ZU DEN SLAVISCHEN LEHNWORTERN
IM NEUGRIECHISCHEN
Bekanntlich ist die reichhaltigste Zusammenstellung der sla-
vischen Lehnwérter im Neugriechischen diejenige von Gustav
Meyer in seinen Neugriechischen Studien II: Die slavischen,
albanischen und rumanischen Lehnwérter des Neugriechischen,
Wien 1895 itzungsberichte der Wiener Akademie der Wis-
senschaften, Philos. - histor. Klasse Bd. 130 Nr. 5). Leider ist
seitdem nichts Zusammenfassendes iiber diesen Gegenstand mehr
geschrieben worden, obgleich die neugriechischen Dialektstu-
dien auch neues lexikalisches Material ans Tageslicht befdrdert
haben. Die Berliner Bibliotheksverhiltnisse erlauben mir nicht,
auf die Frage im allgemeinen einzugehen. Ich miéchte aber im
folgenden einige Beispiele aus dem Glossar zu Stam. Psaltis
Ovgquvaé, Athen 1905 beibringen, um zu zeigen, dass das ‘The-
ma der slavischen Lehnwérter noch nicht erschdpft ist.
1. défegoc aaodyaupoos (Psaltis 176). Das in Sugden “Ex-
xiqoiat verbreitete Wort ist entlehnt aus bulg. de ver* «Schwa-
ger, Mannesbruders, skr. djever.
2. dgovPdve «Butterfass» (Psaltis 177). Als Quelle betra-
chte ich altbulg. druvenu «aus Holz», bulg. durven dass
Das Wort begegnete auch als dgoufére, dovefdre in Ophis, ‘Tra-
pezunt (ZVAoyog 18, 132) und als Soonfarord» d£dyada bei Theo-
doros Prodromos. Das a fiir bulg. e erklart sich durch die @—
Aussprache des bulgarischen Lautes.
3. Toba tadyeoy (Psaltis 179) ist entlehnt aus bulg. izba
«Keller, in die Erde gegrabene Hiittes, dessen Altere Form in
altbulg. istuba vorliegt.
4. xdooa payntiy dyay dluvgdy (Psaltis 180) ist bulg. kasa
«Brei, Griitzes. G, Meyer Neugriech. Studien 2, 30 kennt nur
das zusammengesetze xaoidaytra «Art Kuchen aus Weizenmelil»,
Epirus.
*) AU BAkenjey xota2Aiiov tuxoygapuxdy atorzetoy ca yedppara ¢, i, us,
nai e Bty Fito Suvardy ductuzGs va dnododody eis tac ohapixds Aéerg pe ce
xarddinha ororyeta tv chapixdy xeipévov. (Sqp. x6.)Zu den Slavischen Lehnwértern im Neugriechischen 455
5. eAdna H ores H éxpdtovaa te Gt ms (Psaltis 182). Aus
bulg. kldéka «Gluckhennes, klocka dass. Uber das slavische
Wort handelt ansfiihrlich Berneker Slav. etymol. Wérterbuch
I, 52t.
6. x06 fa xaléfy (Psaltis 182), Wegen des 0 und des b des
griechischen Wortes muss es entlchnt sein aus bulg. koliba
<«Hirtenhiittes, das seinerseits entlehnt ist aus griech. xatvfy,
nicht aus dem osmanischen, wie Berneker Slav. etymol. Wér-
terbuch 1,546 meint.
7. nord oa oréBhoc ray yolowy (f dékig chain) sagt Psaltis
183). Die Quelle ist bulg. kétara «Hiirdes, skr. kotar «Ge-
biet Grenze», verwandt mit altbulg. kotici »éla voania, s.
Berneker c. l. 1,588.
8, xotzeoos eidog parrtounros (Psaltis 183). Aus bulg. kuker,
ktukir «Schreckgespenst, Verkleideters (urspr. *k ukyr-), zur
Etymologie s. Mladenov Etimologic. Recnik 260.
g. xo bLea® ivdexh Bors (Psaltis 183: 6 dMazod heySpevog yad-
Jos # xo¥oxoc). Aus bulg. ktirka «Truthenne», altbulg. kuru
«Hann», Das list hyperkorrekt nach dem Verhiltnis von ddeg-
pos : Aehpds, zdoxwua: ydlxwua u. a.
10. xovadva’ gvdivn uexot oxdpy (Psaltis 184) entspricht
xondva dasselbe in Kesani (Thrakien). Es ist bulg. kop4nja,
kopanka ¢Trogs, s.G. Meyer Neugriech. Studien 2, 33.
Ir. WA Mrces' GIQwnoe oddevde dét0s (Psaltis rg1). Aus bulg.
momcé n, «Knabes, von momuk «Bursche, Diener>,
12. molroos todyos (Psaltis rg9). Entlehnt aus bnlg. pruc
«Ziegenbock, Schafbocks, das dialektisch auch als xgoita0; das-
selbe entlehnt worden ist (s. G. Meyer Neugriech. Studien 2,53).
13. taeBoéxa’ fordvg uc (Psaltis 208) ist wohl entlehnt aus
einem slav. *cembr-, russ. cabér «Satureia hortensis» und
«Thymus serpyllum», tschech. cAbr «Satureiay.
14. atovBila mrissm (Psaltis 204), ist gebildet von bulg.
stupa «Mérserkeule» aus *s tompa, das zusammen mit seinen
slavischen Verwandten entlchnt ist aus einer altgermanischen
Entsprechung von deutsch Stam pfe, angelsiichsisch stam pe.
15, 60860 xdxnvor yodua (Psaltis 200), Aus bulg. ruda
«Ez, rtid, -a, -0 «rots.
16, #élaA(n)* Hag perd surbowy Pefoaopéror, év h suPderov=456 Max Vasmer
ot 1d vhvara, Gra xaraonjowsw ard dewrega (Psaltis 188). Etwa
bulg. *mazalo «Salbe, Schmiere> zu altbulg. mazati «schmie-
ren, salben, einfetten>.
17. orazromémels: 6 dal ris répoas deatrducvos (Psaltis 204).
Zusammengesetzt aus ordzm «Asche> und bulg. pe pel’ «Asche.
18. xexegotya’ «Regenmiidchen>, madtoxy xexalvpjdyy xad? b=
Joxdyotay tnd zdorwr nai negreoyouérn vac ddob< by xag@ avou-
Boiac, Tater of otxodeondra rin olxidy, akqolov rr Sxotww Suéo~
zeta, xaraposzovor 81° dpA6rov Bdaros, vouiCortes bu ofita 4 mab-
on i dvouBola. TS E.uov root elvac év yoroe xai bv “Povpavia™
(so Psaltis 196 ff). Das Wort stammt aus bulg. peperiga
«Regenmidchen», auch «Schmetterling». Dieses ist aber nach
Mladenov Etimol, Recnik 418 eine Umegestaltung eines Lehn-
wortes aus griech, zeradovda, vgl. aber noch andere Maglichkei-
ten bei G. Meyer Neugriech. Studien 2, 86, Alb. Wb. 327.
Bedenkt man die weit nach Norden vorgeschobene Stellung
des neugriechischen Dialekts von Saranda - Ekklisia, aus dem
alle die oben erwahnten Worter stammen, dann muss der Ein-
fluss der bulgarischen Sprache dort als sehr geringfiigig bezei-
chnet werden. Es sind, wie auch die bereits frither von Gustav
Meyer gesammelten Lehnwérter, lauter Ausdriicke, die der bau-
etlichen Sprache angehdren, typische Restwérter einer
zuriickweichenden Bevélkerung. Ganz anders sieht der umge-
kehrte Einfluss aus,den das Bulgarische von Seiten des Griechi-
schen erfahren hat, das entsprechend seiner kulturellen Bedeu-
tung den nérdlichen Nachbarn viele Kulturwérter gegeben hat.
Diesen Einfluss zn schildern, muss ich mir hier yersagen, da das
den Rahmen einer Festschrift ganz erheblich iiberschreiten wiir
de. Der verehrte Herr Jubilar mége mir die Geringfiigigkeit
dieses Beitrages nachsehen und ihn als eine dédotc dAdyy te yin te
hinnehmen, die ihn an die Zeiten erinnern soll, als er in dem
alten Berlin den fiir die griechische Kultur empfanglichen
Deutschen die Liebe zu seiner Muttersprache beibrachte.
Berlin - Nikolassee,
MAX VASMER