kyrill und Methodius geschaffene glagolitische Alphabet
ersetzt. Die zahlreichen Mitarbeiter in den bulgarischen Skriptorien
* Der ursprüngliche Name der Sprache ist Slowenisch, und eine Reihe von Forschern
leitet ihren etymologischen Ursprung vom Wort „Rede“(slowo) ab. Der Name „sla-
wisch“ ist ein spätes Ethnonym, das im 17. Jh. unter russischem Einfluß entstand.

25
schreiben, übersetzen, bearbeiten und tauschen Bücher aus, in denen die
Merkmale der damaligen bulgarischen Dialekte auf dem Territorium des
ganzen Landes bestätigt werden. So entsteht die supradialektale altbul-
garische Literatursprache.
Dieser Prozess beeinflusst auch den politischen Namen aller Un-
tertanen des bulgarischen Zares, da der Name „Bulgaren“ allmählich
national wird. Seine Verwendung hat tiefe Traditionen und wird später
in Zeiten verwendet, in denen es keine bulgarische Staatlichkeit gibt. In
diesem betrachteten Zeitraum sind der Wissenschaft keine Quellen be-
kannt, in denen das Vorhandensein oder die Verwendung einer „maze-
donischen“ Sprache erwähnt wird.

Die älteste erhaltene kyrillische Inschrift der Welt befindet sich im bulgarisc-
hen Kreptschanski-Felsenkloster und stammt aus dem Jahr 921.
Es sollte bedacht werden, dass das bulgarische Alphabet (Alpha-
bet und Sprache) aus Bulgarien in andere Länder der slawischen
Sprachgruppe verbreitet wurde. So beschreibt z.B. der russische Histo-
riker Wassilij Tatischtschev (1686-1750) die Ära des bulgarischen Zaren
Simeon (893-927) und der Prinzessin Olga von Kiew (ca. 890-969) wie
folgt: „Der bulgarische Zar Simeon sandte (in Kiewer Rus, Anm. d.
Verf.) Priester, Gelehrte und Bücher in ausreichenden Mengen... Sie
(Prinzessin Olga, Anm. d. Verf.) nahm die Taufe durch die Bulgaren an
und genehmigte die slawischen Kirchenbücher.“ Später, nachdem der
russische Fürst Wladimir das Christentum annahm, bittet er den byzan-
26
tinischen Kaiser und Patriarchen von Konstantinopel um die Aussen-
dung eines Erzbischofs. Bulgarische Missionare werden ebenfalls aus
Byzanz geschickt. Tatischtchev schreibt: „Wladimir bat den Zaren und
den Patriarchen in Konstantinopel, ihm einen Metropoliten zu schicken.
Sie freuten sich sehr und schickten Metropolit Michael, einen sehr ge-
lehrten und frommen Mann, Bulgare, zusammen mit vier Bischöfen und
vielen Hierarchen, Diakonen und Sängern von den Slawen.“ Auf diese
Weise ist es die altbulgarische Sprache und nicht irgendeine nicht exis-
tierende altslawische Sprache, die sich im alten Russland und in den an-
deren slawischen Staaten verbreitet.
Die oben erörterten Dokumente, welche die Durchführung der
Bildungsmission der Brüder Kyrill und Methodius in Bulgarien vor ihrer
Abreise nach Großmähren belegen, passen nicht in das russische Kon-
zept des Panslawismus, das im frühen 19. Jh. geschaffen wurde. Diese
im Wesentlichen hegemoniale Ideologie geht davon aus, dass der einzige
Führer in der „slawischen“ Welt Russland sein sollte, deshalb muss die
Erinnerung an die Rolle Bulgariens bei der Bildung der slawischen Kul-
tur ausgelöscht werden. Aus diesem Grund werden die fraglichen Do-
kumente zu „Legenden“ erklärt und andere gefälscht. Es wird z.B. in
dem Original von „Eine Erzählung über vergangene Jahre“, der ersten
umfassenden schriftlichen Informationsquelle über die Entstehung und
Frühgeschichte Russlands, die der Chronist Nestor im Jahr 1117 verfasst
hat, berichtet, dass Methodius in Großmähren geblieben ist und „Kon-
stantin kehrte zurück, um in Bulgarisch zu lernen (zu lehren)“.
Bei sorgfältiger Analyse des Originals fällt auf, dass an einigen
Stellen versucht wurde, die Wörter „Bulgaren“ und „Bulgarisch“ zu stre-
ichen. Höchstwahrscheinlich geschah dies in der Ära der Politik des Pan-
slawismus. Diese russische Praxis wird jedoch bis heute fortgesetzt. In
der Ausgabe im Jahr 2014 von „Eine Erzählung über vergangene Jahre“,
des Instituts für russische Zivilisation in Moskau, wird dieser Text wie
folgt dargelegt: „Konstantin kehrte zurück, um Bulgaren zu lehren“.
Durch eine solche Fälschung, die „bulgarische Sprache“ durch „bulga-
risches Volk“„ ersetzt, soll das Verständnis gestärkt werden, dass es in
der Zeit von Kyrill und Methodius keine bulgarische Sprache gab, son-
dern eine gemeinsame altslawische, und Konstantin-Kyrill erst nach der
27
mährischen Mission ein bulgarischer Erleuchter geworden ist. Eine sol-
che anhaltende unwissenschaftliche Herangehensweise zeigt die große
zeitgenössische politische Bedeutung der Arbeit der Brüder Kyrill und
Methodius. Die Zerstörung oder Fälschung von Dokumenten ist nur
eines der Extreme, die bei der Verfolgung problematischer politischer
Ziele angewandt werden.

Oben - Entziffern des Originaltextes des Chronisten Nestor:


Konstantin kehrte zurück um in Bulgarisch zu lehren. Abschrift von 1377
Unten - eine moderne Fälschung des gleichen Textes (Moskau, 2014).

Angesichts der historischen Fakten verstand die Intelligenz auf


dem Territorium der heutigen Republik Nordmazedonien selbst während
des stärksten jugoslawischen Terrors die führende Rolle Bulgariens in
der slawischen Welt im Mittelalter. So steht z.B. in der einzigen Auflage,
der in Skopje veröffentlichten Zeitschrift „Lutsch“ („Sonnenstrahl“), die
während der Zeit des königlichen Jugoslawien versucht, die Interessen
der lokalen Bevölkerung zu verteidigen, in ihrem 5. Heft von 1937
geschrieben: „Der bulgarische Fürst Boris, der das Christentum an-
nahm, bezeichnete die zukünftigen Richtungen des gesamten
südslawischen Volkes ... Während der Zeit des Zaren Simeon wurde Bul-
garien geistlicher Herd für alle Slawen.“ Diese Feststellungen passen
weder zum Panslawismus noch zur „jugoslawischen“ Idee der serbisch-
en Herrschaft in der Region. Bezeichnend ist die Tatsache, dass einige
28
der Autoren der Zeitschrift „Lutsch“ („Sonnenstrahl“) nach 1944 in Ju-
goslawien unter Tito repressiert oder getötet wurden.
Ein weiteres Beispiel für die jugoslawische Politik auf dem Ge-
biet der heutigen Republik Nordmazedonien ist die Entdeckung einer
Steininschrift in Altbulgarisch im Jahr 1956 in der Stadt Bitola. Der Ein-
heimische Pande Eftimov geht auf eine Baustelle, wo er mit seiner Ka-
mera mehrere Fotos macht. Obwohl er von den jugoslawischen
Geheimdiensten überwacht wird, gelingt es ihm, den nicht entwickelten
Film zur bulgarischen Botschaft in Belgrad zu bringen. Für diese Tat
wird er im folgenden Jahr zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt. Die jugos-
lawischen Behörden versuchen, die Steininschrift zu zerstören, aber als
die Informationen über ihre Entdeckung international bekannt werden,
wird dies unmöglich.
Beim Entziffern der Inschrift aus Bitola stellt sich heraus, dass
sie vom letzten bulgarischen Zar des Ersten Bulgarischen Reichs, Joan
Wladislav (1015-1018), stammt. In ihr steht „im Jahr 1015 … wurde

Die zerstörte Inschrift in altbulgarischer Sprache von dem Zaren Joan Wla-
dislav aus dem Jahr 1015, heute aufbewahrt im Städtischen Museum in Bi-
tola. Die Inschrift bestätigt, dass Joan Wladislav ein bulgarischer Zar ist,
dass er bulgarischer Abstammung ist und dass seine Untertanen Bulgaren
sind.

29
diese Festung, von Joan, dem bulgarischen Alleinherrscher gemauert
und gebaut … Diese Festung wurde als Zufluchtsort und zur Lebensret-
tung der Bulgaren gebaut. Es begann der Bau der Festung von Bitola im
Oktober am 20. Tag ... Dieser Alleinherrscher war gebürtiger Bulgare,
Enkel von Nikola und Ripsimia, den Gläubigen, Sohn von Aaron, der
der Bruder von Samuel, dem autokratischen Zaren, ist.“
Das Beispiel mit der Inschrift von Zar Joan Wladislav zeigt, dass
die Behörden in Jugoslawien unter Tito nicht nur nicht zögern, alte bul-
garische Denkmäler zu zerstören, die die bulgarische Vergangenheit der
geografischen Region Mazedoniens bestätigen, sondern auch diejenigen
repressieren, die nicht mit solch einer Politik einverstanden sind.
Interessant ist auch das darauffolgende Schicksal der Steinplatte
aus Bitola. Anfangs wird sie im örtlichen Museum ausgestellt, aber als
dies international bekannt wird und insbesondere nach der Entzifferung
der Inschrift, wird sie im Hof unter der Außentreppe des Museums plat-
ziert. Als bulgarische Wissenschaftler 1968 das Museum besuchen, ge-
lingt es ihnen, eine Kopie der Gedenktafel anzufertigen. Daraufhin wird
der Direktor entlassen und die Inschrift viele Jahre lang im Keller ver-
steckt. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wird sie wieder ausgestellt. Im
Jahr 2016 ist es einem Team des bulgarischen nationalen Fernsehens
nicht erlaubt, diese zu filmen. Die Bitola-Inschrift ist heute wieder für
Besucher ausgestellt, jedoch ohne erläuterndem Text. Vor einigen Jahren
druckte das französische Konsulat in Bitola einen Touristenkatalog für
die Stadt, auf dessen Deckblatt ein Foto der Gedenktafel angebracht ist.
Die örtlichen Behörden verursachen einen Skandal und nur wegen des
Wortes „Bulgare“ auf dem Deckblatt wird der Druck des Kataloges ein-
gestellt.

2. Die bulgarische Sprache in der Zeit der byzantinischen Her-


rschaft (1018-1185) und des Zweiten Bulgarischen Reichs
(1185-1396)

Im Jahr 1018 wird Bulgarien von Byzanz erobert und verliert


167 Jahre lang seine Unabhängigkeit. Nach seinem Sieg, der die
zehnjährige blutige Konfrontation mit dem bulgarischen Reich krönt,
30
wird der byzantinische Kaiser Basil II. als „Bulgarenmörder“ bezeichnet.
Während dieser Zeit befindet sich die geografische Region Mazedoniens
in der Verwaltungseinheit (Thema) Bulgarien, das heutige Nordbulga-
rien im Thema Paristrion und der größte Teil des oberthrakischen Tief-
landes im Thema Mazedonien mit dem Zentrum Adrianopel (heute
Odrin oder Edirne in der Türkei).
Während der byzantinischen Herrschaft wird den bulgarischen
Gebieten innerhalb ihrer politischen Grenzen, solche wie zur Zeit des
Zaren Samuel, eine relative kirchliche Unabhängigkeit gewährt. Das bis
dahin bestehende bulgarische Patriarchat wird herabgestuft und zum bul-
garischen autokephalen Erzbistum mit Sitz in Ohrid erklärt - der letzten
Hauptstadt des Ersten Bulgarischen Reichs und Sitz seines letzten bul-
garischen Patriarchen.

Diözese des bulgarischen autokephalen Erzbistums im Jahr 1020 in Ohrid


(Karte von Dimitar Risov, Berlin, 1917).

31
Der offizielle Titel des Erzbischofs von Ohrid heißt anfänglich
Erzbischof von ganz Bulgarien (Αρχιεπίσκοπος της πάσης Βουλγαριας)
und ab Mitte des 12. Jahrhunderts Erzbischof von Justinian I. und ganz
Bulgarien. (Αρχιεπίσκοπος της πρωτης ‘Ιουστινιανης και πάσης
Βουλγαριας).
Ohrid liegt im westlichen Teil der geografischen Region Maze-
doniens (und auch im westlichen Teil der heutigen Republik Nordma-
zedonien), was eine Voraussetzung für die führende Rolle dieser Gebiete
bei der Erhaltung der bulgarischen Sprache und Kultur ist. Die bulga-
rische Staatstradition ist dort und in den Nachbarregionen äußerst stark,
und einige der ernsthaftesten Versuche, die bulgarische Staatlichkeit wie-
derherzustellen, werden dort organisiert.
Im Jahr 1040 bricht der Aufstand, angeführt von Peter Deljan,
gegen die byzantinische Herrschaft aus. P. Deljan selbst erklärt sich zum
Nachkommen von Zar Samuel und wird von den Rebellen als bulgari-
scher Zar gekrönt. Der Aufstand hat sich so sehr ausgebreitet, dass die
bulgarischen Rebellen in wenigen Monaten die Kontrolle über Westbul-
garien, Pomoravie, Mazedonien, Thessalien, Epirus und fast dem ge-
samten Gebiet des heutigen Albaniens erlangten. Die Tatsache, dass im
Gebiet der Stadt Drach 40.000 Rebellen sind und es ihnen gelingt, die
Stadt zu befreien, zeigt die Größe des Aufstands. 1041 unterdrückt By-

Petar Deljan (ó Δελεάνος), Tihomir (ó Τειχομηρóς) und die Bulgaren


(Βóυλγαροι). Miniatur aus der Madrider Abschrift der Chronik von Joan Ski-
litza (12. Jh.)
32
zanz den Aufstand, indem es Normannen als Söldnerverbündete rekru-
tiert, die vom zukünftigen norwegischen König Harald Hardrode
angeführt werden. In einer Sage aus dem Jahr 1065 wird er als
„Verwüster der Bulgaren“ beschrieben.
Im Jahr 1072 wird ein neuer Versuch unternommen, den bulga-
rischen Staat wiederherzustellen. Ein weiterer Aufstand gegen Byzanz
wird von bulgarischen Adligen aus Skopje unter der Führung des Boja-
ren Georgi Voitech vorbereitet. Die Organisatoren wählen Konstantin
Bodin, ebenfalls ein Nachkomme von Zar Samuel, als ihren Anführer.
Im Herbst 1072 wird K. Bodin unter dem Namen Peter III. zum Zar der
Bulgaren ernannt, und im Südwesten erobern die Rebellen Ohrid und
Devol in Südalbanien. Ende des gleichen Jahres wird der Aufstand nie-
dergeschlagen.
Das erhaltene Staatsgedächtnis und die geistige Unabhängigkeit
der meisten bulgarischen Gebiete führen zur Erhaltung der altbulgarisch-
en Sprache. Obwohl die meisten Erzbischöfe von Ohrid ethnische Gri-
echen sind, die von Byzanz ernannt wurden, verwenden sie Dokumente
in Altbulgarisch als Informationsquelle. Die Erzbischöfe Theophylact
von Ohrid (1055- 1107) und Dimitar Homatian (1216-1234) leisten
einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung der bulga-
rischen Literaturtradition. Ersterer ist der Autor von „Umfangreiche Le-
bensgeschichte von Kliment Ohridski“ und der Zweite von „Kurze
Lebensgeschichte von Kliment Ohridski“ und von „Hl. Messe für den
Hl. Kliment Ohridski“.
In „Umfangreiche Lebensgeschichte von Kliment Ohridski“ schreibt
Theophylact von Ohrid: „Dieser (bulgarischer Fürst, Anm. d. Verf.)
Boris hatte einen gesunden Menschenverstand und war zum Guten ge-
neigt. Durch ihn begann das bulgarische Volk die Heilige Taufe zu em-
pfangen und das Christentum zu übernehmen. Als diese Heiligen, ich
meine Kyrill und Methodius, sahen, dass es viele Gläubige gab und dass
viele Kinder Gottes durch Wasser und Geist geboren wurden, aber dass
ihnen die geistige Nahrung völlig entzogen wurde, schufen sie das Al-
phabet, wie wir sagten, und übersetzten die heiligen Schriften in bulga-
rische Sprache, damit die neugeborenen Kinder Gottes ausreichend
göttliche Nahrung haben und geistliches Wachstum erreichen und das

33
Maß für das Alter Christi. So fand das bulgarische Volk den wahren und
richtigen Weg von skythischer Täuschung zu Christus.“
Wir finden eine ähnliche Aussage bei Dimitar Homatian. In „Die
kurze Lebensgeschichte Kliment Ohridski“ schreibt er: „“ (Kliment,
Anm. d. Verf.) studierte zusammen mit dem göttlichen Naum, Angelarius
und Gorazd fleißig die Heilige Schrift, übersetzt mit göttlicher Hilfe des
örtlichen bulgarischen Dialekts von Kyrill, einem wahren gottweisen
und apostelgleichen Vater, und von Anfang an war er mit Methodius zu-
sammen, dem berühmten Lehrer des moesischen Volkes (des Volkes von
Moesien, dem heutigen Nordbulgarien), der es die Frömmigkeit und den
orthodoxen Glauben lehrte.“. Über die Herkunft von Kliment Ohridski
sagt D. Homatian: „Dieser unser großer Vater (Kliment Ohridski, Anm.
d. Verf.) und Leuchte Bulgariens war ein Nachkomme der europäischen
Moesi, die das Volk gewöhnlich auch als Bulgaren kennen“. D. Homa-
tian verwendet auch den Begriff „Moesische Sprache“ als Synonym für
Bulgarisch.
Theophylact von Ohrid und Dimitar Homatian sind Griechen,
deshalb fehlt ihnen auch ein „patriotisches“ Motiv, das Werk von Kyrill
und Methodius zu bulgarisieren. Sie halten sich an die ursprünglichen
Quellen, die sie verwenden.
Während der byzantinischen Herrschaft wird die altbulgarische
Sprache hauptsächlich zum Schreiben religiöser Werke verwendet. Es
ist keine staatliche Verwaltungssprache mehr und aufgrund ihrer
eingeschränkteren Verwendung und der internen Gesetzmäßigkeiten in
der Entwicklung, die während des Zeitraums beobachtet werden, erge-
ben sich Änderungen in ihrer Struktur.
Das nächste Stadium ihrer historischen Entwicklung ist die mit-
telbulgarische Sprache, in der der reibungslose Übergang vom synthe-
tischen zum analytischen Sprachbau und der Wegfall des Kasussystems
beginnt. Die mittelbulgarische Sprache wird im bulgarischen Staat, der
im Jahr 1185 wiederhergestellt wird, offiziell und auf seinem gesamten
Territorium verwendet.
Im Zweiten Bulgarischen Reich besteht das bulgarische auto-
kephale Erzbistum mit Sitz in Ohrid weiter, das seine Unabhängigkeit
behält, aber den höheren Rang des bulgarischen Patriarchats in der Ha-
34
uptstadt Tarnovo anerkennt. Die Existenz von zwei bulgarischen kir-
chlichen Institutionen in diesem Zeitraum stört in keiner Weise die ge-
istige Einheit des bulgarischen Volkes.
Der größte Teil der heutigen geografischen Region Mazedoniens
ist bis zum Ende des 13. Jh. Teil des Zweiten Bulgarischen Reichs. Im
Jahr 1282 gelingt es Serbien, Nordmazedonien (die heutige Republik
Nordmazedonien) zu erobern. Überall in den Dokumenten erwähnen
serbische Monarchen, dass sie Herrscher über Bulgarien und Bulgaren
sind. Im 14. Jh. gelingt es dem serbischen König Stefan Dusan, die ge-
samte geografische Region Mazedoniens für einen Zeitraum von 25 Jah-
ren zu erobern. Er setzt auch die Praxis fort, sich als „König der Serben
und Bulgaren“ zu betiteln, und die Pec-Patriarchen werden „Väter und
Lehrer der Serben und Bulgaren“ genannt. Im betrachteten Zeitraum,
als Serbien Teile oder die gesamte geografische Region Mazedoniens

Bulgarien zur Zeit von Zar Joan Assen II.um 1230

35
beherrscht und versucht, sich als ein über mehrere Völker regiertes Reich
zu manifestieren, werden serbische Könige niemals als Herrscher Ma-
zedoniens oder einer mazedonischen Bevölkerung betitelt.
Gegen Ende des Bestehens des Zweiten Bulgarischen Reichs
führt der letzte bulgarische Patriarch Evtimiy Tarnovski (1325-1403) in
der zweiten Hälfte des 14. Jh. eine Rechtschreib- und Sprachreform der
mittelbulgarischen Literatursprache durch. Die Regeln von Evtimiy gel-
ten sowohl für die Übersetzung als auch für die Erstellung neuer Origi-
nalwerke. Die Reform wird zuerst von den Aktivisten der Literarischen
Schule in Tarnovo durchgeführt, aber später überträgt Metropolit Kyprian
das Mittelbulgarische an die Kiewer Rus, wo es endgültig standardisiert
wird. Von dort wird es Dank des Buchdrucks als Anbetungssprache in
den orthodoxen Kirchen in anderen slawischen Ländern verbreitet, wo
es bis heute eine gemeinsame Kirchensprache ist.
Während dieser Zeit sind der Wissenschaft keine historischen
Quellen bekannt, in denen das Vorhandensein oder die Verwendung einer
„mazedonischen“ Sprache erwähnt wird.

3. Der Zustand der bulgarischen Sprache


in der Zeit der osmanischen Herrschaft

Bulgarien wird schließlich 1396 vom Osmanischen Reich ero-


bert (einigen Wissenschaftlern zufolge 1422). Das bulgarische Patri-
archat in Tarnovo hört auf zu existieren, während das bulgarische
autokephale Erzbistum mit Sitz in Ohrid bis 1767 erhalten bleibt. Dies
ist einer der Gründe dafür, dass die Erinnerung an die bulgarische Sta-
atlichkeit in den südwestbulgarischen Regionen besser erhalten geblie-
ben ist, wozu auch das geografische Gebiet Mazedonien zählt.
In der Zeit bis zum 17. Jh. wird zu kirchlichen Zwecken weiter-
hin die mittelbulgarische Sprache verwendet, die zugleich als gemein-
same Literatursprache der Süd- und Ostslawen fungiert. Sie ist auch die
Amtssprache in der osmanischen Sultanskanzlei in den Fürstentümern
Moldau und Walachei, sowie in Russland bis zu den Schriftreformen
von Peter I.

36
Stempel des Museums des
Erzbistums Ohrid von
Justiniana Prima und
ganz Bulgarien von 1516.
Im inneren Kreis sind auf
der linken Seite deutlich
die Worte πάσης Βουλγα-
ριας zu lesen – „ganz Bul-
garien“.
In dieser Periode werden auch Übersetzungen einiger Werke der
Erzbischöfe von Ohrid angefertigt. Zum Beispiel enthalten die Ostroger
Bibel (1581) und die Elisabeth-Bibel (1751) Texte von Theophylakt von
Ohrid, der in diesen Ausgaben als „bulgarischer Erzbischof“ bezeichnet
wird.

Einführung in das Matthäuse-


vangelium durch Theophylakt
von Ohrid, Erzbischof von Bul-
garien („ар-хïеп(иско)па
блъгарс-каго“). Ostroger Bibel
(1581).

Den religiösen Kommentare und Interpretationen des Theophy-


lakt von Ohrid kommt eine große Bedeutung in der byzantinischen
Theologie zu. Sie sind sowohl in der orthodoxen als auch in der katho-
lischen Kirche anerkannt. Aus diesem Grund werden sie auch in Wes-
teuropa ins Lateinische übersetzt. Die erste Übersetzung mit dem Namen
des Autors wird 1524 in Basel veröffentlicht. Es folgen zahlreiche Neu-
ausgaben und Nachdrucke in ganz Europa. Mitte des 16. Jh. fertigt Si-
fanus, Professor an der Universität zu Köln, neue lateinische
37
Übersetzungen an, die als die besten angesehen werden. Diese regen
Veröffentlichungstätigkeiten führen in Europa zu einem besseren Ken-
ntnisstand hinsichtlich der Zugehörigkeit der geografischen Region Ma-
zedonien zum soziokulturellen Raum Bulgariens in Bezug auf
Geschichte, Sprache und Bevölkerung.
Da in dieser Zeit die mittelbulgarische Sprache in den bulgari-
schen Ländern hauptsächlich für kirchliche Zwecke verwendet wird, be-
ginnt die allmähliche Trennung der bulgarischen Mundarten von dieser,
was wiederum ein starker Impuls für die Entwicklung der bulgarischen
Volkssprache ist. Dieser Prozess vertieft sich insbesondere nach der
Abschaffung des bulgarischen autokephalen Erzbistums in Ohrid. Vom

Lateinische Ausgabe der Kom-


mentare zu den Briefen des
Apostels Paulus von Theophy-
lakt von Ohrid, Erzbischof von
Bulgarien (Antwerpen, 1564).

38
15. bis zum 18. Jahrhundert ist die Zeit des Erscheinens und der En-
twicklung der frühneuzeitlichen bulgarischen Sprache.

4. Die bulgarische Sprache z. Z. der nationalen Wiedergeburt (18.


Jh. bis 1878). Kodifizierung der modernen bulgarischen Buchsp-
rache durch Sprecher verschiedener Mundarten

Die erste „Geschichte Bulgariens“ wird 1667 von Peter Bogdan


geschrieben. Da sie auf Latein verfasst ist, ist sie für die bulgarischen
Katholiken von größerer Bedeutung. 1762 schreibt der in Mazedonien
geborene Paissi von Hilandar seine „Slawobulgarische Geschichte“ in
bulgarischer Sprache. Aufgrund der Dokumente, die er als Quellen ver-
wendet, sind slawische, kirchenslawische und neubulgarische Traditio-
nen im Text miteinander verflochten. Eine ähnliche Sprachpraxis und
-interaktion zwischen den verschiedenen Formen der bulgarischen
Sprache ist wenig später auch bei anderen Akteuren der Buchsprache zu
verzeichnen. Auf diese Weise verfestigen sich nach und nach Grundlage
und Entwicklungsrichtung der neubulgarischen Sprache, die zu einer
Buchsprache werden soll. Es ist notwendig, dass das Verständnis der
Landessprache die Grundlage lebendiger Sprache ist und ihre Struktur
in gewissen Grenzen vereinfacht wird. Die allgemeine morphologisch-
syntaktische Struktur der Dialekte in Moesien, Thrakien und Mazedo-
nien führt zu Prozessen monodirektionaler Sprachentwicklung.
Besonders wichtig ist die Tatsache, dass dieser Prozess gleichzeitig und
auf dieselbe Weise auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien und der Re-
publik Nordmazedonien verläuft. Die spezifische Entwicklung führt
dazu, dass von allen slawischen Sprachen einzig das Bulgarische eine
Evolution vom synthetischen hin zum analytischen Sprachbau aufweist
– die Kasus entfallen.
Einige der ersten und später einige der bedeutendsten Manifes-
tationen der bulgarischen Wiedergeburt kommen zuerst in Mazedonien
auf. Schriftsteller aus allen Regionen Bulgariens sind am Aufbau der
modernen bulgarischen Literatursprache beteiligt. Unter denjenigen, die
auf dem heutigen Gebiet der Republik Nordmazedonien geboren wer-
den, stechen hervor: Joakim Kartschovski (1750-1820) aus dem Dorf
39
Oslomej in Kitschevo, Teodosius von Sinai (18. Jh. bis 1843) aus Do-
iran, Kiril Pejtschinovitsch (1770-1845) aus dem Dorf Tearze, Region
Tetovo, Jordan Hadschikonstantinov-Dschinot (1818-1882) und Raiko
Schinsifov (1839-1877) aus Veles, die Brüder Dimitar (1810-1862) und
Konstantin (1830-1862) Miladinov aus Struga, Partenij Sografski (1818-
1876) aus dem Dorf Galitschnik, Grigor Parlitschev (1830-1893) und
Kusman Schapkarev (1834–1909) aus Ohrid, Marko Zepenkov (1829–
1920) aus Prilep und andere.
Alle diese Personen identifizieren sich selbst als Bulgaren. Sie
sind Autoren von Dutzenden von Büchern, Folklore-Sammlungen, Fi-
beln, Lesebüchern und anderen Lehrbüchern. Und noch weit mehr sind
die Artikel, die in den Periodika der Wiedergeburtsbewegung herausge-
geben werden. In der Anfangsphase der Herausbildung der neubulga-
rischen Buchsprache schreiben sie in ihrem eigenen Dialekt, den sie
selbst Bulgarisch nennen. Die meisten dieser Werke erscheinen in
überregionalen bulgarischen Ausgaben und werden problemlos im ge-
samten bulgarischen Sprachraum gelesen, wodurch sie die neubulga-
rische Literatursprache mitgestalten. Auf diese Weise entwickelt sie ihre
allgemein-bulgarische, supra-dialektale Form.*
Einige der untersuchten Vertreter der Wiedergeburt, die von den
überlieferten schriftlichen Quellen aus dem Mittelalter beeinflusst sind,
betrachten ihre Heimat nicht als Teil Mazedoniens, sondern als Moesia
inferior oder sogar nur als untere Gegend Bulgariens. So schreibt beis-
pielsweise T. von Sinai in der Vorbereitung des Vorworts zum Buch von
Kiril Pejtschinovitsch „Trost der Sünder“ (im Original „Утешение
грешним“), dass dieses „in der einfachen bulgarischen Sprache von
Niedermoesien, Skopje und Tetovo geschrieben wurde, damit auch das
einfache Volk es lesen möge, um so dem orthodoxen Lehrer zu gefallen.“.
Jordan Hadschikonstantinov schreibt auch: „Ich bin ein Bulgare, wir
* Diese rasante Entwicklung der neubulgarischen Sprache überholt in vielerlei Hinsicht
einige westeuropäische Sprachen. Obwohl beispielsweise die französische Sprache
viel früher kodifiziert wird, schreiben berühmte französische Schriftsteller wie Frédéric
Mistral (1830–1914) im provenzalischen (südfranzösischen) Dialekt; andere franzö-
sische Dichter und Schriftsteller ebenfalls. Ähnliche schriftliche Prakti-ken werden in
Dialekten der deutschen Sprache beobachtet, doch trotz ihrer Unter-schiede zur Lit-
eratursprache werden sie nie als davon getrennt angesehen.

40
weinen um unsere verlorenen Bulgaren, die in Niedermoesien sind, also
sind wir verpflichtet, uns für unsere geliebten Bulgarenbrüder zu op-
fern.“
Trotz der unbestreitbaren dialektalen Wechselwirkungen wird
angenommen, dass als Grundlage der neubulgarischen Buchsprache die
Dialekte des zentralen Balkangebirges und die nordöstlichen Dialekte
dienen, während die Dialekte in Mazedonien weiter von der neu gebil-
deten schriftlichen Norm entfernt sind. Ein solches Verständnis ist nur
teilweise korrekt und gilt hauptsächlich für die Formen des maskulinen
Artikels. In grammatikalischer und lexikalischer Hinsicht sind die da-
maligen Volksdialekte und die neubulgarische Literatursprache iden-
tisch.
Aus orthographischer Sicht äußerst wichtig ist die Tatsache, dass
im kyrillischen Alphabet, das in der neubulgarischen Literatursprache
verwendet wird, zwei charakteristische Buchstaben erhalten bleiben: Ѣ
(Jat) und Ѫ (Jus oder „großes Nasal“). Im Neubulgarischen bilden die
verschiedenen Reflexe von Ѣ den sogenannten „Jat-Isoglossen-Gürtel“,
der die modernen bulgarischen Dialekte in zwei Typen unterteilt: west-
liche und östliche Dialekte. Westlich der Jat-Grenze steht anstelle des
altbulgarischen Vokals Ѣ heute fast immer der Laut E, während östlich
davon unter bestimmten Bedingungen – und in einigen Dialekten sogar
in allen Fällen – Ѣ von A gefolgt wird, dem ein weicher Konsonant vo-
rangestellt ist, dargestellt durch das Graphem Я. Das Gebiet der heutigen
Republik Nordmazedonien deckt nur einen Teil der bulgarischen Dia-
lekte westlich der Jat-Grenze ab. Gleichzeitig liegen Teile der geogra-
fischen Region Mazedoniens wie die Regionen Nevrokop (heute die
Region um die Stadt Gotse Deltschev in Bulgarien), Drama, Sjar und
die Regionen östlich von Thessaloniki (heute in Nordgriechenland)
östlich der Jat-Grenze. Ostbulgarische Dialekte haben auch Einfluss in
der Region Berovo und teilweise in der Region Strumica (heute zu Nord-
mazedonien gehörig). Am äußersten südwestlichen Rand des bulgarisch-
en Sprachraums um die Region Korča (heute in Albanien) sind Spuren
der alten breiten Aussprache von Ѣ erhalten geblieben.
Mit der Verwendung des Buchstabens Ѫ werden die bulgarisc-
hen A-, Ъ-, O- und У-Dialekte vereint. Aus diesem Grund wirkt die
41
neubulgarische Buchsprache einend auf die verschiedenen bulgarischen
Dialekte in der geografischen Region Mazedoniens.
Als die Innere Mazedonisch-Adrianopeler Revolutionäre Orga-
nisation 1893 gegründet wurde, waren ihre Dokumentation, Korrespon-
denz und gedruckten Ausgaben in neubulgarischer Literatursprache
verfasst. Heute behaupten Historiker und Politiker in Skopje, dass die
„mazedonische“ Sprache in dieser Zeit existiert habe, doch weil sie nicht
kodifiziert gewesen sei, sei sie nicht schriftlich verwendet worden. Eine
solche Aussage ist unhaltbar. Natürlich existierten die mazedonischen
Dialekte, aber sie wurden von ihren Sprechern als bulgarisch angesehen.
Aufgrund des großen Umfangs der bulgarischen Wiedergebur-
tsliteratur kann der Schluss gezogen werden, dass sich die neubulga-
rische Literatursprache im letzten Jahrzehnt vor der Wiederherstellung
des bulgarischen Staates im Jahr 1878 unter osmanischer Herrschaft im
Wesentlichen „selbstkodifiziert“ hat. Die Bedingungen in Mazedonien
waren zu dieser Zeit genau die gleichen, es gab jedoch keine Versuche,
eine „mazedonische“ Sprache zu etablieren. Von der ersten Hälfte des
19. Jh. bis zum Ende des Zweiten Balkankrieges 1913 in Mazedonien
gab es, obwohl unter osmanischer Herrschaft, ein gut ausgebautes Netz-
werk bulgarischer Schulen, und die Bevölkerung verwendete häufig die
bulgarische Buchsprache.
Nach 1913 wurden in den von Serbien und Griechenland ero-
berten Teilen der geografischen Region Mazedoniens bulgarische Schu-
len verboten und die bulgarische Literatursprache nicht nur nicht
unterrichtet, sondern auch verfolgt. Zwischen den beiden Weltkriegen
wurde die bulgarische Sprache in Jugoslawien ausgelöscht, wobei die
Repressionen in den Regionen entlang der bulgarischen Grenze am
stärksten waren. Der serbische Bildungsminister Svetosar Pribitsch-
ewitsch schlug 1922 vor, die Schüler „in dem Glauben zu bekräftigen,
dass ihre Eltern und ihre Vorfahren nichts mit der Entwicklung und dem
Leben des bulgarischen Volkes zu tun haben“. Dann begann die Suche
und Massenvernichtung von bulgarischen Lehrbüchern und Büchern,
die von der Zeit vor 1913 übrig geblieben waren. Die SchülerInnen in
Mazedonien kannten die serbische Sprache nicht und verstanden die
42
ihnen erteilten Lektionen nicht. Im Jahr 1923 gelang es nur 16 % der in
Skopje eingeschriebenen Schüler, ihren Abschluss zu machen. Serbische
Lehrer greifen häufig zu körperlicher Gewalt gegen sie, was zu einigen
Todesfällen führt. Probulgarische Eltern zögern, ihre Kinder an jugos-
lawische öffentliche Schulen zu schicken, und die Bildungsbehörden
sind nicht in der Lage, die lokale Bevölkerung zu beeinflussen.
Trotz dieser Situation hat IMRO bis zu ihrem Verbot im Jahr
1934 in allen ihren Dokumenten, inkl. der illegalen Korrespondenz, wei-
terhin nur die bulgarische Literatursprache verwendet, was darauf hin-
deutet, dass die Sprache der Bevölkerung nicht fremd ist. Auswanderer
aus Mazedonien in die USA, nach Kanada und in andere Länder ver-
wenden diese Form der neubulgarischen Buchsprache noch zu Beginn
des 21. Jh. zu Zwecken ihrer gedruckten Veröffentlichungen und Kor-
respondenz.
Heute wird in der Republik Nordmazedonien nicht nur die
Zugehörigkeit lokaler Dialekte zur bulgarischen Sprache geleugnet, son-
dern es wird auch behauptet, dass es in Mazedonien nie Bulgaren gege-
ben habe, sondern dass diese ausschließlich zu Propagandazwecken des
1870 gegründeten bulgarischen Exarchats registriert wurden. Es wird
behauptet, dass die in den Dokumenten verwendete Bezeichnung „Bul-
garen“ nicht gleichzusetzen sei mit tatsächlichen Bulgaren, sondern sich
einzig auf Angehörige des bulgarischen Exarchats beziehe. Aus diesem
Grund wird das Ethnonym „Bulgaren“ überall durch „Mazedonier“ er-
setzt.
Eine solche Meinung und die daraus resultierende Praxis des
vollständigen Ersatzes ethnischer Merkmale widersprechen den bekan-
nten Fakten. Der größte Teil der Aktivitäten der bulgarischen Vertreter
der Wiedergeburt aus Mazedonien fand vor 1870 statt. Aus diesem
Grund kann angenommen werden, dass als Folge der bulgarischen Wie-
dergeburt in Mazedonien das bulgarische Exarchat geschaffen wurde
und die entgegengesetzte Aussage eine Propagandalüge ist. Die
Gründung des Exarchats selbst basiert auf der Bitte, die erstmals 1829
von den Fürsten von Skopje an die Hohe Pforte gerichtet wurde, die eine

43
eigene bulgarische Kirche anstrebten. Als das Exarchat gegründet
wurde, trat nur ein Teil Mazedoniens – Veles und ein Teil der Eparchie
Kjustendil – in seine Diözese ein. Doch Artikel 10 des Dekrets des Sul-
tans über die Errichtung des bulgarischen Exarchats erlaubt es, andere
Diözesen als bulgarisch anzuerkennen, sofern mindestens 2/3 der christ-
lichen Bevölkerung dies wünscht. Gemäß diesem Absatz findet im
übrigen Mazedonien eine Volksabstimmung unter der Kontrolle der os-
manischen Behörden und des Ökumenischen Patriarchats statt. So ent-
standen nach der erfolgreichen Durchführung des Referendums die
Diözesen Skopje, Ohrid und Bitola des bulgarischen Exarchats. Dies ist
die erste und einzige Volksabstimmung auf dem Gebiet der heutigen Re-
publik Nordmazedonien bis 1991.*
Die Haltlosigkeit der zeitgenössischen Behauptungen Skopjes
über die Identität zwischen der kirchlich-institutionellen und der eth-
nischen Zugehörigkeit zeigt sich auch darin, dass sich auch Personen
aus anderen religiösen Gruppen als Bulgaren deklarierten. So zum Be-
ispiel Gotze Deltschev, der nicht in eine dem orthodoxen Exarchat
zugehörige, sondern in eine katholisch-unierte Familie hineingeboren
wurde. Die unierte Bewegung in seiner Heimatstadt Kukusch begann
1857 aufgrund des unangemessenen Verhaltens des griechischen Klerus
und seiner Verbrechen. Vor Abschluss der Kirchenunion ersuchten die
Kukuschaner den Papst, sie nicht nur vor den türkischen Behörden und
dem Patriarchat von Konstantinopel zu verteidigen, sondern auch den
Gebrauch der bulgarischen Sprache in Schulen und Kirchen einzuführen
und die Berufung eines unabhängigen bulgarischen Bischofs.
Unabhängig von ihrer katholisch-unierten Vergangenheit erklärten sich
sowohl Gotze Deltschev als auch seine Eltern, Brüder und Schwestern
selbst zu Bulgaren. In Berichten ausländischer Korrespondenten dieser
Zeit wird er als Bulgare bezeichnet. In einem Artikel der New York
* Erst 1991 fand das zweite Referendum auf dem Gebiet der heutigen Republik Nord-
mazedonien statt. Der Wortlaut seiner Frage ist paradox und hat die verschlungenen
Wege in der politischen Entwicklung von Skopje in der Folgezeit lange bestimmt. Mit
FÜR oder GEGEN mussten die Bürger die Frage beantworten: „Sind Sie für einen sou-
veränen und unabhängigen Staat Mazedonien mit dem Recht, in eine künftige Union
der souveränen Staaten Jugoslawiens einzutreten?“

44
Times vom 7. Mai 1903 wird beispielsweise berichtet, „es wurden 60
Bulgaren getötet, darunter auch ihr Anführer Deltschev.“ Diese Fakten
werden ignoriert und heute wird Gotze Deltschev in der Republik Nord-
mazedonien zum „Mazedonier“ erklärt.*

Ein Artikel der New York Times vom 7. Mai 1903. Man liest, dass Gotze Del-
tschev der Anführer einer bulgarischen Truppe war.

Viel später, als die serbische Propaganda in der geografischen


Region Mazedoniens begann, erschienen mehrere separatistische Lite-
raten wie Georgi Pulevski, Temko Popov, Kosta Gruptschev, Diamandi
Mischajkov und andere. Sie stehen ganz oder teilweise unter dem Ein-
fluss der in Belgrad entwickelten Ideologie des Mazedonismus. Ihr

* Nach der Unterzeichnung des Freundschaftsabkommens zwischen Sofia und Skopje


im Jahr 2017 und der Gründung der Gemeinsamen Historischen Kommission wurde
im Verlauf der Gespräche festgestellt, dass Gotze Deltschev sich selbst als Bulgare
identifizierte. Infolgedessen wurde in der Republik Nordmazedonien bekannt gegeben,
dass G. Deltschev „ein ethnischer Bulgare und ein politischer Mazedonier“ sei, weil
er für Mazedonien gekämpft habe. Eine solche Aussage ist ebenfalls nicht wahr. Das
politische Ziel der IMARO bis 1912 war eine allgemeine territoriale Autonomie Maze-
doniens und Ostthrakiens, die erneut unter osmanischer Herrschaft standen, gemäß
Art. 23 des Berliner Vertrages von 1878

45
Autor ist der serbische Politiker Stojan Novakowitsch, der 1888 schrieb:
„Da die bulgarische Idee in Mazedonien bekanntlich tief verwurzelt ist,
denke ich, dass es unmöglich ist, sie völlig zu erschüttern, wenn man ihr
nur die serbische Idee entgegensetzt. Ich fürchte, diese Idee als reines
und bloßes Gegenteil könnte die bulgarische Idee nicht verdrängen, und
aus diesem Grund würde die serbische Idee einen Verbündeten brauc-
hen, der entschieden gegen den Bulgarismus ist und Elemente enthält,
welche das Volk und seine Gefühle anziehen können, und es so vom Bul-
garismus trennen. Ich sehe diesen Verbündeten im Mazedonismus… Da
wir sie nicht serbisieren können, sollten wir zumindest zuerst diese
Bevölkerung vom bulgarischen Volk trennen und die Illusion in ihr er-
zeugen, dass es sich um eine separate Nation handelt. Wenn dies gelingt,
wird diese klein und schwach sein, und wenn sie in Zukunft in die Gren-
zen Serbiens eingeschlossen wird, kann sie leicht serbisiert werden...
Wir sollten dem Bulgarentum nicht das Serbentum gegenüberstellen.
Dies wird nichts bringen. Es wäre besser, es durch „Mazedonismus“ zu
ersetzen.“
Dieses Dokument zeigt, dass der Mazedonismus keine autoch-
thone Idee ist, die ihren Ursprung in Mazedonien hat, sondern von außen
eingeführt wurde. Daher sind seine Träger Menschen mit verwirrter
Ideologie. Es gibt Hinweise darauf, dass einige der in ihrem Namen
veröffentlichten Texte von serbischen Propagandisten in Mazedonien
verfasst wurden. So nahm zum Beispiel Georgi Pulevski 1862 an Ra-
kovskis erster bulgarischer Legion teil, doch 1875 wurde in Belgrad ein
ihm zugeschriebenes Buch gedruckt, in dem geschrieben stand: „Unsere
Heimat heißt Mazedonien und wir heißen Mazedonier.“ Zwei Jahre
später trat G. Pulevski jedoch als bulgarischer Widerstandskämpfer ein
und kämpfte für die Befreiung Bulgariens. Nach der Teilung des Landes
auf dem Berliner Kongress nahm er am Kresna-Razlog-Aufstand teil.
G. Pulevski schrieb sogar ein Gedicht, in dem er die gescheiterte Verei-
nigung Mazedoniens mit Bulgarien und die Trennung der Mazedonier
von ihren bulgarischen Brüdern beklagte. Von vielen seiner Zeitgenos-
sen, die ihn kannten (einschließlich Kusman Schapkarev), wird G. Pu-
levski als „mazedonischer Bulgare aus dem Debar-Dorf Galitschnik“
angesehen.
46
Interessant ist die Geschichte des letzten unveröffentlichten Ma-
nuskripts von G. Pulevski, das in der Nationalbibliothek in Sofia aufbe-
wahrt wird. Es trägt den Titel „Heidentum. Enthält altbulgarische
Sprache und ist dafür geeignet, dass bulgarische und mazedonische
Söhne und Töchter damit lernen können“. Ein unbekannter Täter hat of-
fensichtlich das Wort „bulgarisch“ durchgestrichen und es durch „ma-
zedonisch“ ersetzt und daraus wurde „altmazedonische Sprache“, und
bei dem Wort „bolgarski“ („bulgarische“) hat er die Buchstaben OL dur-
chgestrichen und durch U ersetzt, um „bugarski“ daraus zu machen, wie
es heute gemäß der schriftlichen Skopjoter Norm ist. Aus diesem Do-
kument geht hervor, dass G. Pulevski seine Sprache als bulgarisch bet-
rachtete, doch diese Tatsachen werden in Skopje verschwiegen.
Die Aktivitäten aller oben genannten „frühen Mazedonisten“ fin-
den außerhalb Mazedoniens selbst statt und werden vom serbischen
Staat finanziell unterstützt. In ihrer Biographie gibt es Fakten, die mit
den Bestrebungen der mazedonischen Bevölkerung in dieser Zeit unver-
einbar sind. Zum Beispiel änderte Temko Popov seinen Nachnamen in
Popowitsch. Er ist der Sohn des Verräters von Dimitar Miladinov und
ein Agent der serbischen nationalistischen Gesellschaft „Hl. Sava“, dass
die Serbisierung der Bevölkerung in Mazedonien zum Ziel hat. Kosta
Gruptschev ist ein serbischer und russischer Spion, Angestellter der ser-
bischen Botschaft in Konstantinopel, Lehrer am serbischen Gymnasium
und Leiter einer serbischen Buchhandlung in Konstantinopel, Heraus-
geber der serbischen Zeitung „Zarigradski glasnik“. Zusammen mit
Naum Ewrov versuchen sie, in Sofia eine Gruppe namens „Geheimes
Mazedonisches Komitee“ zu organisieren, um eine separate mazedo-
nische Nation zu propagieren. Nach dem Scheitern dieses Vorhabens ar-
beiteten sie mit der serbischen Regierung in Belgrad zusammen und
gründeten unter Novakowitschs Führung die „Gesellschaft der Serbo-
mazedonier“ mit Sitz in Konstantinopel, die seine geplante „Mazedo-
nische Fibel“ veröffentlichte. Zum Ziel haben sie, die mazedonischen
Bulgaren aus dem bulgarischen Exarchat auszuschließen, einen proser-
bischen Geist und Hass gegenüber den Bulgaren zu wecken, die bulga-
rischen Geistlichen und Lehrer aus Mazedonien zu vertreiben, eine
eigene „mazedonische“ Sprache zu schaffen, alle bulgarischen
47
Ausdrücke aus der gesprochenen Sprache zu entfernen und sie durch
serbische zu ersetzen.
Im Jahr 1889 publizierte St. Novakowitsch eine „Studie“ über
mazedonische Dialekte, die beweisen soll, dass sie der serbischen
Sprache näher stehen. Diese Studie wurde von den bekanntesten Sla-
wisten kritisch aufgenommen. N. S. Derzhavin, der sich lange mit der
mazedonischen Frage und den bulgarisch-serbischen Beziehungen be-
fasst hatte, schreibt Folgendes: „Im Interesse der Vollständigkeit der
vorliegenden Arbeit habe ich die mazedonischen Texte von Novaković
persönlich sorgfältig geprüft und darin ein vollständiges System der bul-
garischen Sprache mit allen phonetischen und morphologischen Mer-
kmalen gefunden, die nur für diese Sprache charakteristisch sind.“
Die bulgarische Bevölkerung in Mazedonien interessierte sich
nicht für die Ideen der frühen Mazedonisten. Prominente
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Mazedonien wie Kusman
Schapkarev, Atanas Schopov, Hristo Schaldev und andere kritisieren ihre
Aktivitäten scharf. Nach einer kurzen zweijährigen Tätigkeit kündigte
Novakowitsch die Fortsetzung der Idee der Serbisierung der
Bevölkerung in Mazedonien an, indem Lehrbücher direkt auf Serbisch
veröffentlicht werden sollten, aufgrund fehlenden Interesses an jenen
im mazedonischen Dialekt. Diese Idee wurde in der Praxis nach der ser-
bischen Besetzung im Jahr 1913 großflächig umgesetzt, als die neuen
Untertanen des Königreichs zu „südlichen Serben“ erklärt wurden.
1902 wurde der mazedonische Club in Belgrad von den bezahl-
ten serbischen Zöglingen Stefan Dedov und Diamandi Mischajkov
gegründet. Er begann mit der Veröffentlichung der Zeitung „Balkanski
glasnik“, welche die Idee des nationalen Separatismus unter den maze-
donischen Bulgaren förderte – dass sie ein anderes Volk als die Bulgaren
seien, dass sie Opfer ausländischer Propaganda seien (bulgarischer, ser-
bischer, griechischer), dass sie eine separate Sprache sprächen, dass sie
das bulgarische Exarchat aus Mazedonien ausweisen sollten. Im selben
Jahr initiierte Stojan Novakowitsch als Botschafter in St. Petersburg die
Gründung der „slawisch-mazedonischen Gesellschaft für Wissenschaft
und Literatur“. Unter seinen Mitgliedern sind verschiedene ehemalige
Stipendiaten von „Hl. Sava“ und frühe Mazedonisten – Dimitar Tschu-
48
povski, Kraste Misirkov, Stefan Dedov, Diamandi Mischajkov und an-
dere, die von Serbien großzügig gesponsert werden. Der Nachfolger von
Novakovićs Ideen ist der Serbe Jovan Zvijtsch, dem zufolge die maze-
donisch-slawischsprachige Bevölkerung kein entwickeltes
Nationalgefühl hat und je nach Situation dazu neigt, zu Serben oder Bul-
garen zu werden. Er betrachtet Mazedonien und Schopluka als ange-
stammte serbische Länder und die Bulgaren im Osten als Tataren. Diese
Rhetorik wird heute noch von Mazedoniern in der Republik Nordma-
zedonien verwendet.*
Ein weiterer Ideologe des Mazedonismus ist Milutin Garascha-
nin, Premierminister Serbiens, Sohn des serbischen Nationalideologen
Ilija Garaschanin. Er ist der Initiator der serbischen Propaganda in Ma-
zedonien, die sich seiner Meinung nach neben dem Mazedonismus auch
auf die Zusammenarbeit mit den Türken und Griechen gegen den bul-
garischen Geist der Bevölkerung stützen sollte. Seine Mitarbeiter sind
Milosch Milojewitsch, Nikola Paschitsch, Panta Sretschkowitsch, Jovan
Ristitsch, Spiridon Goptschewitsch und andere serbische Chauvinisten,
die an der Verbreitung serbischer Lehrbücher arbeiten und mazedonische
Kinder für das Studium an serbischen Schulen gewinnen möchten, die
dann für Ziele der serbischen Propaganda eingesetzt werden können.
Trotz der gezielten Politik Serbiens, Westbulgaren zu assimilie-
ren, enthüllen die Werke einiger serbischer Chauvinisten manchmal un-
parteiische Konstatierungen. Zum Beispiel schrieb der serbische
Sprachwissenschaftler Aleksandar Belitsch 1913: „Was die Sprache be-
trifft, so ist bekannt, dass Südmazedonien die Wiege der kirchenslawi-
schen Sprache ist, in welcher die ersten Bücher der Heiligen Schrift
während der Zeit der heiligen Brüder Kyrill und Methodius übersetzt
wurden. Diese Sprache bildete zusammen mit der Sprache Ostbulgariens
eine gemeinsame bulgarische Protosprache.“
* In den letzten Jahren wurde in Skopje versucht, den Namen „bugarin“ („Bulgare“)
gemäß der schriftlichen Norm von Skopje, durch „bugar“ zu ersetzen, wobei häufig
„tatar“ hinzugefügt wird. Diese weitere Änderung wird vorgenommen, damit die
beiden Wörter näher klingen und zusätzlich das Gefühl vermitteln, dass die Bulgaren
Tataren sind. Das bulgarischsprachige Ethnonym „bălgarin“ ist das am häufigsten
geänderte Wort auf dem Gebiet der Republik Nordmazedoniens: bălgarin → bolgarin
→ bugarin → bugar.

49
Ein Instrument des Mazedonismus war, in einigen Lebensabsch-
nitten, auch Kraste Misirkov (1874-1926), der zum „Mazedonier des 20.
Jahrhunderts“ erklärt wurde. Er ist ein serbischer Zögling, ein Stipendiat
der Gesellschaft „Hl. Sava“ und von Novakowitsch, der einen großen
Teil der Auflage seines Hauptwerkes „Über die mazedonischen Ange-
legenheiten“ (Original: „За македонцките работи“) – in Russland ver-
fasst und von Russland finanziert – aufkauft. In seinen Ansichten jedoch
unausgewogen, hatte er die meiste Zeit seines Lebens probulgarische
Positionen inne und wirkte aktiv für die bulgarische Idee aus Russland,
Bessarabien und Bulgarien, wobei er die serbische und russische Politik
zur Abspaltung der mazedonischen Bulgaren kritisierte. K. Misirkov war
der erste bulgarische Philologe, der von den serbischen Behörden nicht
behindert wurde und es schaffte, den moravischen Dialekt vor Ort zu
studieren und Quellenmaterial dafür zu sammeln. In seinen philologisch-
en Schlussfolgerungen betrachtet er die Morava-Dialekte in Serbien als
einen westbulgarischen Randdialekt, der an die serbische Sprache
grenzt. Über diese patriotische bulgarische Tätigkeit K. Misirkovs
schweigt man in der Republik Nordmazedonien hartnäckig, als ob es sie
nicht gegeben hätte.
1917 wurde Kraste Misirkov zum Mitglied des bulgarischen
Blocks im Parlament der damals unabhängigen Demokratischen Repub-
lik Moldau gewählt, bekannt als „Sfatul Tsari“ (Rat des Landes*). Im
Fragebogen schrieb K. Misirkov selbst, dass er ein Bulgare aus Maze-
donien sei, der Fraktion der nationalen Minderheiten angehöre und Mitg-
lied der bulgarischen nationalen Partei in Moldau war, die von den
Bulgaren und den Gagausen in Kischinev gewählt wurde. Am Ende des
Fragebogens setzte K. Misirkov eigenhändig seine Unterschrift.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts fanden die sporadischen An-
sichten von Kraste Misirkov als frühem Mazedonisten in der
Bevölkerung Mazedoniens keine Resonanz. Jahrzehnte später wurde er
von den Mazedonisten wiederentdeckt, die nach der Entscheidung der
Komintern im Jahr 1934, ihre Ideologie zu unterstützen, nach einer his-
torischen Rechtfertigung für ihre Lehre suchten.
Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen klangen die Worte des

* Sfatul Tsari existiert bis 27. März 1918.

50
Von Kraste Misirkov handgeschriebener und unterschriebener Fragebogen,
in seiner Eigenschaft als Abgeordneter im bulgarischen Block in „Sfatul
Tsari“ der unabhängigen Republik Moldau. In dem Dokument bestätigt er,
dass er ein Bulgare aus Mazedonien ist, aus der Fraktion der nationalen
Minderheiten stammt und Mitglied der bulgarischen Nationalpartei in Mol-
dau ist, sowie von den Bulgaren und den Gagausen in Kischinev (1917)
gewählt wurde.
51
russischen Botschafters in Skopje, Sergej Bazdnikin, wie politische Pro-
paganda, als er Anfang Januar 2021 in den Medien verkündete: „Maze-
donisch ist eine separate Sprache. Unsere Nationen (Russisch und
Mazedonisch, Anm. d. Verf.) sind verbunden mit tief verwurzelten his-
torischen Traditionen. Es geht nicht nur um sprachliche, kulturelle und
spirituelle Nähe. Russland hat die Balkanvölker immer in ihrem Kampf
um Selbstbestimmung unterstützt. Konstantin Miladinov und Krste Mi-
sirkov haben hier studiert und gewirkt.“ Die Dokumente zeigen deut-
lich, dass weder K. Miladinov noch K. Misirkov sich als Mazedonier
sahen. Wenn die Worte des russischen Botschafters in Skopje nicht seine
persönliche Position waren, dann weckt die zeitgenössische Beteiligung
Russlands an der Falschdarstellung des Falles K. Miladinov und die ein-
seitige Darstellung von Kr. Misirkov Sorgen hinsichtlich der Prinzipien,
Methoden und Ziele Moskaus auf dem Balkan.
Bis zum Zweiten Weltkrieg fand die Doktrin des Mazedonismus,
zu der auch die Idee der Existenz einer „mazedonischen“ Sprache
gehörte, die sich vom Bulgarischen unterschied, keine Anhänger in Ma-
zedonien, und Serbien behandelte die slawische Bevölkerung offiziell
nicht als mazedonisch, sondern als serbisch.
Keiner der mazedonistischen Schriftsteller hat in dieser Zeit tiefe
Spuren hinterlassen. Sie sind der Mehrheit der Menschen in Mazedonien
unbekannt, ihre Werke stehen isoliert und wurden aus politischen
Gründen in Titos Jugoslawien „wiederentdeckt“ und aus den Archiven
in Belgrad entnommen. Selbst bei dem berühmten ASNOM-Treffen im
August 1944, bei dem die Schaffung eines unabhängigen mazedonischen
Staates beschlossen wurde, erklärten die kommunistischen Führer, sie
seien die Nachfolger des Werks der Ilindentsi und von IMORO, nicht
der frühen Mazedonisten.
Diese Ansicht wird von der offiziellen Wissenschaft in Skopje
übernommen, sodass bei der Entwicklung des Lehrplans für die Schulen
in der Republik Nordmazedonien die mazedonistischen Schriftsteller
aus der Zeit der späten Wiedergeburt praktisch nicht beachtet werden
und gleichzeitig das Werk der bulgarischen Vertreter der Wiedergeburt
aus Mazedonien völlig verfälscht dargestellt wird, indem ihre bulga-
rische Zugehörigkeit geleugnet wird und sie zu „Mazedoniern“ erklärt
werden.
52
Im Betrachtungszeitraum sind der Wissenschaft keine historisch-
en Quellen bekannt, in denen das Vorhandensein oder die Verwendung
einer „mazedonischen“ Sprache erwähnt wird. Erst die sogenannten
„frühen Mazedonisten“ begannen Ende des 19. Jahrhunderts davon zu
sprechen. Davor wurde der Begriff „mazedonische Sprache“ in der Sla-
wistik und der Forschung zu Kyrill und Methodius nicht verwendet. Ein
Beispiel: 1822 veröffentlichte der bekannte serbische Sprachwissen-
schaftler Wuk Karadschitsch in Wien die „Beilage zu den vergleichen-
den Wörterbüchern St. Petersburgs zu allen Sprachen und Dialekten
unter besonderer Berücksichtigung der bulgarischen Sprache“, Sie gilt
als Beginn der wissenschaftlichen Bulgaristik und führt alle slawischen
Sprachen und Dialekte auf, wobei sein Beitrag darin besteht, die ausge-
lassenen Balkansprachen zu vervollständigen, darunter Bulgarisch –
seine Informationen dazu bezog er aus der Region Razlog, Mazedonien.

5. Vernichtung des kulturhistorischen Erbes der bulgarischen


Wiedergeburt durch den Mazedonismus

Die Existenz bulgarischer Inschriften aus der Epoche der Wie-


dergeburt auf dem Gebiet der heutigen Republik Nordmazedonien war
für die jugoslawischen Behörden vor 1941 und nach 1944 immer pro-
blematisch. Aus diesem Grund sind einige Inschriften zerstört oder
gefälscht. Ein Beispiel ist die Marmorinschrift der 1863 in Bitola erbau-
ten Kirche „Heilige Nedelja“ mit der Aufschrift: „Dieser heilige Tempel
der Allerheiligsten und großen Märtyrerin Nedelja wurde mit den Op-
ferspenden der Bulgaren erbaut.“ Die jugoslawischen Behörden ver-
suchten, das Wort „Bulgaren“ zu entfernen.

Inschrift in der Kirche


„Heilige Nedelja“ in Bi-
tola, auf der erkennbar
ist, dass versucht wurde,
das Wort „Bulgaren“ zu
entfernen.

53
Diese mit einer Inschrift
versehenen Platte wurde
1963 von den jugosla-
wischen Behörden abge-
baut. Aus ihr geht hervor,
dass die Gruft der Kirche
„Hl. Dimitar“ von den
Bulgaren gebaut wurde.

Interessant ist das Schicksal der Inschrift in der Gruft nahe der
Kirche „Hl. Dimitar“ in Skopje, die 1864 angebracht wurde. Ihr Text
lautet: „Diese Gruft wurde mit Spenden der orthodoxen Bulgaren im
Jahre 1864 gebaut, 1. März, Skopje.“
Die Gedenktafel wird 1963 von den jugoslawischen Behörden
entfernt und mit der Vorderseite nach unten auf den Hof geworfen, damit
die Inschrift nicht gelesen werden kann. Sie wird von den Einheimischen
Blagoy (Blazhe) Velinovski und Ivan (Jovan) Stoyanovski im Jahr 2000
gefunden und nach Bulgarien gebracht, wo es im Nationalen Historisch-
en Museum in Sofia aufbewahrt wird. Die beiden Entdecker der Geden-
ktafel werden lange Zeit von den Jugoslawen und dann von den

Die gefälschte In-


schrift in der Kirche
im Dorf Prilepets, in
der das Wort „Bulga-
risch“ entfernt und an
seiner Stelle „Mazedo-
nisch“ geschrieben
wurde. Die Fälschung
ist auch mit bloßem
Auge sichtbar.

54
mazedonischen Behörden verfolgt, weil sie offen das bulgarische Na-
tionalbewusstsein demonstrierten.*
Die in der Republik Nordmazedonien durchgeführte Fälschung
der Inschrift der Kirche im Dorf Prilepets in der Nähe der Stadt Prilep
ist äußerst auffällig. Aus der Inschrift geht hervor, dass die Kirche 1908
von der Samardschi-Gilde mit Einverständnis des „bulgarischen Volkes“
erbaut wurde. Die jugoslawischen Behörden haben nicht nur das Wort
„Bulgarisch“ entfernt, sondern auch an seiner Stelle „Mazedonisch“
geschrieben. Diese Fälschung ist mit bloßem Auge sichtbar. Im Dorf
Robovo in der Region Strumiza wurde die Inschrift auf dem Grab des
1911 verstorbenen Priesters Ilija Gabrovaliev teilweise gelöscht.

Grabstein des 1911 verstorbenen Priesters Ilija Gabrovaliev. Die Worte „für
das Bulgarentum“ wurden gestrichen.

Der in literarischer bulgarischer Sprache verfasste Text der Ge-


denktafel lautet: „Hier ruht der Priester Ilija Ivanov Gabrovaliev,
* Laut dem mazedonischen Journalisten V. Kanzurov wurden beide Namen von den
jugoslawischen Behörden geändert. „Die in der mazedonischen Stadt Kocani gebo-
renen Brüder Rade und Blasche Velinov tragen gerade wegen der politischen Situation
unterschiedliche Familiennamen.“ Der Nachname des älteren Bruders ist Velinov,
während Blagoys Nachname in Velinovski geändert wurde. Jovan Stoya-novski hieß
bis zum Alter von 18 Jahren Ivan Stoyanov, aber als die Ausweispapiere ausgestellt
wurden, änderte die Polizei seinen Namen. Im Jahr 2006 verbrachte J. Stoyanovski
sechs Monate im Gefängnis in Skopje, weil er sich im Jahr 2000 gegen eine Person
verteidigt hatte, die bei der Gründung des bulgarischen Ver-eins „Radko“ eine Bombe
geworfen hatte.
55
gebürtig aus dem Dorf Bogdantsi, Region Gevgelija, einer der ersten
Kämpfer für das Bulgarentum in der Region Strumiza, der am 11. No-
vember 1911 starb.“ Die Worte „für das Bulgarentum“ wurden gelöscht.
Heute befindet sich im Hof der Kirche „Hl. Dimitar“ in Bitola
eine zerbrochene und weggeworfene Gedenktafel mit einer Inschrift in
bulgarischer und griechischer Sprache, die lautet: „Dr. Konstantin Mis-
haikov aus dem Dorf Patele, Mazedonien, kaufte mit seinem Geld dieses
Grundstück für die Errichtung der … Kirche (bulgarisch - gestrichen),
für die Kapelle der … (gestrichenen) und die [Knaben-] und
Mädchenschulen, für die Kerzengießerei und die Buchhandlung [deren]
Gebäude dem Volk gehören, und schenkte dieses Grundstück dem …
(bulgarisch gestrichenen) Volk in Bitola, welches das BULGARISCHE
EXARCHAT anerkennt. Zu seinem und seiner Familie Gedenken wurde
diese Gedenktafel errichtet[während des Exarchats] Seiner Seligkeit
Antim I. Bitola 25. März 1876.“

Foto der Gedenktafel von 1876 mit einer bulgarischen Inschrift, zerbrochen
und hingeworfen in den Hof der Kirche „Hl. Dimitar“ in Bitola.

Die Gedenktafel wurde einst an der Fassade der Kirche „Geburt


der Allerheiligsten Jungfrau“ (bekannt als Kirche „Heilige Jungfrau“)
angebracht. Die Initiative für den Bau dieser Kirche in Bitola geht auf
das Jahr 1869 zurück. Die Initiatoren sind die bulgarische Gemeinde Bi-

56
tola unter der Leitung von Dimitar Robev aus Ohrid und Dr. Konstantin
Mischaikov aus dem Dorf Patele in der Region Lerin in Ägäis-Mazedo-
nien. Die Kirche wurde 1870 erbaut und 1876 geweiht. In der Geden-
ktafel wird Dr. Mischaikov erwähnt, der das Grundstück für ihren Bau
gekauft hat. Im Jahr 2018 wurde in der Kirche „Geburt der Allerheiligst-
en Jungfrau“ in Skopje eine versteckte Tafel mit der Aufschrift gefun-
den: „Haupttür der bulgarischen Volkskirche Geburt der Allerheiligsten
Jungfrau, 20. Juli 1879“.
Nach der Entdeckung verspricht ein Sprecher des mazedonisch-
en Kultusministeriums, dass die Gedenktafel erhalten bleibt und aufbe-
wahrt wird. Bisher gibt es keine Informationen über ihren Aufenthaltsort.
Im Januar 2021 suchten Vertreter des Autorenteams in Skopje nach die-
ser Tafel, konnten sie jedoch nicht finden.

Die bulgarische In-


schrift, die 2018 in
der Kirche der „Ge-
burt der Allerheilig-
sten Jungfrau“ in
Skopje entdeckt
wurde, bestätigt,
dass dies die Haupt-
tür der bulgarischen
Volkskirche ist.

In der Republik Nordmazedonien werden sogar Grabsteine


zerstört, um die bulgarische Zugehörigkeit des Verstorbenen zu löschen.
So wurde z.B. der Grabstein der Revolutionäre Nikola Karandjulov,
Naido Pestaleev und Dimitar Robev, die 1904 umkamen, in bulgarischer
Literatursprache beschriftet. Er wurde zerstört und durch einen neuen
Grabstein in Skopje-Schriftnorm ersetzt. Auf ihm steht, dass sie für einen
mazedonischen Staat gekämpft haben. Es wurde bereits festgestellt, dass
eine solche Aussage nicht wahr ist, da die IMRO bis 1912 für eine ge-

57
Der in der Republik Nordmazedonien zerstörte Grabstein des bekannten
Revolutionärs und Freimaurers Mische Rasvigorov, 1907 gefallen, war in
bulgarischer Sprache.
meinsame Autonomie von Mazedonien und Edirne Thrakien kämpfte.
Dieser Widerspruch geht auch aus dem erhaltenen originalen Grabstein-

58
kreuz mit einer bulgarischen Inschrift hervor, in der die Getöteten als
„M(azedonisch) O(drin) R(evolutionär) Kämpfer“ bezeichnet werden.
Nach der Abspaltung der heutigen Republik Nordmazedonien
von Jugoslawien im Jahr 1991 wurde der ursprüngliche Grabstein mit
der bulgarischen Inschrift des 1907 getöteten bekannten Revolutionärs
und Freimaurers Mische Rasvigorov zerstört.*
Die Werke von den Vertretern der Wiedergeburt, die in der geo-
grafischen Region Mazedoniens geschaffen wurden, unterliegen eben-
falls Fälschungen. So wurde z.B. das Buch der Gebrüder Miladinovi
„Bulgarische Volkslieder“ (1861) Jugoslawien unter Tito unter dem Titel
„Sammlung von Volksliedern“ (1968) neu veröffentlicht. Stefan Verko-
witschs Buch „Volkslieder der mazedonischen Bulgaren“ (1860) in
Skopje wurde mit dem Titel „Mazedonische Volkslieder“ (1961)
veröffentlicht, usw.
Einige tausend Seiten würden nicht ausreichen, um all diese
Fälschungen zu beschreiben. In Kapitel 3 werden nur diejenigen behan-
delt, die im aktuellen Lehrplan der Schule eingebettet sind und wo die
Lügen bei der heranwachsenden Generation in der Republik Nordma-
zedonien verbreitet werden. In den Anhängen zu diesem Buch finden
sich zahlreiche Beispiele für Fälschungen verschiedener Art.

* Die reguläre Freimaurerei gelangte 1880 nach Bulgarien, löste sich jedoch nach 5
Jahren auf, um ihre Einmischung in den politischen Streit zu verhindern. In der fol-
genden Zeit wurden Bulgaren Mitglieder von Freimaurerlogen in Mazedonien.. Wie
Ivan Michailov schreibt, ist es charakteristisch für diese Epoche, dass „Szenen aus der
Französischen Revolution, Episoden aus der Carbonari-Bewegung in Italien, aus den
Kämpfen von Garibaldi und Mazzini oft vor den aufmerksameren Zuhörern wiederholt
wurden“. Es sind die italienischen Garibaldi-Freimaurer, die Vorbild und Inspiration
für die bulgarischen Revolutionäre sind. Die reguläre Freimaurerei in Bulgarien wurde
1917 wiederhergestellt, als das Mitglied des Zentralkomitees der IMRO Alexander
Protogerov der erste Großmeister der Großloge von Bulgarien wurde. Die verfügbaren
Dokumente zeigen, dass zu seinen Hauptaktivitäten der Schutz der Rechte bulgarischer
Minderheiten im Ausland und insbesondere in Mazedonien gehört.

59
Erhaltenes originales Grabsteinkreuz der mazedonisch-edirneischen
Revolutionskämpfer Nikola Karandjulov, Naido Pestaleev und Dimitar
Robev, die 1904 getötet wurden. Es ist mit einer Inschrift in bulgarischer
Sprache, wurde danach zerstört und durch eine Inschrift auf einer Tafel in
„mazedonischer“ Sprache ersetzt.

60
II. DIE KODIFIZIERUNG DER „MAZEDONISCHEN“
SPRACHE

1. Die Rechtschreibreform in Bulgarien 1945 – ein Angriff der


BKP auf die schriftliche Einheit der bulgarischen Mundarten

1934 wird eine Resolution der Komintern verabschiedet, die zum


ersten Mal in kommunistischen Kreisen von der Existenz einer getren-
nten „mazedonischen“ Nation und einer „mazedonischen“ Sprache
spricht. Diese Resolution wird von Moskau und den jugoslawischen
Kommunisten nach 1944 aktiv genutzt. Ihre Ansichten werden in allen
Balkanländern oder Teilen davon auferlegt, in denen der Einfluss der
kommunistischen Parteien stark ist.
Im September 1944 wird Bulgarien von Sowjetrußland besetzt,
und in der neuen Regierung dominiert die Kommunistische Partei Bul-
gariens. Auf ihr Bestehen hin wird 1945 eine Rechtschreibreform der
bulgarischen Sprache durchgeführt. Sie kopiert die von Lenin
durchgeführte Reform in der russischen Sprache im Jahr 1918 und die
1921 von der Regierung der Bulgarischen Agrar-Volksunion
durchgeführte Rechtschreibreform.
Nach Angaben der Kommunistischen Partei Bulgariens sind die
Buchstaben Ѣ und Ѫ ein Symbol für Konservatismus und großen bul-
garischen Chauvinismus. Im Gegensatz zu Russisch und den anderen
Sprachen der slawischen Gruppe spielen diese beiden Buchstaben je-
doch nur in der bulgarischen Sprache eine bedeutende Rolle: Sie verei-
nen orthographisch ihre unterschiedlichen Dialekte. Trotz dieser
wichtigen Tatsache ernennt die neue bulgarische Marionettenregierung
unmittelbar nach dem Putsch im September 1944 eine Kommission, um
„die Möglichkeiten einer Vereinfachung der bulgarischen Rechtschrei-
bung zu prüfen“. Trotz des starken Widerstands bulgarischer
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Schriftsteller,
einschließlich der Mitglieder der Kommission selbst, wird 1945 ein Ve-
rordnungsgesetz über Rechtschreibänderungen veröffentlicht. Neben
dem Wegfall der Ъ und Ь im Auslaut ohne Lautwert entfallen auch die
Buchstaben Ѣ und Ѫ. Die in Bulgarien in der Praxis durchgeführte
61
Rechtschreibreform zieht eine Trennlinie zwischen dem, was vor und
nach 1944 geschrieben wird. Die meisten lebendig gebliebenen Verbin-
dungen zwischen der modernen bulgarischen Literatursprache und der
alten bulgarischen Schrift werden unterbrochen. Darüber hinaus fördert
die politische Entscheidung der bulgarischen Regierung die orthograp-
hische Trennung der ost- und westbulgarischen Dialekte.

2. Sprachkomissionen in Skopje und die Kodifizierung der neuen


„mazedonischen“ Sprache mittels Dekonstruktion der
einheitlichen bulgarischen Sprache

Nach den politischen Veränderungen im September 1944 auf


dem Gebiet der heutigen Republik Nordmazedonien, das zuvor von Bul-
garien verwaltet wird, beginnt auf Initiative der wiedergekehrten jugos-
lawischen Regierung der Aufbau eines neuen mazedonischen
Selbstbewusstseins.* Belgrad ist bewusst, dass die Bulgaren die Mehr-
heit der Bevölkerung ausmachen und das soziokulturelle Image bestim-
men, weshalb das neue Bewusstsein nur unter ihnen aufgebaut wird,
nicht aber unter den anderen ethnischen Gruppen, die auf dem Gebiet
der heutigen Republik Nordmazedonien leben. Nur die Bulgaren dur-
chlaufen einen ethnischen Transformationsprozess, andere Gemein-
schaften behalten ihre alten Eigenschaften bei. Diese Tatsache zeigt
* Am 6. April 1941 greift Deutschland Jugoslawien an, und am 11. April schließen
sich Italien und Ungarn den militärischen Angriffen an. Obwohl Bulgarien Mitglied
des Dreimächtepaktes ist, beteiligen sich seine Truppen nicht an der jugoslawischen
Kampagne. Die Kapitulation Jugoslawiens wird am 17. April vor dem deutschen Kom-
mando unterzeichnet. Mit diesem Akt wird Deutschland der oberste Kriegssouverän.
In dieser Funktion stellt es am 24. April den größten Teil von Vardar-Mazedonien für
die Zivilverwaltung aus Bulgarien zur Verfügung. Deutsch-land behält für sich jedoch
das jugoslawische Staatseigentum, die Funktion der deutschen Militärkommandanturen
und den Aufenthalt deutscher Truppen. Die bulgarische Verwaltung wird am 26. April
festgelegt, wobei 60% der Mitarbeiter Einheimische sind. Die bulgarische Kultur- und
Bildungspolitik ist gekennzeichnet durch die Eröffnung von 800 Grundschulen, 17
Gymnasien, 1 Universität und einer großen Anzahl öffentlicher Bibliotheken. Anfang
September 1944 zieht sich die bulgarische Regierung zurück. Die deutsche Kriegsver-
waltung besteht in der Region bis Mitte November 1944 weiter, danach wird die ju-
goslawische Herrschaft wiederhergestellt. Eine ihrer ersten Handlungen ist die
Vernichtung bulgarischer Bü-cher durch öffentliches Verbrennen.

62
deutlich, dass für einen solchen Prozess gezielter politischer Einfluss
eingesetzt wird. Das Ergebnis ist die Bildung der neuen „mazedonischen
Nation“, deren Erschaffung politischer und nicht ethnischer Natur ist.
Um den Aufbau des mazedonischen Selbstbewusstseins voran-
zutreiben, wird derzeit eine neue „mazedonische“ Sprache geschaffen.
Anweisungen dazu kommen aus Moskau, wo der sowjetische Professor
Bernstein am 12. September 1944 einen Bericht schrieb. In ihm heißt
es, dass die geschaffene Situation „eine Lösung für eine Reihe von Auf-
gaben erfordert, von denen die wichtigste die Schaffung einer mazedo-
nischen Literatursprache ist. Die überwiegende Mehrheit der
Mazedonier verwendet Bulgarisch, ein kleiner Teil - Serbisch. Die Er-
bauer der neuen nationalen Kultur auf dem Balkan haben die Aufgabe,
eine neue literarische Sprache zu schaffen.“
Im November 1944 wird in Skopje eine Sprach- und Rechtsch-
reibkommission gebildet, die ein Alphabet und eine Schreibweise der
schriftlichen Norm vorschlug. Die Sprachkommission tagt vom 27. No-
vember bis 4. Dezember 1944 und schlägt vor, die Dialekte aus der Re-
gion Veles, Prilep und Bitola zu übernehmen. Sie erklärt sie zur zentralen
Mundart und zur Grundlage der „mazedonischen“ Sprache. Eines der
Mitglieder der Kommission - Georgi Kiselinov - schlägt vor, für die
„mazedonische“ Sprache nur Buchstaben aus dem bulgarischen Alpha-
bet zu verwenden. Die Schreibweise soll phonetisch sein. Ein anderes
Mitglied der Kommission, der Dichter Wenko Markovski, verwendet in
seinem Poem „Robii“ („Sklavereien“), das in „Slobodna Makedonija“
erschien und im lokalen Dialekt geschrieben ist, ebenfalls das bulga-
rische Alphabet (,,Ъ, Ь, Ю, Я, Ж“).*
Aus einer anderen Aussage von G. Kiselinov geht hervor, dass
der Prozess der Erschaffung der „mazedonischen“ Sprache völlig poli-
tisch ist: „Wenn wir heute einen Dialekt aus unserer Sprache als litera-
rische Sprache nehmen wollen, haben wir nicht die Zeit darauf zu
* Blagoy Konev, in einer serbomanischen Familie geboren, schrieb im Gymnasium
Gedichte auf Serbisch, studierte Medizin und Serbisch an der Universität in Belgrad
und Jura in Sofia, ohne einen der Kurse abschließen zu können. Dies hinderte ihn nicht
daran, ab 1944 an der Standardisierung der neuen Literatursprache teilzunehmen, Rek-
tor der Universität Skopje zu werden und Karriere bei der Mazedonischen Akademie
der Wissenschaften und Künste (MAdWK) zu machen.

63
warten, dass diese Sprache gebildet wird. Wir stehen vor dem Problem
der Schaffung einer literarischen Sprache, aber wir haben nicht die Zeit
und können nicht warten, dass Dichter, Schriftsteller und Journalisten
diese Sprache bilden.“

Die erste Sprachkommission in Skopje und das von ihr am 27. November
1944 angenommene Alphabet. In der vorletzten und letzten Zeile des Alpha-
bets sind die Buchstaben Ъ und ъ ganz rechts zu sehen.

64
Schließlich unterbreitet die Kommission einen konkreten Vor-
schlag für ein Alphabet, einschließlich des Buchstabens Ъ. B. Koneski
lehnt dies erneut ab und kündigt seine Mitgliedschaft in der Kommis-
sion. Er besteht jedoch auf die direkte Verwendung des serbischen Al-
phabets. Auf Drängen von Venko Markovski und anderen wird am Ende
eine Kompromissversion einstimmig angenommen. Im zukünftigen Al-
phabet bleibt der Buchstabe Ъ, der von allen slawischen Sprachen nur
für Bulgarisch charakteristisch ist.
B. Koneski lehnt erneut das von der Sprach- und Rechtschreib-
kommission genehmigte Alphabet ab, und besteht auf die Ernennung
einer zweiten Sprachkommission. Sie tagt im März 1945, wobei poli-
tische Entscheidungen direkt aus Belgrad über Radovan Zagowitsch und
Milovan Djilas kommen. Die Kommission hat die Aufgabe, das ser-
bische Alphabet zu übernehmen. Zu diesem Zweck bittet die jugosla-
wische Regierung Moskau um Unterstützung. Die Entscheidungen der
Zweiten Sprachkommission sorgt bei der Bevölkerung von Vardar-Ma-
zedonien für starke Unzufriedenheit. Dies erfordert die Einberufung
einer dritten Sprachkommission im April 1945 auf Beschluss der Pro-
pagandaabteilung des Zentralkomitees der Jugoslawischen Kommunis-
tischen Partei. Von Skopje werden Mazedonische Sprachaktivisten nach
Belgrad gerufen, um eine Kompromisslösung für das Alphabet zu fin-
den. Die Abstimmung zum Beibehalten oder Entfernen des Buchstabens
Ъ führt zur Stimmengleichheit, eine Beibehaltung wird jedoch weiterhin
abgelehnt. Gleichzeitig werden mehrere serbische Buchstaben angenom-
men.
Am 3. Mai 1945 legt die Dritte Sprachkommission ihre
Vorschläge dem Bildungsministerium vor, das sie genehmigt, und am
selben Tag werden sie in der offiziellen Zeitung „Neues Mazedonien“
veröffentlicht. Am 5. Mai 1945 werden die Vorschläge der Kommission
für das Alphabet, das in der Republik Nordmazedonien noch verwendet
wird, im „Amtsblatt“ in Skopje veröffentlicht.
Die Skopje- und Veles-Dialekte werden deklarativ als Grundlage
der „mazedonischen“ Sprache akzeptiert, wobei jedoch ersterer bevor-
zugt wird, d.h. der periphere nordmazedonische Dialekt. In diesem
Sprachgebiet befindet sich das Verwaltungszentrum Skopje und man
65
übernimmt aufgrund der geografischen Nähe und des seit 1913 politisch-
en Einflusses Serbiens die meisten neuen Wörter aus der serbischen
Sprache.
Bei der Schaffung der „mazedonischen“ Sprache, wird 1945 die
Praxis der Dekonstruktion der neubulgarischen Sprache übernommen,
die im gesamten bulgarischen Gebieten einheitlich ist. Zu diesem Zweck
werden die mazedonischen Dialekte aus dem modernen Bulgarischen
„herausgenommen“. Dies geschieht durch die gleichzeitig
durchgeführten Rechtschreibreform in Bulgarien und Kodifizierung der
„mazedonischen“ Sprache in Jugoslawien zur Zeit Titos. Beides wird
von demselben politischen Zentrum durchgeführt.
Aus den stenografischen Protokollen der Ersten Sprachkommis-
sion geht hervor, dass ihre Mitglieder im lokalen bulgarischen Dialekt
(wobei Ѫ als E und Ѫ als A ausgesprochen werden) miteinander kom-
munizieren und häufig Elemente der literarischen bulgarischen Sprache
verwenden. Das ursprünglich für solche Aufnahmen verwendete Alpha-
bet ist bulgarisch. Unabhängig von der Politik der Entfremdung bleiben
die beiden schriftlichen Normen in Bulgarien und der Republik Nord-
mazedonien mit einer einheitlichen Grammatik. Soweit es Merkmale in
der mazedonischen Literatursprache gibt, die in der literarischen bulga-
rischen Sprache nicht zu finden sind, sind die meisten dieser Unter-
schiede typisch für eine Reihe moderner bulgarischer Dialekte. Aus
diesem Grund wird die Distanz der Skopje-Schriftnorm zum literarisch-
en Bulgarisch hauptsächlich durch die Einfügung von meist serbischen
Fremdwörtern erreicht. Eine solche Politik zielt auf die Annäherung der
Sprachen in Jugoslawien zur Zeit Titos ab.
Ein Versuch einer grammatikalischen Konvergenz mit der ser-
bischen Sprache wird 1946 von Krum Kepeski unternommen, der die
erste „Mazedonische Grammatik“ schreibt. Ausgehend von dem
Verständnis, dass „unsere Sprache ... früher Fälle hatte, aber heute ...
auf dem Weg ist, sie zu verlieren“, versucht der Autor, die Verwendung
einiger archaischer Fallformen zu reaktivieren, um die mazedonische
Literatursprache dem Serbischen anzunähern. Eine solche Regression
der Sprache erweist sich jedoch als erfolglos, und es werden keine wei-
teren Maßnahmen in dieser Richtung ergriffen.
66
Um die Bemühungen zu unterstützen, den Bürgern die kodifi-
zierte mazedonische Sprache aufzuzwingen, verabschieden die
Behörden in der Republik Mazedonien ein spezielles Gesetz zur maze-
donischen Sprache, das zuletzt 2017 aktualisiert wird. Es sieht vor, dass
alle „Texte der Legislative, Exekutive und Judikative, der lokalen Sel-
bstverwaltung, Lehrbücher, Sendungen, Presse, Übersetzungen und an-
dere Texte“, die veröffentlicht werden, in mazedonischer Sprache
Korrektur gelesen werden müssen. Das Korrekturlesen kann von einer
Person durchgeführt werden, die die Prüfung zum Lektor mit einer er-
haltenen Lektorenlizenz bestanden hat ... Eine Lektorenlizenz wird vom
Kultusministerium nach Bestehen der Prüfung ausgestellt“. In der Praxis
besteht die Aufgabe der betreffenden „lizenzierten Lektoren“ darin, eine
Sprachzensur durchzuführen, bei der alle Diskrepanzen mit der kodifi-
zierten mazedonischen Sprache überarbeitet werden. Falls eine solche
Herangehensweise in einigen übersetzten Werken teilweise gerechtfer-
tigt ist, so stellt die Änderung der Texte lokaler Autoren eine Art
Einschränkung ihrer kreativen Freiheit dar und offenbart die Praxis der
vollständigen sprachlichen Kontrolle.

3. Das Schicksal derjenigen, die mit der Kodifizierung nicht


einverstanden waren

Zu den mazedonischen Persönlichkeiten des öffentlichen Le-


bens, die das neue Alphabet als unvereinbar mit der „mazedonischen“
Sprache und Tradition kritisieren, gehören Wenko Markovski, Georgi
Schoptrajanov, Wassil Iwanovski, Pavel Schatev, Panko Braschnarov
und andere.
Georgi Schoptrajanov ist ein bekannter Philologe, der 1932 von
der französischen Regierung ein Stipendium erhält, um sich auf
französische Sprache und Literatur in Städten wie Dijon, Genf und Paris
zu spezialisieren. Während der bulgarischen Verwaltung von Vardar-
Mazedonien ist er der erste Direktor der neu gegründeten Volksbibliot-
hek in Skopje (Juli 1942). Später wird er zum Dozenten an der neu
gegründeten staatlichen Universität Skopje „Tsar Boris III - der Verein-
iger“ ernannt. Er ist Mitglied der Ersten Sprachkommission im Novem-
67
ber 1944. Seine Positionen ähneln denen von Wenko Markovski und
Georgi Kiselinov, weshalb er sich gegen Versuche ausspricht, einige ser-
bische Buchstaben im Alphabet zu verwenden. Diese Position lehnen
die jugoslawischen Behörden ab und Schoptrajanov gerät in politische
Isolation.
Viel schwieriger ist das Schicksal von Georgi Kiselinov, der vor
dem Zweiten Weltkrieg Herausgeber des Skopje-Magazins „Latsch“
(„Sonnenstrahl“) ist. In seinem Artikel aus dieser Zeit kritisiert G. Ki-
selinov die serbische These, dass der mazedonische Dialekt serbisch sei,
und verteidigt die Position „seiner organischen Merkmale, durch die er
aus dem synthetischen zum analytischen geworden ist, wie dies bei der
bulgarischen Sprache der Fall ist“. Während der bulgarischen Verwal-
tung von Vardar-Mazedonien ist er Direktor des Mädchengymnasiums

Karikatur gegen G. Kiselinov in


der Zeitschrift „Osten (Ochsen-
stachel)“ (Skopje, 1. Januar
1945). Über dem Text steht:
„Hl. Hl. Hl. Kyrill und Metho-
dius und Georgi Novi“, Apostel-
gleich, Schöpfer des Alphabets.
Unten „Georgi Kiselinov: Ich
habe mich unter die Heiligen
geschlichen. Gott hilf…“.
In der Mitte hält G. Kiselinov
ein offenes Buch, das den bulga-
rischen Buchstaben Ъ zeigt.

68
(1941-1943) und Lehrer am Knabengymnasium in Skopje (1943-1944).
Als Vorsitzender der örtlichen mazedonischen Gesellschaft erhält er für
seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg eine Medaille mit einem grünen
Band. Seit 1942 ist er Mitglied des Mazedonischen wissenschaftlichen
Instituts. Zu dieser Zeit veröffentlicht er Memoiren über seine Teilnahme
an der Mazedonisch-Edirneischen Widerstandsbewegung, in der er seine
bulgarische ethnische Zugehörigkeit erklärt. Aufgrund seiner bulgarisch-
en Vergangenheit und seiner Haltung gegen die Serbisierung der maze-
donischen Sprachnorm wird er von den neuen jugoslawischen Behörden
in das Zentralgefängnis von Skopje geworfen.
Während des Aufenthalts von G. Kiselinov im Skopje-Gefängnis
wird eine Karikatur gegen ihn in der Zeitschrift „Osten“(„Ochsenstach-
el“) veröffentlicht. Darauf steht er zwischen Kyrill und Methodius und
hält ein offenes Buch, in dem der bulgarische Buchstabe Ъ zu sehen ist.
Bis zu seinem Lebensende im Jahr 1961 darf G. Kiselinov trotz seiner
Ausbildung und der unbestreitbaren Autorität, die er besitzt, keine aka-
demischen Positionen einnehmen.
Ein weiterer Repressierter ist Wenko Markovski, Mitglied der
drei Sprachkommissionen und zählt zu dieser Zeit zu den talentiertesten
Dichtern der Volksrepublik Mazedonien. Obwohl er von 1945 bis 1949
Mitglied des Parlaments („Skupstina“) in Belgrad ist, sowie Mitglied
der Nationalversammlung der Volksrepublik Mazedonien, gerät er
wegen seiner Versuche, den bulgarischen Buchstaben Ъ zu bewahren,
in Ungnade. Im Februar 1956 wird er als Autor des zuvor illegal
veröffentlichten Poems „Zeitgenössische Paradoxien“ in Zagreb aufge-
deckt, für das er verurteilt wird. Das Buch wird vom bekannten maze-
donischen Komponisten Kirill Taschkov ins Kroatische übersetzt, der
seine Ansichten teilt. Während des Gerichtsprozesses in Skopje am 16.
März 1956 erklärt W. Markovski mehrmals, er ist „ein Bulgare aus Ma-
zedonien und als solcher ist er gegen das Regime“. Es ist dokumentiert,
dass der Richter selbst nach diesen Worten ausbricht und sagt: „Ja, es
gibt Bulgaren und Serben in Mazedonien, aber alle schweigen. Was
willst du, worüber rebellierst du?“ Für seine Tätigkeit kommt W. Mar-
kovski in das Konzentrationslager „Goli Otok“, wo er bis 1961 schwere
Zwangsarbeit verrichtet.
69
Der Widerstand einer Reihe von Kulturaktivisten und
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist ebenfalls enorm. So ist z.B.
der erste Chefredakteur der Zeitung „Nova Makedonija“ Wassil Iwa-
novski, obwohl mazedonistischer Auffassung, gegen Lasar Kolischews-
kis proserbische und antibulgarische Politik. Am 1. Dezember 1945
sendet er einen Brief an den bulgarischen Ministerpräsidenten Georgi
Dimitrov und seinen Mitarbeiter Wassil Kolarov, in dem er über die
antibulgarische Politik der jugoslawischen Behörden bei der
Einführung des neuen Alphabets in der neuen Literatursprache
berichtet.* In diesem Dokument äußert sich W. Iwanovski besorgt
über die gewalttätigen Methoden zwecks Schaffung der mazedonischen
Nation, über die Verfolgung von allem Bulgarischen und von
Funktionären, die nicht mit der Serbisierung des öffentlichen
Lebens, der Sprache und der Kultur einverstanden sind. In dem Brief
steht: „…und D. Wlachov und Gen. Apostolski** und der Vorsitzende
* Lasar Kolischewski ist in Mazedonien geboren, aber als Waisenkind erhält er von
den jugoslawischen Behörden ein staatliches Stipendium für ein Ausbildung in Kra-
gujevac, wo er 1935 Mitglied der KPJ wird. Mitte 1941 schickt ihn das Zentralkomitee
der KPJ nach Vardar-Mazedonien, aber die mazedonischen Kommunisten weigern
sich, mit ihm zusammenzuarbeiten und sie schließen die kommunistische Organisation
in Mazedonien der BKP an. Im November 1941 wurde Kolischewski von der bulga-
rischen Regierung gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Im Dezember des
gleichen Jahres schreibt L. Kolischewski in einer Bitte um Begnadigung an Zar Boris
III: „Ich bin Sohn bulgarischer Eltern, ich fühlte und fühle mich als Bulgare, trotz der
schrecklichen Sklaverei - ich habe meine Lebensweise, Sprache und bulgarischen
Bräuche beibehalten.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg wird L. Kolischewski einer der
einflussreichsten Menschen in der Sozialistischen Republik Mazedonien und führt
persönlich die antibulgarischen Repressionen an.
** Gen. Michailo Apostolski (in der Zeit von 1941 bis 1944 Michail Apostolov) ist
Major in der königlichen jugoslawischen Armee. Während des nationalsozialistischen
Angriffs auf Jugoslawien im April 1941 wird er gefangen genommen und in ein Lager
gebracht. Am 23. Juni 1941 sendet sein Vater Mite Apostolov eine Anfrage an den bul-
garischen Kriegsminister, Schritte zur Freilassung seines Sohnes zu unternehmen, mit
der Begründung, Michail sei ein Bulgare, der von bulgarischen Eltern in Stip geboren
wurde. Der Antrag wurde am 2. Juli 1941 bewilligt. Im November desselben Jahres
beantragt Michail Apostolov den Beitritt in die bulgarische Armee als Offizier, wenn
er seinen Rang von der jugoslawischen Armee beibehalten kann. Es wird ihm jedoch
ein niedrigerer militärischer Rang angeboten - Kapitän, was er zurückweist. Es gibt
Daten, dass Michail Apostolski Ende 1944 eine probulgarische Aktivität entwickelt.
Die endgültige Brechung erfolgt Anfang 1945.

70
Chento* und W. Markowski haben mich gebeten… Sie darüber zu in-
formieren, was dort passiert. Chento hat mich sogar verpflichtet Ihnen
zu übermitteln, dass „wir in Mazedonien aufgrund einiger verantwor-
tlicher Faktoren unsere Arbeit nicht richtig machen können“. Aufgrund
dieser Position wird W. Iwanovski aus Jugoslawien ausgewiesen.
Eine weitere Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die scharf
gegen die auf dem Gebiet der heutigen Republik Nordmazedonien ver-
folgte Politik reagiert, ist Pavel Schatev. Er ist Justizminister in der er-
sten mazedonischen Regierung (1945) und deren stellvertretender
Ministerpräsident (1946). Im Herbst 1946 schreibt P. Schatev eine
Beschwerde an die bulgarische Botschaft in Belgrad, in der er berichtet,
dass die „mazedonische“ Sprache serbisiert und die bulgarische vertri-
eben wird und auf Eingreifen Bulgariens besteht.
1948 schreiben Pavel Schatev und Panko Braschnarov eine
Ausführung zur Lage in der Volksrepublik Mazedonien. Darin enthüllen
sie das Bild des Terrors und lehnen die Politik der KPJ ab, sich in Skop-
jes innere Angelegenheiten einzumischen und einen extremen serbischen
Nationalismus zu demonstrieren. Als Beispiel weisen sie darauf hin, dass
das Alphabet der „mazedonischen“ Sprache bewusst dem serbischen Al-
phabet Karadschitza nahe kommt und das Vokabular zwangsweise ser-
bisiert wird. In ihrem Brief schreiben sie auch, dass es eine Massenpraxis
ist, „... dass auf alles Bulgarische geschimpft wird, obwohl es eine his-
torische Tatsache ist, dass die Ilindetzi (Teilnehmer am Ilinden-Pre-
obraschenije Aufstand von 1903, Anm. d. Verf.) sich überall als
Menschen mit bulgarischem Bewusstsein fühlten und als solche handel-
ten ... , dass die von Belgrad gesandten Führer alles Bulgarische ver-
nichten, egal mit welchen Mitteln. Diejenigen, die mit der Politik der
KPJ nicht einverstanden sind, gelten als „gewissenlos und bulgarophil“.
* Metodi Andonov - Chento ist der erste Vorsitzende der Volksrepublik Mazedonien
in Tito-Jugoslawien. Obwohl er linke Auffassungen vertritt, arbeitet er mit bulgarischen
Aktivisten in Vardar-Mazedonien zusammen. Nach 1944 lehnt er die antibulgarischen
Repressionen ab, verurteilt sie öffentlich und sendet einen Protest an den Obersten Ge-
richtshof in Skopje. Aufgrund dieser Aktionen muss er Anfang 1946 zurücktreten. Er
wird verhaftet, weil er versuchte, an der Pariser Friedenskonferenz teilzunehmen, um
die Abspaltung der Volksrepublik Mazedonien von Jugoslawien zu fordern. Im No-
vember 1946 wird er vor Gericht gestellt und zu 11 Jahren Gefängnis verurteilt.

71
Im September 1948 erklärte P. Schatev, er betrachte den Text der
Resolution des 16. Plenums des ZK der Kommunistischen Partei Bul-
gariens als falsch, in der von einer bulgarischen Minderheit in Mazedo-
nien gesprochen wurde, denn „das Volk fühlt sich zum größten Teil als
Bulgaren“.
1949 wurde P. Schatev als Feind Jugoslawiens festgenommen.
Er wurde 11 Monate in Skopje im Gefängnis festgehalten, danach steht
er bis zu seinem noch ungeklärten Tod unter Hausarrest in Bitola. Am
30. Januar 1951 wurde er tot auf der Bitola-Müllkippe gefunden.
Der andere Unterzeichner des Briefes, Panko Braschnarov,
wurde 1950 festgenommen. Man brachte ihn in das Konzentrationslager
Goli Otok, wo er am 13. Juli 1951 starb.
Über das Ausmaß des Terrors während des Berichtszeitraums
auf dem Territorium der heutigen Republik Nordmazedonien berichtet
ein Artikel der mazedonisch-bulgarischen Zeitung „Mazedonische
Tribüne“ vom 13. Oktober 1960, die von den mazedonisch-bulgarischen
Auswanderern nach den Vereinigten Staaten und nach Kanada
veröffentlicht wurde: „Die serbischen Kommunisten töteten kurz nach
der Machtübernahme mehr als 5.000 Zivilisten und Bauern. Die Leute
sagen, dass diese Massaker nach vorbereiteten Listen von Menschen
durchgeführt wurden, die als vorbildliche mazedonische Bulgaren be-
kannt sind und in der Vergangenheit Verdienste um die mazedonische
Befreiungsbewegung hatten. Solche Personen werden meist getötet. Die
serbischen Kommunisten führten auch echte Massaker in der Region
Kumanovo, in Gevgelija, Vranovtsi, Veles, Stip, Gruptschin usw. durch.
Täglich wurden in Gruptschin 30 bis 40 Menschen getötet. Und wie viele
andere wurden vemisst, von denen die serbischen Kommunisten nicht
sagten, sie hätten sie getötet.
Darüber hinaus wurden von September 1944 bis Ende 1945
mehr als 5.500 Menschen in Vardar-Mazedonien zum Tode oder zu le-
benslanger Haft verurteilt. Diese Sträflinge waren hauptsächlich in zwei
Gefängnissen inhaftiert - im großen Idrizovo-Gefängnis und im
Zentralgefängnis in Skopje. Danach kamen allein jedes Jahr 2.000 neue
Sträflinge in das Idrizovo-Gefängnis und Schätzungen zufolge allein in
den letzten 15 Jahren mehr als 30.000 Gefangene. Außer diesen beiden

72
Gefängnissen in Skopje gibt es in allen Städten Mazedoniens
Gefängnisse. Alle Gefängnisse und Konzentrationslager waren mit Ge-
fangenen überfüllt...
Die Zahl der psychisch kranken und körperlich gefolterten Per-
sonen, die mehrere Tage oder Wochen in verschiedenen Gefängnissen
in Mazedonien inhaftiert waren, ist enorm. Es wird gesagt, dass 35 Pro-
zent der Bevölkerung auf diese Weise gefoltert wurden ... Es gibt Ge-
biete, in denen mehr als 60 Prozent der Dorfbevölkerung Gefängnissen
inhaftiert waren.“

4. Widerstand und Ablehnung der Schriftnorm von Skopje im


ägäischen Mazedonien, Pirin-Mazedonien und
Albanien nach 1948

Die 1945 geschaffene „mazedonische“ Sprache wurde als wich-


tiges Instrument für die politische Ausweitung des Mazedonismus und
für die Übernahme benachbarter Landesteile (Pirin-Mazedonien in Bul-
garien und Ägäisches Mazedonien in Griechenland) oder ganzer Länder
(Albanien) durch Jugoslawien verwendet.
Die ersten, die gegen eine solche Politik und insbesondere gegen
die Schaffung der neuen „mazedonischen“ Sprache reagieren, sind Ver-
treter der mazedonisch-bulgarischen Auswanderung in Nordamerika,
Südamerika, Australien und Westeuropa. Sie lehnen alle
Sprachänderungen seit 1945 ab.* In der Ausgabe der Zeitung „Mazedo-
nische Tribüne“ vom 22. März 1945 heißt es: „Unsere Sprache, die
Sprache, in der wir die Zeitungen schreiben und in der wir hier sowie
im Heimatland sprechen, ist Bulgarisch… Es ist eine unbestreitbare Tat-

* In Bulgarien ist es heute üblich, die Rechtschreibung bei der Übermittlung von Tex-
ten zu aktualisieren, die vor 1945 verfasst wurden. Nach 1945 werden jedoch vonseiten
der mazedonisch-bulgarischen Auswanderung in den USA, Kanada und in anderen
Ländern eine große Menge an Literatur in alter Schreibweise veröffentlicht, da die
Autoren die von 1945 aufgezwungene Schreibweise der Vaterlandfront nicht akzep-
tierten. Aus diesem Grund ist eine solche „Modernisierung“ eindeutig gegen ihren
Willen. In Anbetracht dieser Tatsache werden in der vorliegenden Veröffentlichung
Texte in bulgarischer Literatursprache gemäß der Praxis oder dem Willen des Autors
im Original zitiert, die mit der Schreibweise vor 1945 geschrieben wurden.

73
sache, dass die Sprache der mazedonischen Slawen Bulgarisch ist …
Seit kurzem wird jedoch davon gesprochen, dass eine in „Mazedonisch“
geschriebene Zeitung in Mazedonien erschienen sei. Wir haben ein Mus-
ter dieser Zeitung gesehen und es sorgfältig angeschaut… Aber die
Sprache, in der sie geschrieben ist, ist misslungen... Wenn dies durch
politische Gründe ausgelöst wird, ist das Böse nicht so groß, aber wenn
darauf bestanden wird, zu behaupten, es sei eine „mazedonische“
Sprache, dann haben wir es mit ungebildeten Linguisten zu tun. Vor
allem gibt es keine „mazedonische“ Sprache. Die slawische Philologie
hat durch die Arbeit ihrer besten Vertreter einen mazedonischen Dialekt
der bulgarischen Sprache registriert... Wir stellen fest, dass in der
erwähnten Zeitung „Neues Mazedonien“ sehr viele für unser kyrillisch-
es Alphabet charakteristischen Buchstaben nicht existieren - Ъ, Ь, Ѣ, Й,
Ѫ. Die Buchstaben Я und Й werden durch den serbischen Buchstaben
j ersetzt. Und auch der Dialekt, in dem die Zeitung geschrieben ist, ist
nicht einheitlich. Er ist mit Serbismen vermischt… In einem der Artikel,
dem von Venko Markovski, wird der Einfluss der bulgarischen Litera-
tursprache auf den Aufbau der Phrase deutlich. Die Sprache, in der die
Zeitung „Neues Mazedonien“ geschrieben ist, ist nicht „Mazedonisch“,
sondern eine Mischung aus mehreren mazedonischen Dialekten der bul-
garischen Sprache, vermischt mit Serbismen“.
Als die Informationen über die Massenrepressionen gegen die
Bulgaren in Mazedonien die freie Welt erreichten, wurden die Reaktio-
nen der mazedonisch-bulgarischen Diaspora viel schärfer. So heißt es
z.B. 1948 in dem Aufruf der patriotischen Organisationen Mazedoniens
an die Bevölkerung der Volksrepublik Mazedonien: „Wir glauben fest
daran, dass die Versuche der Serben, euren Nationalstolz durch die
Schaffung einer „mazedonischen“ Sprache zu zerstören, auf euren Gra-
nitwiderstand stoßen und zerbrechen werden. Getreu den Idealen von
Gotse, Dame und Todor wehrt die giftigen Pfeile des Verrats, verkörpert
von Wlachov und Kolischevski, in irgendeiner Weise ab.“
Erklärungen mit diesem Inhalt wurden bis 1991 auf fast allen
Kongressen der patriotischen Organisationen Mazedoniens verabschie-
det. Sogar heute noch verwenden sie in ihren gedruckten
Veröffentlichungen die bulgarische Literatursprache mit ihrer Schreib-
weise vor 1945.
74
Viel komplizierter ist die Situation auf dem Balkan, wo die kom-
munistischen Parteien eine Diktatur errichten. Im Herbst 1945, zu Be-
ginn des Schuljahres, wurden Lehrer der „mazedonischen“ Sprache aus
Jugoslawien in andere Teile der geografischen Region Mazedoniens -
in Albanien, Bulgarien und Griechenland entsandt. Auf diese Weise be-
gann die Aufzwingung der Verwendung der neu geschaffenen schrift-
lichen Norm für 100% der geografischen Region Mazedoniens.
Belgrads fernes Ziel ist die territoriale Angliederung dieser Re-
gionen an Jugoslawien: Pirin-Mazedonien und Ägäisches Mazedonien
sollten Teil der Volksrepublik Mazedonien werden, und der Rest Bulga-
riens und Albanien sollten die nächsten jugoslawischen Republiken sein.
Dies ist die Zeit der größten geopolitischen Offensive des Mazedonis-
mus.
Im Sommer 1946 forderte Stalin bei einem gemeinsamen bulga-
risch-jugoslawischen Treffen in Moskau, dass Bulgarien viel intensiver
das „mazedonische Bewusstsein“ der Bulgaren in der Pirin-Region aus-
bauen solle und erklärte: „Dass es in der Bevölkerung noch kein entwic-
keltes mazedonisches Bewusstsein gibt, bedeutet nichts. In Belarus
hatten wir auch kein solches Bewusstsein, als wir es zur Sowjetrepublik
erklärten. Und dann stellte sich heraus, dass es wirklich ein belarus-
sisches Volk gibt“. Auf die gleiche Weise wurde mit den Entschlüssen
der Komintern im Laufe der Jahre versucht, „Dobrudscha“- und „Thra-
kische“ Nationen und Sprachen zu schaffen (erfolglos), die „molda-
uische“ Sprache (teilweise erfolgreich, heute im Prozess der Rückkehr
zur rumänischen Sprache) u.a. Die JKP kopierte die Erfahrung der Ko-
mintern und schuf eine „montenegrinische“ Nation (erfolgreich), eine
„bosnische“ Nation (teilweise erfolgreich).
Im August 1947 unterzeichnete Georgi Dimitrov das Bled-Ab-
kommen, das praktisch die Möglichkeit für den Beitritt von Pirin-Ma-
zedonien zur damaligen Volksrepublik Mazedonien in Jugoslawien bot.
Die kommunistischen Strukturen vor Ort hielten sich an die Richtlinien
der Komintern und setzten den neuen politischen Kurs gewaltsam durch.
Es gibt eine Vielzahl von Unterlagen, die den Widerstand gegen
das Erlernen der skopischen schriftlichen Norm in den Territorien des
geografischen Gebiets Mazedoniens aufzeigen, die von Jugoslawien an-
75
Aufruf an die versklavte Bevölkerung in Mazedonien, beschlossen auf dem
30. Kongress der Patriotischen Organisationen Mazedoniens im Jahr 1951.
Darin heißt es: „Diese große Schikane wird weder euren Kampfgeist brec-
hen noch das kristallklare Bewusstsein der harten mazedonischen Bulgaren
in euch töten, egal wie sehr es von den Skopje-Lakaien Titos gewünscht wird,
die die beschämende Theorie der „mazedonischen Nation“ und der „Maze-
donischen Sprache“ erfunden haben.

nektiert werden sollen. Obwohl die kommunistische Regierung in Bul-


garien in dieser Zeit offiziell die Existenz einer „mazedonischen Nation“
und einer „mazedonischen Sprache“ anerkannte, identifiziert sich die
Mehrheit der Einwohner von Pirin- Mazedonien weiterhin als ethnische
Bulgaren. Im Dezember 1946 wurde eine Volkszählung durchgeführt.
76
Die Behörden gaben Anweisungen, die örtliche Bevölkerung in der Re-
gion Pirin administrativ als „mazedonisch“ zu registrieren, was jedoch
auf Widerstand stieß. In einem Bericht der Parteiorganisation der BKP
im Dorf Petrovo heißt es beispielsweise, dass „die Frage des Beitritts
von Pirin-Mazedonien zu Vardar-Mazedonien von der Bevölkerung mit
großem Erstaunen und von den Parteimassen mit Empörung aufgenom-
men wird“. In den Schulen, in denen die sogenannte „mazedonische
Sprache und Geschichte“ unterrichtet wird, kommt es häufig zu Kon-
flikten zwischen Schülern und jugoslawischen Lehrern und die Kurse
selbst sind schlecht besucht.
Diejenigen, die sich weigern, die neue Identität anzunehmen,
werden von den Behörden verfolgt. Über 40.000 prominente
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ehemalige Revolutionäre,
Woiwoden der IMRO und andere, die sich weigerten, die Volkszählung
als Mazedonier zu unterschreiben, wurden repressiert. Einige wurden
gewaltsam nach Jugoslawien deportiert, andere in Konzentrationslager
geschickt und viele einfach getötet. Aufgrund der Verschärfung des po-
litischen Terrors und der erzwungenen Mazedonisierung gingen viele
Einwohner von Pirin-Mazedonien in den Untergrund und schlossen sich
der Gorjansko-Widerstandsbewegung (antikommunistische Widerstan-
dsbewegung) an.
Die Situation änderte sich am 28. Juni 1948, als das Informbüro
eine Resolution verabschiedete, in der die Führung der Kommunistisch-
en Partei Jugoslawiens wegen Manifestieren von Nationalismus und Re-
visionismus verurteilt wurde. Dies war der Beginn des Bruches der
Beziehungen zwischen den kommunistischen Behörden in Belgrad und
den kommunistischen Parteien in den Nachbarländern. Jugoslawische
Abgesandte, einschließlich der Lehrer der mazedonischen Sprache, wur-
den aus Albanien, Bulgarien und Griechenland ausgewiesen.
In Pirin-Mazedonien, das etwa 11% des gesamten Territoriums
der geografischen Region Mazedoniens ausmacht, wird nur noch die
bulgarische Literatursprache in ihrer orthografischen Form nach 1945
genutzt.
Im Ägäischen Mazedonien, das etwa 50% des Territoriums der
geografischen Region Mazedoniens ausmacht, begannen ebenfalls
77
Einschränkungen in der schriftlichen Norm von Skopje. Schon damals
entstand die Idee auf der Grundlage der bulgarischen Kostur-Lerin-Pre-
spa-Dialekte, einen lokalen Regiolekt zu schaffen, der mit bulgarischen
Buchstaben geschrieben ist. Nach der Niederlage des kommunistischen
Widerstands in Griechenland im Jahr 1949 musste der größte Teil der
Bevölkerung aus Ägäis-Mazedonien auswandern. In Bukarest ließ sich
1951 Atanas Pejkov aus dem Dorf Babchor bei Kostur bei Flüchtlingen
aus dieser Region nieder. Er arbeitete in der mazedonischen Abteilung
des Verlags „Nea Elada“ im ZK der KPG und festigte den neuen Regio-
lekt auf der von ihm neu geschrieben mazedonischen Zeitungsseite der
griechischen Auswandererzeitung „Nea Zoi“. Er schuf eine Grammatik
und ein Lehrbuch dieser schriftlichen Norm, die der bulgarischen Lite-
ratursprache wesentlich näher kommt als der Norm von Skopje. In den
50er, 60er und frühen 70er Jahren des 20.Jh. wurde eine Reihe von Zei-
tungen, Magazinen und Büchern in diesem Regiolekt gedruckt
Die Sprachsituation in Mala Prespa in Albanien ist relativ iden-
tisch, wobei der Regiolekt auf dem lokalen bulgarischen Prespa-Dialekt
basiert und die erste derartige Fibel in der das bulgarische Alphabet zur
Rechtschreibung verwendet wird, wurde 1952 in einer limitierten Auf-
lage im Zyklostil gedruckt. Den später veröffentlichten Grammatiken
und Lehrbüchern dieses Regiolekts fehlen die für die Skopje-Schrift-
norm charakteristischen Serbismen, und sie kommen der bulgarischen
Literatursprache sehr nahe. In Albanien wurde der bulgarische Prespa-
Regiolekt bis in die 80er Jahre offiziell im staatlichen Bildungssystem
verwendet. In lexikalischer Hinsicht sind über 98% des Wortschatzes
der Bevölkerungsregionen in Ägäis-Mazedonien und Mala Prespa bul-
garische Wörter in ihrer westlichen Dialektform (Reflex von Ѣ in Е).
Die Sprachsituation änderte sich teilweise während und nach
1954, als sich die Beziehungen zwischen der UdSSR und Jugoslawien
aufzuwärmen begannen. Ende Mai und Anfang Juni 1955 besuchte der
sowjetische Führer N.S.Chruschtschow Belgrad und Skopje und es wird
die berühmte Belgrader Erklärung unterschrieben. 1956 erwiderte
J.B.Tito den Besuch und unterstützte den Einzug der Truppen des War-
schauer Pakts in Ungarn. Als Gegenleistung für diese Annäherung setzt
Moskau Bulgarien unter Druck, zu Georgi Dimitrovs Politik bzgl. der
78
mazedonischen Frage zurückzukehren. Ebenso werden Albanien und
Migranten aus dem ägäischen Mazedonien unter Druck gesetzt, in Ost-
und Mitteleuropa den bulgarische Regiolekt nicht mehr zu nutzen und
die Verwendung der Schriftnorm aus Skopje außerhalb des Territoriums
der Volksrepublik Mazedonien wiederherzustellen.
Der erste Widerstand gegen eine solche Politik ist in Albanien
zu beobachten. In Tirana erkennt man allmählich, dass Albanien aufg-
rund der anhaltenden Veränderungen im Sowjetblock weiterhin unter
dem Druck stehen wird, sich Jugoslawien annähern zu müssen und dass
eine eventuelle Wiedereinführung der schriftlichen Norm von Skopje
erhöht die Chancen, den jugoslawischen Einfluss zu vergrößern.

Ein Artikel in der Zeitung „Demokratis“ von 1956 im Kostur-Lerin-


Dialekt, geschrieben mit bulgarischen Buchstaben.

79
Aus diesem Grund hat die albanische Regierung beschlossen,
die Bemühungen der Bevölkerung von Mala Prespa, ihre traditionelle
Sprache und Rechtschreibung beizubehalten, zu unterstützen. Am 1. No-
vember 1955 beauftragte das albanische Bildungsministerium Boris
Male, neue Lehrbücher für örtliche Schulen zu schreiben, wobei ihm
eine Frist bis zum 15. Januar 1956 gesetzt wurde. Der eingeführte Un-
terricht in örtlichem bulgarischen Dialekt, der nach den Regeln der bul-
garischen Rechtschreibung stattand, wurde vom albanischen
Bildungsministerium offiziell genehmigt. 1956 wurden eine Fibel, ein
Mathematiklehrbuch und andere Lehrbücher herausgegeben.
Widerstand gegen den neuen Kurs ist auch bei Flüchtlingen aus
Ägäis-Mazedonien zu beobachten. Am 30. November 1956 machten ei-
nige Mitglieder der Organisation „Ilinden“ unter sowjetischem und ju-
goslawischem Druck einen Vorschlag, die Verwendung der schriftlichen
Skopje-Norm unter den ägäischen Flüchtlingen in Osteuropa wieder-
herzustellen. Die meisten Mitglieder reagieren jedoch nicht. Als repres-
sive Maßnahme wurde die Ilinden-Organisation aufgelöst und das
Problem bei einem Treffen am 4. und 5. August 1957 in der polnischen
Stadt Bardot gelöst. Der neue politische Kurs wurde direkt von Moskau
mit dem anwesenden polnischen Bildungsminister ins Leben gerufen.
Bei diesem Treffen stellten die Vertreter der Gruppe von Atanas Pejkov
klar fest, dass die „mazedonische“ Sprache mit der bulgarischen iden-
tisch ist. Als Kompromisslösung wurde akzeptiert, die Anti-Tito-Propa-
ganda innerhalb der Flüchtlinge aus Ägäis-Mazedonien in Osteuropa zu
beenden, aber die Wiedereinführung der schriftlichen Norm von Skopje
wurde kategorisch abgelehnt. Aus diesem Grund erschienen weiterhin
die gedruckten Ausgaben der von den Flüchtlingen aus Ägäis-Mazedo-
nien in Osteuropa heraugegebenen Zeitungen „Demokritis“ und „Na-
rodna Borba“ („Volkskampf“), die Magazine „Ilinden“ und
„Makedonski Zhivot“ („Mazedonisches Leben“) usw. geschrieben im
örtlichen bulgarischen Regiolekt mit dem bulgarischen Alphabet.
Interessant sind auch die Prozesse in Ägäis Mazedonien nach
dem Fall der Berliner Mauer. 1993 begann eine Gruppe von Einheimi-
schen, einige von ihnen mit bulgarischem Selbstbewusstsein und andere
unter dem starken Einfluss von Skopje, mit der Veröffentlichung der
80
Die Oktoberausgabe 1993 von „Sora“, veröffentlicht in Florina, Griechen-
land, mit dem „mazedonischen“ Alphabet, das die bulgarischen Buchstaben
Й und Ъ sowie die Buchstabenkombinationen ДЖ und ДЗ enthält

81
Zeitung „Sora“ („Morgenröte“). In der Oktoberausgabe 1993 wurde ein
Alphabet mit der Bezeichnung „Mazedonisch“ veröffentlicht, das jedoch
die bulgarischen Buchstaben Й und Ъ sowie die Buchstabenkombina-
tionen ДЖ und ДЗ enthielt. Dies geschieht, damit Beispiele für
Rechtschreibwörter wie бързо (schnell), мъка (Qual), път (Weg), ръка
(Hand), фърлам (werfen), цървен (rot) usw. gegeben werden können,
die nicht der Skopje-Norm entsprechen und nicht mit ihr geschrieben
werden können.
Das veröffentlichte Alphabet sorgte bei der Staatsführung in
Skopje für große Unzufriedenheit, und die Herausgeber der Zeitung wur-
den gezwungen, das Alphabet zu ändern und auf das Konewitza Alpha-
bet umzusteigen.* Um aus dieser Situation herauszukommen, mussten
die Verleger von „Sora“ in der Februarausgabe 1994 eine kurze
„Erklärung“ über das Konewitza Alphabet veröffentlichen und betonten,
dass es „das offizielle mazedonische Alphabet in der Republik Mazedo-
nien“ sei. Das betrachtete Beispiel zeigt die Skopjes Aggressivität bei
seinen Versuchen, die schriftliche Norm von Skopje außerhalb des Ter-
ritoriums der Republik Nordmazedonien durchzusetzen. Die Prozesse
im geografischen Gebiet Mazedoniens nach 1948 zeigen jedoch deut-
lich, dass in 63% dieses Territoriums und bei einem großen Teil der Aus-
wanderer aus dieser Region die Bevölkerung ihre Verwendung ablehnt
und sie nur für die Republik Nordmazedonien offiziell bleibt, wo die
Anzahl ihrer Medien ständig abnimmt.

5. Grundlegende sprachliche Beweise für die Einheit der


offiziellen Sprachnormen in Sofia und Skopje

Trotz der politischen Entscheidung der Behörden in Skopje, die


lokale Norm gewaltsam von der bulgarischen Literatursprache zu dis-
tanzieren, wurden die erwarteten Ergebnisse nicht erzielt. Die
Veränderungen äußern sich hauptsächlich in der Einführung vieler Ser-
bismen und anderer Fremdwörter, veränderter Endungen und Formen
* Das Autorenteam dieser Ausgabe erhielt schriftliche Informationenvon einigen Per-
sonen dieser Gruppe, welche nach Skopje gerufen wurden, um Instruktionen zu er-
halten.

82
sowie in der Wiederbelebung einiger Archaismen und seltener dialekta-
ler Formen. Das Vokabular ist jedoch größtenteils identisch. Dies
erklärte der berühmte slawische Gelehrte Prof. James F. Clark, der das
1968, also erst 23 Jahre nach der Kodifizierung, in Skopje
veröffentlichte „mazedonisch-bulgarisch“ Wörterbuch als „bulgarisch-
bulgarisch“ Wörterbuch definierte, da offensichtlich der größte Teil des
Inhalts in beiden Spalten des Wörterbuchs übereinstimmte.
Das Hauptmerkmal einer Sprache ist nicht so sehr das Vokabular
(das in kurzer Zeit von vielen Fremdwörtern künstlich beeinflusst wer-
den kann), sondern die Grammatik. Die heutigen Analysen von Bei-
spielen gesprochener und geschriebener Sprache in der Republik
Nordmazedonien zeigen, dass je nach Bildungsstand der Sprecher etwa
5-7% Serbismen und 1-2% andere Fremdwörter verwendet werden. Der
Anteil spezifischer mazedonischer Dialektwörter, die in Bulgarien nicht
in der literarischen oder gesprochenen Sprache verwendet werden,
beträgt etwa 1%. Diese lexikalischen Unterschiede führen jedoch in kei-
ner Weise zur Entstehung und Etablierung einer neuen Sprache.*
Gleichzeitig gibt es in Bezug auf die Grammatik keinen Unter-
schied in der Sprache. Die gemeinsame Grammatik der bulgarischen
und der mazedonischen Norm einerseits und aller anderen slawischen
Sprachen andererseits ist der Hauptunterschied. Er ist der Schlüssel zum
Verständnis der Einheit der Sprache.
Die Existenz der schriftlichen Norm von Skopje ist eine Tat-
sache, die niemand bestreitet. Unabhängig davon, ob die Behörden in
Skopje die bulgarische Position akzeptieren oder nicht, dass die Amts-
sprache in der Republik Nordmazedonien mit der Entwicklung der bul-
garischen Sprache und ihrer Dialekte in Vardar-Mazedonien nach ihrer
* Das gewaltsame Einfügen von Fremdwörtern in die Sprache ist eine der Methoden
für die Teilung und Assimilation von Völkern. So wurden beispielsweise nach 1920
mehr als 23% Russismen in die in der UdSSR gesprochene armenische Sprache eing-
efügt, die von Armeniern im Ausland nicht verwendet werden. Dieser Versuch der lexi-
kalischen Teilung führte jedoch nicht zur Bildung von zwei armenischen Sprachen.
Das Gegenteil ist bei der albanischen Sprache der Fall. Bis 1972 gab es zwei seiner
literarischen Normen, die auf Gega und Toska beruhten. Selbst in Jugoslawien wird
analog zur „mazedonischen“ Sprache versucht, eine „Kosovo-Sprache“ zu schaffen.
Kein ernsthafter Forscher hat jedoch literarische Normen als zwei getrennte Sprachen
betrachtet.
83
Kodifizierung nach 1944 zusammenhängt, wird sie weiterhin eine kon-
stitutionelle politische Realität sein.
Diese Situation ändert nichts an der Tatsache, dass die bulga-
rische Sprache aufgrund der spezifischen historischen Entwicklung
heute plurizentrisch ist - es gibt mehrere etablierte literarische Normen
und mehrere im Entwicklungsprozess. Die bulgarische Palken-Sprache
erschien erstmals, die schließlich 1866 in der Banat-Region im ehema-
ligen Österreich-Ungarn kodifiziert wurde und heute in Rumänien und
Serbien verwendet wird. Etwa 15 Jahre später wurde die bulgarische Li-
teratursprache kodifiziert und 1945 die Skopje-Norm festgeschrieben.
Darüber hinaus wird im heutigen Serbien versucht, die Sprachen „Tor-
laschki“ und „Schopski“ und auf Grundlage der westlichsten bulgarisch-
en Dialekte zu schaffen, sowie in Griechenland die „Sprache der
Pomaken“ auf Grundlage der bulgarischen Dialekte in den südlichen
Rhodopen.
Bei der Klassifizierung der slawischen Sprachen fallen heute die
literarische bulgarische Sprache, die bulgarische Palken-Sprache und
die mazedonische Literatursprache in die östliche Gruppe der
südslawischen Sprachen. Das Beispiel der bulgarischen palkenischen
Sprache zeigt, dass sie trotz ihrer Verschiedenheit von der bulgarischen
literarischen Norm, weiterhin als bulgarisch gilt.
Die kodifizierten dialektalen Besonderheiten der schriftlichen
Norm in der Republik Nordmazedonien sind auch in anderen bulgarisch-
en Dialekten enhalten und daher kein Beweis für die Existenz einer ei-
genen Sprache. Die grammatikalische Struktur der schriftlichen Normen
in Bulgarien und der Republik Nordmazedonien, die das Rückgrat jeder
Sprache bilden, bleibt unverändert. In dieser Hinsicht gibt es keinen sig-
nifikanten Unterschied zwischen den beiden schriftlichen Normen, und
alle folgenden Merkmale sind charakteristisch für das gesamte bulga-
rische Sprachgebiet, das Moesien, Thrakien und Mazedonien umfasst.
Diese typologischen Merkmale der bulgarischen Sprache unter-
scheiden sie von allen anderen slawischen Sprachen, die ein erhaltenes
Kasussystem haben. Die bulgarische Sprache ist die einzige analytische
slawische Sprache. Sie zeichnet sich aus durch:
– den analytischen Charakter des Nominalsystems (Ausdruck von Bez-
84
iehungen durch Präpositionen, z.B. чашата на Петър/die Tasse von
Peter, отидох при Иван/ich ging zu Ivan);
– das Vorhandensein eines Artikels bei den Nomina (z.B. мъжът по-
чива /der Mann ruht sich aus, жените дойдоха /die Frauen sind ge-
kommen, децата играят/die Kinder spielen, червената шапка/der
rote Hut);
– die Möglichkeit der Verwendung eines doppelten Objekts (z. B него
го видяха /sie haben ihn gesehen, на нея ѝ казаха /sie sagten ihr);
– den analytischen Ausdruck von Vergleichs - und Superlativformen von
Substantiven, Verben und Adverbien (по-красив/schöner, най-красив
/am schönsten; по-високо/höher, най-високо/am höchsten; пo
обичам/ich mag mehr, нaй обичам/ich mag am meisten);
– den analytischen Ausdruck des Infinitivs mittels да-Konstruktionen
(трябва да работя/ich muss arbeiten, да изляза/herausgehen);
– das Vorhandensein eines reichen Verbalsystems mit vielen Präterital-
und Futur-Formen; (ходих, ходех, ходил съм, бях ходил…, ще ходя,
ще съм ходил, щях да ходя, щях да съм ходил/ich ging, ich ging, ich
bin gegangen, ich war gegangen..., ich werde gehen, ich werde gegangen
sein, ich würde gehen, ich wäre gegangen);
– den analytischen Ausdruck der Futur-Tempora mit Hilfe von Partikeln
(ще ходя/ich werde gehen, ще работя/ich werde arbeiten);
– das Vorhandensein von Renarrativ-Formen (ходил, щял да ходи/er
ging, er sei gegangen; правил, бил съм правил/ich tat, ich hätte getan).
Die aufgeführten klanglichen, grammatischen und lexikalischen
Phänomene bestätigen erneut die Einheit der bulgarischen Sprache auf
Dialektebene, da in den bulgarischen Dialekten des gesamten bulgari-
schen Sprachgebiets, das Moesien, Thrakien und Mazedonien umfasst,
keine Unterschiede festgestellt werden.
Angesichts dieser sprachlichen Realitäten wird heute in Bulga-
rien offiziell die Position angenommen, dass „die Sprachnorm, die in
der Republik Nordmazedonien zur Verfassungssprache erklärt wurde,
mit der Entwicklung der bulgarischen Sprache und ihrer Dialekte in der
ehemaligen jugoslawischen Republik nach ihrer Kodifizierung nach
1944 zusammenhängt. Kein Dokument/keine Erklärung im Beitrittspro-
zess kann als Anerkennung von bulgarischer Seite verstanden werden,
dass eine sogenannte „mazedonische Sprache“, getrennt von der bul-
garischen, existiert.“

85
III. BEISPIELE AUS AKTUELLEN LEHRBÜCHERN UM 2020
UND DAS AUFZWINGEN DER LÜGE ÜBER DIE
HISTORISCHE KONTINUITÄT DER „МАZEDONISCHEN“
SPRACHE. VERGLEICH FALSCHER BEHAUPTUNGEN UND
FÄLSCHEN VON ORIGINALEN

1. Joakim Kartschovski

Joakim Kartschovski ist ein Geistlicher, Schriftsteller, Pädagoge,


Aufklärer und Lehrer der bulgarischen Wiedergeburt und der Begründer
der bulgarischen gedruckten Literatur. In seiner pädagogischen Tätigkeit
sucht J. Kartschovski nach neuen Formen zur Verbreitung des Wortes
und weiß um die Notwendigkeit gedruckter Bücher. In den letzten zehn
Jahren seines Lebens hat er fünf Bücher veröffentlicht. Wie wir anhand
der Sponsorenliste beurteilen können, sind sie in der geografischen Re-
gion Mazedoniens weit verbreitet: Stip, Kratovo, Strumitza, Radovish,
Veles, Bitola, Skopje und andere.
In dem Lehrbuch „Mazedonische Sprache“ für die 8. Klasse der
Schulen in der Republik Nordmazedonien (Skopje, 2020) wird von Joa-
kim Kartschovski behauptet, er habe Verdienste „für die Verbreitung der
ersten gedruckten mazedonischen Bücher“. In seinen Werken nahm die
Verwendung der kirchenslawischen Sprache als Schrift- und Literatur-
sprache ab, und „diese Rolle wurde von der mazedonischen Umgangs-
sprache übernommen“. Im gleichen Lehr- buch steht, dass sich J.
Kartschovski zusammen mit anderen Vertretern der Wiedergeburt „als
Schriftsteller folgendes Ziel gesetzt haben: Sie wollen das mazedonische
Volk lehren und aufklären … Sie haben eine feste Aufgabe: das maze-
donische Volk soll seine eigenen literarische Werke verstehen und an-
nehmen. Dazu haben sie eine klare Position: Sie führen die
mazedonische Umgangssprache in die Literatur ein… Auf diese Weise
erhält die mazedonische Umgangssprache in ihren Büchern eine breitere
Grundlage, und ihre Bücher werden für ein breiteres Spektrum maze-
donischer Leser verständlicher… Die mazedonische Umgangssprache
wurde das Hauptmittel in der mazedonischen Literatur sowie in der
schriftlichen Kommunikation zwischen den Mazedoniern. Allmählich
etablierte sich die mazedonische Umgangssprache als Handels,- Kir-
86
chen,- und Bildungssprache in Mazedonien.“ Eine solche Aussage ist
absolut falsch. So schreibt z.B. Joakim Kartschovski in seinem Buch
„Eine Geschichte über das Jüngste Gericht und die Wiederkunft Christi“
(1814, Original: „Повест за страшното и второто пришествие на
Христос“), dass es „in eine einfache (volkstümliche, Anm. d. Verf.) bul-
garische Sprache übersetzt wurde“.

Faksimile aus
der Titelseite
von Joakim
Kartschovskis
Buch „Eine
Geschichte
über das Jüng-
ste Gericht und
die Wieder-
kunft Christi“,
„übersetzt in
eine einfache
(volkstümliche)
bulgarische
Sprache“
(1814).
87
Einen ähnlichen Text finden wir in dem Buch von J. Kar-
tschovski „Die Wunder der Allerheiligsten Gottesmutter“ (1817). Darin
erwähnt er, dass es in die „bulgarische Sprache“ übersetzt wurde.

Faksimile der Ti-


telseite von Joa-
kim Kartschovskis
Buch „Die
Wunder der Aller-
heiligsten Gottes-
mutter“ (1817).
Heute wird in
Skopje behauptet,
dass es ins
„Mazedonische“
übersetzt wurde,
aber im Original
wird ausdrücklich
angegeben, dass
die Übersetzung
in bulgarischer
Sprache ist.

Die Situation ist identisch mit J. Kartschovskis Buch „Hinder-


nisse nach dem Tod“ (1860, Original: „Митарства“). In der Originala-
usgabe steht erneut, dass es „aus dem Slawischen ins Bulgarische
übersetzt“ wurde.
Die aufgeführten Beispiele zeigen deutlich, wie heute in der Re-
publik Nordmazedonien das bulgarische Kulturerbe durch die Verbrei-
tung falscher Aussagen beraubt und der jungen Generation der Zugang
zu objektiven Informationen verwehrt wird.

88
Faksimile aus
der Titelseite
von Joakim
Kartschovskis
Buch „Hinder-
nisse nach dem
Tod“ (Оrigi-
nal: „Ми-
тарства“),
„übersetzt aus
dem Sla-
wischen ins
Bulgarische“
(1860).

89
2. Kiril Pejtschinovitsch

Kiril Pejtschinovitsch ist auch ein bulgarischer Vertreter der Wie-


dergeburt, dessen Werk in der Republik Nordmazedonien vollständig
gefälscht und geraubt wurde. In dem Lehrbuch „Mazedonische Sprache“
der 7. Klasse der Grundschule wird über ihn geschrieben, dass er einer
der „ersten mazedonischen Autoren“ war, der „Bücher in mazedonisch-
er Volkssprache“ veröffentlichte. Er wurde zu einem der „ersten Lehrer
und Aufklärer Mazedoniens“ erklärt, der „seine beiden Bücher „Spie-
gel“ und „ Trost für die Sünder“ im volkstümlichen, genauer gesagt im
Tetovo-Dialekt, schrieb.“

Faksimile der 5. Seite des Lehrbuchs „Mazedonische Sprache“ Klasse 7 der


Grundschulen der Republik Nordmazedonien. Kiril Pejtschinovitsch soll als
Autor aufgetreten sein, „nachdem die Frage nach einer eigenen mazedo-
nischen Literatursprache zunehmend aufgeworfen wurde“, und er seine
Bücher in „mazedonischer Volkssprache“ veröffentlichte. (Das Faksimile
stammt aus dem im Jahr 2020 noch aktuellen Lehrbuch „Mazedonische
Sprache“ für die 7. Klasse. Das Erscheinungsjahr ist nicht angegeben.)

Die Aussagen im Lehrbuch über Kiril Pejtschinovitsch entsprec-


hen nicht der Wahrheit. In seinem Buch „Spiegel“ (1816) schrieb er, dass
es „für die Bedürfnisse und den Gebrauch der volkstümlichen und nicht-
literarischen bulgarischen Sprache in Nieder-Moesien geschrieben
wurde“. K. Pejtschinovitsch definiert nicht nur seine Sprache als bul-
garisch, sondern identifiziert auch seinen Heimatort nicht mit der geo-
grafischen Region Mazedoniens. Unter Verwendung der Quellen aus
dem Mittelalter ist diese Region für ihn Untermoesien.

90
Faksimile der
Titelseite von
Kiril Pejtschi-
novitschs Buch
„Spiegel“. Er
schreibt, dass es
„für die Bedürf-
nisse und den
Gebrauch der
volkstümlichen
und nichtlit-
erarischen bul-
garischen
Sprache in
Niedermoesien
geschrieben
wurde“ (1816).

Die Originalgrabsteine von Kiril Pejtschinovitsch im Kloster


Leschok bei Tetovo wurden ebenfalls zerstört und durch Inschriften in
der 1945 geschaffenen „mazedonischen“ Sprache ersetzt.

91
3. Raiko Zhinsifov

Ein weiterer bulgarischer Vertreter der Wiedergeburt aus der geo-


grafischen Region Mazedoniens, dessen Werk gefälscht und geraubt
wurde, ist Raiko Zhinsifov. Über ihn wird im Lehrbuch „Mazedonische
Sprache“ Klasse 8 der Schulen in der Republik Nordmazedonien
(Skopje, 2020) geschrieben, dass er zu den „mazedonischen Wiederge-
burtsschriftstellern gehört, die das Bedürfnis nach einer literarischen
Sprache verspüren, in der sie ihre literarischen Werke schreiben wollen.
Sie heben die mazedonische Sprache auf das Niveau der Literatur.“

Faksimile der Seite 7 des Lehrbuchs „Mazedonische Sprache“ für die


Klasse 8. in der Republik Nordmazedonien. Es wird behauptet, dass Raiko
Zhinsifov, die Brüder Dimitar und Konstantin Miladinov und Grigor Parlit-
schew „mazedonische Wiedergeburtsschriftsteller sind, die das Bedürfnis
nach einer literarischen Sprache verspüren, in der sie ihre literarischen
Werke schreiben können. Sie heben die mazedonische Sprache auf das Ni-
veau der Literatur.“(2020).

Eine solche Aussage in den nordmazedonischen Lehrbüchern ist


nicht wahr. Raiko Zhinsifov veröffentlichte 1863 sein Buch „Neubulga-
rische Sammlung“, das Gedichte im Original und übersetzt enthält. Als
92
Faksimile S. 5 und S. 15 aus „Neubulgarische Sammlung“ von Raiko Zhinsi-
fovs Vorwort und Übersetzung von „Wort über das Regiment von Igor“.
Darin heißt es ausdrücklich: „Als Bulgarisch zähle ich diese Sprache, die in
ganz Mazedonien, Thrakien und Bulgarien gesprochen wird.“ (1863).

93
Auswanderer lebte er in Russland mitten in der jungen bulgarischen Mig-
rantengeneration in Moskau und veröffentlicht zusammen mit Ljuben
Karavelov, Nescho Bontschev, Konstantin Miladinov, Konstantin Sta-
nischev, Wassil Popowitsch und anderen die Zeitschrift „Brüderliche Ar-
beit“ (Original: „Братски труд“). R. Zhinsifov war in der russischen
Presse journalistisch sehr aktiv, um die lokale Öffentlichkeit mit der Not-
lage des bulgarischen Volkes vertraut zu machen. Er arbeitet auch für die
bulgarischen Zeitungen „Donauer Morgenröte“ (Original: „Зора“), „Ma-
zedonien“, „Freiheit“ (Original: „Свобода“), „Bulgarische Biene“ (Ori-
ginal: „Българска Пчела“), „Jahrhundert“ (Original: „Век“), „Die Zeit“
(Original: „Време“) sowie für die bulgarischen Zeitschriften „Kultur-
haus“ (Original: „Читалище“), „Zeitschrift“ (Original: „Периодическо
списание“), „Bulgarische Bücher“ u.a. In ihnen veröffentlichte er Arti-
kel, Gedichte, Volkslieder und Erzählungen. In all seinen Werken erklärt
sich R. Zhinsifov als Bulgare und nennt seine Sprache Bulgarisch.
Zum Beispiel übersetzte R. Zhinsifov in der neuen bulgarischen
Sammlung von 1863 den alten russischen Text „Wort über das Regiment
von Igor“. Im Vorwort dazu sagt R. Zhinsifov: „Und für unsere
Übersetzung halten wir es für notwendig, Folgendes zu sagen: Als Bul-
garisch zählen wir diese Sprache, die in ganz Mazedonien, Thrakien
und Bulgarien gesprochen wird und zwischen denen es kaum Unter-
schiede gibt… Es gibt keine Mazedonier, keine Thraker als getrennte
Völker, es gibt nur slawische Bulgaren, die an den genannten Orten
leben. Die Namen dieser Orte haben nur einen Platz in der Geographie,
aber nicht in der Nationalität. Kurz gesagt, es gibt ein einziges bulga-
risches Volk und eine bulgarische Sprache, die wie jede andere ähnliche
Sprache in Dialekte unterteilt ist“. Nirgendwo in seinen Werken spricht
R. Zhinsifov von einer „mazedonischen“ Sprache, wie in modernen
Lehrbüchern in Skopje geschrieben steht.

4. Gebrüder Miladinov

In Anlehnung an die bereits beschriebene Vorgehensweise der


Fälschung und des Diebstahls des bulgarischen Kulturerbes heißt es im
Lehrbuch „Mazedonische Sprache und Literatur“ für das dritte Schuljahr
94
an den Gymnasien in der Republik Nordmazedonien (2018): „Die An-
sicht über die separate mazedonische Sprache folgt der mazedonischen
schriftlichen Tradition, in der die kirchenslawische Grundlage
allmählich durch die Umgangssprache ersetzt wurde. Die Nutzung der
mazedonischen Umgangssprache ist in verschiedenen Bereichen der
Kommunikation erforderlich, insbesondere im Handel, in Kirche, Bil-
dung, Presse und Literatur. Sie findet auch bedeutende Unterstützung
in der Volkskunst. Aus dieser Sicht nimmt die Sammlung der Volkslieder
der Gebrüder Miladinov einen zentralen Platz ein“.
Die schriftliche Erklärung ist völlig willkürlich. Die Gebrüder
Miladinov haben sich weder als „Mazedonier“ deklariert, noch ihre
Sprache als „Mazedonisch“ bezeichnet. Darüber hinaus lautet der Ori-
ginaltitel der genannten Sammlung von Volksliedern „Bulgarische Vol-
kslieder“ (1861).*
In ihrer Arbeit haben sich die Gebrüder Miladinov immer als
Bulgaren bezeichnet und sich für die Entwicklung der bulgarischen
Sprache eingesetzt. Wenn sie den Begriff „Mazedonisch“ verwendeten,
sollte dies nur den regionalen Aspekt des Bulgarischen zeigen. Der ältere
Bruder Dimitar Miladinov ist Autor einer Reihe von Artikeln in der
„Konstantinopeler Zeitung“ (Original: „Цареградски Вестник“ 1860).
Er bereiste die Siedlungen Mazedoniens, um Spenden für den Bau der
bulgarischen Kirche „Hl. Stephan“ in Konstantinopel zu sammeln. In
* Einige akademische Veröffentlichungen in limitierter Auflage in Skopje bestätigen,
dass der Titel des Buches der Gebrüder Miladinov „Bulgarische Volkslieder“ lautet.
Dies erklärt sich jedoch aus der Aussage, dass die Sammlung mehrere Lieder aus der
Region Panagjurischte (jetzt in Südbulgarien) enthielt. Eine solche „Erklärung“ ist ab-
solut willkürlich. Das Buch enthält eine Reihe von Liedern aus der geografischen Re-
gion Mazedoniens, in denen sich die örtliche Bevölkerung selbst als bulgarisch
deklariert: „Maria, die schöne Bulgarin“(Original: „Мария бела Бугарка”; Lied 76),
„Ich bin ein Bulgare“ (Original:„Аз съм чисто българче”, Lied 76), „Die Türken tö-
teten junge Bulgaren“ (Original: „турци избиха млади българи” Lied 87), „Gina,
eine junge Bulgarin“ (Original: „Гино, премладо българче” Lied 95), „Tanze ruhiger,
Bulgare“ (Original: „Кротко ми играй ой бугарино” Lied 150 aus Prilep), „Welika,
die Bulgarin“ (Original:„Велико, дюлбер бугарко” Lied 356), „Ich mag die bulgar-
ischen Mädchen sehr“ (Original: „Мошне ми се мили бугарските моми” Lied 474),
„Es zankten sich drei Mädchen. Eine war aus der Walachei, eine war Griechin, die
dritte war Bulgarin“ (Original: „Скарале се, скарале три девойки убави. Една беше
вла’ина, друга беше гъркина, трекя беше бугарка” Lieder 431, 465). „Drei junge
Bulgarinnen“ (Original: „Три девойки бугарки” Lied 504) u.a.

95
Nr. 476 der „Konstantinopeler Zeitung“ vom 26. März 1860 schreibt Di-
mitar Miladinov: „Im heiligen Bezirk Ohrid gibt es keine einzige griechi-
sche Familie außer drei oder vier Walachen, und alle anderen sind
Bulgaren… Hier in Struga und innerhalb der gemeinsamen Schule* ler-
nen sie ständig sowohl Griechisch als auch Bulgarisch… Auch in der
griechischen Schule oben, auch dort werden die Schüler von Griechisch

Faksimile der
Titelseite des
Buches „Bulgari-
sche Volkslieder“
der Gebrüder Mi-
ladinov (1861).

* Die gemeinsame Schule war während der bulgarischen Wiedergeburt eine weltliche
Grundschule, in der die Bell-Lancaster-Unterrichtsmethode angewendet wurde. Darin
bilden einige der fortgeschritteneren SchülerInnen einige ihrer Klassenkameraden aus.

96
zu Bulgarisch und von Bulgarisch zu Griechisch unterrichtet, aber sie
haben noch kein Altbulgarisch mit Grammatik…
Und in den Dörfern versucht der Bischof ihnen die Erlaubnis zu
geben, in der bulgarischen Kirche zu singen. Und alle Bulgaren, die
zuhören, sind glücklich, weil sie die bulgarische Sprache verstehen und
manche weinen vor Freude.“

Teil eines Briefes von Dimitar Miladinov in der „Konstantinopeler Zeitung“


(Original „Цареградски Вестник“) vom 26. März 1860 über die Ein-
führung der bulgarischen Sprache in Bildung und Gottesdienst in Ohrid und
Struga.
97
Der jüngere Bruder Konstantin Miladinov war ein bulgarischer
Lehrer in Mazedonien und ging 1856 nach Russland, wo er sich mit an-
deren bulgarischen Auswanderern wie Ljuben Karavelov, Nescho Bon-
tschev, Wassil Popowitsch, Raiko Zhinsifov, Konstantin Stanischev,
Sava Filaretov und anderen anfreundete. Er ist Autor einer Reihe von
Artikeln in der Zeitschrift „Bulgarische Bücher“ (Original: „Български
книжици“) und anderer bulgarischer Publikationen wie „Brüderliche
Arbeit“ (Original „Братски труд“) und der Zeitung „Donauschwаn“
(Original „Дунавски лебед“).

5. Grigor Parlitschev

Grigor Parlitschev war nicht nur einer der aktivsten Teilnehmer


am Kampf um die Einführung der bulgarischen Sprache in Schulen und
Kirchen in Ohrid und anderen Siedlungen in Mazedonien in den 1960er
Jahren, sondern er war später auch bulgarischer Exarchatlehrer in Bitola
(1880-1882), Ohrid (1882-1883) und Thessaloniki (1883-1889). Über
ihn steht im Lehrbuch „Mazedonische Sprache und Literatur“ für das
dritte Jahr der Gymnasialstufe an den Schulen in der Republik Nordma-
zedonien (2018) geschrieben, dass er versucht hat, „in seiner eigenen
Sprache zuschreiben die einer gemeinsamen slawischen Sprache en-
tsprach. Er vertrat die Idee der Nutzung einer Art slawischem Esperanto
als Sprache für Wissenschaft und Literatur der slawischen Völker. Ob-
wohl er seine Autobiographie in einer Sprache schreibt, die dem Bul-
garischen nahe kommt, aber eine große Anzahl Kirchenslawismen und
Russizismen aufweist, schreibt Parlitschev die Dialoge zwischen Maze-
doniern in mazedonischer Umgangssprache“.
Es ist schwierig, eine solche Aussage in einem Schulbuch als
wissenschaftlich zu bezeichnen, es ist eher eine historisch-pseudowis-
senschaftliche Fiktion. Da G. Parlitschev als Schüler an einer griechi-
schen Schule lernte und Griechisch sprach, wird diskutiert, ob er sich in
der frühen Phase seines naturwissenschaftlichen Lebens als Grieche oder
Bulgare fühlte. In seiner Autobiographie schreibt er jedoch, dass er sich
schon während seines Studiums in Athen (1849-1850) als Bulgare fühlte.
Seine Klassenkameraden betrachten ihn auch als solchen: „Sie (seine
98
Klassenkameraden, Anm. d. Verf.) haben mich, auch wenn sie alle meine
Manuskripte zum Abschreiben ergriffen, fast verächtlich behandelt,
wegen meiner bulgarischen Aussprache und meiner armen Kleidung.“

Faksimile von Seite 21 des Lehrbuchs „Mazedonische Sprache und Litera-


tur“ für das dritte Jahr der Gymnasialstufe an den Schulen der Republik
Nordmazedonien. Den Schülern wird eingeredet, dass Grigor Parlitschev
eine allgemeinslawische Sprache schaffen wollte, aber in seinen Werken die
Dialoge zwischen Mazedoniern in mazedonischer Umgangssprache seien
(2018).

Nach seiner Rückkehr nach Ohrid, war G. Parlitschev erst Lehrer


an der örtlichen griechischen Schule, hielt jedoch während der jährlichen
Prüfungen 1866 eine Rede im bulgarischen Ohrid-Dialekt, die vom 6.
bis 17. August 1866 in drei aufeinander folgenden Ausgaben der in Kon-
stantinopel erscheinenden bulgarischen Zeitung „Wremja“ („Die Zeit“)
veröffentlicht wurde. Vor der Veröffentlichung seiner Rede berichtete
die Redaktion der Zeitung, dass seine Worte „in mazedonischer Mundart
gesprochen wurden“. Die Zeitung wird in ganz Bulgarien gelesen und
Parlitschevs Rede wird überall als Beispiel für bulgarischen Patriotismus
aufgeführt.
Während der Erteilung des Fermans für die Errichtung des bul-
garischen Exarchats hielt Grigor Parlitschev eine emotionale Rede vor
allen Bürgern Ohrids. Wie es bekannt ist, fällt dieser Teil der geogra-
fischen Region Mazedoniens nicht in das Gebiet des bulgarischen Exar-
chats und so ist die Durchführung einer Bevölkerungsumfrage geplant.
Infolge der Aktivitäten G. Parlitschevs und seiner Mitarbeiter, stimmten

99
Anfang der Rede
von Grigor Par-
litschev,
veröffentlicht am
6. August 1866
in der in Kon-
stantinopel er-
scheinenden
bulgarischen
Zeitung
„Wremja“ („Die
Zeit“). Die bul-
garische Sprache
des Autors wird
heute den Stu-
denten in der Re-
publik
Nordmazedonien
als „mazedo-
nische Umgan-
gssprache“
vorgestellt.

S. 366 der „Sam-


mlung von Vol-
ksweisheiten und
Schriften“, in
der die Autobio-
graphie von Gri-
gor Parlitschev
veröffentlicht
wurde. In ihr
erklärte er, er sei
ein Bulgare
(1894).

100
von allen 9526 Wahlberechtigten in Ohrid 9387 für das bulgarische
Exarchat, und nur 139 Personen blieben in der Institution vom Patri-
archat von Konstantinopel.
In seiner 1894 veröffentlichten Autobiographie schreibt Grigor
Parlitschev, dass er sich gegenüber den griechischen Lehrern als Bulgare
bezeichnet habe.
Obwohl Grigor Parlitschev heute in der Republik Nordmazedo-
nien zum „Mazedonier“ erklärt wird, hat er sich nie als solchen deklariert
und seine Muttersprache auch nicht als „Mazedonisch“.

6. Teodossi Sinaitski

Theodossi Sinaitski ist einer der Begründer des bulgarischen


Buchdrucks. Er unterstützte die Eröffnung einer bulgarischen Druckerei
im Dorf Vatascha in der Region Tikvesch (heute in der Republik Nod-
mazedonien). Später gründete er eine bulgarische Druckerei, der Kirche
„Hl. Menas“ in Thessaloniki zugehörig, die die Druckmaschine der
Druckerei in Vatascha verwendete. Trotz seiner patriotischen bulgarisch-
en Tätigkeit wird Teodossi Sinaitski heute in der Republik Nordmaze-
donien zum „Mazedonier“ und seine Sprache und Arbeit als
„Mazedonisch“ erklärt. Folgendes steht in dem 2020 veröffentlichten
Lehrbuch „Mazedonische Sprache“ für die 8. Klasse über ihn: „Die er-
sten mazedonisch gedruckten Bücher wurden zu dieser Zeit von maze-
donischen Lesern akzeptiert. Teodossi Sinaitski, Besitzer der ersten
mazedonischen Druckerei in Thessaloniki, sagt folgendes über die ma-
zedonische Umgangssprache … Teodossi Sinaitski nannte sie den
Schlüssel aus Eisen und Stahl.“
Die Behauptungen über das Werk Teodossi Sinaitskis, die heute
unter den Schülern in der Republik Nordmazedonien verbreitet werden,
sind nicht wahr. In seiner Druckerei druckte er 1838 „Die anfängliche
Lehre mit Morgengebeten auf Slawobulgarisch und Griechisch“ (Ori-
ginal: „Началное учение с молитви утренния славянобългарский и
греческия“). 1840 veröffentlichte er Kiril Pejtschinovitschs Buch
„Uteschenje Greschnim“ („Trost für die Sünder“), in dessen Vorwort an-
gegeben ist, dass es in „bulgarischer Landessprache aus Untermoesien“
geschrieben ist.

101
Faksimile von Seite 8 des Lehrbuchs „Mazedonische Sprache“ für Klasse 8
der Grundschulen in der Republik Nordmazedonien. Sein Werk wird voll-
ständig gefälscht und den Schülern wird die Lüge verbreitet, dass Teodossi
Sinaitski die erste „mazedonische“ Druckerei gegründet habe, die Bücher in
„mazedonischer“ Umgangssprache für „mazedonische“ Leser drucke
(2020).

Faksimile der
Titelseite von
dem von Teo-
dossi Sinaitski
gedrucktem
Buch „Anfän-
gliche Lehre
mit Morgenge-
bet in sla-
wisch-bulgaris
cher und grie-
chischer
Sprache“
(Original:
„Началное
учение с мо-
литви утрен-
ния
славянобъ-
лгарский и
греческия“)
(1838).

102
1841 veröffentlichte T. Sinaitski „Buch zum Erlernen der drei
Sprachen Slawobulgarisch, Griechisch und Karamalisch“ (Türkisch,
Anm. d. Verf., Original: „Книга за научение трих язиков славянобол-
гарский и греческия и карамалицкой“).

Faksimile der Titelseite von Teodossi Sinaitskis Buch „Buch zum Erlernen
der drei Sprachen Slawobulgarisch, Griechisch und Karamalisch“ (Origi-
nal:„Книга за научение трих язиков славяноболгарский и греческия и ка-
рамалицкой“) (1841).
Alle verfügbaren Unterlagen zeigen, dass T. Sinaitski für die bul-
garische Wiedergeburt arbeitete und nie den Namen „Mazedonisch“ ver-
wendete.

7. Partenij Sografski

Parthenij Sografski ist ein bekannter bulgarischer Vertreter der


Wiedergeburt und Geistlicher, einer der ersten bulgarischen Philologen
und Folkloristen. In dem Lehrbuch „Mazedonische Sprache und Litera-
tur“ für das dritte Jahr der Gymnasialstufe an den Schulen in der Re-
publik Nordmazedonien steht geschrieben, dass er klar „seine Ansichten

Faksimile von Seite 19 des Lehrbuchs „Mazedonische Sprache und Litera-


tur“ für das dritte Jahr der Gymnasialstufe an Schulen in der Republik
Nordmazedonien mit falschen Behauptungen über das Schaffen von P. Sog-
rafski und K. Schapkarev.

über den Platz der mazedonischen Sprache in der Bildung“ darlegte.


P. Sografski hat den Begriff „mazedonische“ Sprache nie ver-
wendet. 1859 leitete er den bulgarischen Kirchenkampf in der Region
Kukusch, erweiterte den Verwendung der kirchenslawischen Sprache
im Gottesdienst und half bei der Eröffnung bulgarischer Schulen. Nach
1863 ließ er sich in Konstantinopel nieder, wo er mit der Zeitung „Ma-
zedonien“, anderen bulgarischen Zeitungen wie „Sawetnik“ („Berater“)
und „Zarigradski westnik“ („Konstantinopeler Zeitung“) sowie der Ze-
itschrift „Balgarski knischizi“ („Bulgarische Bücher“) zusammenarbei-
tete. 1870 bereiste Metropolit P. Sografski die südbulgarischen Gebiete,
wo er Gottesdienste abhielt und Priester ordinierte. In der Region Plov-
div ordinierte Metropolit Partenij 84 bulgarische Priester. Nach der
Gründung des bulgarischen Exarchats im Jahr 1870 war P. Sografski bis
Oktober 1874 Metropolit des Bulgarischen Exarchats in Pirot.
P. Sografski ist unbestritten ein bulgarischer Patriot. 1858 warf
er in seinem Artikel „Gedanken über die bulgarische Sprache“ die Frage
104
Faksimile der ersten Seite von P. Zografskis Artikel „Gedanken über die bul-
garische Sprache“ (1858).

105
nach der Rolle der Umgangssprachen bei der Bildung der bulgarischen
Literatursprache auf. Er glaubt, dass „um eine gemeinsame Schriftsp-
rache bilden zu können, zunächst alle lokalen Dialekte und Redewen-
dungen unserer Sprache bekanntgemacht werden müssen, auf denen die
gemeinsame Sprache aufgebaut werden soll. Bis dies geschieht, hat nie-
mand das Recht, die gemeinsame Schriftsprache zu verurteilen und auf-
zubauen… Wie bekannt, ist unsere Sprache in zwei Hauptmundarten
unterteilt, von denen einer in Bulgarien und Thrakien und der andere
in Mazedonien gesprochen wird.“ Es ist offensichtlich, dass für Partenij
Sografski die Umgangssprache in der geografischen Region Mazedoni-
ens Bulgarisch ist und nicht, wie heute in der Republik Nordmazedonien
behauptet wird, eine „mazedonische“ Volkssprache.

8. Kusman Schapkarev

Kusman Schapkarev ist auch eine herausragende Persönlichkeit


der bulgarischen Wiedergeburt, dessen Werk heute in Skopje gefälscht
wird. Über ihn steht im Lehrbuch „Mazedonische Sprache und Literatur“
für das dritte Jahr der Gymnasialstufe der Schulen in der Republik Nord-
mazedonien geschrieben, dass er „Autor mehrerer Fibeln und anderer
Lehrbücher ist…, die in mazedonischer Volkssprache geschrieben sind…
Schapkarevs Tätigkeiten als Lehrer und Autor von Lehrbüchern in ma-
zedonischer Umgangssprache spielen sich vor dem Hintergrund der kir-
chlichen und schulischen Kämpfe des mazedonischen Volkes ab“.

Faksimile von Seite 19 des Lehrbuchs „Mazedonische Sprache und Litera-


tur“ für das dritte Jahr der Gymnasialstufe an den Schulen der Republik
Nordmazedonien mit unwahren Behauptungen über das Werk Kusman
Schapkarevs (2018).

106
Was in den aktuellen nordmazedonischen Lehrbüchern über
Kusman Schapkarev geschrieben steht, entspricht nicht der Wahrheit.
1854 eröffnete er eine Privatschule. Er arbeitete als Lehrer für Grie-
chisch und Bulgarisch in Struga (1856-1859), Ohrid (1859-1860), Prilep
(1861-1865, 1872-1873), Kukusch (1865-1872, 1881-1882), Bitola
(1873-1874).

Faksimile der Titelseite


von Kusman Schapkarevs
Buch „Handbuch zur
Verkündigung des Herrn“,
in dem die kirchensla-
wische Sprache als Altbul-
garisch bezeichnet wird
und parallel dazu eine an-
gepasste Version im mo-
dernen Bulgarisch
vorgestellt ist (1870).

Nach dem russisch-türkischen Krieg von 1877-1878 verließ K.


Schapkarev Mazedonien und zog nach Plovdiv, der Hauptstadt der au-
107
tonomen Provinz Ostrumelien.* Der bulgarische Exarch Joseph I. kon-
nte ihn davon überzeugen, nach Mazedonien zurückzukehren, und bot
ihm 1880 eine Lehrstelle in Thessaloniki an, wo K. Schapkarev an der
Gründung des bulgarischen Jungen- und Mädchengymnasiums mitwir-
kte.
K. Schapkarev ist der Autor von „Die große bulgarische Fibel
mit einem für die mazedonischen Bulgaren verständlicherem Dialekt“
(1868), „Handbuch zur Verkündigung des Herrn“ (1870), „Material über
die Geschichte der bulgarischen Wiedergeburt in Mazedonien von 1854
bis 1884“ (1884) u.a. Sein Buch über die Verkündigung des Herrn
enthält Texte evangelischer Lesungen in zwei Versionen: die damals weit
verbreitete kirchenslawische Sprache, die für den Autor zweifellos al-
tbulgarisch war, und eine spiegelangepasste Version des modernen Bul-
garisch.
Sein bedeutendstes Werk ist „Sammlung bulgarischer Volkswe-
isheiten“ (Teile I-III, 1891-1894). Diese Ausgabe enthält 1300 Lieder,
280 Märchen und Beschreibungen von Volksbräuchen und Kleidungen
aus Mazedonien, die K. Schapkarev überall als bulgarisch bezeichnet.
Nirgendwo in seinen Werken hat sich K. Schapkarev zum eth-
nischen „Mazedonier“ erklärt. Als er „ Die große bulgarische Fibel mit
einem für die mazedonischen Bulgaren verständlicherem Dialekt“
veröffentlichte, wies er darauf hin, dass er von „einem Mazedonier“
geschrieben wurde und sich anscheinend auf die regionale Bedeutung
dieses Namens bezog. Nirgendwo nennt K. Schapkarev seine Sprache
„Mazedonisch“. Für ihn ist der mazedonische Dialekt ein wesentlicher
Bestandteil der gesprochenen bulgarischen Sprache.

* Ostrumelien ist eine autonome Region mit einem christlichen Gouverneur, das 1878
durch die Entscheidungen des Berliner Kongresses gegründet wurde. 1885 gelang es
ihm, sich mit dem Fürstentum Bulgarien zu vereinen. Das Beispiel von Ostrumelien
ist im politischen Programm der IMORO auch ein Modell für die Autonomie von
Mazedonien und Edirne-Thrakien.

108
9. Jordan Hadschikonstantinov–Dschinot

Jordan Hadschikonstantinov–Dschinot ist ein bekannter bulga-


rischer Vertreter der Wiedergeburt, Aufklärer und Schriftsteller in Ma-
zedonien. Auch seine Werke unterliegen einer völligen Fälschung in der
Republik Nordmazedonien. Im Lehrbuch „Mazedonische Sprache und
Literatur“ für das dritte Schuljahr der Gymnasialstufe an den Schulen
in der Republik Nordmazedonien wird den Schülern eingeredet, dass er
„die mazedonische Schriftsprache auf das Niveau höher entwickelter
slawischer Sprachen bringen“ möchte.

Faksimile von S. 17 des Lehrbuchs „Mazedonische Sprache und Literatur“


für das dritte Schuljahr der Gymnasialstufe an den Schulen in der Republik
Nordmazedonien mit falschen Behauptungen über das Werk von Jordan
Hadschikonstantinov–Dschinot (2018).

In der Zeit von 1848 bis 1861 war Jordan Hadschikonstantinov


Lehrer an verschiedenen bulgarischen Schulen in Mazedonien. Er wurde
verraten, weil er Bücher und Zeitungen in seiner Bibliothek aufbewahrt
hatte, die vom bulgarischen Revolutionär Georgi Rakovski herausgege-
ben wurden. Er wurde nach Kleinasien verbannt und verlor unterwegs
bei Folterungen ein Auge. Nach Fürsprache angesehener bulgarischer
Bürger von Konstantinopel wurde er freigelassen und kehrte nach Ma-
zedonien zurück, wo er bis 1870 erneut bulgarischer Lehrer war.
Bereits in den 50er Jahren des 19.Jh. führte Jordan Hadschikon-
stantinov in Mazedonien eine umfangreiche Suche nach alten bulgarisc-
hen Dokumenten durch und veröffentlichte 1855 in Belgrad eine
Chronik mit dem Titel „Eine Geschichte über die Wiederherstellung des
bulgarischen Patriarchats im Jahr 1235“, die bis dahin der Wissenschaft
nicht bekannt war. Außerdem entdeckte und veröffentlichte er 1856 er-
stmals das bisher unbekannte altbulgarische Werk aus dem 12. Jh. „Die
109
Faksimile vom Anfang des
Artikels „Bulgarische
Schrift“ (1852) von Jordan
Hadschikonstantinov.
Thessaloniki-Legende (oder „Wort des Philosophen Kyrill, wie er die
Bulgaren taufte“). Später arbeitete er an der Zeitschrift „Bulgarische
Bücher“ (1859) und der Zeitung „Mazedonien“ (1869) mit. Seine
Veröffentlichungen in der „Konstantinopeler Zeitung“ enthalten eine
Vielzahl von Informationen über die Geschichte, Folklore und Geograp-
hie Mazedoniens sowie über die kirchliche Bildungsarbeit der
mazedonischen Bulgaren.
In seinen Werken tritt J. Hadschikonstantinov überall als Bulgare
auf und nennt seine Sprache Bulgarisch. Am 19. Juli 1852
veröffentlichte er in der „Konstantinopeler Zeitung“ seinen Artikel „Bul-
garisches Schrifttum“, in dem er sich selbst als Bulgare definierte. Darin
schreibt er: „Wir Bulgaren sind im Vergleich zu anderen Slawen voller
hoher Würde. Und sie sind es wert, uns zu huldigen, weil wir ihnen das
Schrifttum gegeben haben. Wir Bulgaren haben eine originelle und re-
ichhaltige Sprache, das ist unsere Grammatik, das ist unser Wortschatz.
Wer es wagt, unser Bulgarentum zu verurteilen, ist ein Аbbild vom Sohn
des Teufels.“

110
10. Die Junge mazedonische Literaturgesellschaft und Zeitschrift
„Losa“

Neben der Fälschung der Ideen und Aktivitäten einzelner


Aufklärer und Pädagogen der Vergangenheit, sind in der Republik Nord-
mazedonien die Aktivitäten ganzer Organisationen Veränderungen aus-
gesetzt. Dies ist der Fall bei der Jungen mazedonischen
Literaturgesellschaft in Bulgarien. Über sie steht im Lehrbuch „Maze-
donische Sprache und Literatur“ für das dritte Jahr der Gymnasialstufe,
dass seine Mitglieder die aktivsten Mazedonisten sind und dass sie „die
Ideen eines separaten mazedonischen Volkes mit einer eigenen mazedo-
nischen Literatursprache annehmen und unterstützen... Diese Mazedo-
nier sind dem Namen ihrer Zeitschrift nach als Weinbauern bekannt. Sie
tragen zur Stärkung der mazedonischen Sprache in der Presse und zur
deutlichen Vereinfachung der mazedonischen Rechtschreibung bei.“
Das Bildungssystem indoktriniert mit diesen unwahren Behaup-
tungen die jüngere Generation in der Republik Nordmazedonien. Die
Junge mazedonische Literaturgesellschaft war eine legale bulgarische
Bildungs- und Wohltätigkeitsgesellschaft bestehend aus Auswanderern
aus Mazedonien, die nach Bulgarien gezogen sind. Sie war vom Ende
1891 oder Anfang 1892 bis 1894 tätig. Die Gesellschaft veröffentlichte
die Zeitschrift „Losa“ ( „Weinstock“), die nicht so sehr darauf abzielte,
die Basis der bulgarischen Literatursprache in Richtung westbulgarisch-
er Mundarten zu erweitern, sondern auf eine einfachere phonetische bul-
garische Rechtschreibung, die leichter zu erlernen ist.

Faksimile von Seite 18 des Lehrbuchs „Mazedonische Sprache und Litera-


tur“ für das dritte Jahr der Gymnasialstufe an den Schulen der Republik
Nordmazedonien mit falschen Aussagen über die Junge mazedonische Lite-
raturgesellschaft und der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Losa“
(2018).
111
Dies wird in dem Artikel „Eine kurze Erklärung“, der in Ausgabe
2 von 1892 der Zeitschrift „Losa“ veröffentlicht wurde, klar formuliert,
in dem es heißt: „Unser großer Wunsch war es, jegliche Tendenziösität
abzuwehren, die bei uns vermutet werden könnte, dass wir nämlich mit
unserer Neuheit auf dem Gebiet der Literatur eine Umwälzung in der
bulgarischen Rechtschreibung machen wollten. Sondern es schien und
scheint uns, dass die von uns aufgrund ihrer Einfachheit angenommene
Rechtschreibung leicht und schnell zu erlernen wäre, so dass es nicht
vieler Kommentare bedarf... Wir wollen nur schnell erwähnen, dass eine
Veränderung in der Rechtschreibung keine Veränderung der Sprache
zur Folge hat. Keiner von uns dachte, dass die Sprache unserer Zeitsch-
rift „Mazedonisch“ ist, nur weil wir wenige mazedonische Wörter darin
zugelassen hatten... Wir sind der Überzeugung, dass die mazedonischen
Dialekte niemals einen Grund für die Bildung einer eigenständigen, von
dem heute gesprochenen „Ostbulgarisch“ unabhängigen literarischen
Sprache bieten werden, hauptsächlich aus diesen beiden Gründen:
1. Damit sich aus den mazedonischen Dialekten eine zum Bul-
garischen unterschiedliche Sprache formen kann, müssen sie einerseits
eine große Nähe zueinander haben, andererseits einige besondere Un-
terschiede zur heutigen bulgarischen Literatursprache aufweisen. Hier
liegt weder das eine noch das andere vor: Die Unterschiede zwischen
den vielen mazedonischen Dialekten sind nicht kleiner als die zwischen
den mazedonischen und ostbulgarischen Dialekten. Hier sei nebenbei
bemerkt, dass der oft verwendete Name „Mazedonischer Dialekt“, unter
dem sie die Sprache aller Mazedonier verstehen, völlig falsch ist, weil
in Wirklichkeit so etwas nicht existiert...
2. ... Ein Großteil der Verbreitung der bulgarischen Literatur-
sprache in Mazedonien ist gerade auf den Unterschied zwischen den
mazedonischen Dialekten zurückzuführen und die Literatursprache er-
scheint als eine Art Schlichter zwischen kriegführenden Parteien.
Und so ist die Einheit der bulgarischen Literatursprache
natürlich gewährleistet…“.
Wie zu sehen ist, betrachtet die Junge mazedonische Literatur-
gesellschaft ihre Sprache nicht nur als bulgarisch, sondern lehnt auch
die Möglichkeit der Schaffung einer unabhängigen „mazedonischen“

112
Teil des Artikels der
Jungen mazedonischen
Literaturgesellschaft
„Eine kurze Erklärung“,
veröffentlicht in der Zeit-
schrift „Losa“ (1892).
Er ist in einer Sprache
verfasst, die die Autoren
selbst „Bulgarisch“
nennen, und besagt, dass
es niemals eine separate
mazedonische Sprache
geben kann. Trotz allem
wird heute in der Repub-
lik Nordmazedonien die
bulgarische Sprache der
Zeitschrift „Losa“ zur
„mazedonischen Litera-
tursprache“ erklärt.
Sprache ab. Trotz dieser klaren Position wird heute in Skopje genau das
Gegenteil behauptet und man schreibt der Jungen mazedonischen Lite-
raturgesellschaft Ideen zu, die sie nie hatten.

113
IV. DIE HEUTIGE SPRACHLICHE SITUATION IN DER
REPUBLIK NORDMAZEDONIEN

1. Die Suche nach der Wahrheit und die Lage der Menschenrechte
in der heutigen Republik Nordmazedonien

Obwohl die bulgarische Literatursprache nach 1944 auf dem Ge-


biet der heutigen Republik Nordmazedonien verfolgt wurde, verwendet
ein großer Teil der Personen, die ihre Ausbildung vor der Zeit des Auf-
baus und der Etablierung der „mazedonischen“ Sprache erhalten haben,
weiterhin literarisches Bulgarisch in der Familienkommunikation.
Während der Vorbereitung dieser Ausgabe schrieb uns ein Bürger der
Republik Nordmazedonien Folgendes: „Ich habe von meiner
Großmutter gelernt, bulgarisch zu schreiben... Sie schrieb und las nur
auf Bulgarisch, Mazedonisch konnte sie nicht schreiben und sie konnte
Serbisch nicht ausstehen. Im Sommer 1954 war ich in einem Sommer-
camp am Prespa-See, sie schrieb mir eine Karte in bulgarischer
Sprache, aber ich gab sie in einem Umschlag zurück… Einen weiteren
Brief… habe ich nicht erhalten, aber meine Großmutter wartete im Bus
mit Kindern aus Prespa auf mich…. Sie nahm mich mit nach Hause, ba-
dete mich und holte am Morgen eine alte bulgarische Fiebel und ein
Textbuch in bulgarischer Sprache heraus, und das Lernen begann. In
einer Woche lernte ich alle Leseregeln und sofort das Vokabular, sogar
einige unklare Wörter, die die Bulgaren (in Bulgarien, Anm. d. Verf.)
heute nicht kennen.“. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass in Titos Ju-
goslawien selbst in einem familiären Umfeld das Erlernen der literarisc-
hen bulgarischen Sprache behindert wurde.
Die bisher betrachteteten Repressionen in der zweiten Hälfte der
40er, 50er und 60er Jahre wurden auch in den 70er und 80er Jahren mit
zahlreichen Gerichtsverfahren fortgesetzt. Jugoslawische Bürger aus der
damaligen SR Mazedonien wurden nur deshalb verfolgt, weil sie es ge-
wagt hatten, bulgarische Bücher aus Bulgarien einzuführen. So wurde
z.B. 1970 Pliska Manasieva, eine Studentin an der Universität Sofia aus
Stip, verhaftet. Einer der Gründe für die Verhaftung war, dass sie bul-

114
garische Bücher eingeführt hatte. Sie wurde zu 1,6 Jahren Gefängnis
und ihr Vater Todor Manasiev zu 4,6 Jahren Haft verurteilt. 1972 fand
ein Prozess gegen den jugoslawischen Staatsbürger Petar Zakharov statt.
Er wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, weil er „die Existenz einer
mazedonischen Nation, Kultur und Sprache in Frage gestellt“ hatte.
1977 fand der Prozess gegen Lasar Krainitschanets und Angel Mitrev
statt. Sie wurden beschuldigt, das Buch „Frühe Erinnerungen“ von Si-
meon Radev,* in bulgarischer Literatursprache geschrieben, und die
Broschüre der bulgarischen Akademie der Wissenschaften „Die Maze-
donische Frage – eine historische und politische Untersuchung“, gelesen
zu haben. Der 82-jährige L. Krainitschanets wurde aufgrund dieser
„Schuld“ zu 5,6 Jahren und A. Mitrev zu 5 Jahren Haft verurteilt.
Auch wenn es sich um einzelne Gerichtsentscheidungen handeln
sollte, wurde auf das 1975 in Bulgarien veröffentlichte Buch „Der Sieg“
von Tsola Dragoycheva in Jugoslawien zur Zeit Titos besonders wütend
reagiert. In ihm werden die Widersprüche zwischen der bulgarischen
und der jugoslawischen kommunistischen Partei bezüglich der mazedo-
nischen Frage in der Zeit von 1943 bis Mitte der 70er Jahre betrachtet.
Auf besonderen Befehl des Sekretärs für innere Angelegenheiten der
Föderation in Belgrad wurde die Einfuhr, das Lesen und die Verbreitung
dieses Buches in Jugoslawien unter Androhung einer dreijährigen
Haftstrafe verboten. In den 80er Jahren gab es noch einen eisernen Vor-
hang zwischen Sofia und Belgrad. Die jugoslawischen Behörden ver-
folgten sogar jeden Versuch, Ausgaben in die bulgarische
Literatursprache zu übertragen.
Diese Politik wurde in den 90er Jahren nach der Abspaltung der
heutigen Republik Nordmazedonien von Jugoslawien fortgesetzt. So
wurde z.B. am 18. März 1992 das Haus von Angel Mitrev in Skopje von
der Polizei durchsucht. Laut einem erstellten Protokoll wurden „Ausga-
ben der Zeitung „Mazedonien“ in bulgarischer Sprache, Ausgaben der
Zeitung „Sora“ in bulgarischer Sprache, ... eine Ausgabe der Zeitung
* Simeon Radev (1879 - 1967) war ein bekannter bulgarischer Revolutionär, Schrift-
steller, Publizist, Diplomat und Historiker, geboren in der Stadt Resen (heute in der
Republik Nordmazedonien). Autor des mehrbändigen Werkes „Die Erbauer des mod-
ernen Bulgariens“ .

115
Bestätigung des Sekretariats für innere Angelegenheiten der Republik Maze-
donien über beschlagnahmte bulgarische Literatur von Angel Mitrev am 18.
März 1992.

116
„Mazedonische Tribüne“, ein Buch „IMRO“ von Ivan Michajlow*
beschlagnahmt“ u.a. In dem Polizeibericht heißt es ausdrücklich: „ZUR
ERINNERUNG: Alle Zeitschriften sind in bulgarischer Sprache ged-
ruckt“.
Angel Mitrev war empört über diese Willkür der Polizei und
legte bei der Regierung von Skopje einen schriftlichen Einspruch gegen
die Beschlagnahmung seiner Bücher und Zeitungen ein. Gemäß der Ent-
scheidung Nr. 28 / 11-409 / 1-92 wurde sein Einspruch mit der
Begründung zurückgewiesen, da „er laut seinen Worten (die Bücher,
Anm. d. Verf.) an seine Freunde verteilen würde“. Der Fall zeigt einer-
seits deutlich, dass der Besitz von Büchern in bulgarischer Literatur-
sprache in der Republik Nordmazedonien weiterhin ein Verbrechen ist,
und andererseits die Angst der Skopje-Behörden, dass sich diese Bücher
innerhalb der Bevölkerung weiter verbreiten könnten.
Die mazedonischen Behörden widmen der Grenzkontrolle be-
sondere Aufmerksamkeit. Falls bulgarische Bücher oder sogar kleine
Texte bei Personen im persönlichen Gepäck gefunden werden, werden
sie beschlagnahmt. Es wurden auch bulgarische Bücher von einigen Au-
toren dieser hier vorliegenden Ausgabe beschlagnahmt.
Die Bürger Albaniens bulgarischer Herkunft haben besonders
große Schwierigkeiten, das Gebiet der heutigen Republik Nordmazedo-
nien zu durchqueren. Obwohl diese Bürger transit unterwegs sind, er-
lauben die mazedonischen Behörden ihnen nicht, Bücher in bulgarischer
Literatursprache für ihre persönlichen Bedürfnisse zu transportieren. So
fand beispielsweise die Polizei am 26. Januar 1996 im Gepäck des al-
banischen Bürgers Andrej Stika aus Tirana beim Überqueren des maze-

* Ivan Michajlow (1896 - 1990) war von 1925 bis zu seiner Auflösung im Jahr 1934
Mitglied des ZK der IMRO. Er unterstützte die Idee eines unabhängigen Mazedoniens.
Nach 1934 lebte er im Exil und führte bis zu seinem Tod einen ständigen Kampf um
den Schutz der Rechte der Bulgaren in Mazedonien. Die von ihm sowie von den von
ihm nach 1945 geführten mazedonischen patriotischen Organisationen in den USA
und Kanada verfassten Dokumente sind eine wertvolle Informationsquelle über den
Kampf und die Repressionen der Bevölkerung in Mazedonien. Den meisten verur-
teilten Bürgern von Tito- Jugoslawien aus der Volksrepublik Mazedonien wurde zum
Vorwurf gemacht, Anhänger von Ivan Michajlow zu sein. Um diese Tatsache zu ver-
tuschen, wird sein Name oft nur als VM - Vancho Michajlow geschrieben.

117
Protokoll über die Beschlagnahme von 2 Kalendern in bulgarischer Sprache
von dem mazedonischen Staatsbürger Dimitar Delevski (1993).

118
donischen Territoriums das Album „Kjustendil und die Befreiungs-
kämpfe Mazedoniens“. Da es unter jedem Foto kurze Beschreibungen
in bulgarischer Sprache gibt, wurde die Ausgabe beschlagnahmt.
Der Fall von Dimitar Delevski aus Skopje ist bezeichnend. Am
26. März 1993 wurden bei einer Grenzkontrolle in Deve Bair zwei Ka-
lender mit der Aufschrift „100 Jahre IMRO“ gefunden und darunter be-
fanden sich ein Foto des ersten Namens und der Satzung dieser
Organisation, nämlich „Bulgarische Mazedonisch-Edirne Revolution-
skomitees“. Das ist das Argument, das im Protokoll zur Konfiszierung
beider Kalender angegeben ist.
Der zusammengeschlagene mazedonische Journalist Stefan
Scharovski informierte am 26. Januar 1996 über die Repressionen gegen
Dimitar Delevski: „Ich möchte auch Dimitar Delevski erwähnen, der
Korrespondent der bulgarischen Zeitung „Mazedonien“ war… Es ist
eine Tatsache, dass es auch ihm unmöglich geworden war, aus Mazedo-
nien zu informieren. Delevski wurde auf die gleiche Weise in Ohrid zu-
sammengeschlagen (wie St. Scharovski, Anm. d. Verf.)“.
Darüber hinaus haben die Sicherheitsdienste in der heutigen Re-
publik Nordmazedonien Listen von Personen erstellt, die die historische
Wahrheit verteidigen. Ihre Bewegungen werden überwacht und ihre
Kontakte kontrolliert. Einige der Autoren dieser Veröffentlichung sind
auch Opfer einer solchen Politik, die ihre Menschenrechte und ihre
Würde einschränkt. So war z.B. Wlado Treneski 1994 Eigentümer des
Radiosenders „As“ („Ich“) in Ohrid. Das Radio sendet Volksmusik nicht
nur aus Mazedonien, sondern auch aus anderen bulgarischen Folklore-
regionen wie Schopluka, Thrakien, den Rhodopen u.a. Da die Zuhörer
durch solche Sendungen selbst zu dem Schluss kamen, dass die bulga-
rische Folklore und die darin verwendete Sprache in ihren verschiedenen
dialektalen Formen einheitlich ist, begannen die mazedonischen Gehe-
imdienste, alle Handlungen von W. Treneski zu überwachen, was aus
seiner Polizeiakte hervorgeht. Es wurden die Werbekunden des Radios
ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt, ihre Reklamen einzustellen,
was dazu führte, dass der Radiosender Bankrott ging. Daraufhin wurden
absichtlich Agenten des mazedonischen Geheimdienstes in das Zuhause
W. Treneskis nach Ohrid geschickt, um Informationen zu sammeln. Auf
119
einem seiner Geheimakte beigefügten Dienstzettel von 1998 wurde an-
gegeben, woran sie interessiert waren: „Ich weiß seit einiger Zeit von
seinen Behauptungen, dass er ein mazedonischer Bulgare ist und dass
wir alle Bulgaren sind… Ich bemerkte in seinem Zuhause, dass seine
Tochter einen ins Bulgarische übersetzten Trickfilm sah. Ich fragte ihn
warum und er antwortete ernst, um ihr ihre Muttersprache beizubrin-
gen.“
Es ist offensichtlich, dass für die Geheimdienste der heutigen
Republik Nordmazedonien die Manifestation des bulgarischen Selbstbe-

Teil der Gehei-


makte von
Wlado Tre-
neski, einem
der
Autoren dieses
Buches. Er
wird beobach-
tet, weil er sich
als mazedo-
nischer Bul-
gare betrachtet
und sein Kind
Trickfilme
sieht, die ins
Bulgarische
übersetzt wur-
den, um seine
Muttersprache
zu lernen.
(1998).

120
wusstseins und der Wunsch, die literarische bulgarische Sprache zu be-
herrschen, weiterhin ein Verbrechen sind. W. Treneski war wiederholt
Repressionen ausgesetzt, weil er sein bulgarisches Selbstbewusstsein
bewahren und an seine Erben weitergeben wollte. Die letzte Hausdurch-
suchung wurde 2019 von Mitarbeitern des Innenministeriums der Re-
publik Nordmazedonien durchgeführt.

Bestätigung
des öffentlichen
Sicherheits-
dientes des In-
nenministe-
riums der
heutigen Re-
publik Nord-
mazedonien
über den vorü-
bergehenden
Einbehalt des
belgischen
Passes von Al-
exander Stoj-
menov (1996).

121
Besonders brutal ist das Verhalten der Behörden in Skopje
gegenüber mazedonischen politischen Auswanderern, die in EU- oder
amerikanischen Ländern leben und bulgarische Literatur bezüglich der
mazedonischen Frage veröffentlichten. Obwohl die meisten dieser Aus-
wanderer Ausländer sind, wurden sie während ihrer Besuche in ihrer
Heimat überwacht, inhaftiert und ihre ausländischen Ausweispapiere
sogar beschlagnahmt.
Am 17. Mai 1996 beschlagnahmte der öffentliche Sicherheits-
dienst des Innenministeriums der heutigen Republik Nordmazedonien
vorübergehend den belgischen Pass von Alexander Stojmenov, der aus
dem Dorf Veljusa in der Region Strumiza stammt. Einem ähnlichen ar-
roganten Verhalten war Metodi Dimov aus Bitola ausgesetzt, ebenfalls
belgischer Staatsbürger. Beide sind Mitglieder der mazedonisch-patri-
otischen Organisation Todor Alexandrov in Brüssel und helfen beim
Drucken einiger Bücher Ivan Michajlovs, die in bulgarischer Sprache
verfasst sind.
Die Repressionen der Bürger der heutigen Republik Nordma-
zedonien, die Verwandte der mazedonischen politischen Auswanderer
sind, sind äußerst groß. So wurden z.B. Maria Stojmenova und ihr Ehe-
mann Georgi Stojmenov am 6. Oktober 1995 in Skopje festgenommen.
Der Grund für die Verhaftung ist ihre Verwandtschaftsverhältnis zu Ale-
xander Stojmenov. M. Stojmenova ist eine der wenigen mazedonischen
Staatsbürgerinnen, die es gewagt haben, ihre Folterungen während der
Verhaftung vor einem Mitglied des Autorenteams dieser
Veröffentlichung zu beschreiben: „Ich ging zur Toilette und in diesem
Moment kam die Frau (von der Polizei, Anm.d. Verf.) mit mir herein
und während meines intimsten, physiologischen Bedürfnisses stand sie
neben mir“. So beschreibt M. Stojmenova ihre Befragung: „Sie began-
nen mit einer Drohung, die mich wissen ließ, was auch immer ich sage,
und ich muss alles seit der ersten Ankunft von Alexa(nder) Stojmenov
sagen, ich mich daran erinnern soll, wann er kam, mit wem er kam,
warum, welche Grenze er passierte, mit wem er sich traf, worüber er
sprach, wie lange er in Mazedonien blieb, mit wem er telefonierte, wel-
che Ideen er hatte, welchen Zweck er in Mazedonien verfolgte, warum
er zu uns kam, wo er sich in Mazedonien bewegt und wenn ich das nicht
122
sage... ist es aus mit mir... und ich werde 20 Jahre im Gefängnis sein.
Das Verhör begann: Komm schon, sag uns, wann Alexa(nder) Stojmenov
zum ersten Mal nach Skopje kam, welche Leute hat er in Skopje getrof-
fen, was hat er gesagt?... Wohin gehe ich, was arbeite ich,… wie oft war
ich in Bulgarien, was bringe ich von Bulgarien nach Mazedonien mit?“.
Hier sind die Beschreibungen der körperlichen Folterungen
selbst: „Einer der Inspektoren sagte mir: „Nun, wenn du nicht im Gutem
zugeben willst, dass du die Ermordung von Kiro Gligorov begangen

Einige von Maria Stojmenovas schriftlichen Beschreibungen ihrer Folterun-


gen während ihrer Verhaftung in Skopje im Jahr 1996.

123
hast, wirst du es im Schlechtem tun“ und dass er keine Nerven hat, sich
mit mir weiter zu beschäftigen. Er ging hinaus und kam nach 5 Minuten
mit einem Schlagstock zurück, fing an zu prahlen, schlug zuerst gegen
die Wand, dann gegen den Schreibtisch und schrie mich an: „Siehst du,
was mit dir passieren wird?“. Er begann mich mit seiner Hand gegen
die Wand zu schieben und als ich sie erreichte, stieß er mich mit den
Worten gegen die Wand: „Du bist sehr stark, stärker als die Mauer, mal
sehen, ob du auch stärker als ein Schlagstock bist?“... Das, was mit mir
geschah, wie ich misshandelt und gedemütigt wurde, wurde meinem
Mann auch angetan, mit dem Unterschied, dass er gnadenlos gesch-
lagen wurde… Am sechsten Tag (nach der Verhaftung, Anm. d. Verf.)
brach ich vor Hunger und Schlaflosigkeit zusammen.“
Im Berichtszeitraum wurden zwei politische Parteien auf dem
Gebiet der heutigen Republik Nordmazedonien verboten: Die Partei für
Menschenrechte und die IMRO-Vaterlandspartei. Der Grund dafür ist,
dass sie für die Rechte der Bürger mit bewahrtem bulgarischem Sel-
bstbewusstsein vor Ort kämpfen.
Der Fall von Dimitar Tsarnomarov aus Bitola, Vorsitzender der
IMRO-Vaterlandspartei, ist symptomatisch. Er wurde am 8. März 1995
festgenommen und war länger als drei Tage inhaftiert. Während der Ha-
usdurchsuchung wurden alle Unterlagen der Partei und ihre gesamte Li-
teratur in bulgarischer Sprache beschlagnahmt. Sein Pass wurde
ebenfalls beschlagnahmt. Während seiner Verhaftung wurde er über
seine Kontakte zu verschiedenen öffentlichen Kreisen in Bulgarien be-
fragt. Er wurde mit dem Kolben einer automatischen Waffe auf den Kopf
geschlagen, wodurch er vorübergehend sehgeschädigt wurde. Zur gle-
ichen Zeit und später wurden andere Mitglieder der IMRO-Vaterlan-
dspartei verhaftet. Es wurde z.B. der 25-jährige Trajan Godev am 6.
März 1996 in Strumiza festgenommen. Er wurde unter Bewachung in
sein Heim gebracht, welches durchsucht wurde. Literatur in bulgarischer
Sprache von ihm wurde beschlagnahmt.
Eine ähnliche repressive Praxis in Bezug auf die bulgarische Li-
teratursprache und die Personen mit erhaltenem bulgarischen Selbstbe-
wusstsein ist bis heute zu beobachten. In dem Beschluss des
Grundgerichts vom 30. November 2020 in Strumiza, Republik Nordma-

124
zedonien, wurde festgestellt, dass Alexander Barabanovski, der als
Leibwächter Vize Zaevs (Bruder des derzeitigen Premierministers der
Republik Nordmazedonien, Zoran Zaev) arbeitet, am 21. Oktober 2018
Mitko Georgiev aus Strumiza mit der Faust ins Gesicht und auf das Ohr

S. 2 des Beschlusses des Grundgerichts in Strumiza vom 30. November 2020,


wonach A. Barabanovski, Leibwächter von Vize Zaev, Bruder des derzeitigen
Premierministers der Republik Nordmazedonien, einem örtlichen Bulgaren
drohte, ihn zu töten oder er solle das Land verlassen und auswandern.

125
schlug und folgende beleidigende und drohende Worte an ihn richtete:
„Du bulgarisches A***loch, hör auf, die Zaevs anzugreifen, weil wir
dich sonst erschlagen werden oder wandere aus Mazedonien aus“.
Laut unseren Quellen hat A. Barabanovski bei Besuchen in Stru-
miza auch Z. Zaev bewacht. Bevor er Premierminister wurde, war Z.
Zaev Bürgermeister von Strumiza. Während seines Wahlkampfs 2013
erstellte und befestigte er ein Wahlkampftransparent an der Fassade des
Einkaufszentrums „Global“ auf dem Stadtplatz, das Hassreden enthielt:
„Dies ist Strumiza, nicht Blagoevgrad (die Hauptstadt von Pirin-Maze-
donien in Bulgarien, Anm. d. Verf.).“ Z. Zaev lobte sich für diesen Akt
in seinem Facebook-Profil am 20. März 2013. Diese Beispiele zeigen,
dass selbst die Familie des derzeitigen Premierministers der Republik

Ein Screenshot aus Zoran Zaevs persönlichem Facebook-Profil mit einem


Foto, das er von seinem Wahlkampftransparent in Strumiza hochgeladen hat
und das Hassreden enthält: „Dies ist Strumiza, nicht Blagoevgrad“
(20. März 2013).

Nordmazedonien trotz seiner Behauptung, er wolle eine freundschaft-


liche Politik gegenüber Bulgarien verfolgen, direkt an der Leitung der
antibulgarischen Kampagne beteiligt ist.
Eine Person, die um Anonymität gebeten hat, dem Autorenteam
dieser Veröffentlichung jedoch bekannt ist, teilte im Dezember 2020 Fol-
gendes mit: „Ich musste in den Jahren 1990/91 oft zur Polizei, als die
erste IMRO gegründet wurde. Für uns war dies eine Hoffnung, dass das
126
alte bulgarische Alphabet zurückkehren würde, dass wir uns Bulgarien
nähern und unsere Beziehungen viel enger werden würden, weil wir die
jugoslawische Föderation abschaffen würden. Wann immer wir, die wir
mit bulgarischem Selbstbewusstsein und Familiengedächtnis waren, zu
verschiedenen Kundgebungen und Demonstrationen auf den Plätzen
gingen, waren wir es gewohnt, dass man uns in den Polizeirevieren
fragte, was wir dort machten. Wir wurden auch eingeschüchtert... Es
gab auch Prügel. Meinem Sohn wurde vor zwei Wochen Schläge anged-
roht. Er mag es nicht, Tatar genannt zu werden. Er hat auch bulgarisch-
es Selbstbewusstsein. Er hat selbst erkannt, dass er ein Bulgare ist und
das zeigt er immer. So wurde auch auf meinem Auto vor drei Wochen
eine chemische Flüssigkeit ausgegossen. Dann musste das Auto in einer
Werkstatt neu lackiert werden. Sie haben dies getan, weil das Auto bul-
garische Nummernschilder hat. Es gab auch Vorfälle, bei denen Men-
schen zum Coronavirus-Test gingen. Diejenigen, von denen man wusste,
dass sie ein bulgarisches Selbstbewusstsein haben, wurden aufgefordert,
nach Sofia zu gehen um dort getestet zu werden. Das ist sehr unmen-
schlich“.
Infolge der Fortsetzung dieser repressiven Politik und der
Unmöglichkeit einer persönlichen Weiterentwicklung von Menschen,
die ihr bulgarisches Selbstbewusstsein offen manifestieren, wird heute
in einigen Kreisen die Ansicht vertreten, dass die ethnische Transforma-
tion des bulgarischen Anteils an der Bevölkerung der heutigen Republik
Nordmazedonien, erfolgt nach 1944, ein irreversibler Prozess ist. Es ist
eine Tatsache, dass es auch heute noch Personen gibt, die sich nach der
Abspaltung der Republik Nordmazedoniens von Jugoslawien im Jahr
1991 wie Bulgaren fühlten, sich jedoch hauptsächlich unter dem Einfluss
der politischen Situation und der Notwendigkeit einer beruflichen Ent-
wicklung später als Mazedonier mit verbaler Aggression gegenüber
allem Bulgarischen manifestierten.
Dies ist der Fall bei Antonio Miloschoski, Außenminister in der
ersten und zweiten Regierung von Nikola Gruevski (2006-2011) und
derzeit Mitglied des Exekutivkomitees der IMRO-DPMNE (Innere Ma-
zedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Ma-
zedonische Nationale Einheit). In der Vorperiode 1995-1997 war er
127
Mitglied des Exekutivkomitees der Union der jungen Streitkräfte der
IMRO-DPMNE und 1997-1998 dessen stellvertretender Vorsitzender.
In dieser Zeit kam Miloschoski oft nach Bulgarien, leitete Jugenddele-
gationen, pflegte Kontakte zu bulgarischen patriotischen Formationen
und erklärte sich in dieser Zeit laut dem ehemaligen VMRO-DPMNE-
Führer Ljubtscho Georgievski „zum reinen Bulgaren“. Als solcher ist er
einigen Autoren dieser Ausgabe bekannt, mit denen er Kontakte gepflegt
hat und über die es Veröffentlichungen in den Medien der Republik
Nordmazedonien gibt.
Eine ähnliche Metamorphose durchlief Nikola Dimitrov - ehe-
maliger Außenminister der Republik Nordmazedonien in der ersten Re-
gierung von Zoran Zaev (2017-2020) und derzeit stellvertretender
Ministerpräsident für europäische Angelegenheiten der Republik Nord-
mazedonien in der zweiten Regierung von Zoran Zaev. In seinen
öffentlichen Äußerungen warf N. Dimitrov Bulgarien mehrfach vor, die
zeitgenössische mazedonische Identität in Frage zu stellen, obwohl er
selbst mit den Tatsachen und ihrer Fälschung sehr gut vertraut ist. N.
Dimitrov ist der Sohn von Dimitar Dimitrov, ehemaliger Bildungsmi-
nister in der ersten Regierung der heutigen Republik Nordmazedonien
nach der Abspaltung von Jugoslawien (1991-1992) und Minister für
Kultur und Bildung in der Regierung von Ljubtscho Georgievski (1998-
1999). 1999 veröffentlichte er das Buch „Der Name und das
Gedächtnis“, in dem er schrieb: „Die größte Sünde der Mazedonier war,
dass sie Bulgaren waren und dass Europa durch Griechenland und Ser-
bien es ihnen nicht erlaubte, dies auch weiterhin sein zu können. Sollten
sie sich ergeben?… die Nation blutet und wird gekreuzigt. Wie könnt ihr
dieser Sünde entkommen, die euer Wesen ist, was ihr seid? Wir, die ma-
zedonische Nation, die Summe und das zeitgenössische Produkt dieses
Dramas, haben keinen Grund, uns für die 1200 Jahre alte Ethnobio-
graphie, unter dem Namen Bulgaren, zu schämen. Schande liegt über
Europa,… sie lehren (das Volk, Anm. d. Verf.), den eigenen Namen und
die eigene Familie zu hassen“.
Gleichzeitig finden in der Republik Nordmazedonien umge-
kehrte Prozesse statt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Bürger der heuti-
gen Republik Nordmazedonien mit mazedonischem Selbstbewusstsein,
128
nachdem sie sich mit den objektiven historischen Fakten vertraut ge-
macht haben, beginnen, bulgarische Positionen zu vertreten und sogar
Aktivisten bulgarischer Organisationen zu werden. Solche Phänomene
wurden in den 1980er Jahren vor allem bei jugoslawischen Bürgern aus
der Republik Nordmazedonien beobachtet, die sich in Westeuropa auf-
hielten, sowie in den frühen 90er Jahren zu Beginn der demokratischen
Prozesse während des Zerfalls Jugoslawiens. Ein ähnliches Phänomen
wird heute mit der wachsenden Rolle sozialer Netzwerke als
Hauptmöglichkeit für den Zugang zu objektiven Informationen beobach-
tet.
All dies zeigt, dass hier von einem Prozess die Rede ist, und nicht
von einem einmaligen einseitigen Akt der ethnischen Transformation
auf dem Territorium der heutigen Republik Nordmazedonien. Dieser
Prozess findet unter bestimmten politischen Bedingungen statt. Ihre
Änderung in Richtung einer echten Demokratisierung kann es
ermöglichen, günstigere Möglichkeiten zur Aufbewahrung und Bekan-
ntmachung der Fakten zu schaffen, die für die Zeit vor der Errichtung
des kommunistischen Regimes in der Republik Nordmazedonien cha-
rakteristisch waren.
Infolge des beschriebenen Prozesses gibt es heute unter den
Mitgliedern gleicher Abstammung, sogar innerhalb derselben Familien
in der Republik Nordmazedonien, Personen mit bulgarischem und ma-
zedonischem Selbstbewusstsein. Zwischen diesen beiden „Extremen“
gibt es Übergangsgruppen von Menschen mit vielschichtigem Selbstbe-
wusstsein, einschließlich doppeltem Selbstbewusstsein. In diesen Fällen
treten dieselben Personen mit ihrem regionalen Bewusstsein als Maze-
donier vor der Öffentlichkeit auf. Aber in ihrem familiären Umfeld oder
vor Bulgaren aus Bulgarien erklären sie sich als Bulgaren, was nicht zu
inneren Konflikten führt. Die beschriebenen Gruppen haben die gleichen
kulturellen Traditionen, singen die gleichen Volkslieder, spielen die glei-
chen Volkstänze. Es gibt keine ethnokulturellen Unterschiede zwischen
ihnen, es gibt nichts Spezifisches, um sie voneinander zu unterscheiden.
Der einzige Unterschied besteht in der Selbstwahrnehmung. Unter die-
sem Gesichtspunkt können die Personen, die sich heute als Bulgaren in
der Republik Nordmazedonien präsentieren, nicht als nationale Minder-

129
heit, sondern als soziokulturelle Gruppe betrachtet werden. Die poli-
tische Konsequenz daraus ist, dass die Manifestation eines bulgarischen
Selbstbewusstseins in der Republik Nordmazedonien heute die Gesell-
schaft nicht aus ethnischen Gründen zusätzlich fragmentiert, sondern,
dass die damit verbundenen politischen Spannungen mit der Dekommu-
nisierung und Entjugoslawisierung zusammenhängen.
Angesichts der Sprachsituation in der Republik Nordmazedonien
muss der Fakt berücksichtigt werden, dass die Personen mit erhaltenem
bulgarischen Selbstbewusstsein ihre Sprache weiterhin als Bulgarisch
bezeichnen und diejenigen mit mazedonischem als Mazedonisch. Beide
Gruppen sprechen praktisch dieselbe Sprache, bezeichnen sie jedoch mit
zwei verschiedenen Namen. Basierend auf dem Verständnis, dass das
Recht des Einzelnen auf ethnische Selbstbestimmung grundlegend und
unwiderruflich ist, kann niemand das Recht von Personen einschränken,
die sich heute als ethnische Mazedonier fühlen und ihre Sprache als Ma-
zedonisch bezeichnen. Dieses universelle Menschenrecht muss jedoch
auch für diejenigen Bürger der Republik Nordmazedonien gelten, die
trotz Repressionen weiterhin ihr bulgarisches Selbstbewusstsein bewah-
ren und ihre Sprache Bulgarisch nennen. Darüber hinaus unterscheidet
sich diese Sprache, abgesehen von den bekannten lexikalischen Unter-
schieden, in ihrer Struktur nicht von der Sprache der bulgarischen
Aufklärer aus Mazedonien.

2. Die zeitgenössische Kommunikation im bulgarischen


Sprachraum

Aufgrund der Vielfalt der schriftlichen Normen im bulgarischen


Sprachraum stellt sich die Frage nach der Art der nationalweiten Kom-
munikation, da dieses Problem in der Republik Nordmazedonien ange-
sichts dieser zahlreichsten historischen Gemeinschaft von Personen
bulgarischer Herkunft am akutesten ist.
Trotz langfristiger Anstrengungen vonseiten Belgrads und Skop-
jes, die Sprache in der Republik Nordmazedonien zu distanzieren und
den Kontakt mit der Bevölkerung Bulgariens zu behindern, haben sie
nicht die verfolgten Ziele erreicht. Ein deutliches Beispiel für eine sta-

130
atlich gelenkte Kampagne gegen Bulgarien ist im Jahr 1999 die Absetz-
ung des Direktors des internationalen Ohrider Sommerfestivals, Wlado
Treneski, der Teil des Autorenteams dieses Buches ist. Der Angriff gegen
ihn wurde durchgeführt, weil er prominente bulgarische Künstler wie
Walja Balkanska und Teodossi Spasov als Teilnehmer einlud und das
Festival selbst nicht vom damaligen mazedonischen Präsidenten Kiro
Gligorov, sondern vom bulgarischen Vizepräsidenten Todor Kaval-
dschiev eröffnet wurde. Für diese seine Handlungen wurde Wlado Tre-
neski zum „Hauptbulgarisierer der mazedonischen Kultur“ erklärt, und
innerhalb einer Woche veröffentlichten lokale Medien über 100 Artikel
und Karikaturen gegen ihn.
Trotz dieser Politik Skopjes, die kulturelle Zusammenarbeit mit
Bulgarien zu minimieren, wird die Sprache der Republik Nordmazedo-
nien für die in den anderen Republiken des ehemaligen Jugoslawien le-
bende Bevölkerung weiterhin als bulgarisch wahrgenommen. Ein
bezeichnender Fall ist die Nachrichtensendung vom 22. Februar 2019
auf Skopjes Fernsehsender „Kanal 5“ über Ana Barnabitsch, Kind des
serbischen Premierministers. In Serbien wurde diese Sendung als bul-
garisch empfunden, d.h. die Amtssprache der Republik Nordmazedonien
in Serbien wurde trotz der Verwendung verschiedener Schriftformen als
bulgarisch angesehen. Es passiert häufig, dass Bürger der Republik
Nordmazedonien durch Serbien oder andere ehemalige jugoslawische
Republiken reisen und mit Bulgaren verwechselt werden.
Die Sprachwahrnehmung ist im benachbarten Griechenland
ähnlich. Besonders bedeutsam ist der Fall am 15. Juni 2018, als der Ab-
geordnete George Ursuzidis auf der Tribüne des griechischen Parlaments
vor den Bürgern der Republik Nordmazedonien in rein bulgarischer
Sprache sprach, die er für mazedonisch erklärte. In seiner Rede auf Gri-
echisch erklärte J. Ursuzidis: „An die nördlichen Nachbarn möchte ich
eine Botschaft in ihrer Sprache, Südslawisch, übermitteln, wie in der
Vereinbarung klar angegeben.“, dann weiter in literarischer bulgarischer
Sprache: „Liebe Nachbarn, Freunde aus der Republik Nordmazedonien,
wie wir vereinbart haben, ist es an der Zeit, alles, was uns trennt, beiseite
zu legen und nach vorn zu schauen, was gegenseitiges Verständnis, Zu-
sammenarbeit und Liebe sind“.
131
Trotz der Zurückhaltung von Skopje bieten die Entwicklung der
Informationstechnologie, die Globalisierung und die unvermeidlichen
Demokratisierungsprozesse die Möglichkeit eines zunehmend intensi-
veren Dialogs auf beiden Seiten der Grenze zu Bulgarien. Die Bedeu-
tung sozialer Netzwerke, in denen es verschiedene bulgarisch-
mazedonische Diskussionsgruppen und Foren gibt, ist besonders groß.
An diesem Dialog nehmen sowohl Bulgaren aus Bulgarien als auch
Bürger der Republik Nordmazedonien teil, einige mit bewahrtem bul-
garischem Selbstbewusstsein, andere mit mazedonischem.
Als Kommunikationsmittel verwenden die Bürger der Republik
Nordmazedonien in der Regel die schriftliche Norm von Skopje, und
die Bürger von Bulgarien verwenden die literarische bulgarische
Sprache. Die Verwendung der beiden Normen ist kein Hindernis für ihr
gegenseitiges Verstehen.
Interessant ist die Ausdrucksweise der Bürger der Republik
Nordmazedonien mit bulgarischem Selbstbewusstsein in diesen Foren.
Einige von ihnen verwenden die Skopje-Norm, andere schreiben im lo-
kalem mazedonischen Dialekt, unter Nutzung des bulgarischen Alpha-
bets, und andere beherrschen die literarische bulgarische Sprache
teilweise oder vollständig.
Die beobachteten schriftlichen Praktiken zeigen deutlich, dass
der Sprachprozess in der Republik Nordmazedonien nicht abgeflaut ist,
sondern dort derzeit komplizierte Wechselwirkungen stattfinden. Zum
einen kommunizieren die Bürger beider Länder trotz der Versuche, die
schriftlichen Normen in Bulgariens und der Republik Nordmazedoniens
voneinander zu entfernen, ohne Probleme. Zum anderen gibt es einen
Prozess der Annäherung von Sprache und schriftlichen Praktiken zwi-
schen den Bürgern Bulgariens und denen der Republik Nordmazedonien
mit bulgarischem Selbstbewusstsein. Einige dieser Prozesse folgen dem
bereits in Albanien und unter den Auswanderern aus dem ägäischen Ma-
zedonien etablierten Modell, die Serbismen und das serbisierte maze-
donische Alphabet abzulehnen und der bulgarischen Literatursprache
anzunähern, einschließlich der Verwendung des bulgarischen Alphabets.
Um den Einfluss sozialer Netzwerke zu begrenzen, werden of-
fenbar mit Kenntnis der Behörden in Skopje absichtlich erstellte falsche
132
„Dokumente“ verbreitet, die in keinem Archiv oder in wissenschaftlic-
hen Veröffentlichungen zu finden sind, sowie falsche Nachrichten oder
antibulgarischen Manipulationen. So veröffentlichte z.B. am 24. Mai
2020, der in Bulgarien als Tag der Hl. Kirill und Methodius und des bul-
garischen Schrifttums und Kultur gefeiert wird, die mazedonische Pro-
fessorin Elka Jatschewa-Ultschar, in ihrem Facebook-Profil eine
Erklärung, die „jeder Mazedonier wissen sollte!“: „Unten abgebildet ist
die erste Seite des Konikovo-Evangeliums (benannt nach dem Dorf Ko-
nikovo im Ägäischen Mazedonien, das jetzt in Ditiko umbenannt wurde).
Das Konikovo-Evangelium ist das älteste (1852) aller bisher bekannten
Evangelien aus dem Ägäischen Mazedonien, zusammen mit den Evan-
gelien aus Tarlis, Kulaki und Bobobschtitsa, die in zwei Spalten mit grie-
chischen Buchstaben verfasst sind: die linke in griechischer Sprache

Ein Screenshot von dem persönlichen Facebook-Profil von Prof. Elka


Jatschewa-Ultschar mit falschen Aussagen, dass das Konikovo-Evangelium
in „mazedonischer“ Sprache verfasst wurde (24. Mai 2020).

133
und die rechte in Mazedonisch, in dem sich die sprachlichen Merkmale
der Region Thessaloniki - Voden widerspiegeln. PS: Die „mazedonisch-
en Poitiker“ haben sich nicht nur von den ägäischen Dialekten, der ma-
zedonischen Minderheit, den mazedonischen Toponymen losgesagt,
sondern mit dem Prespa-Vertrag auch von diesen vier Evangelien, die
für die Geschichte der mazedonischen Sprache, für die Mazedonier und
für Mazedonien von großer Bedeutung sind!“
Was 2020 von der mazedonischen Professorin Elka Jatschewa-
Ultschar geschrieben wurde, ist eine völlige Lüge und ein weiterer Raub
des bulgarischen kulturhistorischen Erbes.
Prof. Elka Jatscheva-Ultschar hat die erste Seite des Konikovo-
Evangeliums nicht veröffentlicht. Der Grund dafür ist, dass auf ihr, ob-

Fotokopien der Original-Titelseiten der Evangelien von Konikovo (1852)


und Kulaki (1863). Bei beiden steht, dass sie in bulgarischer Sprache ver-
fasst sind, in einer Sprache, die jetzt in der Republik Nordmazedonien als
„Mazedonisch“ erklärt wird.
134
wohl in griechischen Buchstaben, geschrieben steht, dass es auf Bulga-
risch ist: ΤΥΠΟΣΑΝΟ ΝΑ ΜΠΟΓΑΡΣΚΟΙ ΓΕΖΙΚ (mit kyrillischer
Transkription: in bulgarischer Sprache). Die Lügen von Prof. E. Jatsch-
ewa-Ultschar hören hier nicht auf. Ihre Behauptung, dass das Evange-
lium aus Kulaki von 1863 auch in „Mazedonisch“ geschrieben wurde,
ist ebenfalls falsch. Auf seiner ersten Seite steht geschrieben: Ισκάρενο
να πούγκαρτσκο ιζίκ τουβάσνο ζπόρ (mit kyrillischer Transkription: in
bulgarischer Sprache in hiesigem Dialekt).
Angesichts dieser weit verbreiteten Praxis der Verbreitung von
Lügen veröffentlichte das Europäische Parlament im Dezember 2020
die Studie „Katalogisierung gefälschter Nachrichten und Fehlinforma-
tionen auf dem Westbalkan und Ermittlung von Möglichkeiten, um die-
sen wirksam entgegenzuwirken“. In Bezug auf die Republik
Nordmazedonien heißt es, dass die Politik des Landes Möglichkeiten
für die Entwicklung von Desinformation bietet. Die in dieser Studie ka-
talogisierten Desinformationskampagnen verschärfen interne Konflikte
und schädigen die internationalen Beziehungen von Skopje zu Bulga-
rien, Griechenland und der EU oder stören und verzerren kritische Wahl-
prozesse mit sichtbaren Konsequenzen für die weitere europäische
Integration des Landes. Ein wesentliches Merkmal der Desinformations-
kampagnen in der Republik Nordmazedonien ist, dass sie sich extrem
stark auf Identitätsfragen konzentrieren.
In jüngster Zeit wird in Skopje auch auf die Verwendung von
Trollen zurückgegriffen, die neben den genannten Mechanismen auch
eine äußerst vulgäre Hassrede in Bezug auf alles, was mit Bulgarien zu
tun hat, verwenden. Die Handlungen der aktiveren Bulgaren der Repub-
lik Nordmazedonien werden in den sozialen Netzwerken überwacht und
öffentliche Listen mit ihren Namen erstellt, mit den Aufruf, ihnen
gegenüber Gewalt anzuwenden sowie sie zur Auswanderung zu veran-
lassen.
Folgender wichtiger Fakt zeigt die Kontrolle über die modernen
Kommunikationsmittel: Ende 2020 besitzen nur 12 ausgewählte Perso-
nen die Rechte von Administratoren der nordmazedonischen Wikipedia.
Beispielsweise ist die Internetseite über Gotse Deltschev auf unbestim-
mte Zeit von ihrem Verfasser gesperrt und den Schlüssel zum Entsperren

135
dieser Seite besitzt nur er selber. Diese Praxis widerspricht dem Konzept
einer webbasierten Enzyklopädie mit kostenlosem Inhalt, die es jedem,
der Zugang zum Internet hat, ermöglicht, an deren Bearbeitung teilzu-
nehmen. Daher ist es entgegen dem offiziellen Konzept des Makedonis-
mus nicht gestattet, Kopien von Originaldokumenten und anderen
unabhängigen Informationen hochzuladen.
Unabhängig von der Politik der Kontaktenbegrenzung und Kon-
troversen zeigen die Fakten deutlich, dass die Bürger der Republik Nord-
mazedonien die literarische bulgarische Sprache sehr leicht erlernen
können. So haben sich beispielsweise von 1992 bis 2020 5327 Personen
als Studenten, Doktoranden und Auszubildende an bulgarischen Hoch-
schuleinrichtungen eingeschrieben, und die meisten von ihnen gaben
ihre bulgarische ethnische Zugehörigkeit an. Einige von ihnen beginnen
ihr Studium direkt an bulgarischen Universitäten, während andere einen
einmonatigen Kurs absolvieren, in dem sie die Regeln der bulgarischen
Rechtschreibung erlernen. Ein solches Phänomen wäre nicht zu beob-
achten, wenn die Muttersprache der betreffenden Studenten aus der Re-
publik Nordmazedonien nicht bulgarisch wäre.
Es ist auch wichtig, dass vom 1. Januar 2010 bis zum 22. Okto-
ber 2020 77829 Bürger der RS Mazedonien die bulgarische
Staatsbürgerschaft beantragt haben, die alle ihre bulgarische Herkunft
angeben. Davon haben 65675 Personen bereits per Erlass des
Vizepräsidenten der Republik Bulgarien die bulgarische
Staatsbürgerschaft erworben. Alle Unterlagen und Interviews, die
während des Erwerbs der bulgarischen Staatsbürgerschaft durchgeführt
wurden, sind in bulgarischer Sprache und dies ist offensichtlich kein
Problem für die Bürger von Republik Nordmazedonien.
Angesichts der vorgelegten Tatsachen ist es offensichtlich, dass
das Problem der mazedonischen Sprache nicht abgekühlt ist und sich
höchstwahrscheinlich im Falle einer Demokratisierung des Landes ent-
wickeln wird. Wie weit dieser Prozess gehen wird, hängt nur vom Willen
der Bürger der Republik Nordmazedonien ab, zu denen auch diejenigen
mit noch erhaltenem bulgarischen Selbstbewusstsein gehören.

136
FAZIT

Die Verschleierung und Verfälschung von Tatsachen aus der fer-


nen und jüngeren Vergangenheit der geografischen Region Mazedoniens
wurde in Belgrad und Skopje mit dem klaren Bewusstsein durchgeführt,
dass es auf diese Weise einfacher ist, die mazedonische Identität aufzu-
bauen. Dies ist aufgrund der spezifischen geopolitischen Situation in der
Region nach dem Zweiten Weltkrieg möglich. Nach 1948 gelang es Ju-
goslawien zur Zeit Titos, sich bis zu einem gewissen Grad vom Sow-
jetblock zu lösen, und obwohl es in Form einer kommunistischen
Diktatur an der Macht blieb, begann es, die Rolle einer Pufferzone
zwischen den beiden gegnerischen Lagern zu spielen. Der Zerfall des
Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 und der Demokratisierungsprozess in
Osteuropa machten diese Rolle Jugoslawiens jedoch bedeutungslos, und
schließlich führten die Verbrechen des kommunistischen Regimes in
Belgrad zu seinem Zerfall.
Skopje war unter dem Druck der neuen Realitäten gezwungen,
scheu und widerwillig den Weg zu seiner Unabhängigkeit einzusch-
lagen, und hat sich auch heute noch nicht von den bösartigen Praktiken
der totalitären Zeit losgesagt. Es stellte sich heraus, dass die Berliner
Mauer in einigen Teilen des Balkans noch nicht gefallen war.
Vor 1989 führte der Wunsch Moskaus, Belgrad unter seinen Ein-
fluss zu bringen, zu einem Druck auf Bulgarien, die antibulgarische Po-
litik Jugoslawiens stillschweigend zu akzeptieren. Doch die später
veränderten Bedingungen ermöglichten Sofia, seine nationalen Interes-
sen zu verteidigen. Der Streit zwischen Bulgarien und der heutigen Re-
publik Nordmazedonien, zu dem auch die Frage nach der Art der
Amtssprache in Skopje gehört, hat international an Bekanntheit zuge-
nommen. Es stellte sich heraus, dass der 45-Jahre anhaltende sowjetische
Druck des kommunistischen Regimes die öffentliche Sensibilität Bul-
gariens gegenüber Mazedonien nicht abgestumpft hatte.
Im Gegensatz zu Bulgarien, das unter dem Einfluss der
außenpolitischen Situation eine inkonsequente Politik gegenüber Maze-
donien und nicht nur gegenüber Mazedonien, sondern auch gegenüber
der gesamten Diaspora führte, macht die konsolidierte und konsequente

137
serbische Doktrin unabhängig vom Regime - königlich oder kommunis-
tisch - großen Eindruck. Dies spiegelt den aktuellen Stand der Lage in
der Republik Nordmazedonien und seine Beziehungen zu seinen Nach-
barn wider. Es ist daher mehr als notwendig, ein umfassendes Konzept
für die bulgarische Diaspora zu entwickeln, das ihre Ziele unabhängig
von den Regierungsformen in Bulgarien nicht ändert. Und es ist not-
wendig, Pragmatismus mit Patriotismus in einem konsolidierenden, kla-
ren, logischen und konkreten Rahmen zu verbinden. In Bezug auf die
Republik Nordmazedonien muss Bulgarien die Konsequenzen der ser-
bischen Doktrin minimieren, nämlich die Trennung und Widersetzung
als Staatspolitik unseres südwestlichen Nachbarn, durch eine stärkere
Zusammenarbeit und Präsenz vor Ort, einschließlich der Schaffung ge-
mischter Einheiten, wie z.B. die Vereinigung bulgarisch-mazedonischer
Gemeinden oder allgemeine Berufsverbände. Um inkonsequente
Maßnahmen vonseiten Bulgariens zu vermeiden, müssen diese im Vor-
aus erörtert und vereinbart werden, damit sie die positivsten Ergebnisse
erzielen.
Eine solche Herangehensweise in der heutigen bulgarischen Po-
litik ist in der bulgarischen Gesellschaft sehr erwünscht. Laut einer Um-
frage von „Alpha Research“ vom Oktober 2020 haben 19% der
bulgarischen Bürger oder jeder fünfte von ihnen erklärt, dass sie Ver-
wandte haben, die aus der geografischen Region Mazedoniens stammen.
Dies bedeutet, dass 1,31 Millionen bulgarische Bürger mit Mazedonien
blutsverwandt sind. Ungefähr gleich oder sogar noch geringer ist die
Anzahl der Personen, die heute als Mazedonier in der Republik Nord-
mazedonien registriert sind.
Diese Daten sind Grund für das anhaltend starke öffentliche In-
teresse in Bulgarien gegenüber Mazedoniens und die damit verbundenen
Probleme, die weder innen- noch außenpolitisch ignoriert werden
dürfen. Heute glauben 45,5% der bulgarischen Bürger, dass Sofia die
Existenz einer separaten mazedonischen Sprache nicht anerkennen sol-
lte. Gleichzeitig sagen 42,4%, dass die Existenz der mazedonischen
Sprache anerkannt werden sollte, jedoch nur, wenn die Republik Nord-
mazedonien erklärt, dass deren Schaffung 1944 auf Basis westbulga-
rischer Dialekte begann. Auch wenn es zu dieser Position einige

138
Abweichungen geben sollte, sagen 84% der Bulgaren, dass ein Beginn
der Verhandlungen über die Mitgliedschaft der Republik Nordmazedo-
nien in der EU erst erfolgen kann, wenn Skopje die Praktiken der
Fälschung und Verletzung der Menschenrechte eingestellt hat.
Goran Serafimov, Bürger der Republik Nordmazedonien,
erklärte im Dezember 2020 gegenüber einem Vertreter des Autorenteams
Folgendes: „Auch ich bin ein Bulgare aus Mazedonien und ich sage
öffentlich, wer ich bin und was ich bin ... Aber wenn ich zurückblicke,
passiert uns Bulgaren hier in Mazedonien nichts aus reinem Zufall. Bis-
her hatte ich Glück, dass ich nicht körperlich angegriffen wurde, weil
ich Bulgare bin, außer bei dem Versuch der Gründung des Vereins
„Radko“ im fernen Jahr 2000…. Die Bulgaren in Mazedonien stehen
unter ständigem Druck und er wird immer größer und größer und alle
Bulgaren, die hier leben und diesen Druck und diese Hassreden igno-
rieren, müssen wissen, dass die Dinge immer schlimmer und schlimmer
werden….Wenn ihr denkt, dass das, was die Polizei euch antut, die
örtlichen kriminellen Banden an den Orten, an denen ihr lebt, was sie
euch in Krankenhäusern, Institutionen, Banken, Gerichten, die privaten
Gerichtsvollzieher antun, usw., dass das kein Druck ist, dann denke ich,
dass wir Bulgaren in Mazedonien vorspielen, sehr stark zu sein, und die-
ses unser Verhalten führt zu noch größeren Problemen“.
Anfang März 2021 führte der Nationale Sicherheitsdienst der
Republik Nordmazedonien „informative Gespräche“ mit Goran Serafi-
mov, Esat Amedovski aus Bitola, M. Angeloski aus Resen, Bekir Kad-
rieski aus Struga u.a., insgesamt 36 Personen, über die es Informationen
gibt, dass sie in den letzten Monaten bulgarische Bücher erhalten und
gelesen haben. Sie wurden gefragt, warum sie Literatur in bulgarischer
Sprache lesen, und wurden gewarnt, dies nicht mehr zu tun, da sie sonst
Probleme bekommen würden. Danach wurden sie gefragt, wie sie ihre
ethnische Zugehörigkeit bei der bevorstehenden Volkszählung in der Re-
publik Nordmazedonien angeben würden. Als einige der Befragten an-
tworteten, dass sie sich als Bulgaren fühlen und sich als solche
deklarieren werden, wurden sie davor gewarnt, da die Bulgaren laut den
Agenten des Sicherheitsdienstes „Bestien und Mörder des mazedonisch-
en Volkes sind und ihre Frauen vergewaltigt haben“. Wenn sie sich daher
139
als Bulgaren bezeichnen würden, werden sie als Verräter gelten und Pro-
bleme bekommen.
Die antibulgarische Kampagne wird auch erkennbar in den
Massenveröffentlichungen der nordmazedonischen Medien gegen den
Sänger Wassil Garvanliev aus Strumiza, der die Republik Nordmazedo-
nien bei der Eurovision im Jahr 2021 vertreten soll. Er wurde beleidigt,
weil in seinem Videoclip Aufnahmen zu sehen waren, vergleichbar mit
der bulgarischen Flagge. Die Kampagne gegen ihn eskalierte noch mehr,
als W. Garvanliev öffentlich zugab, Bulgare zu sein. Aus diesem Anlass
erklärte Yilmas Dervischi, PR von Wassil Garvanliev, im März 2021:
„Niemand dachte daran, was die Konsequenzen des auf ihn gerichteten
Rachefeldzuges sein würden. Was werden wir mit den 400 Nachrichten
und Drohungen anfangen, die gegen ihn in seinen Profilen eingetroffen
sind? Liest jemand die Kommentare und Belästigungen, die derzeit in
den sozialen Medien laufen? Wird jemand dafür zur Verantwortung ge-
zogen? Was ist, wenn jemand ernsthaft versucht, Wassil Garvanliev
tätlich anzugreifen?“
Aufgrund der hier aufgezeigten Daten kann der Schluss gezogen
werden, dass es heute kaum ein anderes europäisches Land wie die Re-
publik Nordmazedonien gibt, in dem Dokumente vollständig verschwie-
gen oder gefälscht werden und die öffentliche Meinung gegen einen
benachbarten EU-Mitgliedstaat, wie Bulgarien, systematisch manipuliert
wird, um den Versuch zu rechtfertigen, die Identität seiner Bevölkerung
ändern. Der jungen Generation in der Republik Nordmazedonien wird
durch das Bildungssystem jeglicher Zugang zu objektiven Informationen
entzogen, da es ihnen die Fälschungen systematisch einredet.
In Dutzenden von zivilisierten, demokratischen Ländern haben
die Menschen keine Komplexe zu sagen, dass sie eine Sprache, die aus
einem anderen Land und einer anderen Nation stammt, sprechen. In ei-
nigen von ihnen, wie beispielsweise in Österreich, haben sie auch kein
Problem damit, zuzugeben, dass sie ethnisch deutscher Abstammung
sind, obwohl sie aufgrund historischer Umstände jetzt in einem separa-
ten Land leben und sich österreichisch fühlen. Die ganze Welt versteht
diese Realitäten und niemand stellt sie in Frage, aber es erfindet auch
niemand eine Rechtfertigung aus vergangenen Zeiten.

140
Еs gibt in Wirklichkeit heute kein objektives Hindernis für Ma-
zedonier, zuzugeben, dass das, was sie sprechen, von der bulgarischen
Sprache abstammt, und ohne sich an Persönlichkeiten, Büchern und Do-
kumenten der bulgarischen Geschichte zu vergreifen, zuzugeben, dass
es mit einer politischen Entscheidung absichtlich von der bulgarischen
Literatursprache losgelöst und entfernt wurde und dass das derzeitige
Bulgarisch trotz der durchgeführten sprachlichen Abspaltung und Ko-
difizierung nur minimale Unterschiede aufweist. Um erst danach zu
wünschen, es zu einer neuen, separaten Sprache zu erklären und für ihre
zukünftige Entwicklung zu arbeiten. Sie haben jedoch nicht den Wunsch
und den Mut, die Realitäten anzuerkennen, weil es äußerst schwierig
und schmerzhaft ist, sich von den Fesseln jahrzehntelanger Täuschung
zu befreien sowie das gesamte soziale Paradigma zu ändern, die gesamte
Grundlage der mazedonischen Identität, die mehreren Generationen au-
ferlegt wurde. Das Problem liegt nicht in der Wahrheit - wir alle wissen,
dass dies der normale Weg jeder Sprache und Nation ist, und wir neigen
dazu, ihn zu verstehen und zu akzeptieren, solange er nicht von
Fälschungen begleitet wird, die darauf abzielen, unser kulturhistorisches
Erbe auszurauben.
Das Problem ist ein moralisches und beruht auf der Tatsache,
dass die Schaffung der mazedonischen Literatursprache, wie oben
erwähnt, nicht evolutionär, sondern durch Lügen und Gewalt erfolgte.
Und wenn dies öffentlich anerkannt wird, haben die gewöhnlichen ma-
zedonischen Bürger das Recht, wütend zu sein, sich betrogen zu fühlen
und diejenigen zur Rechenschaft ziehen zu wollen, die sie über Jahre
hinweg belogen haben. Und genau das ist die Angst der Makedonisten
- dass sie ihr Charisma als loyale Führer ihres Volkes, welches Voraus-
setzung für das politische Herrschaftsrecht ist, verlieren. Und die
möglichen Risiken für die Zukunft einer Identität, die auf unmoralische
Grundlagen und deren Auswirkungen auf die soziale und individuelle
Natur der Mazedonier beruht, werden auch das Gewissen der Fälscher
belasten. Darüber hinaus kann es nicht nur für den Frieden und die Sic-
herheit des westlichen Balkans äußerst gefährlich sein, die jüngeren Ge-
nerationen mit ererbten historischen Fälschungen zu belasten und
feindliche antibulgarische Gefühle anzuregen, um eine projugosla-

141
wische/proserbische Identität zu schaffen, sondern auch für die Bez-
iehungen zwischen den europäischen Ländern.
Aus diesem Grund und auf der Grundlage der Kopenhagener
Kriterien muss die Republik Nordmazedonien vor Beginn des Verhan-
dlungsprozesses einen institutionellen Rahmen schaffen und wirksame
rechtliche Mechanismen zum Schutz der persönlichen Freiheit, Sicher-
heit und Menschenrechte der mazedonischen Bürger, die trotz Repre-
ssionen ihr bulgarisches Selbstbewusstsein erhalten haben und sich auch
heute noch als Bulgaren erklären. Die Sprache des Hasses gegenüber
Bulgaren muss sanktioniert und die Verfolgung und die Medienkampag-
nen ihnen gegenüber gestoppt werden.
Es ist von besonderer Wichtigkeit, dass die von der jugoslawi-
schen Wissenschaft durchgeführten Fälschungen und Manipulationen,
die bis heute noch vonseiten der Wissenschaft in Skopje gegenüber dem
bulgarischen kulturhistorischen Erbe in der geografischen Region Ma-
zedoniens vom frühen Mittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhundert an-
halten, öffentlich eingestanden werden. Fälschungen und
offensichtlichen Lügen wurden mit Erlaubnis der kommunistischen Re-
gierung begangen und gewaltsam in das soziokulturelle Leben der ma-
zedonischen Gesellschaft eingeführt, und jeder kleinste Versuch, sich
den historischen Tatsachen zu widersetzen und sie zu verteidigen, stieß
auf grausame Reaktionen des repressiven Apparates der Geheimdienste
von Tito. Es ist nicht hinnehmbar, dass im 21. Jh. diese totalitäre Praxis
von der fortschrittlichsten Gemeinschaft freier demokratischer Nationen,
die die Menschheit je gekannt hat - der Europäischen Union - weiterhin
toleriert wird.
Aufgrund des bestehenden Bedarfs hat das vorliegende Weiße
Buch über den Sprachenstreit zwischen Bulgarien und der Republik
Nordmazedonien seine Mission erfüllt, wenn jeder Politiker, Diplomat,
Journalist oder jede Persönlichkeit des öffentlichen Lebens nach dessen
Kennenlernen seine fundierte Entscheidung aufgrund der vorliegenden
Fakten trifft, und den Weg der Wahrheit, Gerechtigkeit und Achtung der
Menschenrechte als notwendige Voraussetzungen für die künftige Mitg-
liedschaft der Republik Nordmazedonien in der EU unterstützt, um eine
bessere Zukunft für die Balkanregion zu gewährleisten.

142
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144
ANHANGSVERZEICHNIS

ANHANG 1

DAS FÄLSCHEN LITERARISCHER DENKMÄLER

Geständnisse heutiger Wissenschaftler aus der Republik Nord-


mazedonien: ein Historiker und zwei Politiker über die durchgeführten
Manipulationen.

Prof. Dragi Georgiev, Historiker, Direktor des Instituts für na-


tionale Geschichte, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und
Künste der Republik Nordmazedonien und zweiter Vorsitzender der Ge-
meinsamen multidisziplinären Kommission zwischen Bulgarien und
Nordmazedonien.
„Die Geschichtsschreibung in Mazedonien war ein Mittel zum
Aufbau der Nation. Niemand widersetzte sich in Mazedonien den Po-
sitionen unserer Historiker. Sie hatten eine andere Mission. Und jetzt
müssen wir die Geschichte mutiger betrachten, und wenn wir das tun,
werden wir das Vertrauen zueinander stärken. Ja, das ist der Weg, wie
unsere Nation aufgebaut wurde, und wir sollten uns davor nicht fürchten.
Ja, diese Nation wurde aufgebaut, ja, in der Vergangenheit gibt es
Dinge, die nicht der akademischen Wissenschaft entsprechen - einige
Dinge wurden vertuscht, andere selektiv behandelt. Wir müssen zuge-
ben, dass auch Dokumente gefälscht wurden, statt „bulgarisch“ haben
sie „mazedonisch“ geschrieben, und dies muss zugegeben werden.“

Prof. Dr. Miroslav Gartschev, Politiker und Architekt, er en-


twarf die Flagge der Republik Nordmazedonien. „Am Ende des Zweiten
Weltkriegs wurde der mazedonische Staat buchstäblich in Jugoslawien
erfunden, zum ersten Mal gegründet und in ihm emanzipierte sich so-
wohl die mazedonische Nation als auch die mazedonische Kultur, die
mazedonische Sprache, alle mazedonischen Symbole, alle mazedonisch-
en künstlerischen Errungenschaften.“.

145
Prof. Denko Maleski, Politiker, Analytiker und erster
Außenminister der Republik Mazedonien (1991-1993) und ständiger
Vertreter der Republik Mazedonien bei den Vereinten Nationen (1993-
1997), Sohn des Textautors der mazedonischen Hymne.
„Die Zeiten sind vorbei, in denen die mazedonische Gesch-
ichtsschreibung von der mächtigen jugoslawischen Föderation vertei-
digt wurde und ohne Druck selektiv die Bauelemente der mazedonischen
Nation auswählen und „bulgarisch“ aus den Texten streichen und dafür
„mazedonisch“ schreiben konnte. Jetzt können Sie im Internet auf Links
klicken, in die Archive der „New York Times“ schauen und einen Text
ihres Korrespondenten aus dem Jahr 1903 über den Aufstand der bul-
garischen Bevölkerung in Kruschevo am Tag Ilinden lesen. Wir müssen
uns der historischen Wahrheit anpassen, dass wir in der Vergangenheit
ein und dasselbe Volk waren.“
Es gibt Tausende von Manipulationen und Fälschungen, die von
mazedonischen Wissenschaftlern, Akademikern, dem Staatsarchiv der
Republik Nordmazedonien, mazedonischen Medien, der Hl. Synode der
MOK (Mazedonische orthodoxe Kirche, Anm. d. Übers.), der mazedo-
nischen Akademie MANU und den mazedonischen Verlagen ausgeführt
wurden. Hier sind nur einige aufgeführt, und eine größere Anzahl ist in
der elektronischen Version dieses Weißen Buches verfügbar.
Einige Veröffentlichungen auf der Website des Staatsarchivs der
Republik Mazedonien können als Beispiel für staatlich unterstützte
Fälschungen angeführt werden. Dort wurde in der Rubrik „Mazedonien
im Laufe der Jahrhunderte“ ein Dokument mit dem Titel „Appell an das
mazedonische Volk“ veröffentlicht, in dem behauptet wurde, es sei 1926
in Florina, Griechenland, von der Organisation Griechisch-mazedo-
nische Faust* herausgegeben worden.
Die Erklärung zu dem Dokument besagt, dass mit diesem Appell
ab 1926 „die Verwendung der mazedonischen Sprache im ägäischen Teil
Mazedoniens verboten ist“. Eine solche Aussage des Staatsarchivs der
Republik Nordmazedonien ist eine Lüge, denn aus dem Original dieses
Dokuments geht hervor, dass die einheimische Bevölkerung slawischer
Herkunft kein Bulgarisch sprechen darf, sondern nur Griechisch:

* Griechische paramilitärische Organisation, die gegen Bulgaren in Ägäischen Maze-


donien und insbesondere gegen IMRO kämpft.

146
WIR BEFEHLEN

1) Ab heute ist es verboten, an allen öffentlichen Orten, in Restaurants,


bei Verhandlungsgesprächen, Treffen und Versammlungen, bei Unter-
haltungen, Zeremonien, Hochzeiten usw. Bulgarisch zu sprechen.
2) Wir ordnen an, dass die oben genannten Griechisch zu sprechen.
Auf der Website des Staatsarchivs der Republik Nordmazedo-
nien ist auch das Wörterbuch von Daniil Moskopolets, einem griechisch-
en Wissenschaftler mit aromanischen Wurzeln, der 1754 in der
albanischen Stadt Moskopole geboren wurde, zu finden. Er geht mit sei-
nem viersprachigen Wörterbuch „Einführungslehre“ in die Geschichte
ein, das 1794 in Moscopole veröffentlicht wurde. 1802 erschien die Wie-

Screenshot der Seite des Staatsarchivs der Republik Nordmazedonien. Es


wurde ein Dokument mit dem Titel „Appell an das mazedonische Volk“ von
1926 veröffentlicht, das die falsche Behauptung enthielt, dass es der lokalen
Bevölkerung in Florina, Nordgriechenland, verboten war, „mazedonisch“ zu
sprechen.

147
derauflage in Venedig. Es wurde zum „Wörterbuch der vier Sprachen“
erklärt, mit griechischer, walachischer (aromanischer), albanischer und
mazedonischer Umgangssprache.

Fotokopie des Originals des Appells. Es ist deutlich zu sehen, dass es verbo-
ten ist, Bulgarisch zu sprechen.

Screenshot der Website des Staatsarchivs der Republik Mazedonien, einer


Kopie eines Dokuments mit dem Titel „Wörterbuch der vier Sprachen“ aus
dem Jahr 1802, das die falsche Behauptung enthält, eine von ihnen sei „ma-
zedonisch“.
Das betrachtete „Wörterbuch der vier Sprachen“ wurde mit Hilfe
von Metropolit Nectarios von Pelagonien veröffentlicht. Er wird auf der

148
Fotokopie des Originalwörterbuchs in vier Sprachen. Es ist klar erkennbar,
dass dort bulgarische Sprache steht, und keine „mazedonische“ Sprache.

Titelseite als „Metropolit, Iperthim* aus Pelagonien und Exarch von


ganz Bulgarisch- Mazedonien“ betitelt. - „Μητροπολίτης Πελαγονίας,
Υπέρτιμος καί Έξαρχος πάσης Βουλγαρικής Μακεδονίας“. Das
Wörterbuch ist in den vier christlichen Sprachen verfügbar, die in der
geografischen Region Mazedoniens gesprochen werden - Griechisch,
Walachisch, Bulgarisch und Albanisch.

Teil der Titelseite des „Wörterbuchs der vier Sprachen“, auf dem der Spen-
der Nectarios von Pelagonien den Titel „Metropolit von Pelagonien, Iper-
thim und Exarch von ganz Bulgarisch-Mazedonien“ trug
(1802).

Die gleiche Fälschung ist in der Republik Nordmazedonien weit


verbreitet. So z.B. veröffentlichte Valentina Hristovska vom Institut für

* Iperthim - ein Ehrentitel in Byzanz, der nach dem 12. Jahrhundert verbreitet war.
Später wurde er in einigen orthodoxen Kirchen den Metropoliten verliehen.

149
mazedonische Literatur in Skopje in der Sammlung „Geschichte“
(2012), herausgegeben von der Vereinigung der Historiker der Republik
Mazedonien, einen Artikel mit dem Titel „Mazedonische Identität und
Identität auf dem Balkan“, in dem sie erklärt: „Von besonderer Bedeu-
tung für die mazedonische Kulturgeschichte ist das viersprachige
Wörterbuch oder Wörterbuch der vier Sprachen (1802, Venedig) von
Daniil Moskopoletz, geschrieben in Griechisch, Albanisch, Walachisch
und Mazedonisch, das „die Grundlage der heutigen modernen mazedo-
nischen Literatursprache ist“ und „es ernsthafte Voraussetzungen dafür
gibt, dass es ein wichtiges Objekt der Balkanlinguistik sein wird“. Dieses
Beispiel zeigt deutlich, wie in Skopje heute eine mazedonische Identität
aufgebaut wird, indem Lügen, die in das bulgarische kulturhistorische
Erbe eingreifen, öffentlich verbreitet werden.

ANHANG 2
DAS FÄLSCHEN UND VERNICHTEN
VON STEININSCHRIFTEN

Die Existenz epigraphischer Denkmäler aus dem Mittelalter und


der Widergeburt auf dem Gebiet der heutigen Republik Nordmazedo-
nien, die in bulgarischer Sprache verfasst sind oder in denen „Bulgare“,
„bulgarisch“ und „Bulgarien“ erwähnt werden, war für die jugoslawisch-
en Behörden vor 1941 und nach 1944 immer problematisch. Aus diesem
Grund wurden einige Inschriften zerstört oder gefälscht, was in Kapitel
I Punkt 5 dieser Ausgabe erörtert
wurde.
Außer diesen, werden auch
alle Inschriften aus der heutigen Zeit
zerstört, die die einheimischen Bulga-
ren aus der Republik Nordmazedonien
anzubringen versuchen und die
revolutionären Figuren gewidmet
sind, die auf dem Territorium Bulgari-
ens geboren wurden. Dies ist der Fall
bei einer Gedenktafel an den Woiwo-
den Toma Davidov von der IMARO.
150
Er war ein bulgarischer Offizier und Revolutionär, geboren in Lovetsch.
Er wurde von Gotze Deltschev persönlich zum Woiwoden der Inspek-
tion des 2. Revolutionsbezirks in Bitola ernannt. Er starb 1903 in der
Nähe des Dorfes Ozdoleni in der Region Ohrid in einer Schlacht mit
Baschibosuk-Truppen (irreguläre Truppen im Osmanischen Reich, Anm.
d. Übers.). Er wurde in der Gegend Gradischte, im Slatina-Gebirge, bei-
gesetzt und sein Grab ist bis heute ein Ort der Verehrung. Der Ort heißt
das Davidsgrab. Am 15. März 2020 brachte eine Gruppe von Bürgern
aus Ohrid eine Gedenktafel am Todesort des Woiwoden an, mit seinen
Worten:“Ich komme nicht aus Mazedonien, aber ich bin bereit, mein
Leben jederzeit für seine Freiheit zu opfern ”.
Obwohl die Gedenkinschrift in der literarischen Norm von
Skopje geschrieben war, wurde sie zwei Wochen später von einheimi-
schen Mazedoniern zerstört, die nicht identifiziert wurden. Solche Ak-
tionen zielen darauf ab, jede Erinnerung an eine Verbindung mit
Bulgarien zu zerstören.

ANHANG 3

SAMMLUNGEN VON VOLKSWEISHEITEN


MAZEDONISCHER PERSÖNLICHKEITEN

Eine der wichtigsten Informationsquellen zu jeder Sprache ist


die unerschöpfliche Schatzkammer der Volkskunst. Sie ist der Träger le-
bendiger Mundarten und ihrer Entwicklung im Laufe der Zeit. Hier
präsentieren wir einen Teil einer Büchersammlung, die von verschiede-
nen mazedonischen Persönlichkeiten veröffentlicht wurde, die liebevoll
Hunderte von Liedern, Märchen, Weisheiten und Stickereien aus ihrer
Heimat gesammelt haben, um diesen Reichtum für zukünftige Genera-
tionen zu bewahren. Das Buch der Gebrüder Miladinov „Bulgarische
Volkslieder“ wurde bereits in Kap. III, Punkt 4 dieser Ausgabe erörtert.
Eine größere Anzahl von Beispielen ist in der elektronischen Version
des Weißen Buches verfügbar.
1) Bulgarische Volkslieder aus Mazedonien (1924) von Pantscho Мic-
hailov (1891-1925) aus Stip, heute Republik Nordmazedonien.
Der Autor ist ein Freiwilliger in der Mazedonisch-Adrianopeler Lan-

151
dwehr der bulgarischen Armee
während der Balkankriege, Offizier
der bulgarischen Armee während des
Ersten Weltkriegs, Woiwode des
Kreises Kotschani der IMRO, bulga-
rischer Lehrer und Folklorist. 1924
veröffentlichte die Stip-
Wohltätigkeitsbruderschaft in Sofia
ihre Sammlung bulgarischer Volkslie-
der aus Mazedonien. Das Buch
enthält Lieder, die Michailov
während seiner Rundreisen in Maze-
donien aufgenommen hat,
hauptsächlich aus den Kreisen Stip,
Skopje, Kratovo, Kotschani, Pala-
netschka und Tsarevo selo - Malesch-
evo. Die IMRO-Woiwoden Mite
Opilski aus dem Dorf Opila bei Kratovo, Evtim Polski aus dem Dorf
Nivitschani bei Kotschani, Dimitar Palikruschev aus Vinitsa und Grigor
Hadjikimov aus Novo Selo bei Stip und andere tragen ebenfalls zur Lie-
dersammlung bei.
2) Sammlung bulgarischer Volkslieder (1884) von Serafim Bojanov

152
(1865-1937) aus dem Dorf Dolno Draglischte-Kreis Raslog, Pirin-Ma-
zedonien.
3) La Broderie Nationale Bulgare Album (1913) von Stefan Badschov
(1883-1953) aus Kruschevo, heute in Republik Nordmazedonien.
4) Sammlung Mazedonischer bulgarischer Volkslieder (1895) von Naum
Tachov (1857-1913) aus Kruschevo, heute in Republik Nordmazedo-
nien.
5) Bulgarische mazedonische Lieder (1926) von Jossif Tscheschmedsch-
ijev (1890-1964) aus Skopje, heute Hauptstadt der Republik Nordma-
zedonien.
6) Mazedonische bulgarische Lieder (1934) von Peter Dinev (1889-
1980) aus dem Dorf Kumanitschevo bei Kostur, Ägäisches Mazedonien.
Er ist ein bekannter bulgarischer Musikwissenschaftler und Komponist,
Gründer der Gesellschaft der Kirchenchöre in Bulgarien. Im Laufe der
Jahre harmonisierte und verarbeitete P. Dinev bulgarische Volkslieder
aus Mazedonien, von denen einige in der Sammlung veröffentlicht wur-
den.
7) Bulgarische, aromanische und albanische Folklore (1926) von Anton
Popstoilov (1896-1928) aus
dem Dorf Leschko bei Gorna
Dschumaja.
8) Index der im 19. Jahrhun-
dert gedruckten bulgari-
schen Volkslieder. Band I.
1815-1860 und Band II.
1861-1878 (1916 und 1918)
von Anton Popstoilov.
9) Bulgarische Literatur-
schaffende aus Mazedonien.
1704-1878, (1922) von
Anton Popstoilov.
10) Album der bulgarischen
mazedonischen Stickerei
(1932), herausgegeben von
der mazedonischen Frauenu-
nion.
11) Sammlung von Volksan-

153
tiken. Buch III. Bulgarische Volksmärchen und Volksglauben (1885) von
Kusman Schapkarev.
12) Sammlung bulgarischer Volksmärchen. Volkstümliche bulgarische
Poesie oder bulgarische Volkslieder, (1891) von Kusman Schapkarev
aus Ohrid, heute Republik Nordmazedonien.
13) Bulgarian-Macedonian Folk Music (1952) von Boris Kremenliev
(1911-1988) von Raslog, Pirin-Mazedonien. Er ist ein bekannter bulga-
risch-amerikanischer Komponist und Musikwissenschaftler, langjähriger
Professor an der Universität von Kalifornien, Los Angeles. Er wurde für
seine Musik zum Film „The Tell Tale Heart” (nach Edgar Allan Poe) im
Jahr 1953 für einen Oscar nominiert.
14) Bulgarische Volkslieder aus Mazedonien; Bulgarian folk songs from
Macedonia (1989) von Kosta Zarnuschanov (1903-1996) aus Prilep,
heute Republik Nordmazedonien.
In Skopje wird entweder die Existenz dieser Ausgaben ver-
schwiegen oder die darin enthaltenen Lieder werden als mazedonisch
erklärt.

Der Originaleinband der 1860 von Die gefälschte Ausgabe von 1961 in
Stefan Werkowitsch herausgege- Skopje, in der das Buch von S. Wer-
benen Sammlung „Volkslieder der kowitsch in „Mazedonische Volks-
mazedonischen Bulgaren“. lieder“ umbenannt wurde.

154
Die Veröffentlichungen ausländischer Folkloristen, die Volkslieder in
Mazedonien als bulgarisch ansehen, waren ebenfalls Fälschungen aus-
gesetzt. Die 1860 veröffentlichte Sammlung des bekannten bosnisch-
kroatischen Folkloristen Stefan Werkowitsch mit dem Originaltitel
„Volkslieder der mazedonischen Bulgaren“ wurde 1961 in Skopje mit
dem gefälschten Titel „Mazedonische Volkslieder“ neu veröffentlicht.
Obwohl S. Werkowitsch überall von Bulgaren in Mazedonien sprach,
wird er heute in Skopje zum „Begründer der Folkloristik in Mazedo-
nien“ erklärt.

ANHANG 4

DIE WAHRHEIT ÜBER DIE FRÜHEN MAZEDONISTEN

Der Mehrheit der Bürger der Republik Nordmazedonien sind die


folgenden Fakten und Zitate mazedonischer Aktivisten und Wiederge-
burtlern über die Aktivitäten, Ideen und politischen Abhängigkeiten der
ersten Mazedonisten unbekannt. Sie figurieren nicht in Lehrbüchern,
Büchern und Aussagen von mazedonischen Gelehrten, Persönlichkeiten
des öffentlichen Lebens und Politikern. Wir enthüllen die Wahrheit, weil
nur sie die Fesseln der Irreführungen brechen kann, die während des
kommunistischen Jugoslawien mit Gewalt auferlegt wurden.
In dieser Ausgabe präsentieren wir eine Kurzfassung der Gesch-
ichte der frühen Mazedonisten. Der vollständige Text ist in der elektro-
nischen Version des Weißen Buches verfügbar.
Heute werden die frühen Mazedonisten Kosta
Gruptsche(w/itsch) und Naum Evro(w/itsch) von der MAdWK (Maze-
donische Akademie der Wissenschaften und Künste) zu „Kodifizierern“
der „mazedonischen“ Sprache erklärt. An mazedonischen Schulen wird
über Georgi Pulevski gelehrt, aber das, was vermittelt wird, ist bei wei-
tem nicht die ganze Wahrheit. Die Werke Kraste Misirkovs werden ein-
seitig gelehrt, ohne den anderen Teil seiner Artikel und Dokumente zu
zeigen, in denen er sich zum ethnischen Bulgaren erklärt. Es ist auch
unklar, unter wessen Einfluss und für welche Zwecke Misirkov sein be-
kanntes Buch „Über mazedonische Angelegenheiten“ schrieb.

155
Schließlich kommen wir zu der Person von Blazhe Koneski, über die in
der Primar- und Sekundarstufe in Nordmazedonien kaum Informationen
über seine Herkunft und sein Leben bis 1941 gegeben werden und die
Tatsache verschwiegen wird, dass er sich für die vollständige
Übernahme des serbischen Alphabets als Alphabet der neugeschaffenen
mazedonischen Literatursprache im Jahr 1945 einsetzt.
Naum Evrowitsch, Kosta Gruptschewitsch und Temko Popo-
witsch sind die ersten „Mazedonisten“. Sie erhalten von Serbien ein Ge-
halt für ihre Handlungen, weshalb sie zu Recht als serbische Agenten
bezeichnet werden können. Sie alle verbrachten den größten Teil ihres
Lebens in Serbien und arbeiteten aktiv an der Umsetzung der
großserbischen Doktrin, die später als „Mazedonismus“ bezeichnet
wurde. Sie arbeiten unter der direkten Kontrolle des Ideologen des Ma-
zedonismus, Stojan Novakowitsch, eines serbischen Politikers, Wissen-
schaftlers und Präsidenten der Serbischen Akademie der Wissenschaften.
Naum Evrowitsch ist ein Student in der Sonderabteilung der Ge-
istlichen Akademie in Belgrad für Mazedonier, welche 1873 von Stojan
Novakowitsch gegründet wurde. Diese Abteilung wurde für in Mazedo-
nien geborene Menschen zu dem Zweck eingerichtet, sie später
zurückzuschicken, um die serbische Propaganda zu verbreiten. 1886
wurde in Belgrad der Verein „Hl. Sava“ gegründet, um bulgarische Ju-
gendliche aus Mazedonien durch Stipendien und andere Zuwendungen
für ein Studium in Serbien zu gewinnen. Im selben Jahr verabschiedete
eine Gruppe mazedonischer Jugendlicher in Belgrad ein eigenes Pro-
gramm, das mit der serbischen Regierung abgestimmt war. Dem Pro-
gramm entsprechend wurde im selben Jahr in Konstantinopel ein Verein
von Serbomazedoniern gegründet. Im folgenden Jahr hat die Organisa-
tion bereits Niederlassungen in Konstantinopel und Thessaloniki und
versucht, auch in Sofia Wurzeln zu fassen.
N. Evrowitsch ist in dieser serbischen Propaganda äußerst aktiv.
Im Auftrag der „Vereinigung der Serbomazedonier“ in Konstantinopel
wurde er zusammen mit Kosta Gruptschewitsch und Temko Popowitsch
beauftragt, eine Zeitung mit dem Namen „Mazedonische Zeitung“ he-
rauszugeben. Stojan Novakowitsch enthüllt in einem Brief an das ser-
bische Außenministerium nach einem seiner Treffen mit Evrowitsch und
156
Gruptschewitsch in Konstantinopel, was das für eine Zeitung sein sollte:
„In der Zwischenzeit kann mit einem Teil des Plans begonnen werden,
ohne befürchten zu müssen, dass er unseren bisher noch nicht realisier-
ten Dingen schadet, auf die wir aber sehr großen Wert legen. Sie sind
damit einverstanden (Gruptschewitsch und Evrowitsch), auf eigene Ve-
rantwortung als osmanische Bürger zu versuchen, eine Genehmigung
für die Herausgabe einer wöchentlichen oder zweiwöchentlichen lite-
rarischen Zeitung im mazedonischen Dialekt zu bekommen, welche auch
etwas auf Serbisch veröffentlicht, und in der sich der mazedonische Dia-
lekt zum serbischen hinneigt und zur rein serbischen Sprache wird“.
(Diplomatisches Archiv-Dubrownik, Abteilung PP, F. 1-502/1887).
Die Idee, eine serbische „mazedonische Zeitung“ zu
veröffentlichen, scheiterte an mangelndem Interesse. Deshalb wurden
N. Evrowitsch und K. Gruptschewitsch beauftragt, in Konstantinopel
Lehrbücher in „mazedonischer“ Sprache für die Schulen in Mazedonien
zu drucken. Hauptorganisator ist der serbische Konsul in Konstantino-
pel, Stojan Novakowitsch. Er erklärte in seinem Brief die Notwendig-
keit, Lehrbücher in „mazedonischer“ Sprache zu drucken und welchen
Zweck diese Lehrbücher haben sollen: „In diesem Moment mache ich
Sie auf die Notwendigkeit einer speziellen mazedonischen Fibel für
Schulen in Mazedonien aufmerksam, die speziell für die Verbreitung von
SERBISCHEM SCHREIBEN und SERBISCHER SPRACHE in Mazedo-
nien vorbereitet werden muss. Unter diesem Gesichtspunkt und in Bezug
auf die Ausbreitung des serbischen Einflusses in Mazedonien müssen
folgende Punkte als wirkliche Grundlage dienen:
1. Dass sich der mazedonische Dialekt sowohl vom Serbischen als auch
vom Bulgarischen unterscheidet, aber dass es Ähnlichkeiten mit beiden
gibt.
2. Dass die bulgarische Propaganda bisher große Anstrengungen un-
ternommen hat, um die Unterschiede zwischen dem mazedonischen Dia-
lekt und der serbischen Sprache zu markieren und hervorzuheben.
3. Es liegt im serbischen Interesse, denselben Weg zu gehen, aber ge-
duldig, solide und systematisch mit neuen originellen Mitteln, wobei wir
individuell das verwenden, was den Unterschied zwischen der serbisch-
en Sprache und dem mazedonischen Dialekt, entgegen den oben genan-
nten bulgarischen Bestrebungen, verringern kann.“ (Diplomatisches
Archiv-Dubrownik, Abteilung PP, F. 1 -102/1888).
157
N. Evrowitsch, K. Gruptschewitsch und T. Popowitsch arbeiteten
in Konstantinopel auf Befehl Serbiens außerdem aktiv für die Ernennung
serbischer Bischöfe in Mazedonien. Der große bulgarische Vertreter der
Wiedergeburt aus Mazedonien, Kusman Schapkarev, ist mit der Arbeit
all dieser serbischen Agenten bestens vertraut. Schapkarev schrieb in
einem Brief an Marin Drinov vom 10. September 1888 über T. Popo-
witsch und K. Gruptschewitsch Folgendes: „Eine Missgeburt - Temko
Popov, der Sohn des unehelichen Sohnes des griechischen Bischofs von
Ohrid, Stefan Wladikov, ein früherer Verräter des verstorbenen Dimitar
Miladinov... Temko Popov und Kosta Grubtschew - heute nagen diese
beiden an den Knochen der serbischen Botschaft in Konstantinopel
während sie lügen, dass sie die mazedonischen Bulgaren in alte Serben
verwandeln werden.“
Die untersuchten Dokumente geben eine Erklärung, warum in
Skopje heute Schweigen über diese Aspekte der Tätigkeit der ersten Ma-
zedonisten herrscht. Gleichzeitig wurden die Personen, die gegen den
Mazedonismus kämpften und ihre bulgarische Identität verteidigten, zu
„Mazedoniern“ erklärt.
In „Gebot für die mazedonische Sprache“ vom 3. Dezember
2019 verweist die MAdWK (Mazedonische Akademie der Wissenschaf-
ten und Künste) auch auf die Taten von Kraste Misirkov als Versuch,
die mazedonische Sprache zu kodifizieren. Alle frühen Aktivitäten von
K. Misirkov stehen unter dem direkten Einfluss von N. Evrowitsch und
Stojan Novakowitsch. Der mazedonische Forscher Petar Tschakar schre-
ibt in seinem Artikel „Der Einfluss von Naum Evro auf Leben und Werk
von Kraste Misirkov“, der in Skopje der offiziösen Zeitung „Neues Ma-
zedonien“ in 12 Fortsetzungen (vom 5. bis 16. Juni 1966) veröffentlicht
wurde, dass Naum Evrowitsch sich das erste Mal mit Kraste Misirkov
in Belgrad im Jahr 1888 traf. Er betonte, dass Naum Evrowitsch ein
Führer im Leben von Kraste Misirkov werden würde: „Misirkov en-
tschied sich für die slawische Philologie und trat in die Fußstapfen von
Naum Evro. Und alle weiteren gesellschaftspolitischen Aktivitäten in
Russland bestimmte und verwirklichte er unter dem Einfluss von Naum
Evro“.
Der Wunsch des serbischen Agenten Naum Evrowitsch wurde
im Herbst 1918 erfüllt, als Struga und ganz Vardar-Mazedonien unter
serbische Okkupation gerieten. Evrowitsch wurde zum Bürgermeister

158
von Struga ernannt, und nach einem Besuch in Belgrad und einem Tref-
fen mit seinem alten Freund, dem serbischen Premierminister Nikola
Paschitsch, wurde seine Rente erhöht. Naum Evrowitsch starb 1923 in
Struga als serbischer Funktionär. Er überließ sein Haus den Enkelkin-
dern von Georgi Pulevski und hinterließ alle Bücher aus seiner
persönlichen Bibliothek der Bibliothek der serbischen chauvinistischen
Gesellschaft „Hl. Sava“ in Belgrad als Spende.
In ihrem „Gebot über die mazedonische Sprache“ schrieb die
MAdWK auch, dass die mazedonische Standardsprache im Mai 1945
von den Behörden der Volksrepublik Mazedonien kodifiziert wurde.
Gleichzeitig verschweigt sie, wofür sich Blazhe Koneski einsetzte, der
heute als ihr Gründer gilt, und von wem die endgültige Kodifizierung
der mazedonischen Sprache vorgenommen wurde. Folgendes sagt
Blazhe Koneski - Enkel des berühmtesten serbomanischen Woiwoden -
Gligor Sokolowitsch-Ljame zu verschiedenen Gelegenheiten in seinem
Leben:
B. Koneski ist stolz darauf, am Gymnasium in Kragujevats stu-
diert zu haben: „Dies ist ansonsten ein berühmtes Gymnasium. Dies ist
das älteste Gymnasium in Serbien. Ich war auch in der Redaktion. In
diesen Zeitschriften waren meine ersten Gedichte auf Serbokroatisch
veröffentlicht… Ich kannte serbische Lieder über Krali Marko. Ich kan-
nte keine mazedonischen Lieder… Das serbische Alphabet macht seine
Arbeit sehr gut und ist sehr bequem zu nutzen,… das perfekteste der
Welt... In unserer Praxis hatten wir die Möglichkeit, zwei kyrillische Al-
phabete zu überprüfen: Das serbische und das bulgarische. Jedem von
uns ist klar, wie viel einfacher zu erlernen und wie viel praktischer das
Wuk-Alphabet ist, als die bulgarische Kyrillitza… Es gibt einen wich-
tigsten Grund, das Wuk-Alphabet zu übernehmen. Es ist in Mazedonien
weit verbreitet. Das mazedonische Volk kann dieses Alphabet lesen und
schreiben“.
Blazhe Koneski befürwortete bei seiner Teilnahme an den
Sprachkommissionen von ASNOM die vollständige Übernahme des ser-
bischen Alphabets. Da die meisten mazedonischen Intellektuellen der
damaligen Zeit gegen die vollständige Übernahme des serbischen Al-
phabets in die mazedonische Literatursprache rebellierten, ging die
ganze Angelegenheit in die Hände des Leiters der AGITPROP der Kom-
munistischen Partei Jugoslawiens, Milovan Dschilas von Montenegro,

159
über. Zusammen mit vier anderen serbischen Philologieprofessoren en-
tschied er über das endgültige Aussehen des mazedonischen Alphabets.
Die serbischen Buchstaben Љ, Њ, J und Џ verbleiben in dem von der
JKP festgelegten Alphabet, und die serbischen Buchstaben Ћ und Ђ wer-
den in Ќ und Ѓ geändert. Der bulgarische Buchstabe Ъ wurde entfernt.

Kusman Schapkarev über den moralischen Charakter der Agen-


ten der serbischen Propaganda in Mazedonien:

„Es lohnt sich nicht, über Menschen wie Schumenkowtzi zu


sprechen, als seien sie wichtige Herausgeber solcher wichtiger Fragen.
Ich kenne denselben Schumenkow seit 1878 in Belgrad persönlich. Im
Grunde ist er nichts weiter als ein einfacher Bauer, ein Kaffeezubereiter
im Balkan Café am Teresia-Platz in Belgrad, ein Analphabet und ide-
enlos, eine gewissenlose bestochene Maschine, die von den Milojevitsc-
hevi angetrieben wurde, um seinen einfachen Landsleuten -
Milchmännern und Bäckern - die serbische Idee zu predigen. Ähnlich
wie er, gibt es in Belgrad einen anderen Bäcker, den in Kitschevo gebo-
renen Kotscho, der 1878 auf einem kleinen Markt in Belgrad vor seiner
Bäckerei saß und die Namen so vieler Mazedonier* in seinen vorberei-
teten Memoiren unterschrieb, wie er auf dem Markt sehen konnte,
unabhängig davon, ob sie Slawen sind oder nicht und egal von welchem
mazedonischen Ort sie kommen, auch ohne ihr Wissen, in den Memoiren
steht, dass sie als alte Serben gegen jegliche Vereinigungen ihres Hei-
matlandes protestieren, des zweiten Serbien - Mazedonien, gegen eine
Vereinigung mit dem bulgarischen Fürstentum, folglich auch gegen eine
Unterordnung unter den Russen, und sie wollen eine Vereinigung mit
Mutter (!) Serbien, d.h. sie protestieren gegen den Vertrag von San Ste-
fano. Und das war am Vorabend zum Berliner Kongress. Keiner der An-
gegebenen (ich sage nicht Unterzeichner, weil niemand unterschrieb)
erhielt eine Benachrichtigung und dieses gefälschte Dokument wurde
Seiner Heiligkeit Fürst Milan mit der Bitte übergeben, es an die Berliner
Areopag zu senden.
* Hier wird eher der regionale als der ethnische Charakter des damals verwendeten
Namens „Mazedonier“ deutlich.– „unabhängig davon, ob sie Slawen sind oder nicht.“
Die mazedonische Befreiungsbewegung stellt in ihren Dokumenten fest, dass alle, die
in der geografischen Region Mazedoniens geboren wurden, Mazedonier sind, unab-
hängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit.

160
Außer diesen beiden gibt es in Belgrad drei weitere, die Brüder
Badschov, geboren in Kruschevo, Diözese in Ohrid: Despot, Georgi und
Kusman. Wenn ich mich nicht irre, habe ich sie vor langer Zeit getroffen,
insbesondere Georgi im Jahr 1878 in Belgrad, von dem ich viele Dinge
über die Geheimnisse der serbischen Propaganda lernen konnte,
einschließlich welche Maßnahmen ergriffen werden sollten und mit wel-
chen Mitteln, um die mazedonischen Gemeinden in den Sack zu stec-
ken…. Danach wurde ich eingeladen, mich ihren Mitarbeitern
anzuschließen, wo mir ein bestimmtes monatliches Gehalt angeboten
wurde. Natürlich konnte ich die Einladung nicht annehmen, weil ich
nicht die Absicht hatte, mein Gewissen für Metall zu verkaufen.
Tatsächlich ist Herr Kosta Gruptschev nichts weiter als ein
gewöhnlicher Konditor, der sich als junger Mann, angeblich aus der In-
telligenz, immer beteiligen und in die Angelegenheiten der Volkskirche
seiner Heimatstadt einmischen wollte. Er ist derselbe, der sich unter un-
seren Mitbürgern rühmte, 1862-1863 angeblich bei der Vertreibung ser-
bischer Lehrer und Lehrerinnen, aus Serbien geschickt, geholfen zu
haben. Er ist derselbe, der 1886 aktiv an der Veröffentlichung der
Broschüre teilgenommen hat: „Serbische Propaganda auf der Balkan-
halbinsel“von A.K.T., Sofia, Buchdruckerei Janko Kovatschev, 1886.
Und seit 1886 ist er empört über das bulgarische Volk, nur weil die heu-
tige bulgarische Regierung ihn nicht mit einem Dienst belohnt hat.
Plötzlich wurde er, als wäre das ganze bulgarische Volk dafür veran-
twortlich, ein unerbittlicher bulgarischer Feind und ein enger Freund
und leidenschaftlicher Wohltäter dieser Sippe, welche er bis gestern
noch in jeder Hinsicht verfolgt hatte. Und wissen Sie, warum? Für drei-
hundert, wie die schlechten Münder sagen, Runde! Herzlichen
Glückwunsch dem Verräter, lasst ihm das Judas-Metall, wie gewöhnliche
Leute sagen.
Diese wirklich traurigen Wahrheiten über Herrn K. Gruptschev
schreibe ich in Gegenwart und sozusagen unter dem Diktat seines
älteren Bruders, des verehrten Herrn Iwan Gruptschev, der, nachdem er
ihn in Konstantinopel gesehen hat, seit einiger Zeit hier ist. Er spricht
mit großer Empörung und völliger Missbilligung über die
Rücksichtslosigkeit seines Bruders. Der gleiche (Iwan Gruptschev) hat
die Freundlichkeit, mir ausführlich über den zweiten Freund seines Bru-
ders, Naum Evrow aus Struga, ein Serbophile, zu berichten. Er ist ein

161
Mann von niedrigstem Charakter und ein fauler Nichtsnutz, den ich auch
ab dem 5. Lebensjahr kenne. Als er mit Freude von den großen(!) Erfol-
gen sah, mit denen der Serbismus nicht nur in Mazedonien, dem Vater-
land von Duschan , sondern auch in der Hauptstadt der osmanischen
Kalifen Fortschritte machte,wurde er vor einigen Tag verrückt und ging
daraufhin in die Moscheen, um den wahren islamischen Glauben anzu-
nehmen, und wollte sich dann in den Bosporus werfen. Das sind solche
Leute, von denen sich die serbischen Brüder erhoffen, die mazedonisch-
en Bulgaren zu serbisieren. Das sind die Persönlichkeiten, die Herr Dra-
ganov verehrt, indem er sie in die Liste der „Asketen der
Völkerschicksale“ aufgenommen hat!

Kusman Schapkarev. Einige Worte über den Artikel von Herrn P. Dra-
ganov im Bericht der Heiligen gesegneten slawischen Gesellschaft.
Sofia, 1890.

162
ANHANG 5

OFFIZIELLE STATISTIK DES OSMANISCHEN IMPERIUMS


VON 1902 ÜBER DIE BEVÖLKERUNG EINIGER GEBIETE;
DIE SICH AUF DEM GEBIET DER HEUTIGEN REPUBLIK
NORDMAZEDONIEN BEFINDEN

Stadt Bitola:

Muslime - 24713
Walachen und
Griechen - 30036
Bulgaren - 30891
Juden - 4266
GESAMT - 89904

163
Kreis
Prilep:

Muslime - 14279
Walachen und Griechen - 955
Bulgaren - 35890
GESAMT - 51124

Kreis
Ohrid:

Muslime - 8135
Walachen und Griechen - 746
Bulgaren - 17535
GESAMT - 26416

164
Kreis
Resen:

Muslime - 3261
Walachen und Griechen - 3708
Bulgaren - 8847
GESAMT - 15816

Kreis
Kitschevo:

Muslime - 13586
Walachen und Griechen - 64
Bulgaren - 20572
GESAMT - 34222

165
Wlado Treneski, Dejan Tantschovski, Erlin Ago, Iwan Nikolov,
Ilija Stojanovski, Methodi Iwanov, Rumen Srebranov, Spas Taschev

WEIßES BUCH ÜBER DEN SPRACHENSTREIT ZWISCHEN


BULGARIEN UND DER REPUBLIK NORDMAZEDONIEN
*

Rezensenten: Prof. Dr. Ana Kotscheva


Doz. Dr. Liljana Wasileva
Übersetzung: S.&.A.Takev

*
Format 70/100/16

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