Professional Documents
Culture Documents
2526675faa2545833851a4ad231824d0
2526675faa2545833851a4ad231824d0
Herausgegeben von
Irmtraut Koop
43 Abbildungen
© 2013 Georg Thieme Verlag KG Geschützte Warennamen (Marken) werden nicht besonders
Rüdigerstraße 14 kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises
70469 Stuttgart kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen
Deutschland freien Warennamen handelt.
Telefon: +49/(0)711/8931-0 Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrecht-
Unsere Homepage: www.thieme.de lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen
des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
Printed in Germany unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti-
gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei-
Zeichnungen: Karin Baum, Paphos, Zypern cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe
Umschlaggrafik: Martina Berge, Bad König
Redaktion: Dr. Susanne Meinrenken, Bremen
Satz: medionet Publishing Services Ltd., Berlin
gesetzt aus Adobe InDesign CS5
Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe
Anschriften
Herausgeber
Koop, Irmtraut, Prof. Dr. med.
Klinik für Allgemeine Innere Medizin
und Gastroenterologie
Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus
Haselkamp 33
22359 Hamburg
Mitarbeiter
Beckh, Karlheinz, Prof. Dr. med.
Medizinische Klinik II
Klinikum Worms gGmbH
Gabriel-von-Seidl-Str. 81
67550 Worms
Inhaltsverzeichnis
Gastroenterologische Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Gastroenterologische Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2 Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
H. Koop
4 Darm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
I. Koop
5 Anorektum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
G. Pommer
6 Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
J. Mayerle, P. G. Lankisch
7 Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
K. Beckh
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen . . 417 7.15 Maligne Tumoren der Leber . . . . . 453
7.8.1 Krankheiten des 7.15.1 Hepatozelluläres Karzinom . . . . . . . 453
Kohlenhydratstoffwechsels . . . . . . . 417 7.15.2 Fibrolamelläres Karzinom . . . . . . . 458
7.8.2 Alpha1-Antitrypsin-Mangel . . . . . . . 420 7.15.3 Hepatoblastom . . . . . . . . . . . . . . 459
7.8.3 Mukoviszidose . . . . . . . . . . . . . . 422 7.15.4 Angiosarkom . . . . . . . . . . . . . . . 459
7.8.4 Störungen des 7.15.5 Lebermetastasen . . . . . . . . . . . . . 460
Aminosäurenstoffwechsels . . . . . . . 423
7.8.5 Störungen des Harnstoffzyklus . . . . 424 7.16 Autoimmunhepatitis . . . . . . . . . 461
7.8.6 Lipidspeicherkrankheiten . . . . . . . . 425
7.8.7 Angeborene Störungen der Gallen- 7.17 Primär biliäre Zirrhose . . . . . . . . 463
wege und der Gallenbiosynthese . . . 428
7.8.8 Familiäre nicht hämolytische 7.18 Primär sklerosierende Cholangitis . 465
Hyperbilirubinämien . . . . . . . . . . 430
7.8.9 Gefäßmalformationen . . . . . . . . . . 432 7.19 Alkoholhepatitis . . . . . . . . . . . . 467
11 Pankreasfunktionsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538
J. Mayerle
12 Leberfunktionstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
K. Beckh
14 Dünndarmfunktionsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
I. Koop
Wissenswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564
Gastro
enterologische
Symptome
19
1 Differenzialdiagnose
wichtiger Leitsymptome
Definition Störung des Schluckvorgangs und des transösophagealen Transports für feste und/
oder flüssige Speisen.
Oropharyngeale Dysphagie: Die Patienten verschlucken sich, husten beim Essen
oder verweigern sich aus Angst vor Aspiration dem Essen und Trinken.
Ösophageale Dysphagie: Gefühl des Steckenbleibens der Nahrung hinter dem
Brustbein oder im Epigastrium. Häufig erfolgt Linderung durch Trinken, Essens-
pausen, auch Hüpfen, oder aber durch Erbrechen: Erbrochenes ist nicht sauer. Bei
ausgeprägter Stase sind nächtliche Aspirationen möglich (Husten, Räuspern etc.).
Ösophageale Dysphagie:
██Refluxkrankheit (wenn ohne peptische Stenose: eher eosinophile Ösophagitis?)
██eosinophile Ösophagitis (hier ist Dysphagie und rezidivierender Bolus Leitsym-
ptom)
██Motilitätsstörungen (Achalasie, Sklerodermie, diffuser Ösophagospasmus)
██Karzinome (ösophageal, extraösophageal via Kompression oder Ösophagus-
wand-Metastasen)
██Divertikel
██benigne Stenosen (gutartige Tumoren, Ringe bzw. Webs, Pseudodivertikulose,
Anastomosenstrikturen)
██Fremdkörper; Kompression von außen (Gefäße, spinaler Sporn)
██postoperativ (Fundoplicatio)
██funktionell
Differenzial Anamnese von zentraler Bedeutung, mit wenigen gezielten Fragen (Dauer der Dys-
diagnostisches phagie, Aspirationen, Bolusobstruktionen, Dysphagie für flüssige und / oder feste
Vorgehen Speisen, Odynophagie, Begleiterkrankungen etc) kann Verdachtsdiagnose gestellt
werden und zielgerichtete Diagnostik erfolgen.
Abb. 1.1 zeigt den Algorithmus der differenzialdiagnostischen Vorgehensweise bei
Dysphagie.
20 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
Endoskopie
Inspektion (Soor, Tu)
unklarer
o. B. Befund
spezifische Therapie
Röntgen (KM)
Röntgen (KM)
unklarer
HNO / Endoskopie
Befund
unklarer
Manometrie
Befund
PEG
spezifische Diagnostik (spezifische Therapie)
weitere Diagnostik
z. B.
Myasthenie o. B. o. B.
funktionelle
spezifische Therapie Symptomatik Therapieversuch
Abb. 1.1 Algorithmus bei Dysphagie (KM = Kontrastmittel; PEG = perkutane endoskopische Gastrostomie).
Oropharyngeale Dysphagie:
██HNO-ärztliche Untersuchung bzw. Endoskopie
██Röntenuntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel (dabei detaillierte
Darstellung des Einschluckakts)
██Röntgen: Thorax, HWS
██Manometrie des oberen Ösophagussphinkters
Ösophageale Dysphagie:
██Endoskopie, Biopsie (eosinophile Ösophagitis)
██Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel
██Manometrie
██Szintigrafie
██Röntgen: Thorax, BWS
Definition Anhaltende, teils auch krampfartige Schmerzen beim Schlucken. Primär retroster-
nal lokalisiert, häufig in Rücken, Hals und Unterkiefer ausstrahlend und mit Dys-
phagie kombiniert. Abgrenzung der Symptome zu Angina-pectoris-Beschwerden
häufig schwierig bis unmöglich.
1.3 Sodbrennen/retrosternaler (nicht kardialer) Schmerz 21
Mögliche
██ Infektionen: am häufigsten Soor, zudem andere Infektionen, teils mit Ulzera
Ursachen (HIV, CMV, Herpes, Tuberkulose)
██ Medikamentenulzera („Pillenösophagitis“)
██ Morbus Crohn
██ Tumoren
██ hypermotile Motilitätsstörungen; Refluxkrankheit (selten)
1.3 Sodbrennen/retrosternaler
(nicht kardialer) Schmerz H. Koop
Definition Von epigastral aufsteigender, brennender Schmerz hinter dem Brustbein, der u. U.
bis in den Hals und in den Pharynx ausstrahlt, häufig assoziiert mit saurem Aufsto-
ßen und saurer Regurgitation. Auslöser ist der Rückfluss von Säure in den Ösopha-
gus, aber auch duodenogastroösophagealer Reflux; in letzterem Fall meist bitteres
Aufstoßen bzw. gallige Regurgitation. Fließende Übergänge vom Sodbrennen zum
rein retrosternalen Schmerz.
Differenzial Wird Sodbrennen als führendes Symptom angegeben, ist eine gastroösophagea-
diagnostisches le Refluxkrankheit sehr wahrscheinlich; ist es dagegen untergeordnetes Symptom
Vorgehen bei anderen im Oberbauch lokalisierten Beschwerden, kommt Sodbrennen keine
für die Diagnostik wegweisende Bedeutung zu. Refluxkrankheit kann mehr (ret-
rosternalen) Thoraxschmerz auslösen, für Patienten u. U. schwer vom Sodbrennen
abzugrenzen.
Wichtigste weiterführende Untersuchungen:
██ Endoskopie bzw.
██ Probetherapie mit Protonenpumpenblocker, bei Patienten mit (nicht kardialem)
Thoraxschmerz: NNT [number needed to treat] = 3!
██ EKG in Ruhe und unter Belastung: zum Ausschluss einer KHK
██ Manometrie: in seltenen Fällen
██ Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel: zur Klärung von Motilitätsstörungen
Literatur Koop H, Benter T. Gastroösophageale Refluxkrankheit – Klinik, Diagnostik und Therapie. Gastroenterol
up2date 2008; 2: 117–137
22 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
Definition Übler Mundgeruch, der sowohl objektivierbar sein kann als auch nur vom Patien-
ten subjektiv empfunden wird, ohne dass sich pathologische Befunde erheben las-
sen. Beim Foetor ex ore sind Ursachen im Oro- und Nasopharynx, bei der Halitosis
in tiefer gelegenen Organen (Lunge, oberer Gastrointestinaltrakt) lokalisiert.
Mögliche Lokalisation in Oro- oder Nasopharynx: Foetor ex ore und Halitosis durch bakte-
Ursachen rielle Abbauprodukte:
██ mangelnde Mundhygiene/Zahnbeläge/Karies/schlecht sitzende Prothesen
██ massive (borkige) Beläge auf Zunge und Mundschleimhaut
██ akute und chronische Entzündungen im HNO-Bereich (Rhinitis, Angina tonsil-
laris etc.)
██ Tumoren in Oro- und Nasopharynx
██ gestörte Selbstreinigung (z. B. beim Sicca-Syndrom)
Mögliche Im Einzelfall ist abzuwägen, wie weit ggf. die diagnostische Abklärung möglicher
Ursachen Ursachen betrieben wird. Es folgt eine Auswahl möglicher Ursachen, häufige sind
mit einem Stern * markiert.
██Irritation des N. vagus oder N. phrenicus:
–– Pharyngitis, Laryngitis, HNO-Tumoren
–– Struma*
–– intrathorakale Prozesse (entzündlich, tumorös)
–– Hiatushernie, Refluxkrankheit*
1.6 Übelkeit 23
–– gastrointestinale Tumoren
██ Erkrankungen des Zentralnervensystems:
–– Schädel-Hirn-Trauma*
–– Schlaganfall*
██ toxisch oder durch Medikamente induziert:
–– Alkohol(intoxikation)*
–– Anästhetika
–– Benzodiazepine
–– kurz wirksame Barbiturate
██ psychogen:
–– Stress
–– Angstzustände
–– Aufregung
Literatur Hernández JL, Pajarón M, García-Regata O et al. Gabapentin for intractable hiccup. Am J Med 2004; 117: 279–281
Ramirez FC, Graham DY. Treatment of intractable hiccup with baclofen: results of a double-blind rando-
mized, controlled, cross-over study. Am J Gastroenterol 1992; 87: 1789–1791
Becker DE. Nausea, vomitting, and hiccups: a review of mechanisms and treatment. Anesth Prog 2010; 57:
150–157
Definition Gefühl eines drohenden Erbrechens und die damit verbundene Unfähigkeit, Nah-
rung zu sich zu nehmen. Neben dem im oberen Verdauungstrakt und Pharynx lo-
kalisierten subjektiven Krankheitsgefühl finden sich häufig begleitend vegetative
Symptome wie Tachykardie und Schwitzen.
Therapie Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Störung.
Literatur Becker DE: Nausea, vomitting, and hiccups: a review of mechanisms and treatment. Anesth Prog 2010; 57:
150–157
Definition Das durch Muskelkraft induzierte Hochtreten von Nahrung aus dem Magen oder
Ösophagus. Fehlt die aktive Beteiligung der Muskelkraft, spricht man besser von
einer Regurgitation.
Dem Erbrechen liegt ein komplexes Geschehen zugrunde, an dem das Tiefertreten
des Zwerchfells, die Anspannung der Bauchmuskulatur, der Verschluss des Pylorus
und eine Relaxation von Fundus und Kardia beteiligt sind. Durch die Muskelkraft
wird die Nahrung in die Mundhöhle gepresst, während durch Glottis und Naso-
pharynx die Abdichtung des Nasenraumes erfolgt. Häufig, aber nicht unabdingbar
geht dem Erbrechen eine Übelkeit voraus; in aller Regel ist es begleitet von Zeichen
vagaler Aktivität (z. B. Speichelfluss).
Das Brechzentrum liegt in der Formatio reticularis der Medulla oblongata und ko-
ordiniert den komplexen Brechvorgang; von dort erfolgt die Aktivierung des N.
phrenicus (zum Zwerchfell), von Spinalnerven (zur Bauchwand und intestinalen
Muskeln) und viszeraler efferenter Vagusfasern (zu Larynx und Pharynx).
Eine Sonderform ist Miserere: Es handelt sich um das Erbrechen von Stuhl oder in
Geruch und Farbe ähnlicher Flüssigkeit.
Mögliche Eine Aktivierung des Brechzentrums kann durch unterschiedliche Störungen erfol-
Ursachen gen; dabei ist eine Abgrenzung der einzelnen Angriffspunkte nicht immer möglich,
sondern das Erbrechen kann Folge einer Interaktion auf mehreren Ebenen sein.
Lokale Ursachen im oberen Gastrointestinaltrakt: Die häufigsten Ursachen sind
akute Erkrankungen wie Ulcus pepticum (insbesondere mit Ausbildung einer Ma-
genausgangsstenose), akute (nicht chronische!) Gastritis, (infektiöse) Gastroente-
ritis, aber auch ein Reizmagen. Eine Obstruktion im oberen Gastrointestinaltrakt
durch Tumoren, Volvulus oder bei der Achalasie führt ebenfalls zu Erbrechen. Es
kann aber auch führendes Symptom einer anderen akuten Oberbaucherkrankung
(z. B. akute Pankreatitis, Gallenkolik) oder einer Irritation des Pharynx sein. Über-
dehnung des Magens (akute Blutung, Gastroparese) bzw. des Ösophagus (Achala-
sie, Bolusobstruktion) führt zu einem reflektorischen Erbrechen.
Zentrale Ursachen: Sowohl starke Schmerzen (Gallen- und Nierenkolik, Myokard-
infarkt, Migräne), Schock, Sepsis oder Gefäßveränderungen (z. B. Migräne, hyper-
tone Krise, Kleinhirninfarkt) als auch eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks
(z. B. Subarachnoidalblutung) können das Brechzentrum aktivieren. Bei zentralen
Ursachen fehlt häufig die vorausgehende Übelkeit. Es kommt vielmehr zu einem
unvorbereiteten schwallartigen Erbrechen. Emotionale Reaktionen wie Stress oder
Überforderungsangst können zu einem psychogenen Erbrechen führen. Nicht selten
kommt es zu einer Konditionierung (z. B. nach einer emetogenen Chemotherapie),
sodass das Erbrechen auch bei Umstellung auf nicht emetogene Therapie oder be-
reits bei bevorstehendem Krankenhausaufenthalt oder Arztbesuch einsetzt. Ekel-
1.7 Erbrechen 25
erregende Eindrücke können über Auge, Nase und Mund das Brechzentrum akti-
vieren.
Toxische Ursachen: Medikamente können das Brechzentrum oder die Chemore-
zeptor-Triggerzone aktivieren; hier sind in erster Linie Digitalispräparate, Morphin
und seine Derivate und Chemotherapeutika zu nennen; letztlich können aber na-
hezu alle Pharmaka im Einzelfall emetogen wirken. Erbrechen kann nicht nur Sym-
ptom einer Überdosierung sein, sondern auch bereits bei üblichen Dosierungen
bzw. bei normalen Serumspiegeln auftreten. Neben einem direkten Angriffspunkt
im ZNS kann das Erbrechen auch durch eine Irritation der Mukosa im oberen Gas-
trointestinaltrakt hervorgerufen werden (z. B. Salizylate, Antirheumatika). Schwe-
re metabolische Entgleisungen (z. B. Coma oder Praecoma diabeticum, Leberkoma,
Addison-Krise, Thyreotoxikose, Urämie) und hoch fieberhafte Erkrankungen füh-
ren über Toxine und/oder Anhäufung von Stoffwechselprodukten zum Erbrechen.
Vestibuläre Ursachen: Eine Aktivierung des Vestibularisapparats (z. B. im Rahmen
der Seekrankheit), aber auch organische Erkrankungen des Labyrinths (Morbus
Menière, paroxysmaler benigner Lagerungsschwindel, Vestibulariskrise, Otitis me-
dia, vaskuläre Erkrankungen) können zum Erbrechen führen.
Weitere unterschiedliche Ursachen: Die Frühphase einer Gravidität kann mit hef-
tigem Erbrechen einhergehen.
Miserere ist ein Symptom des fortgeschritteneren, weiter distal gelegenen Ileus
(mechanisch oder paralytisch). Ursachen sind u. a. Tumoren im mittleren oder dis-
talen Dünndarm und Kolon, ein Bridenileus oder intestinale Ischämie (Mesenteri-
alvenenthrombose, Embolie in die A. mesenterica superior).
Differenzial Die klinische Konstellation, in die das Erbrechen eingebettet ist, erlaubt häufig we-
diagnostisches sentliche Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Störung. Daher kommt der Ana-
Vorgehen mnese eine zentrale Rolle zu. Faktoren, wie Dauer und Zeitpunkt des Erbrechens,
Aussehen, Geschmack und Geruch des Erbrochenen, sind ebenso wichtig wie die
gesamten Begleitumstände.
Das weitere Handeln wird bestimmt durch den Grad der Gefährdung des Patien-
ten: Länger anhaltendes Erbrechen führt zu Dehydratation, Elektrolytentgleisung,
Malnutrition und sekundären Mukosaschäden an Ösophagus (Ösophagitis) und
Kardia (Mallory-Weiss-Syndrom); Bluterbrechen führt u. U. zum hypovolämischen
Schock. Mit zunehmender Verschlechterung des Zustands können zusätzliche
Komplikationen hinzukommen (z. B. Aspiration). In solchen Fällen ist naturge-
mäß rasche Abklärung erforderlich. Entsprechend der möglichen zugrunde liegen-
den Ursache wird eine bildgebende (in erster Linie endoskopische) Diagnostik
des oberen Gastrointestinaltrakts erfolgen oder Laboruntersuchungen (ggf. ein-
schließlich Spiegelbestimmung von relevanten Medikamenten, Schwangerschafts-
test). Bei Verdacht auf ZNS-Erkrankungen sind Computertomografie, Kernspinto-
mografie, EEG oder Lumbalpunktion indiziert. Schließlich ist ggf. eine psychiatri-
sche Evaluation erforderlich (Bulimie, psychogenes Erbrechen, Anorexia nervosa).
Literatur Hasler WM, Chey WD. Clinical management. Nausea and vomiting. Gastroenterology 2003; 125: 1860–1867
Quigley EM, Hasler WL, Parkman HP. AGA technical review on nausea and vomiting. Gastroenterology 2001;
120: 263–285
26 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
Differenzial Anamnese:
diagnostisches ██Art des Erbrochenen (hellrotes Blut, Kaffeesatz), Dauer der Symptome
Vorgehen ██geschätzter Blutverlust (Angaben des Patienten aber häufig unzuverlässig und
zu hoch eingestuft)
██zusätzlich Meläna
██Ulkusvorgeschichte bzw. ulzerogene Medikamente
██Lebererkrankungen
Klinische Untersuchungsbefunde:
██Inspektion: Leberhautzeichen
██Schockzeichen und andere Indikatoren der Blutungsintensität (Puls, Blutdruck)
██klinische Befunde ansonsten zumeist wenig aussagekräftig
(Notfall-)Endoskopie:
██vorrangig vor Endoskopie ist Stabilisierung des Patienten (großlumige venöse
Zugänge, Volumengabe, ggf. Transfusion)
██Endoskopie vermutlich schwierig (Sedierung bei unruhigem Patienten, Intubati-
on bei massiver Blutung etc.): Durchführung auf Intensivstation
██bei vermutlich hoher Blutungsintensität bzw. mit Koageln austamponierter Ma-
gen: Erythromycin 250 mg i. v. zur Entleerung des Magens vor Endoskopie
██Endoskopie wichtigste diagnostische Maßnahme zur Identifikation der Blutungs-
quelle; bei unübersichtlichen Verhältnissen (Speisereste, viel ältere Koagel etc.)
muss Endoskopie (ggf. nach Spülung) wiederholt werden
██therapeutische Maßnahme bei Endoskopie: ggf. endoskopische Blutstillung
██bei geringfügiger Blutungsintensität und hämodynamischer Stabilität (oft Re-
fluxösophagitis: typisch bei geriatrischen/dementen Patienten ohne ulzerogene
Pharmaka und/oder Antikoagulanzien): Endoskopie elektiv, Protonenpumpen-
blocker
Abb. 1.2
+lPDWHPHVLV
Algorithmus
der differenzial
diagnostischen %OXWXQJVLQWHQVLWlWDEVFKlW]HQ
Vorgehensweise .OLQLN.UHLVODXISDUDPHWHU%OXWELOG
bei Hämatemesis.
PRGHUDWELVKRFK JHULQJ
.UHLVODXIVWDELOLVLHUXQJ
9ROXPHQ7UDQVIXVLRQ
(U\WKURP\FLQLY
VWDELOLVLHUW
1RWIDOO(QGRVNRSLH hEHUZDFKXQJ
JJIPLW%OXWVWLOOXQJ (QGRVNRSLHHOHNWLY
Literatur Pohl H, Rösch T. Die obere gastrointestinale Blutung: Differentialdiagnose und Therapie. Gastroenterol up-
2date 2005; 2: 167–184
Fischbach W et al. Gleichzeitige Anwendung von Thrombozytenaggregationshemmern und Protonenpum-
peninhibitoren (PPI): Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel-
krankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Z Gastroenterol 2010; 48:
1156–1163
1.9 P
eranaler Blutabgang:
Hämatochezie, Meläna, okkulte Blutung I. Koop
Nach Lokalisation:
██obere gastrointestinale Blutung: 80–90 %, bis zur Duodenalpapille, für das Gast-
roskop erreichbar, je nach Lage und Intensität auch mit Hämatemesis, s. Kap. 1.8
██mittlere gastrointestinale Blutung: 3–5 %, distal der Papille bis Ileozökalklappe
(Einsatz Kapselendoskopie, Ballonendoskopie)
██untere gastrointestinale Blutung: 10–15 %, von Ileozökalklappe bis Anus, für Ko-
loskop erreichbar. Männer > Frauen, mit zunehmendem Alter häufiger
██obskure Blutung: Blutungsquelle nicht lokalisierbar
28 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
Differenzial Cave: Je dunkler das peranale Blut, desto weiter kranial die Blutungsquelle (weite-
diagnostisches rer Einflussfaktor: je länger die Passagezeit, desto mehr Schwarzverfärbung). Blutun-
Vorgehen gen aus dem oberen Gastrointestinaltrakt sind häufiger akut kreislaufwirksam und
lebensbedrohlich, aus dem unteren Gastrointestinaltrakt seltener akut bedrohlich.
Anamnese: Teerstuhl, aber auch Hämatemesis können verzögert auftreten, Kol-
laps/Synkope u. U. erstes Symptom! Bauchschmerzen untypisch; sonstige Anam-
nese: s. Ursachen. Medikamente: Antikoagulanzien, Azetylsalizylsäure, Clopidog-
rel, NSAR, v. a. in Kombination angewandt, können im gesamten Gastrointestinal-
trakt zu Blutungen führen.
Untersuchung: Einschließlich rektal-digital (cave: Verwechslung Teerstuhl mit an-
thrazitfarbenem Stuhl bei Eiseneinnahme; Nahrungsmittel: Blaubeeren, rote Bee-
te); Blutnachweis im Stuhl „bedside“ kann Zusatzinformation geben; vgl. Kap. 13,
Fäkale okkulte Bluttestung; ggf. auch gynäkologische, urologische, HNO-Untersu-
chung.
Diagnostische Verfahren:
██Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD): falls okkulte Blutung bzw. Eisenmange-
lanämie: plus Duodenalbiopsien (Zöliakie). Ausnahme: hellroter Blutabgang nach
dem Stuhlgang macht Blutungsquelle im Analbereich wahrscheinlich, dann als
erstes Prokto-/Sigmoidoskopie. Falls keine Ursache gefunden möglichst zeitnah
██Ileokoloskopie: vorher rasche Darmsäuberung mittels orthograder Lavage hilf-
reich; Zeitpunkt von Schwere der Blutung abhängig, bei massiver Blutung kann
notfallmäßige Mesenterikografie/Angio-CT sinnvoller sein
–– cave: ÖGD und Koloskopie weisen nicht absolut zuverlässig eine Blutungs-
quelle nach (intermittierende Blutung),
–– ggf. großzügig Wiederholung der Untersuchungen
██Sonografie: ergänzend, Darmsonografie (Tumor), Aortenaneurysma, Leberzir-
rhose
1.9 Peranaler Blutabgang: Hämatochezie, Meläna, okkulte Blutung 29
SHUDQDOHU%OXWYHUOXVW
QXUEHL
KHOOURWHQ
%OXWDXI g*' ,OHRNRORVNRSLH
ODJHUXQJHQ
%HIXQG7KHUDSLH
NHLQ%HIXQG
DNXWH3URNWR5HNWR NHLQ%HIXQG
6LJPRLGRVNRSLH
]XVlW]OLFKH%OXWXQJV
TXHOOHZDKUVFKHLQ
" OLFK"
,OHRNRORVNRSLH g*' ² $6616$5$QWL
%HIXQG7KHUDSLH LP NRDJXODQ]LHQ
,QWHUYDOO ² 2EHUEDXFK
VFKPHU]HQ
² K|KHUHV$OWHU
ʫIDOOVg*'XQG.RORVNRSLHRKQH%HIXQGZHLWHUH%OXWXQJVVXFKHMHQDFK%OXWXQJVLQWHQVLWlW5H]LGLYKlXILJNHLW
$OWHUXQG.RPRUELGLWlWGHV3DWLHQWHQ 'LDJQRVWLVFKH9HUIDKUHQVX
=|OLDNLHDENOlUHQ'XRGHQDO3(V$QWL7UDQVDPLQDVH$QWLN|USHU
Abb. 1.3 Algorithmus der differenzialdiagnostischen Vorgehensweise bei peranalem Blutverlust (ÖGD = Ösophago
gastroduodenoskopie).
██ Kapselendoskopie:
–– Indikation: Verdacht auf mittlere GI-Blutung, nachdem mindestens einmal
ÖGD und Ileokoloskopie ohne Befund waren. Diagnostische Ausbeute: ca.
60 %, korreliert mit guter Patientenselektion. Praediktive Faktoren für positi-
ve Ausbeute: overte, anhaltende Blutung (bis 90 %), NSAR/Antikoagulanzien-
einnahme, begleitende Lebererkrankung
–– Kontraindikation: Schwangerschaft; Schluckstörungen, Stenose im GI-Trakt
(Gefahr des Steckenbleibens): Anamnese! Ggf. vor der Untersuchung eine
„Patency-Kapsel“ schlucken lassen (Kapsel, die sich im Falle des Hängenblei-
bens auflöst); elektromedizinisches Implantat (Herzschrittmacher): bislang
jedoch keine Interferenzen gesehen, Patienten aufklären! Ggf. stationäre
Beobachtung und SM-Kontrolle.
–– Möglichst zeitnah zur Blutung durchführen, Ausbeute höher
–– Vorteil: wenig belastend, ambulant durchführbar, Untersuchung des gesamten
Dünndarms; Nachteil: Biopsieentnahme und lokale Therapie nicht möglich
–– cave: keine MR-Tomografie vor dem Ausscheiden der Kapsel
30 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
Literatur May A et al. Kapselendoskopie in der Diagnostik von Dünndarmerkrankungen. Update des Positionspapiers
der Sektion Endoskopie der DGVS. Z Gastroenterol 2010; 48: 1384–1404
Albert JG et al. Untere gastrointestinale Blutung. Gastro up2date 2010; 6: 265–278
Raju GS et al. American Gastroenterological Association (AGA) Institute Technical Review on obscure
gastrointestinal bleeding. Gastroenterology 2007; 133: 1697–1717 (www.gastro.org → search: obscure
gastrointestinal bleeding)
Definition Schmerzen entweder im gesamten Abdomen oder auf bestimmte Regionen be-
schränkt. Cave: Schmerzursache muss nicht im Abdomen liegen! Die Grenze zwi-
schen akuten und chronischen Bauchschmerzen ist fließend.
Differenzial Schmerzen können akut auftreten, dann größere Differenzialdiagnose, aber auch
diagnostisches chronisch oder chronisch-rezidivierend verlaufen. Sowohl für akute als auch chro-
Vorgehen nische Bauchschmerzen gilt: gezielte Anamnese und körperliche Untersuchungs-
befund sind Schlüssel für (Verdachts)Diagnose bzw. zielgerichtete Diagnostik.
Abb. 1.4
6FKPHU]W\S 'LDJQRVH
Schmerztypen
verschiedener 8ONXVSHUIRUDWLRQ 0HVHQWHULDO *DOOHQEODVHQ
LQIDUNW SHUIRUDWLRQ
akuter abdo
minaler Erkran
kungen (Quelle:
Klinggräff 2008).
3HUIRUDWLRQ
.ROLN
$SSHQGL]LWLV 3DQNUHDWLWLV &KROH]\VWLWLV
(QW]QGXQJ
██ parietaler Schmerz: scharf, kann umschrieben sein (dann vom Patienten gut
zu benennen), aber auch generalisiert das ganze Abdomen betreffen (diffuse
Peritonitis), wird typischerweise durch Bewegung (und Palpation!) verstärkt.
Parietaler Schmerz kann sich aus viszeralem Schmerz entwickeln (viszeraler
Schmerz bei Appendizitis → nach Perforation mit konsekutiver Peritonitis → pa-
rietaler Schmerz)
32 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
Tab. 1.2 Mit Bauchschmerzen einhergehende Erkrankungen in Abhängigkeit von ihrer dominierenden Schmerzloka
lisation.
Linker Unterbauch Divertikulitis Meist im Verlauf des Colon sigmoideum; cave: rechtsseiti
ge Divertikulitis kann wie Appendizitis imponieren
Diffuser Bauch Mesenterialischämie (arteriell Schmerz initial heftig, dann zunächst Besserung, mit Peri
schmerz (teils und venös) tonitis wieder massiv
schlecht lokalisier
Ileus Lokalisation je nach Ort der Obstruktion
bar oder Lokalisati
on variabel) Aortendissektion Heftiger Schmerz (wie Messerstich)
Peritonitis (Ursachen vielfältig) Beginn häufig lokal, im Verlauf (ohne Therapie) mehr diffus
██ projizierter Schmerz (z. B. bei vertebrogener Ursache, Herpes zoster): meist auf
Körperoberfläche projiziert ähnlich parietalem Schmerz, es fehlt aber die peri-
tonitische Komponente
Schmerztherapie: Insbesondere bei starken Schmerzen ist die Gabe von Analgeti-
ka dringend geboten. Falls operativer Eingriff wahrscheinlich ist, sollte – soweit die
Schmerzintensität dies zulässt – auf Opiate verzichtet werden (Fähigkeit zur Ein-
willigung in Operation ansonsten eingeschränkt).
Untersuchung (Tab. 1.2):
██Allgemeiner Eindruck: Körperhaltung, Schock- bzw. Sepsiszeichen, Unruhe,
Hautveränderungen etc.
██Inspektion des Abdomens: gebläht, aufgetrieben, Hinweis für Bauchwandher-
nien
██Auskultation (stets vor weiterer Untersuchung): Beurteilung der Darmgeräu-
sche (normal, hochgestellt, vermindert, fehlend)
██Palpation/Perkussion: zunächst leichtes Klopfen (Fingerspitzen) auf Zeichen einer
floriden Peritonitis; Perkussion (Aszites, vermehrter Gasgehalt etc); Prüfung auf
Abwehrspannung mit zunehmend tieferer Palpation, soweit möglich (z. B. „Gum-
mibauch“ bei Pankreatitis), Prüfung auf Loslassschmerz, auf Hernien achten
██Prüfung auf Bauchwandschmerz durch Carnett-Test (Abb. 1.5):
–– Differenzialdiagnose zwischen viszeralem (intraabdominell bedingtem)
Schmerz und von Bauchwand ausgehender Problematik; Vorgehen:
Schmerzpunkt aufsuchen und kräftige Palpatation (meist mit einem Finger
██
Abb. 1.5
Carnett-Test bei Bauchwandschmerz (Carnett-Test)
Bauchwand
schmerz (Quelle:
Lankisch et al.
2006).
positiv negativ
traumatisierter Nerv?
Hernie?
frei bewegliche Rippe?
posttraumatisches
Muskelscheidensyndrom?
34 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
Vgl. Tab. 1.2; viele der dort dargestellten Ursachen können auch zu chronischen Beschwerden
führen
Patienten über ca. 45 Jahre ist der Ausschluss einer organischen Erkrankung not-
wendig, aber bei langjährigem Verlauf und typischer Klinik ohne Symptomwandel
stetige Wiederholung der Diagnostik vermeiden.
Literatur Klinggräff G v. Akutes Abdomen. In: Seitz KH, Schuler A, Rettenmaier G, Hrsg. Klinische Sonographie und
sonographische Differenzialdiagnose. Bd. 2. Stuttgart: Thieme Verlag 2008: 817 ff
Lankisch PG et al. Das akute Abdomen aus internistischer Sicht (Zertifizierte medizinische Fortbildung).
Dtsch Ärztebl 2006; 103: A2179–2187
Thomas SH, Silen W. Effect on diagnostic efficiency of analgesia for undifferentiated abdominal pain. Br J
Surg 2003; 90: 5–9
Definition Deskriptive Bezeichnung für einen bedrohlichen Zustand mit (sehr) starken Bauch-
schmerzen und Verdacht auf abdominelle Ursache, die schnellstens zu klären ist,
da häufig ein chirurgischer Notfalleingriff erforderlich ist und/oder die Prognose
bei schleppender Diagnostik sich rasch verschlechtern kann. Klinisch bestehen ne-
ben den massiven Abdominalschmerzen meist eine Abwehrspannung, reduzierte
(ggf. auch hochgestellte) Darmgeräusche und insgesamt ein schweres allgemeines
Krankheitsbild (ggf. mit Kreislaufinstabilität).
Differenzial Wichtig: Über 90 % der Fälle eines akuten Abdomens verteilen sich auf folgende 10
diagnostisches Krankheitsbilder (Miettinen et al. 1996) (Tab. 1.4):
Vorgehen ██akute Appendizitis
██akute Cholezystitis
██akute Divertikulitis
██Ileus
██gynäkologische Erkrankungen
██akute Pankreatitis
██Nierenkolik
██(perforiertes) Ulcus pepticum
██Karzinome im Magen-Darm-Trakt
██Cave: In 30 % uncharakteristische Bauchschmerzen, die innerhalb von 48 h
spontan abklingen
Mesenteriale Ischämie (A. mesen Dran denken (Risikoprofil der Patienten)!, Angio-CT
terica superior) (Verdacht für Indikation ausreichend)
Nach Anamnese und klinischer Untersuchung führt als Bildgebung die Computer-
tomografie am schnellsten zur Klärung, daher ist frühzeitiges CT in Notfallzent-
ren häufig Teil eines standardisierten Ablaufs für Triage (Tab. 1.4; in einigen Fällen
ist kompetente Ultraschalluntersuchung gleichwertiges bildgebendes Verfahren);
dennoch: stets Indikation zum CT zugunsten alternativer Verfahren hinterfragen
(Strahlenbelastung!). Bei möglicher vaskulärer Ursache sollte möglichst ein Angio-
CT durchgeführt werden. Labor nur selten wegweisend, aber insbesondere für Ver-
laufsbeurteilung wichtig.
Tipps und Tricks ██ Interdisziplinarität: Akutes Abdomen ist immer ein interdisziplinärer Fall für
Gastroenterologen/Internist, Viszeral-/Allgemeinchirurg, ggf. Gynäkologe
██ Immunsuppressive Therapie: Symptomatik kann erheblich reduziert sein (we-
niger Schmerzen, kein Fieber etc.) gegenüber vergleichbarer Situation beim im-
mungesunden Patienten. Schwelle für weitergehende Diagnostik (und ggf. Ope-
ration) muss daher viel geringer sein. Gleiches gilt für Patienten unter Antirheu-
matika bzw. stark wirksamen Analgetika.
██ Atypische Schmerzangabe: Schmerzen im Oberbauch aufgrund einer Appendi-
zitis bei hochgeschlagener Appendix oder in fortgeschrittener Schwangerschaft.
Oberbauchperitonitis bei basaler Pleuritis.
Literatur Lankisch PG et al. Das akute Abdomen aus internistischer Sicht (Zertifizierte medizinische Fortbildung).
Dtsch Ärztebl 2006; 103: A2179–2187
Miettinen P et al. Acute abdominal pain in adults. Ann Chir Gynaecol 1996; 85: 5–9
Klar E et al. Akute mesenteriale Ischämie – ein vaskulärer Notfall. Dtsch Ärztebl 2012; 109: 249–256
Differenzial Anamnese:
diagnostisches ██Ernährung (Zuckeraustauschstoffe! Auch Bonbons, Kaugummi), Medikamen-
Vorgehen te, Milchunverträglichkeit, sonstige Abdominalbeschwerden, Gewichtsverlust,
Operationen, Diabetes mellitus.
Körperliche Untersuchung:
██Gasgefülltes Abdomen, atypische Form; Aszites, Lymphome; rektal-digitale Auf-
fälligkeit.
Labor:
██CRP, BB, GPT, Protein, BZ; ggf. Laktose-H2-Atemtest.
Weiterführende Diagnostik:
bei Verdacht auf organische Ursache (Stenose) Röntgen-Abdomenübersicht,
██
riale Ischämie)
obere/untere Endoskopie mit Biopsien aus Duodenum (Zöliakie)
██
Literatur Harder H et al. Meteorismus – Ursachen und gezielte Therapieansätze. Dtsch Ärztebl 2005; 102: A3264–
3270
Lembcke B. Intestinale Gasbildung. In: Hahn EG, Riemann JF, Hrsg. Klinische Gastroenterologie. Stuttgart:
Thieme Verlag 2000: 375–380
Sonderformen, ██ falsche Diarrhö: Erhöhte Stuhlfrequenz bei normalem Stuhlgewicht (z. B. Reiz-
weitere magen-/Reizdarmsyndrom, Proktitis, fäkale Inkontinenz)
Symptome ██ paradoxe Diarrhö: Breiiger bis flüssiger Stuhl obwohl eine (meist distale) Ob-
struktion vorliegt (Koprostase/Stuhlimpaktation, Kolon-/Rektumstenose durch
Tumor oder entzündliche Stenose); auch Wechsel von Obstipation und Durchfall
möglich
1.13 Diarrhö 39
Differenzial ██ Indikation zu weiterer Diagnostik (und Therapie): Bei älteren Patienten immer
diagnostisches an Mesenterialischämie denken! Im Zweifel: sofortige stationäre Einweisung.
Vorgehen Ansonsten: Wenn Symptomatik >48 h persistiert, starke Bauchschmerzen, blu-
tige Diarrhöen, hohes Fieber bestehen, Patienten mit Immunsuppression, Gefahr
von Exsikkose, Nierenversagen, individuell nach Reiseanamnese, Differenzialdi-
agnose nichtinfektiöse Diarrhö (s. Ursachen)
██ je nach Anamnese (Abb. 1.6 Anamnestisch begründete differenzialdiagnostische
Überlegungen zur akuten infektiösen Diarrhö (Auflistung potenzieller Keime nicht
vollständig).), Art des Durchfalls und weiteren Symptomen, dadurch Korrelati-
on zu bestimmten Erregern möglich:
–– wässriger Durchfall mit Übelkeit/Erbrechen, mäßig Bauchschmerz, selten Fie-
ber: Toxininduzierte Gastroenteritis durch Staph. aureus, Bacillus cereus,
Clostridium perfringens, Vibrio cholerae, ETEC, Klebsiella pneumoniae, Aero-
monas spp.
–– wässriger Durchfall mit Bauchschmerz, Fieber, auch Übelkeit/Erbrechen:
██ häufig Norovirus, Rotavirus
██ selten und wenig Erbrechen: enteropathogene E. coli, Giardia,
Kryptosporidien, Helminthen
–– wässrig/blutiger Durchfall mit Bauchschmerz und Fieber: Clostridium difficile
(selten blutig), hämorrhagische E. coli (EHEC), Salmonellen, Yersinien; häufig
blutig: Campylobacter, Shigellen, enteroinvasive E. coli, Entamoeba histolytica
██ Stuhluntersuchung:
–– ohne Auslandsaufenthalt: in Abhängigkeit von Anamnese und Wahrschein-
lichkeit des infektiösen Agens: Stuhl auf Salmonellen, Campylobacter, Yersi-
nien, Clostridium-difficile-Toxin A+B und/oder Noro-/Rotaviren, EHEC
–– mit Auslandsaufenthalt: entsprechend landestypischer Infektionsvorkom-
men, evtl. Rücksprache mit Tropeninstitut
40 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
Abb. 1.6 Anamnestisch begründete differenzialdiagnostische Überlegungen zur akuten infektiösen Diarrhö (Auflis
tung potenzieller Keime nicht vollständig).
Mögliche Eingrenzung durch subtile Anamnese (s. a. akute Diarrhö) der Beschwerden, von
Ursachen Nahrungsgewohnheiten, chronischem Alkoholkonsum, Medikamenten (auch
selbst gekaufte in Apotheken, Drogerien, Internet!), Nahrungsergänzungsmitteln,
Vorerkrankungen, insbesondere Operationen an Magen und Dünndarm (Kurz-
darm, „blinde Schlinge“, Fistel; auch 10 % der Patienten nach Cholezystektomie
erleiden Durchfall), abdominellen Bestrahlungen (gynäkologisch, Prostata, Lym-
phom etc.) und durch Familienanamnese (Tumoren, Zöliakie, chronisch entzündli-
che Darmerkrankung) (Abb. 1.7).
0|JOLFKH8UVDFKHQFKURQLVFKHU'LDUUK|QDFK2UJDQJHELHWHQ
VHOWHQ0RUEXV:KLSSOH
$P\ORLGRVHLQWHVWLQDOH
/\PSKDQJLHNWDVLH*LDUGLD
,QIHNWLRQ.U\SWRVSRULGLHQ
WURSLVFKH6SUXH+,9(QWHUR
SDWKLH*DOOHQVlXUHPDO
DEVRUSWLRQ
Im ambulanten Bereich ist das Reizdarmsyndrom (RDS) häufig und steht daher
nach der normalen Basisuntersuchung an nächster Stelle der Differenzialdiagnose;
cave: im Zweifelsfall weiterführende Diagnostik!
Abb. 1.8 zeigt einen Algorithmus zur weiterführenden Diagnostik bei chronischer
Diarrhö.
██Cave: Im Zweifelsfall frühzeitige Ileokoloskopie zum Ausschluss Neoplasie (auch
unabhängig vom Alter, v. a. auch bei positiver Familienanamnese), dann auch im-
mer Biopsien aus terminalem Ileum (Zöliakie, Lamblien etc.) und Kolon (mikro-
skopische Kolitis)
%DVLVXQWHUVXFKXQJ
%%'LII%%&53(OHNWURO\WH.UHD
SDWKRORJLVFK *HVDPWHLZHL)HUULWLQ76+ QRUPDO
,J$$QWL7UDQVJOXWDPLQDVH$N
$OWHUSOXV6\PSWRPH
GLHIUIXQNWLRQHOOH
$QDPQHVH%HVFKZHUGHQGLHIURUJDQLVFKH %HVFKZHUGHQVSUHFKHQ
%HVFKZHUGHQVSUHFKHQ
$OWHUʩDXFKQlFKWOLFKH'LDUUK|*HZLFKWVYHUOXVW
%OXWEHLPHQJXQJ
LP=ZHLIHO
Literatur Lankisch PG et al. Leitsymptom Diarrhö. Dtsch Ärztebl 2006; 103: A261–268
Thomas PD et al. Guidelines for the investigation of chronic diarrhoea. 2nd ed. GUT 2003; 52 (Suppl. V):
v1–15
WGO Practice guidelines. Acute diarrhea in adults (2007) (www.worldgastroenterology.org)
Definition Akute Obstipation: Fehlende Stuhlentleerung über mehrere Tage bei zuvor regel-
mäßigem Stuhlgang.
Chronische Obstipation:
██objektiv: Weniger als 3 Stuhlentleerungen pro Woche
██subjektiv: Häufig werden zusätzliche bzw. andere Beschwerden berichtet: zu ge-
ringe Stuhlmenge, harter Stuhl, starkes Pressen bei der Stuhlentleerung notwen-
dig, Gefühl der unvollständigen Darmentleerung, zu seltene Stuhlentleerung ge-
messen an subjektivem Empfinden und Erwartung
██ Reizdarmsyndrom
██ habituelle Obstipation, Colon elongatum
Differenzial Cave: Je kürzer und alarmierender die Anamnese, desto wahrscheinlicher ist eine
diagnostisches organische Ursache und desto dringender die Abklärung! Bei akuter Obstipation
Vorgehen Abklärung s. a. Kap. 1.10 ff Bauchschmerzen/akutes Abdomen/Ileus.
Anamnese: Dauer der Obstipation, Stuhlverhalten, -konsistenz; Probleme beim
Pressen; Schmerzen im Analbereich oder bei Defäkation (Vermeidung der Stuhl-
entleerung!); Blut im Stuhl; Gewichtsverlust; Bauchschmerzen; Zusammentreffen
mit Veränderung von Lebensgewohnheiten bzw. -umständen, Medikamenten, Er-
nährung, Voroperationen, sonstige Erkrankungen.
Körperliche Untersuchung: vollständige(!), insbesondere digital-rektale Austas-
tung: Sphinkterdruck, Resistenz, stuhlgefüllte oder leere Ampulle, Stuhlbeschaf-
fenheit; Stuhlvisite.
Labor: BSG, BB, Na, K, Ca, Krea, BZ, (HbA1c), TSH.
Diagnostische Verfahren:
██Sonografie: Peristaltik, Darminhalt, Darmdistension, Darmwandverdickung, Ko-
karde
██Röntgen-Abdomenübersicht: Darmgasverteilung, Spiegel, Stuhlverteilung
██Koloskopie: Stenosen, Entzündung, Divertikel
██Kolon-Transitzeitbestimmung mit röntgendichten Markern: Hinton-Test, bei Ver-
dacht auf habituelle Obstipation, Colon elongatum, Outlet-Syndrom, „slow tran-
sit constipation“
██CT-Abdomen mit retrograder/oraler und intravenöser KM-Gabe (falls Koloskopie
nicht möglich)
██Kolon-Manometrie: Sehr selten indiziert, s. Leitlinie Motilitätsstörungen bzw.
Kap. 4.33 (vor Kolonresektion wegen Obstipation)
██Defäkografie: Verdacht auf Rektozele, innerer Rektumprolaps, Outlet-Syndrom,
Beckenbodendysfunktion
Keller J. et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen
Literatur
(DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM)zu Definition,
Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie intestinaler Motilitätsstörungen. Z.Gastroenterol 2011; 49:
374–390. www.dgvs.de
Lee-Robichaud H et al. Lactulose versus Polyethylene Glycol for Chronic Constipation. Cochrane Database
Syst Rev. 2010; (7): CD007570
Definition Gelbfärbung der Haut (Hautikterus) und/oder der Skleren (Sklerenikterus) infolge
einer Erhöhung des Serumbilirubins auf über 2,5 mg/dl (Hautikterus) bzw. 1,8 mg/
dl (Sklerenikterus).
Intrahepatischer Ikterus:
██Erhöhung des unkonjugierten (indirekten) Bilirubins:
Reduktion der hepatozellulären Bilirubinaufnahme:
–– Sepsis
–– Rechtsherzinsuffizienz
–– Gilbert-Meulengracht-Syndrom
██Reduktion der hepatozellulären Bilirubinkonjugation:
–– angeborene Erkrankungen:
Crigler-Najjar-Syndrom I und II
██
Gilbert-Meulengracht-Syndrom
██
Icterus neonatorum
██
–– erworbene Störungen:
Hyperthyreose
██
medikamentös-toxisch
██
hepatozelluläre Erkrankungen
██
Rotor-Syndrom
██
–– erworbene Störungen:
fulminantes Leberversagen
██
intrahepatische Schwangerschaftscholestase
██
medikamenteninduzierte Cholestase
██
Sepsis
██
postoperativer Status
██
Posthepatischer Ikterus:
██Cholangiolithiasis
██Gallengangsstriktur
██Gallengangsatresie
██AIDS-Cholangiopathie
██Parasiten (Clonorchiasis, Askariasis)
██cholangiozelluläres Karzinom
██Papillenkarzinom
██Choledochuszyste
██Kompression des Gallengangs:
–– akute oder chronische Pankreatitis
–– Pankreaskarzinom
–– Lymphom bzw. Metastasen der portalen Lymphknoten
–– Duodenaldivertikel
hereditäre Hyperbilirubinämien
██
,NWHUXV
8OWUDVFKDOO
QRUPDOZHLWH*DOOHQZHJH GLODWLHUWH*DOOHQZHJH
LQGLUHNWHV%LOLUXELQ GLUHNWHV%LOLUXELQ
HUK|KW HUK|KW
+lPRO\VHGLDJQRVWLN
/'++DSWRJORELQ
&RRPEV7HVW
Literatur Jüngst C, Lammert F. Differenzialdiagnose der Cholestase. Gastroenterologie Up2date 2011; 7: 87–101
Körperliche Untersuchung:
██Leberhautzeichen: Spider naevi, Palmarerythem, vermehrte Zeichnung der
Bauchwandvenen
██periphere Ödeme bzw. Anasarka
██gestaute Jugularvenen
48 1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome
$V]LWHV
([VXGDW 7UDQVVXGDW
nige Granulozyten/μl
Gesamteiweiß <3 g/dl: Transsudat, >3 g/dl Exsudat
██
(10–20 ml Aszites)
Zytologie: maligne Zellen (bei Verdacht auf malignen Aszites), Sensitivität 83 %,
██
bei 3 Proben 97 %
1.17 Anorexie 49
ten:
–– Gradient >1,1 g/dl (Proteingehalt meist <3 g/dl): Zirrhose, Alkoholhepati-
tis, Lebermetastasen, fulminantes Leberversagen, Budd-Chiari-Syndrom,
Pfortaderthrombose, „veno-occlusive disease“, kardialer Aszites, Myxödem,
Schwangerschaftsfettleber
–– Gradient <1,1 g/dl (Proteingehalt meist >3 g/dl): Peritonealkarzinose, tuber-
kulöse Peritonitis, pankreatischer Aszites, Mesenterialinfarkt, nephrotisches
Syndrom, postoperatives lymphatisches Leck, Serositis bei Kollagenosen
Amylase
██
Literatur Appenrodt B, Trebicka J, Sauerbruch T. Komplikationen der Leberzirrhose. DMW 2011; 136: 1601–1604
Borst MM, Meyer, FJ. Diagnostik und Therapie der Rechtsherzinsuffizienz. Kardio up 2009; 5: 123–138
Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, et al. S3-Leitlinie “Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
Syndrom”. Z Gastroenterol 2011; 49: 749–779
Definition Ungewollter Verlust an Körpersubstanz über 3 bzw. 6 Monate, der über 5 bzw. 10 %
des ursprünglichen Körpergewichts hinausgeht.
Mit Appetitverlust:
Malignome
██
Mit Sitophobie:
Ulkusleiden, Magenkarzinom
██
chronische Pankreatitis
██
Angina abdominalis
██
postoperativer Zustand
██
Differenzial Im Vordergrund steht das Fahnden nach einem zusätzlichen Symptom, das einen
diagnostisches Organbezug und eine gezielte Diagnostik ermöglicht. Bei monosymptomatischen
Vorgehen Fällen weiteres Vorgehen:
Anamnese und körperliche Untersuchung
Diagnostisches Basisprogramm:
██Labor:
–– BSG, Blutbild, Quick-Wert (INR)
–– AST (GOT), ALT (GPT), γ-GT, LDH
–– AP
–– Bilirubin
–– Gesamtprotein, Elektrophorese
–– CRP (C-reaktives Protein)
–– Natrium, Kalium, Kalzium
–– Kreatinin, Harnstoff
–– Blutglukose
–– TSH
██Ultraschall des Abdomens
██Röntgen-Thorax-Aufnahme
██Stuhluntersuchung (Hämokkult, Wurmeier)
██evtl. Koloskopie, Gastroskopie
Ergibt sich aus diesem diagnostischen Programm keine Fährte, bleiben ca. 25 % der
Fälle (mit guter Prognose) ungeklärt. Vor allem im Alter kann eine Mangelernährung
auch durch soziale Isolation, Armut und psychische Erkrankungen bedingt sein.
Literatur Beckh K, Adler G. Leitsymptom: Gewichtsverlust. In: Schölmerich J, Bischoff SC, Mann MP (Hrsg.) Diagnostik
in der Gastroenterologie und Hepatologie. Stuttgart: Thieme Verlag 1997
Löser C, Lübbers H, Mahlke R, Lankisch PG. Der ungewollte Gewichtsverlust des alten Menschen. Dt Ärzte-
blatt 2007; 104(49); A 3411–3420
Gastro
enterologische
Krankheitsbilder
53
2 Ösophagus
H. Koop
Aufbau Die Wand besteht aus Mukosa, Submukosa sowie Muskelschicht. Intrathorakal be-
grenzt die Adventitia, intraabdominell das Peritoneum den Ösophagus gegenüber
umgebenden Strukturen. Man unterscheidet einen zervikalen, thorakalen und ab-
dominellen Abschnitt des Ösophagus.
Gefäß Arterien: Zervikal aus Ästen der A. thyreoidea (seltener A. carotis oder subclavia),
versorgung thorakal direkt aus Ästen der Aorta und abdominell aus der A. gastrica sinistra.
Venen: Zervikal in die V. thyreoidea, thorakal in die Vv. azygos und hemiazygos,
abdominell partiell über die thorakalen Venen oder über die V. gastrica sinistra.
Lymphgefäße: Proximal über supraklavikuläre Lymphknoten, nach distal über pe-
rigastrische Lymphknoten hin zu Lymphknoten am Truncus coeliacus.
Innervation Extrinsisch: Aus Fasern des N. vagus, in die postganglionäre sympathische Fasern
eingewoben sind.
Intrinsisch: Durch ein verzweigtes System autonomer Fasern.
Funktionell arbeiten extrinsischer und intrinsischer Anteil komplex zusammen.
Während vagale Fasern direkt zum oberen Ösophagussphinkter und zur quer ge-
streiften Muskulatur ziehen, erfolgt im tubulären Ösophagus eine Verschaltung in
den intramuralen Plexus. Postganglionäre muskarinerge Innervation führt zu Kon-
traktionen, Stickstoffmonoxid (NO) und vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP)
zur Relaxation.
54 2 Ösophagus
2.2.1 Divertikel
Definition Über das Wandniveau hinausgehende Ausbuchtungen der gesamten Ösophagus-
wand bzw. Ausstülpungen von Wandanteilen (Mukosa bzw. Submukosa) durch
präformierte Muskellücken. Man unterscheidet:
██Pulsionsdivertikel:
–– zervikal gelegenes Zenker-Divertikel (häufigste Form der Ösophagusdiverti-
kel, auch asymptomatisch)
–– im distalen Ösophagus lokalisiertes epiphrenisches Divertikel (sehr selten)
██Traktionsdivertikel (parabronchiales Divertikel; selten)
██Pseudodivertikel (intramurale Taschenbildungen, keine Divertikel im eigentli-
chen Sinne) häufig mit Stenose am oberen Rand der Veränderungen kombiniert
(sehr selten)
–– die pathophysiologischen Störungen sind denen der Achalasie sehr oder nahe
verwandt: hypertensiver unterer Ösophagussphinkter, fehlende schluckre-
flektorische Erschlaffung, fehlende propulsive Peristaltik im tubulären Öso-
phagus, gehäuft tertiäre Kontraktionen; daher sehr ähnliche Therapiekon-
zepte wie bei Achalasie
Traktionsdivertikel:
██Entstehung durch erhöhten intraluminalen Druck wahrscheinlich am häufigsten
(Motilitätsstörungen wie bei Pulsionsdivertikeln)
██kongenitale Faktoren: Ösophagotracheale Bindegewebsbrücken als Reste von
Fisteln zwischen Ösophagus und Bronchialsystem; deshalb durch Zugwirkung
von außen Divertikelentstehung möglich
██Traktion durch schrumpfende entzündliche Mediastinalprozesse vermutlich
wenig bedeutend
Pathologie Divertikelwand kann entweder aus allen Wandschichten oder nur aus Mukosa und
Submukosa bestehen. Durch Nahrungsretention teils sekundäre Mukosaläsionen
im Bruchsack.
Bei der Pseudodivertikulose besteht häufig eine Pilzbesiedlung.
Epidemiologie Im unausgewählten Krankengut sind Divertikel selten (ca. 0,1 % der Bevölkerung).
Zervikale Zenker-Divertikel (70 %; Inzidenz 2 pro 100 000 Einwohner) dominieren,
parabronchiale (22 %) und epiphrenische Divertikel (8 %) sind seltener.
Klinische Kleinere und v. a. im mittleren Drittel lokalisierte Divertikel sind oft asymptoma-
Charakteristika tisch. Leitsymptom der Divertikel ist ansonsten Dysphagie.
Zenker-Divertikel: Häufig Kloß- oder Fremdkörpergefühl im Halsbereich.
Parabronchiale Traktionsdivertikel sowie größere Zenker-Divertikel: Retention
und konsekutiv Regurgitation von Nahrungsresten. Daher u. U. nächtliche Aspirati-
onen und morgendliche Heiserkeit.
Epiphrenische Divertikel: Meist symptomatisch mit Leitsymptomen: Dysphagie
(mitbedingt durch Störungen der Motilität), thorakale Schmerzen und Regurgitati-
on mit der Gefahr der Aspiration.
Ösophageale Pseudodivertikulose: Dysphagie und Odynophagie dominieren.
Therapie Symptomatische Fälle; Wahl des Vorgehens dabei abhängig von der Lokalisation
indikation des Divertikels und der Operationsfähigkeit.
Therapie Zenker-Divertikel:
██in symptomatischen Fällen ist in der Regel eine Myotomie und Divertikelresekti-
on anzustreben; Operation nur geringes Risiko
██bei hohem Narkoserisiko ist alleinige Myotomie des oberen Ösophagussphink-
ters (auch endoskopisch) oder chirurgische Durchtrennung des Septums zwi-
schen Divertikel und Ösophagus möglich
Verlauf In der Regel chronisch, aber abhängig von therapeutischen Maßnahmen (diese
können definitive oder temporäre Besserung bringen).
Literatur Baker ME et al. Esophageal diverticula: patient assessment. Semin Thorac Cardiovasc Surg 1999; 11:
326–336
Koop H, Kurz C. Befunde am gastroösophagealen Übergang. Gastroenterol up2date 2007; 3: 33–45
Levine MS et al. Esophageal intramural pseudodiverticulosis: A reevaluation. AJR 1996; 147: 1165–1170
2.2.2 Hiatushernien
Definition Verlagerung von Kardia oder proximalen Magenanteilen in den Thoraxraum (Abb.
2.1a–e).
Patho Axiale Gleithernie: Die Kardia gleitet durch eine Erweiterung des Hiatus oesopha-
mechanismus gei im Zwerchfell und durch Nachgeben der phrenoösophagealen Membran in den
Thoraxraum (Abb. 2.1b).
Paraösophageale Hernie: Bei lokalisiertem Defekt der paraösophagealen Memb-
ran treten bei fixierter Kardia Anteile von Fundus und Korpus des Magens über,
in seltenen Fällen nahezu der gesamte Magen (upside-down stomach) und/oder
andere intraabominelle Organe (Abb. 2.1d+e).
Mischformen sind nicht selten.
2.2 Anatomische Läsionen 57
a b c d e
Epidemiologie Axiale Hiatushernien sind weitaus häufiger als paraösophageale Hernien (Verhält-
nis 20:1). Angaben zur Häufigkeit variieren enorm; bei über 65-Jährigen und sub-
tiler Diagnostik Gleithernie in mehr als 50 %.
Assoziierte Refluxkrankheit: Bei der überwiegenden Zahl der Patienten mit Refluxkrankheit
Erkrankungen besteht eine Hiatushernie (meistens Gleithernie, selten gemischte Hernien).
Klinische Gleithernien: in der Regel asymptomatisch, nur etwa 5–10 % mit einer Reflux-
Charakteristika krankheit assoziiert. Auch ohne gleichzeitige Refluxkrankheit kann sich Eisenman-
gelanämie entwickeln.
Selten sind Ulzera in der Hernie in Höhe der Zwerchfellzwinge (Cameron-Ulzera),
die zu akuten Blutungen führen können, evtl. auch eine chronische Blutungsquelle
darstellen.
Paraösophageale Hernien: oft asymptomatisch, schwerwiegende Symptome sind
postprandiale Schmerzen und Erbrechen, (rezidivierende) Blutungen oder eine Ei-
senmangelanämie. Bei Verlagerung größerer Magenanteile und insbesondere wei-
terer abdomineller Organe kann belastungsabhängige Dyspnoe hinzukommen. Ein
Volvulus des Magens kann die Magenpassage komplett unterbrechen.
Differenzial Abgrenzung der einzelnen Formen der Hiatushernie wegen unterschiedlicher the-
diagnose rapeutischer Konsequenzen wichtig. Radiologischer Reflux kein verlässlicher Indi-
kator für Refluxkrankheit.
Verlauf Rezidive nach chirurgischen Eingriffen häufig (25–40 %), daher Zurückhaltung bei
Indikationsstellung zur Operation bei asymptomatischen Patienten.
Literatur Koop H, Kurz C. Befunde am gastroösophagealen Übergang. Gastroenterol up2date 2007; 3: 33–45
Pathologie Matrix der Membranen ist Bindegewebe. Webs im oberen und mittleren Drittel
von Plattenepithel bekleidet. Schatzki-Ring: In der Regel auf der oralen Seite Plat-
ten-, auf der aboralen Seite Zylinderepithel; häufig mit Hiatushernie kombiniert.
Epidemiologie Ein Schatzki-Ring in 5–10 % aller Röntgenuntersuchungen des Ösophagus, aber bis
auf wenige Ausnahmen (<0,5 % der Untersuchten) asymptomatisch. Webs sind au-
ßerordentlich selten, exakte Zahlen fehlen.
Assoziierte Für Webs im proximalen Drittel wird ein Zusammenhang mit Schilddrüsenerkran-
Erkrankungen kungen und dem Zenker-Divertikel postuliert, für Webs im mittleren Drittel dage-
gen mit Hautkrankheiten. Schatzki-Ring häufig assoziiert mit Hiatushernie.
Klinische In der Mehrzahl keine Symptome, Diagnose wird zufällig gestellt. Ansonsten Leit-
Charakteristika symptom Dysphagie. Intensität der Beschwerden abhängig vom Ausmaß der Ein-
engung: Lumenweite <13 mm führt beim Schatzki-Ring meist zu intermittieren-
den Symptomen, meist Impaktation von Speisebolus.
Wegweisende Röntgenuntersuchung Methode der Wahl, jedoch prinzipiell ebenso gut endosko-
Diagnostik pisch möglich. Minimale Einengungen des Lumens (d. h. bei problemloser Passage
mit dem Endoskop) werden vom Endoskopiker in der Regel nicht registriert.
Differenzial Alle Erkrankungen, die zu Dysphagie führen: beim Schatzki-Ring zuerst die pepti-
diagnose sche Stenose, im oralen Ösophagus das Karzinom.
██ Bereits bei der Endoskopie kommt es häufig zur Zerreißung der Membranen;
ansonsten ist die Dilatation mittels Bougies oder Ballon die Methode der Wahl.
██ Beim Schatzki-Ring Durchtrennung auch mit Laser oder Nadelmesser möglich.
Literatur Eckardt VF et al. Single dilation of symptomatic Schatzki ring. A prospective evaluation of its effectiveness.
Dig Dis Sci 1992; 37: 577
Koop H, Kurz C. Befunde am gastroösophagealen Übergang. Gastroenterol up2date 2007; 3: 33–45
Definition Dilatierte, ins Lumen des Ösophagus ragende, subepitheliale und submuköse Ve-
nen. Bei Flussbehinderung im oberen Hohlvenenbereich können so genannte
„Downhill-Varizen“ entstehen. Varizen können auch am gastroösophagealen Über-
gang und im Fundus lokalisiert sein (Fundusvarizen).
Patho Ösophagusvarizen entstehen bei Pfortaderhochdruck, dadurch ergibt sich die Klas-
mechanismus sifikation:
Prähepatischer Block: meist durch Pfortaderthrombose, angeborene Fehlbildungen
sind sehr selten. Gastrale Varizen können Folgen einer Milzvenenthrombose sein.
Ursachen der Pfortaderthrombose:
██ postnatal im Gefolge einer Nabelvenensepsis
██ chronische Pankreatitis
██ Tumoren des Pankreas und im Lig. hepatoduodenale
██ nach Operationen
██ nach Milztrauma oder Splenektomie
██ myeloproliferative Erkrankungen, insbesondere Polycythaemia vera und Osteo-
myelofibrose
██ plasmatische Gerinnungsstörungen (Faktor-V-Leiden, Prothrombinmutation,
Protein-S- und Protein-C-Mangel u. a.)
Intrahepatischer Block:
██präsinusoidal (selten)
██sinusoidal (Leberzirrhose)
██postsinusoidal (Leberzirrhose, Hämochromatose, Morbus Wilson, Thrombose
der intrahepatischen Venen)
Posthepatischer Block:
██Verschluss der V. hepatica (Budd-Chiari-Syndrom)
██Obstruktion der V. cava inferior
██Erkrankungen mit ausgeprägter Rechtsherzinsuffizienz (Pericarditis constricti-
va, Klappenfehler etc.)
Pathologie Varizen v. a. im distalen Ösophagus auftretend, aber auch bis in das proximale Drit-
tel reichend. Weite nimmt nach distal hin zu. Blutungen am häufigsten in der Über-
gangszone lokalisiert, d. h. 2–6 cm oberhalb des gastroösophagealen Übergangs.
Epidemiologie Angeborene Varizen sind sehr selten. Auch Downhill-Varizen sind selten (praktisch
nie Ursache gastrointestinaler Blutungen). Ösophagusvarizen sind fast immer Fol-
ge einer portalen Hypertension; wichtigste Ursache: Leberzirrhose. Etwa jeder 3.
Patient mit Leberzirrhose erlebt Varizenblutung.
Wegweisende Endoskopie:
Diagnostik ██stets komplette Endoskopie bis zum unteren Duodenalknie durchführen, da bei
jedem 3. Varizenträger noch andere Blutungsquellen vorliegen. Fundusvarizen
können mit Magenfalten verwechselt werden, ggf. gelingt Diagnose mit Endoso-
nografie (cave: Kompression der Varizen durch gefüllten Ballon am Gerät)
██Ziele der Endoskopie:
–– Identifikation der Blutungsquelle
–– Blutstillung
–– Sicherung der Diagnose Ösophagusvarizen und Klassifizierung
██verschiedene Klassifikationen zur Einteilung des Schweregrades, sehr stark un-
tersucherabhängig:
–– praktisch: Durchmesser der Varizen (klein: <3 mm; mittel: 3–5 mm; groß:
>5 mm)
–– Klassifikation:
██ Grad I = im Mukosaniveau liegende Stränge
██ Grad II = Größe <5 mm und/oder weniger als ein Drittel des Lumens
einnehmend
██ Grad III = Größe >5 mm und/oder mehr als ein Drittel des Lumens
einnehmend
██ Grad IV = Varizen mit Blutungsstigmata und/oder mehr als zwei Drittel des
Lumens einnehmend
–– Dokumentation von Zeichen prognostischer Bedeutung (z. B. „red cherry
spots“ [rote Flecken auf Varizen], „red whale markings“ oder „red colour
sign“ [rote Stränge])
2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen 61
██ cave: nach erheblichen Blutverlusten kann Größe der Varizen unterschätzt werden!
██ cave: vor Endoskopie ausreichend stabile Kreislaufverhältnisse herstellen!
Varizen bluten meist nur intermittierend, häufig sistiert die Blutung nach größe-
rem Blutverlust (Blutung). Bei Fehlen anderer Blutungsursachen muss Varizenblu-
tung angenommen werden, auch wenn kein direkter Blutungsnachweis geführt
werden kann und sich u. U. kein Blut mehr im Magen befindet.
Therapie Endoskopische Therapie bei bzw. nach Varizenblutung immer indiziert (Sekundär-
indikation prophylaxe). Primärprophylaxe prinzipiell und Wahl der geeigneten Methode um-
stritten.
Lokale Der Einsatz der Endoskopie erfolgt sowohl diagnostisch als auch ggf. therapeutisch
Behandlung (Blutstillung). Die Endoskopie sollte zur Vermeidung einer bakteriellen Transloka-
tion immer mit einer Antibiotikatherapie kombiniert werden, z. B. mit Ciproflo-
xacin (2-mal 250 mg i. v.) oder Ceftriaxon (2 g/Tag i. v.), Dauer der Antibiotikagabe
über 5–7 Tage.
Endoskopische Blutstillung:
██ Varizenligatur heute dominierende Methode; Sklerosierung weitgehend verlassen
██ Varizenligatur: endoskopische Platzierung von Gummibandligaturen um Vari-
zen, auch primär zur Blutstillung eingesetzt; posttherapeutische Ulzera meist
nur oberflächlich, daher weniger komplikationsträchtig
62 2 Ösophagus
Stents:
██beschichtete, extrahierbare, selbstexpandierende Metall-Stents: komprimieren
Varizen analog zu Ballonsonden, okkludieren aber nicht das Lumen
██in kleinen Fallserien hohe Wirksamkeit bei refraktärer Ösophagusvarizenblu-
tung (80–90 % Blutungsstopp)
██Entfernung des Stents nach ca. 8–10 Tagen
██insgesamt bisher wenig Daten, noch experimentelle Therapie
██hohe Kosten
Leitfaden im ██ Kreislaufstabilisierung
Einzelfall ██ medikamentöse Pfortaderdrucksenkung, wenn Varizenblutung wahrscheinlich:
Octreotid oder Terlipressin (s. o.)
██ nach Kreislaufstabilisierung: Notfallendoskopie und endoskopische Blutstillung
(Ligatur) kombiniert mit antibiotischer Therapie
2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen 63
██ bei früher Rezidivblutung nach Endoskopie (<24 h): Stentplatzierung, ggf. Bal-
lontamponade
██ bei Rezidivblutung nach >24–48 h: erneute Endoskopie und Blutstillung, ggf.
Stent; medikamentöse Pfortader-Drucksenkung fortführen; TIPS erwägen (falls
verfügbar)
██ bei Fundusvarizen: Cyanoacrylat-Injektion, evtl. TIPS
██ bei häufigen Blutungsrezidiven in kurzen Intervallen (wenn gute Leberfunkti-
on): TIPS oder Chirurgie
██ Lebertransplantation als Therapie der Grundkrankheit
Verlauf und Therapieversager = anhaltende Blutung bei Endoskopie und/oder keine Stabilisie-
Prophylaxe rung des Kreislaufs trotz Substitution und/oder weiterer hoher Transfusionsbedarf
(>4 Erythrozytenkonzentrate innerhalb von 6 h):
██medikamentöse Pfortader-Drucksenkung mit Octreotid oder Terlipressin (s. o.)
██beschichtete Stents (wirken analog zu Ballontamponaden, erhalten aber das Lu-
men und verringern damit Aspirationsgefahr; abschließendes Urteil mangels
größerer Studien noch nicht möglich)
██TIPS (wenn verfügbar)
██Ballonsonden (s. o.)
Innerhalb eines Jahres kommt es ohne weitere Therapie in ca. 70 % der Fälle zur
Rezidivblutung, davon bei der Hälfte innerhalb von 6 Wochen. Maßnahmen zur
Rezidivprophylaxe sind deshalb obligat.
██Sekundärprophylaxe:
–– Varizeneradikation: immer nach erfolgreicher Blutstillung, vorzugsweise
durch Ligaturbehandlung
–– unselektive Betablocker (Propranolol) als Alternative: Dosierung einschlei-
chend, bis Herzfrequenz um 25–30 % gesenkt
–– prognostisch bedeutsam v. a. Schwere der Grunderkrankung (Child-Klassifi-
kation)
██Primärprophylaxe:
–– sinnvoll bei Patienten mit hohem Risiko einer baldigen Varizenblutung; Risi-
kofaktoren sind:
große Varizen
██
sign“)
schlechte Leberfunktion (Child-Klassifikation)
██
Laine L, Cook D. Endoscopic ligation compared with sclerotherapy for treatment of oesophageal variceal
Literatur
bleeding: A meta-analysis. Ann Intern Med 1995; 123: 280–287
Qureshi W et al. Standards of Practice Committee. ASGE Guideline: the role of endoscopy in the manage-
ment of variceal hemorrhage. Gastrointest Endosc 2005; 62: 651–655
Sauerbruch T, Schepke M. Primäre und sekundäre Prophylaxe der Ösophagusvarizenblutung. DMW 2004;
129: S68–70
Wright G et al. A self-expanding metal stent for complicated variceal hemorrhage: experience at a single
center. Gastrointest Endosc 2010; 71: 71–78
Dechene A et al. Acute management of refractory variceal hemorrhage in liver cirrhosis by self-expanding
metal stents. Digestion 2012; 85: 185–191
Bari K, Garcia-Tsao G. Treatment of portal hypertension. World J Gastroenterol 2012; 18: 1166–1175
de Franchis R. Revising concensus on portal hypertension: report of the Baveno V consensus workshop on
methodology of diagnosis and therapy of portal hypertension. J Hepatol 2010; 53: 762–768
2.4.1 Achalasie
Definition Neuromuskuläre Erkrankung, die gekennzeichnet ist durch
██fehlende oder ungenügende schluckreflektorische Erschlaffung des unteren
Ösophagussphinkters
██fehlende propulsive Peristaltik im tubulären Ösophagus
██Unterteilung in Typ I bis Typ III nach Kriterien der hochauflösenden Manometrie
vorgeschlagen
Epidemiologie Etwa 1 Erkrankung pro 100 000 Einwohner, Geschlechter gleich betroffen. Mani-
festation in jedem Alter möglich, überwiegend zwischen 25. und 60. Lebensjahr.
Klinische Leitsymptome: Dysphagie für feste und flüssige Speisen (ca. 90 %), dabei Dyspha-
Charakteristika gie für flüssige Nahrung wegweisend; Unfähigkeit aufzustoßen; retrosternale
Schmerzen insbesondere bei hochamplitudigen tertiären Kontraktionen („vigo-
rous achalasia“, entspricht Typ III der Chicago-Klassifikation).
Weiterer Krankheitsverlauf: Regurgitation mit Gefahr der Aspiration; postpran-
diales oder nächtliches (nicht saures) Erbrechen; bronchopulmonale Symptome
können häufig im Vordergrund stehen (Bronchitis, Pneumonie).
2.4 Störungen der Motilität 65
Therapie Jede Form der symptomatischen Achalasie bedarf der Therapie. Eine kausale The-
indikation rapie gibt es bisher allerdings nicht.
Verlauf Restbeschwerden häufig trotz prinzipiell deutlicher Besserung. Rezidiv der Symp-
tomatik mit konsekutiver Re-Therapie in 50 % der Fälle. Ungünstige Langzeitergeb-
nisse der Ballondilatation insbesondere bei jüngeren Patienten, deshalb hier groß-
zügigere Indikationsstellung zur Operation ebenso wie bei raschen Rezidiven bzw.
nur geringer Drucksenkung nach Dilatation.
Im Verlauf einer behandelten Achalasie oft Refluxösophagitis, nach Myotomie häu-
figer als nach pneumatischer Dilatation bzw. Botulinumtoxin-Injektion. Behand-
lung nach den üblichen Grundsätzen (s. Kap. 2.5, Gastroösophageale Refluxkrank-
heit).
Langzeit Bei langjährigem Verlauf Risiko für Plattenepithelkarzinom 16-fach erhöht (kann
komplikationen in allen Abschnitten des Ösophagus auftreten).
Regelmäßige endoskopische Überwachung nach >15 Jahren Krankheitsverlauf
sinnvoll, wenngleich Empfehlung nicht gesichert.
Literatur Bredenoord AJ et al. Chicago Classification criteria of esophageal motility disorders defined in high resoluti-
on esophageal pressure topography. Neurogastroenterol Motil 2012; 24(1): 57–65
de las Casas C et al. Pharmacological options in achalasia. Aliment Pharmacol Ther 1999; 13: 1391–1396
Eckhardt VF et al. Predictors of outcome in patients with achalasia treated by pneumatic dilatation. Gastro-
enterology 1992; 103: 1732–1738
Boeckxstaens GE et al. Pneumatic dilation vs. laparoscopic Heller’s myotomy for idiopathic achalasia. N Engl
J Med 2011; 364: 1807–1816
von Renteln R et al. Peroral endoscopic myotomy for the treatment of achalasia: a prospective single center
study. Am J Gastroenterol 2012; 107: 411–417
Epidemiologie Diffuser Ösophagospasmus selten (<0,2 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner).
Über die Prävalenz des Nussknacker-Ösophagus keine exakten Angaben, formale
Kriterien in ca. 10 % der Patienten mit Thoraxschmerzen ohne erkennbare organi-
sche Ursache („non-cardiac chest pain“) erfüllt.
Zusatz Endoskopie: zuweilen hilfreich in der Abgrenzung der Refluxkrankheit oder von
diagnostik Tumoren (v. a. bei Dysphagie und Sodbrennen); bei dominierenden Thoraxschmer-
zen subtile kardiale Diagnostik.
Vorgehensweise im Einzelfall:
██bei dominierender Dysphagie: Gabe von Nitraten (z. B. Nitro-Spray) oder Kalzi-
umantagonisten (z. B. Nifedipin 10 mg vorzugsweise sublingual; cave bei älteren
Patienten)
██bei Leitsymptom Thoraxschmerz: Diltiazem als Retardpräparat
██bei Sodbrennen: Versuch mit Protonenpumpenblockern (ggf. temporär höher
dosieren, um Effekt der Säuresuppression beurteilen zu können)
██trizyklische Antidepressiva: hier reichen in Einzelfällen niedrige Dosen (z. B.
Amitriptylin 10–20 mg), teils müssen aber antidepressiv wirksame Dosen ein-
gesetzt werden
██Injektion von Botulinumtoxin in den unteren Ösophagussphinkter bisher rein
experimentell
Selbsthilfe Meiden sehr heißer oder sehr kalter Getränke, Nahrungsaufnahme unter ruhigen
Rahmenbedingungen.
Literatur Clouse RE. Spastic disorders of the esophagus. Gastroenterologist 1997; 5: 112–127
Bredenoord AJ et al. Chicago Classification criteria of esophageal motility disorders defined in high resoluti-
on esophageal pressure topography. Neurogastroenterol Motil 2012; 24(1): 57–65
Patho Kollagenosen:
mechanismus ██systemische Sklerose (Sklerodermie):
und klinische –– Manifestation: schwere hypo- bis amotile Störung im distalen Ösophagus
Charakteristika bzw. unteren Ösophagussphinkter (manometrisch bei 90 % nachweisbar, aber
häufig asymptomatisch); oropharyngeale Beteiligung ebenfalls häufig (ca.
25 %)
–– Klinik: ösophageale Dysphagie, schwere Refluxösophagitis ggf. mit Striktu-
ren; seltener oropharyngeale Dysphagie
██Lupus erythematodes, Panarteriitis nodosa, rheumatoide Arthritis, Mischkollage-
nosen:
–– Manifestation: ähnlich wie bei systemischer Sklerose, aber seltener und
meist von geringerer Ausprägung
–– Klinik: ösophageale Dysphagie, Refluxsymptomatik
██Polymyositis, Dermatomyositis:
–– Manifestation: Befall der quer gestreiften Muskulatur im Oropharynx, des
oberen Ösophagussphinkters und des zervikalen Ösophagus
–– Klinik: oropharyngeale Dysphagie, rezidivierende Aspirationen
2.4 Störungen der Motilität 69
Muskelerkrankungen:
Muskeldystrophien, Myasthenia gravis, Botulismus:
██
–– myogene Form: hypo- bis amotile Störung im tubulären Ösophagus und unte-
ren Ösophagussphinkter
–– neurogene Form: meist unauffällige Kontraktionen, aber fehlende Koordinati-
on; gehäuft auftretende simultane Kontraktionen möglich
–– Klinik: ösophageale Symptome eher selten; Symptomatik wird durch Ob
struktion im Dünndarm und Kolon dominiert
Diabetes mellitus:
██Manifestation: hypomotile Störung im distalen Ösophagus und unteren Ösopha-
gussphinkter
██Klinik: meistens asymptomatisch
Amyloidose (s. Kap. 3.14, Amyloidose und Kap. 4.38, Darmbeteiligung bei Syste-
merkrankungen):
hypomotile Störung
██
Leitsymptom Dysphagie
██
Therapie
██ Behandlung der Grundkrankheit
██ Besserung insbesondere der Motilitätsstörung häufig nicht erreichbar, daher oft
Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (evtl. jejunale Katheter-
position bei fortbestehendem Reflux und Aspiration) erforderlich.
██ Hypomotile Formen häufig kompliziert durch Soorösophagitis (insbesondere bei
paralleler Steroidtherapie); Behandlung nach üblichen Prinzipien (s. Kap. 2.6.3,
Pilzinfektionen)
██ bei Refluxkrankheit: Behandlung s. Kap. 2.5, Gastroösophageale Refluxkrankheit
██ ggf. Therapie einer begleitenden Entleerungsstörung des Magens (s. dort)
Literatur Weston et al. Clinical and upper gastrointestinal motility features in systemic sclerosis and related disor-
ders. Am J Gastroenterol 1998; 93: 1085–1089
3 Zirkumferenzielle Erosionen
Therapie ██ Ursache: unzureichende Dosierung (am häufigsten bei peptischer Stenose und
versagen Hypomotilität) → Maßnahme: Dosissteigerung
██ Ursache: unzureichende Säurehemmung (evtl. mittels pH-Metrie überprüfen)
→ Maßnahme: von H2-Blocker auf PPI umsetzen, ansonsten PPI-Dosis erhöhen
██ Ursache: mangelnde Patienten-Compliance (eher selten, wenn effektive Phar-
maka verordnet wurden) → Maßnahme: Patienten aufklären bzw. motivieren,
ansonsten wirksame Pharmakotherapie (s. o.)
██ Ursache: falscher Einnahmezeitpunkt → Maßnahme: Einnahme nüchtern, Zeit-
punkt wird bestimmt durch maximale Symptomintensität (bei nächtlichem
Sodbrennen PPI-Einnahme vor Abendessen, sonst vor dem Frühstück; Einnah-
me vor dem Schlafengehen weniger wirksam). Höhere als Standarddosen geteilt
morgens und abends verabreichen.
76 2 Ösophagus
Verlauf Sehr variabel, von sporadischen Symptomen über schubweisen Verlauf bis zu chro-
nisch-persistierenden Beschwerden.
Selbsthilfe ██ Einnahme von Antazida (cave: bei täglicher Antazida-Einnahme liegt meist Re-
fluxösophagitis vor)
██ Meiden refluxfördernder Nahrungsmittel (süße Speisen; Kaffee, Wein, Obst-,
v. a. Zitrussäfte)
██ Änderung der Essgewohnheiten: Keine voluminösen Mahlzeiten, keine Mahlzei-
ten vor dem Zubettgehen
██ nach Essen nicht hinlegen (kein „Mittagsschlaf“)
██ Kopfende des Betts anheben zur Reduktion des nächtlichen Refluxes
██ Gewichtsabnahme (bei Übergewicht)
Literatur Dent J et al. An evidence-based appraisal of reflux disease management: the Geneval workshop report. Gut
1999; Suppl. 2: 1–16
Kahrilas P et al. American Gastroenterological Association medical position statement on the management
of gastroesophageal reflux disease. Gastroenterology 2008; 135: 1381–1391
Kahrilas PJ. Gastroesophageal reflux disease. N Engl J Med 2008; 359: 1700-1700
Koop H et al. Gastroösophageale Refluxkrankheit: Ergebnisse einer evidenzbasierten Konsensuskonferenz-
der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Z Gastroenterol 2005; 43:
163–194
Sifrim D et al. Review article: acidity and volume of the refluxate in the genesis of gastro-oesophageal reflux
disease. Aliment Pharmacol Ther 2007; 25: 1003–1017
Vakil N et al. The Montreal definition and classification of gastroesophageal reflux disease: a global
evidence-based consensus. Am J Gastroenterol 2006; 101: 1900–1920
Stefanidis D et al. Guidelines for surgical treatment of gastroesophageal reflux disease. Surg Endosc 2010;
24: 2647–2669
2.6 Infektionen des Ösophagus 77
Parasitäre Infektionen:
██Ausdruck einer systemischem Manifestation
██Erreger: Kryptosporidien, Pneumocystis jiroveci
Pathologie Makroskopisch:
HSV: Initial kleine Bläschen oder aphthöse Veränderungen, die an Größe zuneh-
██
chend
HIV, EBV: Ulzera
██
Epidemiologie Bei Immunkompetenten selten vorkommend. Im Rahmen von AIDS häufig (im Ver-
lauf bei jedem 3. Patienten ösophageale Beteiligung).
Literatur Koop H. Erkrankungen des Ösophagus. In: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Hrsg. Arz-
neiverordnungen. 22. Aufl. Neu-Isenburg: MMI Verlag: 2009
Whitley RJ, Jacobson MA, Friedberg DN et al. Guidelines for the treatment of cytomegalovirus diseases in
patients with AIDS in the era of potent antiretroviral therapy: recommendations of an international pa-
nel. Arch Intern Med 1998; 158: 957–969
2.6.3 Pilzinfektionen
Definition Läsionen der Ösophagusmukosa durch Pilze. Der alleinige Nachweis von Pilzen im
Ösophagus ohne Läsionen und/oder Symptome ist ohne Relevanz.
Pathologie Spektrum variiert von kleinen weißlichen Plaques bis zu ausgedehnten, die ganze
Zirkumferenz umfassenden Pseudomembranen mit darunter liegenden Ulzeratio-
nen. Gelegentlich Strikturen.
Epidemiologie Bei 30–40 % der AIDS-Patienten im Verlauf der Erkrankung, ansonsten keine Daten
verfügbar.
Assoziierte ██ Erkrankungen bzw. deren Therapien, die mit gestörter Immunabwehr einher-
Erkrankungen gehen (s. o.)
██ Diabetes, Alkoholkrankheit
██ Aspergillus fumigatus gelegentlich bei fortgeschrittenen Tumorleiden
Diagnostik ██ Anamnese
██ Inspektion der Mundhöhle (in 50 % ebenfalls Soor nachweisbar)
██ Endoskopie mit Biopsie für Zytologie, Histologie
██ Kultur und Resistenzprüfung (in der Regel nicht erforderlich)
Literatur Darouiche RO. Oropharyngeal and esophageal candidiasis in immunocompromised patients: Treatment
issues. Clin Infect 1998; 26: 259
Koop H. Erkrankungen des Ösophagus. In: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Hrsg. Arz-
neiverordnungen. 22. Aufl. Neu-Isenburg: MMI Verlag: 2009
2.7 M
etaplasien, Präkanzerosen, benigne und
maligne Tumoren
2.7.1 Barrett-Ösophagus
Definition Auskleidung des distalen Ösophagus mit metaplastischem Zylinderepithel.
„Endobrachyösophagus“: Da das Plattenepithel als „zu kurz“ erscheint, wurde
dieser Begriff geprägt; heute weitgehend verlassen.
„Barrett-Ösophagus“: wurde bisher überwiegend auf Fälle mit histologisch be-
stätigtem intestinalem („spezialisiertem“) Epithel bezogen (nur dieser Typ stellt
vermutlich präkanzeröse Läsion dar), nach Montréal-Klassifikation gilt aber jede
Zylinderepithelmetaplasie als Barrett: bei endoskopischem Verdacht auf meta-
plastisches Epithel „endoskopisch verdächtiger Barrett-Ösophagus“; nach histolo-
gischer Sicherung ist das Ergebnis aufzuführen (Barrett-Ösophagus, gastraler Typ
bzw. intestinaler Typ).
Klassifikation: Prag- oder CM-Klassifikation. Jeweils die größte Längenausdehnung
des zirkulären Anteils („C“) und die maximale Länge einschließlich zungenförmi-
ger Ausläufer („M“) werden in cm angegeben. Diese Klassifikation hat die arbiträre
Kategorisierung in langen und kurzen Barrett-Ösophagus (Long-segment-Barrett/
Short-Barrett; Grenze: 3 cm Länge) abgelöst.
Die Schleimhauttypen kommen nebeneinander vor, wobei der intestinale Typ eher
in den proximalen Anteilen des Barrett-Ösophagus zu finden ist und relativ be-
trachtet mit der Länge des Barrett-Ösophagus zunimmt.
Intraepitheliale Neoplasie (IEN; früherer Begriff: Dysplasie): sind bereits meist
bei Indexendoskopie nachweisbar, treten dagegen im Verlauf seltener auf; leichte
(„low grade“) und hochgradige („high grade“) IEN sind zu unterscheiden. Typische
Zeichen: vermehrte Basophilie, Verlust der Mukusproduktion. Bei hochgradiger
IEN häufig parallel invasives Karzinom. Molekulare Marker (p53, CDKN2A; Aneup-
loidie) bisher (noch) nicht als klinische Marker der malignen Transformation ein-
setzbar.
Genetik Verwandte 1. Grades mit höherem Risiko für Barrett-Ösophagus, familiäre Häu-
fung der wesentlichsten Ursache (Refluxkrankheit) gilt in gleicher Weise.
Epidemiologie Männer sind 5- bis 7-mal häufiger betroffen als Frauen. Prävalenz steigt mit dem
6. Lebensjahrzehnt deutlich an. Häufigkeit längerstreckiger Barrett-Segmente im
Sektionsgut: ca. 400 Fälle auf 100 000. Häufigkeit kurzer Barrett-Zungen im Kol-
lektiv der Refluxkranken bzw. endoskopierter Patienten: ca. 5–15 %. Barrett-Öso-
82 2 Ösophagus
Klinische In zwei Drittel der Fälle Symptome der gastroösophagealen Refluxkrankheit, in ei-
Charakteristika nem Drittel ohne Symptomatik (aber häufig Refluxbeschwerden in der Anamnese).
Therapie Barrett-Ösophagus ohne IEN: keine etablierte Therapie: weder durch Antireflux
operation noch durch medikamentöse Refluxtherapie kommt es zur auch nur an-
nähernd vollständigen Regression des Barrett-Epithels, wenngleich sich unter
wirksamer Therapie Längenreduktionen (<10 %) und häufiger Plattenepithelinseln
in der Barrett-Mukosa entwickeln. Stellenwert der prophylaktischen Ablation der
Barrett-Mukosa (KTP-Laser, Argon-Plasma-Koagulation, Radiofrequenzablation)
nicht geklärt, derzeit experimentelle Verfahren und keine generelle Indikation.
Barrett-Ösophagus mit IEN:
██Barrett-Ösophagus mit niedriggradiger IEN: In der Regel kurzfristigere Kontrol-
lendoskopien, da Rückbildung häufig; bei nodulären Veränderungen endosko-
pische Mukosaresektion (EMR). Entwicklung einer hochgradigen IEN in ca. 10 %
(Häufigkeit der Progression möglicherweise überschätzt).
██Barrett-Ösophagus mit hochgradiger IEN: Cave: parallel zur hochgradigen IEN
findet sich im Barrett häufig schon ein manifestes Karzinom! Umschriebene
hochgradige IEN: EMR oder Submukosadissektion (ESD) bevorzugte Verfahren,
histologische Untersuchung des Resektats möglich; bei multifokaler IEN ggf. Ra-
diofrequenzablation (RFA), photodynamische Therapie (PDT). Wichtigste Kom-
plikation beider Verfahren: posttherapeutische Strikturen (Komplikationsrate
nach RFA wohl geringer).
Probleme:
██Komplikationen der Therapie (z. B. Perforationen, Blutungen, Stenosen)
██residuale metaplastische Mukosa unter Plattenepithel (Malignitätsrisiko?)
2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, benigne und maligne Tumoren 83
Verlauf Barrett-Epithel ist Präkanzerose: gilt offenbar nur für spezialisierten Typ. Risiko
des Adenokarzinoms bei Barrett-Ösophagus mindestens 30-fach erhöht. Rate ma-
ligner Transformation kontinuierlich rückläufig von ca. 0,5 auf zuletzt 0,1–0,2 %
pro Jahr beim langstreckigen Barrett-Ösophagus, aber nicht linear (Risiko ohne IEN
im Verlauf rückläufig). Kosten-Nutzen-Effekt von Überwachungsstrategien mit in-
tensiven endoskopisch-bioptischen Kontrollen zur frühzeitigen Erkennung von
Karzinomen bisher nicht evaluiert, diesbezügliches Vorgehen derzeit kontrovers
diskutiert. Überwachung kleiner Barrett-Zungen strittig, Risiko maligner Transfor-
mation wahrscheinlich gering. Bislang spekulativ, ob wirksame Antirefluxtherapie
(medikamentös, chirurgisch) maligne Transformation verlangsamt.
Praktisches Vorgehen mit Kontrolluntersuchungen nach DGVS-Leitlinie:
██ ohne IEN: Kontrolle alle 3 Jahre (kurzer Barrett <3 cm Länge: alle 4 Jahre)
██ mit leichten IEN: Kontrolle alle 6–12 Monate
██ mit hochgradigen IEN: Beurteilung der Präparate durch Referenzpathologen;
wenn Bestätigung der hochgradigen IEN: therapeutische Maßnahmen nach sub-
tilem Staging inkl. Endosonografie (bevorzugtes Therapieverfahren ist EMR bzw.
ESD zur histologischer Überprüfung, alternativ thermische Destruktion mittels
Laser, Argon-Plasma-Koagulation, Radiofrequenzablation bzw. operative Verfah-
ren)
██ Barrett-Frühkarzinom: s. Adenokarzinom des Ösophagus (Kap. 2.7.4)
██ Überwachung nur bei Patienten, bei denen sich ggf. auch therapeutische Konse-
quenzen ergeben würden!
2.7.2 Präkanzerosen
Präkanzeröse Achalasie: s. Kap. 2.4.1, Achalasie
Läsionen für Verätzung: s. Kap. 2.8.4, Chemische Verätzungen.
Plattenepithel Tylosis: Hyperkeratose der Handinnenflächen und Fußsohlen; autosomal-domi-
karzinom nant vererbt (Mutation eines Tumorsuppressorgens auf Chromosom 17q25.1);
95 % entwickeln Ösophaguskarzinom bis zum 65. Lebensjahr; Vorsorgeprogramm
für Verwandte empfohlen.
Plummer-Vinson-Syndrom: Eisenmangel (evtl. Anämie), ösophageale Ringe (pro-
ximal) mit konsekutiver Dysphagie, Koilonychie („Löffelnägel“: schüsselförmige
Nagelplattenvertiefung v. a. der Fingernägel).
Präkanzeröse
Läsion für ██ Barrett-Ösophagus: s. Kap. 2.7.1, Barrett-Ösophagus
Adenokarzinom ██ Refluxkrankheit (?): s. Kap. 2.5, Gastroösophageale Refluxkrankheit
84 2 Ösophagus
Zusatz Tumorstaging:
diagnostik ██Primärtumor:
–– Endosonografie wichtigstes Verfahren, wegen Stenose des Lumens in fortge-
schrittenen Tumorstadien häufig nicht mehr möglich, dadurch ggf. Diagnose
eines falsch niedrigen Tumorstadiums
2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, benigne und maligne Tumoren 85
T4a Tumor infiltriert Nachbarorgane (resektabler Tumor mit Invasion von Pleura,
Perikard oder Zwerchfell
T4b Tumor infiltriert Nachbarorgane (nicht resektabler Tumor mit Invasion anderer
Organe wie Aorta, Wirbelkörper oder Trachea etc.)
Regionäre Lymphknoten
Fernmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
G4 Undifferenzierter Tumor
86 2 Ösophagus
Ib T1 N0 M0 2, 3 Alle
T2, T3 1, X Mitte, distal, X
Radikalchirurgische Resektion:
██stadienabhängig operativer Eingriff immer unter kurativer Zielsetzung, aber nur
bei kleinen Tumoren möglich, nur in Ausnahmefällen bei Tumoren des zervika-
len Ösophagus (hier Therapiekonzepte wie bei Karzinomen im HNO-Bereich mit
ausschließlich kombinierter Radiochemotherapie)
██subtotale Ösophagektomie mit Magenhochzug
██bei Mehrzahl besteht Stadium mit prospektiv hoher postoperativer Rezidivrate,
daher heute meist kombinierte Radiochemotherapie bevorzugte Therapie
Neoadjuvante Therapiekonzepte:
██Prinzip: präoperative kombinierte Radiochemotherapie zum „Down-Staging“ pri-
mär nicht operabler Tumorstadien
██alleinige präoperative Radiotherapie oder Chemotherapie verlängert zwar Über-
lebenszeit, kombinierte Radiochemotherapie offenbar effektiver (Aussage aber
eingeschränkt, weil in vielen Studien nicht zwischen Plattenepithel- und Adeno-
karzinom unterschieden wurde)
██kontroverse Diskussion, ob nach neoadjuvanten Therapien mehr postoperative
Komplikationen, aber insbesondere für Patienten in noch gutem Ernährungszu-
stand zu erwägen
██Indikationsstellung wird oft eingeschränkt durch bestehende Begleiterkrankun-
gen (Leberzirrhose, fortgeschrittene obstruktive Lungenerkrankung etc.)
██insgesamt Indikation für chirurgische Therapie heute eher selten
Neue, aber noch experimentelle Therapieansätze:
██endoskopische Mukosaresektion beim Frühkarzinom (pT1a): Im Gegensatz zum
Barrett-Karzinom bisher nur kleine Kollektive über ausreichend lange Zeiträu-
me untersucht.
██photodynamische Therapie
Palliative Therapie:
██selbstexpandierende Metallstents (und neuerdings auch selbstexpandierende
Plastikstents) wichtigste Methode zur Beseitigung der Dysphagie:
–– palliative Lasertherapie dadurch vielfach verdrängt
–– wenn Stent von Tumor durchwuchert, Anwendung thermischer Verfahren
(Laser, Argon-Beamer)
–– beschichtete Metallstents zum Verschluss von Fisteln zum Bronchialsystem
–– wesentliche Komplikation: Dislokation und Migration
██Plastikendoprothesen: nur noch seltene Anwendung
██palliative Bestrahlung
██kombinierte Radiochemotherapie (Komplikationen: Fisteln zum Bronchialsys-
tem)
██intrakavitäre Bestrahlungssysteme („Afterloading“)
██Wert der alleinigen Chemotherapie schwierig beurteilbar (wenige Daten)
██Bougierung bessert zwar Dysphagie, zeigt jedoch nur kurze Wirkung (meist nur
wenige Tage bis 2–3 Wochen)
██perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG): Anlage in weit fortgeschrittenen
Fällen, sofern der Tumor endoskopisch passierbar ist, ansonsten ggf. perkutane
Punktionssysteme unter Ultraschallkontrolle einsetzen
Wichtig: Begleitend ist stets eine adäquate Schmerztherapie durchzuführen!
Verlauf Prognose trotz der verbesserten Behandlungsmöglichkeiten bei Mehrzahl der Pati-
enten ungünstig (Diagnose überwiegend noch zu spät gestellt); besonders ungüns-
tige Prognose bei Lokalisation im oberen Ösophagusdrittel.
88 2 Ösophagus
Gebski V, Burmeister B, Smithers B et al. Survival benefits from neoadjuvant chemoradiotherapy or chemo-
Literatur
therapy in oesophageal carcinoma: a meta-analysis. Lancet Oncol 2007; 8: 226–234
Koop H, Adamietz IA. Palliative Therapie des Ösophaguskarzinoms. Onkologe 2004; 10: 1191–1201
Lordick F, Hölscher AH. Chirurgische und internistische Diagnostik und Therapie des Ösophaguskarzinoms.
Gastroenterol up2date 2007; 3: 293–314
Pöttgen C, Stuschke M. Radiotherapy versus surgery within multimodality protocols for esophageal cancer –
a meta-analysis of the randomized trials. Cancer Treatment Rev 2012; 38(6): 599–604
Kranzfelder M et al. A meta-analysis of neoadjuvant treatment modalities and definitive non-surgical thera-
py for oesophageal squamous cell cancer. Brit J Surg 2011; 198: 768–783
Patho Wichtigste Ursache ist die Refluxkrankheit mit konsekutiver Ausbildung eines Bar-
mechanismus rett-Ösophagus, Ausgangspunkt von Mukosadrüsen oder Zylinderzell-Heterotopi-
en hingegen sehr selten. Es ist unklar, ob die Refluxkrankheit direkt zum Adeno-
karzinom führt, also ohne Barrett-Schleimhaut als Zwischenschritt.
T4a Tumor infiltriert Nachbarorgane (resektabler Tumor mit Invasion von Pleura,
Perikard oder Zwerchfell
T4b Tumor infiltriert Nachbarorgane (nicht resektabler Tumor mit Invasion anderer
Organe wie Aorta, Wirbelkörper oder Trachea etc.)
Regionäre Lymphknoten
Fernmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
Ib T1 N0 M0 3
T2 1, 2, X
IIA T2 N0 M0 3
IIB T3 N0 M0 Jeder
T1, T2 N1
IIIB T3 N2 M0 Jeder
Verlauf Prognose hängt vom Stadium ab, aber überwiegend ungünstig, da frühzeitige Me-
tastasierung. Kleine, auf Mukosa beschränkte Tumoren (z. B. bei Überwachung des
Barrett-Ösophagus entdeckt) mit guter Prognose (5-Jahres-Überlebensrate >80 %).
Literatur Cunningham D, Starling N, Rao S et al. Capecitabine and oxaliplatin for advanced esophagogastric cancer. N
Engl J Med 2008; 358: 36–46
Pech O et al. Comparison between endoscopic and surgical resection of mucosal esophageal adenocarcino-
ma in Barrett’s esophagus et two high-volume centers. Ann Surg 2011; 254; 67–72
Rouw RE et al. Efficacy of radiofrequency ablation combined with endoscopic resection for barrett’s esopha-
gus with early neoplasia. Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8: 23–29
Lordick F, Hölscher AH. Chirurgische und internistische Diagnostik und Therapie des Ösophaguskarzinoms.
Gastroenterol up2date 2007; 3: 293–314
Behrens A et al. Barrett-Karzinom der Speiseröhre. Dt Ärztebl 2011; 108: 313–319
Reynolds JV et al. Multimodality therapy for adenocarcinoma of the esophagus, gastric cardia, and upper
gastric third. Recent Results Cancer Res 2010; 182: 155–166
Pathologie Adenome:
██von Schleim-bildenden Drüsen oder Gangepithel der Drüsen ausgehend
██kleine, meist bis 5 mm große, sessile Strukturen, histologisch reifes Plattenepi-
thel und Stroma
██Pathomechanismus: Fragliche Infektion durch Humanpapillomvirus (HPV), frag-
liche Folge eines gastroösophagealen Refluxes
Papillome:
██vom Plattenepithel ausgehend
██Polypen, histologisch papillotubuläre Strukturen
██Pathomechanismus: Unbekannt
Literatur Carr NJ et al. Squamous cell papillomas of the esophagus. Am J Gastroenterol 1994; 89: 245–248
92 2 Ösophagus
Klinische In der Mehrzahl ohne klinische Symptomatik; Manifestation möglich mit Dyspha-
Charakteristika gie (raumfordernde Wirkung größerer Tumoren), retrosternalem Schmerz bzw.
Druckgefühl oder durch eine obere gastrointestinale Blutung.
Verlauf In der Regel stationär, kaum Wachstum. Verlaufskontrolle bei kleinen Tumoren
(<1 cm) in 6- bis 12-monatigen Abständen, bei fehlendem Wachstum in längeren
Intervallen ausreichend.
Patho Schleimhautschaden durch längeres Haften oder Verweilen von potenziell ulzero-
mechanismus genen Medikamenten.
Begünstigende Faktoren: Einnahme mit (zu) wenig Flüssigkeit, bei Einnahme lie-
gende Position; selten: hypomotile Motilitätsstörungen.
Typische Medikamente als Auslöser: Antibiotika (Tetracyclin, Doxycyclin, Clin-
damycin), Alendronat (andere Biphosphonate fraglich), Kaliumpräparate, Anti-
rheumatika (ASS), Eisenpräparate, Vitamin C.
Pathologie Lokalisation:
██meist im mittleren Drittel (Enge durch Aortenbogen)
██seltener im distalen Ösophagus (bei Störungen des unteren Ösophagussphink-
ters)
Epidemiologie Seltene Erkrankung, aber wahrscheinlich hohe Rate nicht diagnostizierter Fälle.
Therapie Wirksame Therapie bislang nicht etabliert. Bei erheblichen Symptomen Versuch
gerechtfertigt mit Lidocain-Gel (topisch), lokalanästhetikahaltige Antazida, Suc-
ralfat; therapeutischer Beitrag häufig eingesetzter Säurehemmer wahrscheinlich
gering.
Verlauf Heilt überwiegend innerhalb weniger Tage bis Wochen spontan aus, jedoch ist an-
haltende Symptomatik über weitere Wochen möglich; Strikturen als Langzeitkom-
plikationen sind selten.
Literatur Kikendall JW. Pill esophagitis. J Clin Gastroenterol 1999; 28: 298–305
Kikendall JW. Pill esophagitis. Gastroenterol Hepatol (N. Y.) 2007; 3: 275–276
94 2 Ösophagus
Pathologie Diffuse Rötung, Ödem, seltener Ulzera und Blutungen; auch Pseudomembranen;
Abheilung innerhalb von 2–3 Wochen spontan ohne Narben oder Funktionsstö-
rungen.
Epidemiologie Ösophagus in der Regel weniger häufig und schwer befallen als Mundschleimhaut;
Häufigkeit stark abhängig von Therapieintensität, Kombination der antineoplasti-
schen Substanzen etc.
Selbsthilfe Auf mukosaaggressive (z. B. scharfe oder sehr salzige) Speisen und Getränke ver-
zichten; zu festen Speisen ausreichend Flüssigkeit einnehmen.
Epidemiologie Häufigkeit stark abhängig von zugrunde liegendem Tumorleiden, Dosis und Art
der Bestrahlung (perkutan, intraluminal); Häufigkeit wird bis zu 40 % angegeben
(heute aber eher geringer).
Patho Je nach Art, Menge und Konzentration oberflächliche Läsionen bis tiefe Ulzera-
mechanismus tionen; bei Laugen im Verlauf Verstärkung der Nekrosen durch Thrombosen der
Wandgefäße; sekundär bakterielle Besiedlung und Keiminvasion bzw. während
Heilung zunehmende Fibrosierung.
Pathologie Unterschiedliche Schweregrade (s. o.), in physiologischen Engen sowie distal be-
sonders starke Ausprägung.
Epidemiologie Verätzungen überwiegend bei Kindern unter 3 Jahren, meist durch frei zugängli-
che Haushaltsreiniger bedingt.
Klinische Je nach Schweregrad: sehr variabel von Rotfärbung der Schleimhaut bis schwere
Charakteristika Blutung
Komplikationen: durch Einbeziehung von Nachbarorganen (z. B. Mediastinitis, Ar-
rosion der Aorta; evtl. auch Oberbauchsymptomatik durch Verätzung des Magens)
Therapie Akutmaßnahme: Spülung (mit Wasser), jedoch nur innerhalb der ersten 10–
20 min sinnvoll, cave: Perforation: kein Erbrechen provozieren, keinen Magen-
schlauch „blind“ schieben!
Stationäre Maßnahmen:
██Überwachung der Vitalparameter (Gefahren: hämorrhagischer Schock, Verle-
gung der Atemwege)
██Korrektur von Defiziten (Volumen, Säure-Base-Haushalt, Gerinnung), ggf. O2-
Gabe
██effektive Schmerztherapie
██Wirksamkeit von Steroiden ungesichert
██Antibiotika bei schweren Fällen mit tiefen Läsionen bzw. Fisteln, ansonsten pro-
phylaktische Gabe umstritten
██frühzeitige Bougierung zur Verhinderung der Strikturentstehung
██ggf. (bei Perforation) Operation mit Ösophagusersatz
2.8 Läsionen durch äußere Einflüsse 97
Komplikationen Frühkomplikation:
██Perforation; neben chirurgischer Therapie in Einzelfällen möglicherweise auch
intensive konservative Therapie erfolgreich.
Langzeitkomplikationen:
██Strikturen, Fisteln, Motilitätsstörungen
██Barrett-Ösophagus (sehr selten)
██Plattenepithelkarzinome (Risiko ca. 5 %, lange Latenz mit 40 Jahren), nahezu kei-
ne Adenokarzinome
Literatur Ramasamy K, Gumaste VV: Corrosive Ingestion in Adults. J Clin Gastroenterol 2003; 37: 119–124
2.8.5 Fremdkörper
Definition Oral (selten nasal) aufgenommene Gegenstände oder Nahrungsbestandteile, die
im Ösophagus stecken bleiben und sekundär Läsionen induzieren.
Patho ██ Fremdkörper, die aufgrund ihrer Größe oder Beschaffenheit meist die physiolo-
mechanismus gischen Engen des Ösophagus nicht passieren und/oder aufgrund gefährlicher
Inhaltsstoffe eine Schädigung der Ösophaguswand hervorrufen; betroffene Pati-
enten sind zumeist Kinder oder psychisch Kranke.
██ Große Fleischbrocken, die den Ösophagus in Höhe der physiologischen Engen
oder präexistenter Stenosen obstruieren (z. B. peptische Stenosen, Ringe, Acha-
lasie etc.), aber auch bei ausgeprägten Motilitätsstörungen (Obstruktion dann
meist distal); Vorkommen v. a. bei älteren Patienten.
Epidemiologie Unbekannt; hohe Dunkelziffer, da letztlich oft spontane Passage durch Verdau-
ungstrakt.
Differenzial Aufgrund der Anamnese (plötzlicher Beginn) meist eindeutig; gelegentlich muss
diagnose „Pillenösophagitis“ mit ähnlichen Beschwerden abgegrenzt werden.
98 2 Ösophagus
2.9 E
ntzündliche, nicht infektiöse Erkrankungen mit
Ösophagusbeteiligung
Patho Nur teilweise bekannt; nach vorliegenden Befunden liegt dem Krankheitsbild eine
mechanismus pathologische Immunreaktion bzw. Allergenantwort zugrunde (allergische Beglei-
terkrankungen in bis zu 50 % der Fälle; evtl. bei Kindern von größerer Bedeutung).
Möglicherweise bei Kindern als Auslöser oral aufgenommene Nahrungsallergene
dominierend, bei Erwachsenen dagegen inhalierte Allergene. Vermehrte Expres-
sion von Eotaxin-3, das zusammen mit IL-5 eosinophile Granulozyten aktiviert.
Epidemiologie Erkrankung eher selten, aber zunehmend häufig diagnostiziert (echte Zunahme?
Diagnose nur häufiger gestellt als früher?). Altersgipfel in der 3. und 4. Dekade,
15–20 % der Fälle bei Kindern. Männer häufiger betroffen als Frauen (Verhältnis
ca. 3:1).
2.9 Entzündliche, nicht infektiöse Erkrankungen mit Ösophagusbeteiligung 99
Klinische
██ Dysphagie, Nahrungsimpaktation im Ösophagus
Charakteristika
██ Sodbrennen, Odynophagie und/oder thorakaler Schmerz
██ ausbleibende Besserung auf Protonenpumpenblocker wichtiges diagnostisches
Merkmal, da vermehrte eosinophile Infiltration auch bei Refluxkrankheit vor-
kommen kann
Wegweisende Endoskopie und Biopsie (5–8 Biopsien aus verschiedenen Höhen des Ösophagus,
Diagnostik da ungleichmäßige Verteilung). Biopsien auch bei unauffälligem Ösophagus, falls
klinischer Verdacht besteht.
Parallel sollte eine allergologische Diagnostik erfolgen, insbesondere auf Lebens-
mittelallergene (klinische Relevanz der Ergebnisse aber noch unklar).
Therapie Klinische Symptomatik. Optimale Therapieziele aber bisher noch nicht definiert
indikation (Symptomatik oder histologische Befunde oder beides?)
Therapie Topische Steroide: Fluticason 2- bis 3-mal 250 μg oder Budenosid 2 mg tgl. in
den Mund sprühen und verschlucken; anschließend Mund ausspülen (Gefahr der
Soorbesiedlung), Nahrungsaufnahme nach 60 min. In schweren Fällen systemische
Kortikosteroide (Prednisolon 1 mg/kg, im Verlauf Dosisreduktion).
Wirksamkeit einer alleinigen Eliminationsdiät nach entsprechenden Hauttests
oder allergenarme Diät (keine Nüsse, Eier, Milch, Soja etc.) bei Kindern offenbar
hoch; Wirksamkeit diätetischer Maßnahmen bei Erwachsenen weitgehend unbe-
kannt, nach Leitlinie aber empfohlen.
Bougierung erst nach adäquater Therapie (Verletzungs- und Perforationsgefahr
hoch!).
Studien mit monoklonalen Antikörpern gegen IL-5 zeigten zwar einen Rückgang
der eosinophilen Infiltration und eine teilweise Rückbildung der endoskopischen
Befunde, aber kaum klinische Besserung im Vergleich zu Plazebo (galt gleicherma-
ßen für Kinder und Erwachsene).
Andere Therapiemodalitäten (z. B. Immunsuppressiva, Chromoglycinsäure, Leuko-
trien-Antagonisten) nicht empfohlen.
Literatur Lisacouras CA et al. Eosinophilic esophagitis: updated consensus recommendations for children and adults. J
Allergy Clin Immunol 2011; 128: 3–20
Straumann A et al. Pediatric and adult eosinophilic esophagitis: similarities and differences. Allergy 2012;
67: 477–490
Sgouros SN, Bergele C, Mantides A. Eosinophilic esophagitis: a systemativ review. Eur J Gastroenterol Hepa-
tol 2006; 18: 211–217
Epidemiologie Ösophagusbefall sehr selten, keine verlässlichen Zahlen; wohl deutlich weniger als
1 % der Crohn-Patienten betroffen.
Wegweisende Anamnese (Befall anderer Anteile des Darmtrakts, insbesondere Ileokolon), Endo-
Diagnostik skopie, Biopsie.
Verlauf Gesicherte Daten zum Verlauf bei Ösophagusbefall sehr spärlich; chronischer
schubweiser Verlauf möglich.
Literatur D’Haens G et al. The natural history of esophageal Crohn’s disease. Gastrointest Endosc 1994; 40: 296–300
Diagnostik
██ wegweisend: Endoskopie mit Biopsie
██ bei Fisteln bzw. Perforationen Röntgenuntersuchung mit wasserlöslichem Kon-
trastmittel
2.10.1 Glykogenakanthose
Definition Hyperplasien mit Einlagerung von Glykogen.
Pathologie Bis linsengroße, leicht erhabene Plaques im Ösophagus, nicht konfluierend; im di-
stalen etwas häufiger als im proximalen Ösophagus.
Differenzial Soorösophagitis.
diagnose
Therapie Keine.
indikation
Verlauf Unkompliziert, keine Entartung.
102
Definition Der Magen ist ein schlauchartiges, J-förmig erweitertes Hohlorgan zwischen Öso-
phagus und Duodenum. Er fungiert als Reservoir, das sukzessive zerkleinerte und
angedaute Nahrungsbestandteile in kleinen Portionen in das Duodenum abgibt.
Das anschließende Duodenum vom Pylorus bis zum Jejunum ist eine C-förmig ge-
wundene Schlinge, die den Pankreaskopf umschließt. Im Duodenum werden der
Nahrung Sekrete aus der Duodenalmukosa sowie Galle- und Pankreassaft zuge-
führt.
Aufbau Die Magenwand besteht aus Mukosa, Submukosa, Muskelschicht und Peritoneum
(das Duodenum liegt mit der Pars II retroperitoneal). Anatomische Regionen sind
Kardia, Fundus bzw. Korpus und Antrum.
Die Duodenalwand zeigt einen ähnlichen Aufbau, jedoch nur eine zirkuläre und
longitudinale Muskelschicht. Man unterscheidet 4 Anteile des Duodenums:
██Pars I: Bulbus duodeni
██Pars II: Absteigendes Duodenum (bis zum unteren Duodenalknie)
██Pars III: Quer verlaufendes Duodenum (vom unteren Duodenalknie bis zur Mit-
tellinie)
██Pars IV: Bis zum Treitz-Band
Struktur Die Schleimhaut im Magen trägt ein vielschichtiges Zylinderepithel und wird ge-
prägt durch Drüsenschläuche, deren zelluläre Zusammensetzung in den verschie-
denen Magenregionen variiert. Im Drüsenhals befinden sich in allen Magenantei-
len überwiegend Mukuszellen. Drüsen in der Kardia sind verzweigt und bestehen
aus endokrinen und undifferenzierten Zellen. In Fundus und Korpus dominieren
Drüsenstrukturen mit Parietalzellen (Belegzellen) sowie endokrinen Zellen (So-
matostatin [D-], Histamin [ECL-Zellen]), im Antrum mit endokrinen Zellen (Gas-
trin [G-Zellen]).
Die Lamina muscularis mucosae begrenzt die Mukosa zur Submukosa, die aus Bin-
degewebe (Kollagen- und Elastinfasern), Gefäßen, Nerven, aber auch eingewan-
derten Zellen (Lymphozyten, Plasmazellen) besteht. Die dreischichtige Muskel-
schicht aus glatter Muskulatur weist longitudinale, zirkuläre und schraubenförmig
angeordnete Fasern auf. Nach außen begrenzt das Peritoneum (Serosa) den Magen.
Im Duodenum ist die Mukosa völlig anders gestaltet: Villöser Aufbau mit Lieber-
kühn-Krypten. Das einreihige Zylinderepithel besteht aus resorptiven Zellen, Mu-
kus- und endokrinen Zellen sowie Paneth-Körnerzellen. In der Submukosa befin-
den sich Brunner-Drüsen.
Gefäß Arterien: Magen aus Truncus coeliacus über kleine und große Kurvatur: A. gastrica
versorgung dextra und A. gastroduodenalis (aus A. hepatica) via kleine Kurvatur, rechte und
linke Aa. gastricoepiploicae sowie Aa. gastricae breves (aus A. lienalis).
3.1 Anatomie und physiologische Funktion 103
Innervation Magen: extrinsisch aus Fasern des N. vagus (parasympathischer Anteil) und Fasern
aus dem Plexus coeliacus (Th 6–8; sympathischer Anteil), intrinsisch durch ein ver-
zweigtes System autonomer Fasern. Funktionell arbeiten extrinsische und intrinsi-
sche Anteile komplex zusammen.
Duodenum: parasympathisch aus dem Leberast des anterioren N. vagus, sympa-
thisch aus Nerven des Ganglion coeliacum sowie mesenterialen Ganglien. Ver-
schaltung im Meissner- und Auerbach-Plexus.
Funktion Magen:
Reservoirfunktion: nimmt Nahrung auf durch Relaxation des Magenfundus (Ak-
██
gem pH nicht überlebensfähig (in zivilisierten Ländern aber ohne große klini-
sche Relevanz)
Zerkleinerung: durch kontinuierliche Propulsion der Nahrung in Richtung Py-
██
sin (quantitativ aber wenig bedeutsam, ohne Säure und Pepsin keine gestörte
Resorption)
gezielte Magenentleerung: 1–2 mm große Nahrungspartikel werden ans Duode-
██
Duodenum:
██Neutralisation der aus dem Magen entleerten Partikel
██Zugabe und Vermischung mit Galle- bzw. Pankreassekret
██Digestion (Laktase, Lysozyme)
██Resorption
██Transport des Darminhalts und Steuerung des Darms (durch Freisetzung von
Motilin)
104 3 Magen und Duodenum
Definition Über das Wandniveau hinausgehende Ausbuchtungen der gesamten Wand bzw.
Ausstülpungen von Wandanteilen (Mukosa/Submukosa) durch präformierte Mus-
kellücken.
Pathologie Magen: juxtakardiale Divertikel, posterior an kleiner Kurvatur gelegen; meist sin-
gulär vorkommend, bis 3 cm groß. Intramurale Divertikel meist im Antrum bzw. an
großer Kurvatur gelegen; überschreiten nicht die Magenwand.
Duodenum: extraluminale Divertikel von unterschiedlicher Größe, teils multipel.
Herniation durch Lücken von großen Gefäßen oder Galle- bzw. Pankreasgang. 75 %
in engster Lagebeziehung zur Papilla vateri („juxtapapillär“). Intramurale Divertikel
wie am Magen.
Jejunum/Ileum: Divertikel überwiegend im oralen Jejunum gelegen, meist multi-
pel.
Epidemiologie Gastrale Divertikel: insgesamt sehr selten, exakte Angaben zur Häufigkeit fehlen.
Juxtakardiale Divertikel am häufigsten (ca. 75 %).
Duodenaldivertikel: häufig: 6–22 % (Autopsie), bis 6 % (Röntgen) bzw. 10 % (ERCP);
Lokalisation im Duodenum von allen Dünndarmdivertikeln am häufigsten (80 %),
dagegen 20 % in Jejunum und/oder Ileum. Zunahme mit steigendem Lebensalter.
Intramurale Divertikel sehr selten.
Jejunal-/Ileumdivertikel: ca. 2 % Prävalenz.
Assoziierte Deformitäten des Magen durch benigne oder maligne Erkrankungen können gas-
Erkrankungen trale Divertikelbildung evtl. fördern. Bei Duodenaldivertikeln statistisch häufiger
Gallengangsteine (Pigmentsteine) und Cholangitis. Jejunaldivertikel: Erkrankungen
mit gestörter intestinaler Motorik (Sklerodermie, Myopathien, viszerale Neuropa-
thien).
Therapie
██ zurückhaltend: nur 1–2 % der Divertikel benötigt definitive Therapie; therapie-
bedürftige Magendivertikel sind eine Rarität
██ biliäre Erkrankungen bei Duodenaldivertikeln entsprechend dem üblichen Vor-
gehen (s. dort).
██ chirurgische Divertikelresektion nur bei Komplikationen (cave: Läsionen von Pa-
pille und Gangsystemen)
██ Malassimilationssyndrom bei Jejunaldivertikel s. 4.3, Duodenal- und Jejunaldi-
vertikel, Divertikelresektion nur bei Komplikationen
Literatur Velanovich V. Gastric diverticulum. Endoscopic and radiologic appearance. Surg Endosc 1994; 8: 1338–1339
Patho Begünstigung der Rotation durch Lockerung des Bandapparats und/oder Zwerch-
mechanismus fellanomalien.
Pathologie Volvulus kann temporär auftreten mit spontaner Rückbildung. Je nach Typ und
Ausprägung Störung der Blutzufuhr und Gefahr der Gangrän, auch Blutung mög-
lich.
Therapie Akuter Volvulus; chronischer Volvulus nur, wenn Beschwerden sicher durch Vol-
indikation vulus bedingt.
106 3 Magen und Duodenum
Therapie Akuter Volvulus: Operation; bei Hochrisikopatienten ggf. Versuch der Repositi-
on mittels Gastroskopie, u. U. einschließlich Fixation des Magens an der vorderen
Bauchwand (z. B. durch perkutane endoskopische Gastrostomie, PEG).
Chronischer Volvulus: meist keine Therapie; in seltenen Fällen chirurgische The-
rapie (z. B. Gastropexie, Verschluss des Hiatus etc.) oder Fixation mittels PEG.
Selbsthilfe Bei chronischem Volvulus selbstinduziertes Erbrechen oder Änderungen der Kör-
perlage.
Literatur Wasselle JA, Norman J. Acute gastric volvulus: pathogenesis, diagnosis and treatment. Am J Gastroenterol
1993; 88: 1780–1784
3.3 Motilitätsstörungen
Cave: Hyperglykämie allein induziert die antrale Hypomotilität und die Zunahme
der Compliance im Fundus, was eine verzögerte Magenentleerung bedingt.
Epidemiologie Diabetes mit 10–20 Jahren Erkrankungsdauer: In 30–60 % Zeichen einer viszera-
len Neuropathie; zahlenmäßig wichtigste Ursache der Gastroparese; idiopathische
Form überwiegend bei (jüngeren) Frauen; zu anderen Entitäten kaum epidemio-
logische Daten verfügbar.
Zusatz ██ Atemteste mit stabilen Isotopen (13C-Octanoat, 13C-Acetat): Messung von 13CO2
diagnostik in Exspirationsluft; Verfahren aussagekräftig, aber wenig verbreitet
██ Messung der Magenentleerung mittels Ultraschall, Szintigrafie (früher „Gold-
standard“), MRT
Therapie Schwere Fälle: Erythromycin wirkt als Agonist an Motilinrezeptoren und damit
versagen unabhängig vom enterischen Nervensystem; bisher allerdings kein prokinetisch
wirksames Erythromycinderivat ohne antibiotische Wirkung verfügbar. Verfahren
nur für ausgesuchte Fälle (Langzeitsicherheit noch unzureichend geklärt). Im Ein-
zelfall endoskopische Jejunostomie hilfreich. Bei Denervierung des Antrums evtl.
Pyloroplastik, ansonsten chirurgische Therapie wenig hilfreich.
Gastraler elektrischer Schrittmacher noch experimentell, scheint bei diabetischer
Gastroparese wirksamer zu sein als bei idiopathischer Form, optimale Patienten
selektion und technische Aspekte derzeit in weiterer Entwicklung.
Injektion von Botulinumtoxin in den Pylorus (experimentell, nur Fallberichte).
108 3 Magen und Duodenum
Verlauf
██ diabetische Gastroparese häufig im Verlauf progredient, aber klinisch nicht im-
mer relevant
██ Sklerodermie: Magen eher selten befallen, oft lange symptomarme Intervalle
██ nach proximaler Vagotomie (heute obsolet) partielle Besserung der Magenent-
leerungsstörung nach 3–6 Monaten möglich
██ idiopathische Gastroparese: Prognose unsicher, in Teil der Fälle protrahierte
Normalisierung
Langzeit Bildung eines Bezoars (s. Kap. 3.16.2, Bezoare); Prävention: Verzicht auf nicht ver-
komplikationen daubare Ballaststoffe).
Literatur Hornbuckle K, Barnett JL. The diagnosis and work-up of the patient with gastroparesis. J Clin Gastroenterol
2000; 30: 117–124
Parkman HP, Yates K, Hasler WL, et al. Similarities and differences between diabetic and idiopathic gastro-
parasis. Clin Gastroenterol Hepatol 2011; 9: 1056–1064
Chu H, Lin Z, Zhong L, et al. A meta-analysis: the treatment of high-frequency gastric electrical stimulation
for gastroparesis. J Gastroenterol Hepatol 2012; 27(6): 1017–1026
3.4 Magenausgangsstenose
Wegweisende ██ Anamnese
Diagnostik ██ Endoskopie: Häufig zunächst Absaugen des Mageninhalts mit großlumigem Ma-
genschlauch erforderlich (Speisereste!); Biopsie
██ Ultraschall und Computertomografie: v. a. bei Verdacht auf extraintestinale Ur-
sache (Tumorverdacht)
Differenzial Magenentleerungsstörung.
diagnose
Therapie Magenschlauch mit Ablauf; Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten. Weite-
res Vorgehen abhängig von der Ursache:
██Stenose durch rezidivierendes Ulkus: Versuch der Ballondilatation gerechtfertig
mit hochdosierter Säurehemmung; falls frische Ulzeration: Abnahme der Ste-
nose mit Ulkusheilung möglich, ansonsten oft Operation (meist Pyloroplastik)
erforderlich
██Tumorstenose: Operativ (kurativ; wenn inoperabel: palliative Gastroenterosto-
mie); Implantation von selbstexpandierenden Metallstents (palliativ)
██Stenose bei eosinophiler Gastroenteritis: Versuch der konservativen Therapie
(Steroide), meist aber Operation erforderlich (häufig auch zur Diagnosesiche-
rung)
██übrige Erkrankungen: s. dort
Literatur ASGE Standards of Practice Commettee: the role of endoscopy in gastroduodenal obstruction and gastropa-
resis. Gastroint Endosc 2011; 74: 13–21
3.5 Mallory-Weiss-Syndrom
Epidemiologie Dunkelziffer hoch, da Arztkontakt meist nur bei Blutung; ca. 5 % der gastrointesti-
nalen Blutung durch Mallory-Weiss-Syndrom bedingt.
Verlauf Prognose in der Regel günstig, aber Rezidivblutungen möglich (v. a. bei Gerin-
nungsstörungen und/oder portaler Hypertension).
Literatur Bharucha et al. Clinical and endoscopic risk factors in the Mallory-Weiss syndrome. Am J Gastroenterol
1997; 92: 805–808
Pohl H, Rösch T. Die obere gastrointestinale Blutung: Differenzialdiagnose und Therapie. Gastroenterologie
up2date 2005; 1: 167–184
Yuan Y, Wang C, Hunt RH. Endoscopic clipping for nonvariceal upper GI bleeding: a meta-analysis and criti-
cal appraisal of randomized controlled trials. Gastrointest Endosc 2008; 68: 339–351
Epidemiologie Häufig vorkommend, exakte Zahlen jedoch nicht verfügbar. Oft keine Diagnostik,
da selbstlimitierend.
3.6 Akute Gastritis 111
Differenzial Peptisches Ulkus (bei Hämatemesis) inkl. Ulkusperforation (bei heftigen Schmer-
diagnose zen), Wassermelonenmagen.
Literatur Carpenter HA, Talley NJ. Gastroscopy is incomplete without biopsy: Clinical relevance of distinguishing gast-
ropathy from gastritis. Gastroenterology 1995; 108: 917–924
Dixon MF, Genta RM, Yardley JH et al. Classification and grading of gastritis. The updated Sydney System.
Am J Surg Pathol 1996; 20: 1161–1181
Literatur Goodgame RW. Gastrointestinal cytomegalovirus disease. Ann Intern Med 1993; 119: 924–935
Koop H. Erkrankungen des Ösophagus. In: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (Hrsg.) Arz-
neiverordnungen. 22. Aufl. Neu-Isenburg: MMI Verlag: 2009
3.7.1 Helicobacter-pylori-Infektion
Definition Durch Helicobacter pylori (H. p.) hervorgerufene, nahezu regelhaft chronisch ver-
laufende Gastritis.
Klinische Akute Infektion mit uncharakteristischem dyspeptischem Bild wird fast nie erfasst.
Charakteristika Weitere Symptomatik je nach Ausbildung der Folgeerkrankungen (Ulkuskrankheit,
Malignom). Symptomatik allein durch Gastritis strittig, zumindest ist übergroße
Mehrzahl der Helicobacter-pylori-Infizierten asymptomatisch.
Wegweisende Endoskopie und biopsiebezogene Tests: Ureasetest, Histologie (erlaubt neben He-
Diagnostik licobacter-pylori- bzw. Gastritisdiagnose auch Erfassung von Folgeerkrankungen);
beide Verfahren ähnlich aussagekräftig. Diagnose erfordert 2 positive Tests (z. B.
Ureasetest und Histologie).
██ Ureasetest: Einbringen von je 2 Biopsien aus Antrum und Korpus; durch Urease
erfolgt Spaltung von gepuffertem Harnstoff in Bikarbonat und Ammonium, er-
gibt Umschlag von anwesendem Indikator durch pH-Anhebung (Rotverfärbung
des Tests). Reaktion bei hoher Keimdichte schnell, aber Ureasetest unter laufen-
der starker Säuresuppression (z. B. mit PPI) weniger sensitiv (v. a. in Antrum
schleimhaut), frühzeitig nach erfolgloser Helicobacter-pylori-Therapie ebenfalls
unzuverlässig (Keimdichte zu gering); daher: mindestens 2-wöchige Pause von
PPI und/oder Antibiotika vor Helicobacter-pylori-Tests, zur Eradikationskontrol-
le >4-wöchige Pause. Urease-Test in akuter Blutung oft falsch-negativ.
██ Histologie: je 2 Biopsien aus Antrum und Korpus; Nachweis von Helicobacter
pylori direkt und der chronischen Gastritis, ggf. weiterer Befunde. Aussagekraft
abhängig von Pathologen; Spezialfärbungen möglich. Helicobacter pylori nicht
zu finden auf intestinalen Metaplasien (bei Biopsie berücksichtigen).
██ Nichtinvasive Tests: für Therapiekontrolle (und für Primärdiagnostik bei Kin-
dern) 13C-Harnstoff-Atemtest: Messung der 13CO2-Exhalation vor und 30 min
nach Gabe von 13C-Harnstoff (13C ist stabiles Kohlenstoffisotop, 14C-Harnstoff-
Atemteste (radioaktiv) inzwischen obsolet)
██ Stuhltest: immunologischer Nachweis von Helicobacter-pylori-Antigen in
Stuhlproben; Sensitivität über 90 %, aber Spezifität nur 80–90 %
██ Serologie: Nachweis von Antikörpern gegen Helicobacter pylori im Serum für
klinische Diagnostik nicht sinnvoll, da Antikörper nach Helicobacter-pylori-Era-
dikation persistieren (auch wenn Titer abfällt).
Langzeit In ca. 15 % der Infizierten Entwicklung von Folgekrankheiten: Ulcus ventriculi, Ul-
komplikationen cus duodeni, Magenkarzinom, MALT-Lymphom des Magens, Riesefaltengastritis (s.
dort).
Literatur Fischbach W et al. S3-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit“. Z Gastroenterol
2009; 47: 68–102
Fox JG, Wang TC. Inflammation, atrophy, and gastric cancer. J Clin Invest 2007; 117: 60–69
Graham DY, Shiotani A. New concepts of resistance in the treatment of Helicobacter pylori infection. Nature
Clin Pract Gastroenterol Hepatol 2008; 5: 321–331
Malfertheiner P, Megraud F, O’Morain C et al. Current concepts in the management of Helicobacter pylori
infection: The Maastricht III Consensus resport. Gut 2007; 56: 772–781
Selgrad M, Malfertheiner P. Treatment of Helicobacter pylori. Curr Opin Gastroenterol 2011; 27: 565–570
3.7 Chronische Gastritis 115
Genetik Familiäre Häufung, hohe Konkordanz bei eineiigen Zwillingen; exakter Mechanis-
mus unklar (keine Assoziation zu bestimmten HLA-Antigenen).
Epidemiologie Ca. 2 % von Personen über 60 Jahre haben perniziöse Anämie, aber nur kleinerer
Teil bedingt durch autoimmune Gastritis (Mehrzahl hat Helicobacter-pylori-asso-
ziierte atrophische Gastritis, s. Kap. 3.7.1). Geografische Unterschiede (am häufigs-
ten in Nordeuropa).
Klinische Achlorhydrie allein klinisch stumm, aber klinisch relevant durch Vitamin-B12-Ver-
Charakteristika armung: bedingt perniziöse Anämie; seltener auch Eisenmangel assoziiert.
Literatur Toh BH et al. Pernicious anemia. N Engl J Med 1997; 337: 1441–1448
116 3 Magen und Duodenum
3.7.3 Gallereflux-Gastropathie
Definition Schädigung der Mukosa induziert durch (beträchtlichen) Gallereflux in den Ma-
gen; fast nur nach Magenoperationen zu beobachten (wenige Ausnahmen, z. B.
schwere Motilitätsstörungen).
Klinische Klinische Relevanz ist umstritten: bisher ist unklar, ob und in welchem Maße
Charakteristika Gallereflux Beschwerden induziert; mögliche Symptome: Oberbauchschmerzen
(nüchtern, postprandial), Übelkeit, Erbrechen. Die Mehrheit der Patienten mit Gal-
lereflux-Gastropathie ist symptomfrei (oder zeigt andere Symptome des operier-
ten Magens; s. Kap. 3.15, Operationsfolgen). Beschwerden können überlagert sein
durch fortgeleiteten Reflux in den Ösophagus.
Langzeit Intestinale Metaplasie: unklar, ob diese (oder die fast immer präexistente Heli-
komplikationen cobacter-pylori-Infektion der operationswürdigen Grunderkrankung) für erhöhtes
Malignomrisiko im Restmagen verantwortlich ist.
Literatur Dixon MF et al. Reflux gastritis – distinct histological entity? J Clin Pathol 1986; 39: 524–530
Kojima K, Yamada H, Inokuchi M et al. A comparison of Roux-en-Y and Billroth-I reconstruction after
laparoscopy-assisted distal gastrectomy. Ann Surg 2008; 247: 962–967
Patho Keine gesicherten Konzepte; diskutiert werden allergische Reaktionen, aber we-
mechanismus niger gut belegt im Vergleich zur eosinophilen Ösophagitis. Th2-proinflammatori-
sche Zytokine und Eotaxin vermutlich von zentraler Bedeutung.
Pathologie Mukosaler Typ: Infiltration der Mukosa mit eosinophilen Granulozyten (>20 Eosi-
nophile pro Gesichtsfeld bei hoher Vergrößerung), makroskopisches Bild aber häu-
fig normal. Bluteosinophilie bei bis zu 80 % der Patienten.
Muskulärer Typ: Stenose des betreffenden Segments, Schleimhautrelief unregel-
mäßig, aber keine Ulzera. Histologisch eosinophile Infiltration der Lamina muscu-
laris, Mukosa aber zumeist frei von eosinophilen Infiltrationen. Keine Eosinophilie
im Blutbild.
Subserosaler Typ: subserosale eosinophile Infiltrate ohne Beteiligung der Lamina
muscularis bzw. Mukosa; begleitend meist ausgeprägte Bluteosinophilie.
Epidemiologie Weitgehend unbekannt, kommt in allen Altersgruppen vor, Männer allenfalls ge-
ring häufiger betroffen, insgesamt selten; bevorzugter Befall des Magens und pro-
ximalen Dünndarms reflektiert vermutlich bessere Zugänglichkeit für Diagnostik.
Klinische Klinisches Bild variabel je nach befallenem Anteil des Gastrointestinaltrakts und
Charakteristika Typ der Infiltration:
██Mukosaler Typ: Diarrhöen, Malabsorption, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust
██Muskulärer Typ: Obstruktion des betroffenen Segments (Pseudoachalasie, Ma-
genausgangsstenose, Duodenalstenose, selten distalere Stenosen)
██Subserosaler Typ: Aszites, Pleuraerguss
Wegweisende ██ Mukosaler Typ: Endoskopie und extensive Biopsie (auch nicht befallener Area-
Diagnostik le), Blutbild
██ Muskulärer Typ: Endoskopie, Sonografie, Endosonografie, transmurale Biopsie
(per Endosonografie oder perkutan); eindeutige Diagnose oft nur am chirurgi-
schen Resektat
██ Subserosaler Typ: Blutbild, Zytologie in Exsudaten (Aszites, Pleuraerguss)
Literatur Rothenberg ME. Eosinophilic gastrointestinal disorders (EGID). J Allergy Clin Immunol 2004; 113: 11–28
Khan S. Eosinophilic gastroenteritis. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2005; 19:177–198
Chang JY et al. A shift in the clinical spectrum of eosinophilic gastroenteritis toward the mucosal disease
type. Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8:669–675
Wegweisende Endoskopie und Biopsie: Mukosa ohne Pathologika, aber auch Aphthen und kleine
Diagnostik Ulzera können vorkommen.
Differenzial Infektiöse Gastritis (Tuberkulose, Syphilis, Parasiten), s. Kap. 3.6.2, Infektionen des
diagnose Magens.
Sarkoidose: Therapie bestimmt durch Befall anderer Organe. In erster Linie Kor-
tikosteroide, aber bei schwereren Verlaufsformen in Einzelfällen auch Immunsup-
pressiva (Azathioprin, MTX) oder TNF-α-Blocker.
Verlauf Variabel.
Literatur Maeng L, Lee A, Choi K et al. Granulomatous gastritis: a clinicopathologic analysis of 18 biopsy cases. Am J
Surg Pathol 2004; 28: 941–945
Thomas KW, Hunninghake GW: Sarcoidosis. JAMA 2003; 289: 3300–3303
Ebert EC et al: Gastrointestinal and hepatic manifestations of sarcoidosis. Am J Gastroenterol 2008; 103:
3184–3192
Definition Deskriptiv für vergrößerte Falten und verdickte Mukosa bzw. Submukosa („Rie-
senfaltengastritis“) im Korpus. Terminus hypertrophe Gastropathie steht für unter-
schiedliche Erkrankungen.
Epidemiologie Hypertrophe Gastropathie insgesamt sehr selten; in Gesamtheit nur bei ca. 10 %
„klassischer“ Morbus Ménétrier, in 10–15 % Zollinger-Ellison-Syndrom. Überwie-
gende Zahl mit Helicobacter-pylori-Gastritis. Alter meist >50 Jahre, Männer häu-
figer betroffen.
Verlauf Morbus Ménétrier kann über Jahrzehnte bestehen, Spontanheilungen kommen vor.
Literatur Komorowski RA et al. The morphologic spectrum of large gastric folds. Gastrointest Endosc 1986; 32:
190–192
Nomura S, Settle SH, Leys CM et al. Evidence for repatterning of the gastric fundic epithelium associated
with Menetrier’s disease and TGF-alpha overexpression. Gastroenterology 2005; 128: 1292–1305
Fiske WH et al. Efficacy of cetuximab in the treatment of Menetrier’s disease. Sci Transl Med 2009; 1: 8ra18
Lambrecht NW. Menetrier’s disease of the stomach: a clinical challenge. Curr Gastroenterol Rep 2011; 13:
513–517
Definition Schleimhautdefekte im Magen (Ulcus ventriculi) bzw. Bulbus duodeni (Ulcus duo-
deni), welche die Lamina muscularis mucosae überschreiten.
Patho ██ heute bei 50–75 % (früher bei 95 %) der Ulcera duodeni und <50 % der Ulcera
mechanismus ventriculi (ebenfalls rückläufig) Infektion mit Helicobacter pylori; bei Magenul-
zera (seltener bei Duodenalulzera) auch Einnahme von ulzerogenen Substanzen
(nichtsteroidale Antirheumatika, Azetylsalizylsäure)
██ Mukosadefekte durch Helicobacter pylori bzw. ulzerogene Pharmaka (Schwä-
chung defensiver Mechanismen durch Hemmung der Prostaglandinsynthese)
werden durch Säureeinwirkung zu Ulzera. Beim Ulcus duodeni Annahme der
Ulkusentstehung auf dem Boden einer mit Helicobacter pylori besiedelten ant-
ralen Metaplasie. Die Gründe für Ulkusentwicklung bei nur ca. 10–15 % der He-
licobacter-pylori-Infizierten bzw. für schubweisen Verlauf mit zwischenzeitlich
spontaner Heilung – bei konstanter Helicobacter-pylori-Infektion – sind unbe-
kannt. Ohne Säure kein Ulkus, aber auch ohne Helicobacter pylori (fast) kein
Ulkus, wenn keine ulzerogenen Pharmaka eingenommen werden.
██ Pathomechanismen bei Helicobacter-pylori-negativen Ulzera ohne Einnahme
ulzerogener Pharmaka weitgehend unbekannt (vaskuläre Faktoren?)
██ zahlreiche modulierende Faktoren (Rauchen, Schwerarbeit), die Spontanverlauf
beeinflussen, sind ohne Helicobacter pylori nicht mehr wirksam
██ bei kleiner Zahl der Ulkuspatienten (<1 %) besteht Säurehypersekretion: Zollin-
ger-Ellison-Syndrom bzw. antrale G-Zell-Überfunktion (Mechanismus unbe-
kannt; fraglich defekte Hemmung der Gastrinzelle durch unzureichende Soma-
tostatinsekretion), möglicherweise andere Formen einer Säurehypersekretion
3.9 Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi 121
Genetik Gehäuftes Auftreten von Ulcera duodeni bei Blutgruppe 0 wahrscheinlich bedingt
durch begünstigte Adhärenz von Helicobacter pylori an Lewis-B-Blutgruppenanti-
gen, somit genetische Disposition zum Ulkus sehr fraglich.
II Blutungsstigmata
●● IIa ●●sichtbarer Gefäßstumpf
●● IIb ●● anhaftendes Koagel (möglichst Koagel entfernen und danach Zuordnung zu Sta
dium IIa (hohe Rezidivblutungsgefahr) oder IIc (geringes Rezidivblutungsrisiko)
●● IIc ●● Hämatin im Ulkusgrund
Bei Ulcus ventriculi: stets ausreichende Biopsien aus Ulkus (8–10 Biopsien aus
Randbereich und Ulkusgrund); Ulkusheilung muss endoskopisch dokumentiert
werden (Ausschluss malignes Ulkus); auch bei Kontrollendoskopien Biopsien für
histologische Untersuchungen.
Bei Ulcus duodeni: da auch Ulcera duodeni zunehmend Helicobacter-pylori-nega-
tiv: immer Helicobacter-pylori-Diagnostik wie oben.
Blutungsintensität: wird aufgrund endoskopischer Kriterien nach der Forrest-
Klassifikation bestimmt (Tab. 3.1).
Ulkusblutung:
██Notfallmaßnahmen: Kreislaufmonitoring, venöse Zugänge (großvolumig), Labor-
kontrolle (Hb, Gerinnung), Kreuzblut; Volumensubstitution, Kreislaufstabilisie-
124 3 Magen und Duodenum
Langzeit Magenausgangsstenose (bei Ulcera duodeni oder intra- bzw. parapylorischen Ulze-
komplikationen ra), Blutung und Perforation (s. o.).
Literatur Graham DY, Chan FKL. NSAIDs, riks, and gastroprotective strategiescurrent status and future. Gastroentero-
logy 2008; 134: 1240–1246
Fischbach W et al. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten –
Diagnostik und Therapie der Helicobacter pylori-Infektion. Z Gastroenterol 2009; 47: 68–102
Koop H. Ulkuskrankheit. Gastroenterol up2date 2006; 2: 97–108
Pohl H, Rösch T. Die obere gastrointestinale Blutung: Differenzialdiagnose und Therapie. Gastroenterol
up2date 2005; 2: 167–184
Lassen A et al. Complicated and uncomplicated peptic ulcers in a Danish county 1993-2002: a population-
based cohort study. Am J Gastroenterol 2006; 101: 945–953
Fischbach W et al: Gleichzeitige Anwendung von Thrombozytenaggregationshemmern und Protonenpum-
peninhibitoren (PPI): Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel-
krankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Z Gastroenterol 2010; 48:
1156–1163
Malfertheiner P et al. Helicobacter pylori eradication with a capsule containing bismuth subcitrate potassi-
um, metronidazole, and tetracycline given with omeprazole versus clarithromycin-based triple therapy:
a randomised, open-label, non-inferiority, phase 3 trial. Lancet 2011; 377: 905–913
3.10 S
eltene Ursachen gastrointestinaler Blutungen
aus Magen und Duodenum
Definition Seltene Blutungsquellen in Magen und Duodenum, die entweder zu akuten oder
chronischen (auch okkulten) Blutungen führen. Andere (häufigere) Blutungsquel-
len siehe Kap. 2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen, Kap. 3.5, Mallory-Weiss-Syn-
drom, Kap. 3.9, Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi, Kap. 3.12, Tumoren des Ma-
gens etc.
Patho Exulceratio Dieulafoy: aberrierendes dilatiertes Gefäß (Arterie oder Vene), das die
mechanismus Mukosa (ohne Ulkus) erodiert; Lokalisation meist proximal im Magen (kleine >
und Pathologie große Kurvatur), aber auch distaler Magen sowie Ösophagus und Duodenum kön-
nen betroffen sein.
Wassermelonenmagen (Synonym: gastrale antrale vaskuläre Ektasien, GAVE):
vaskuläre Ektasien im Antrum; endoskopisch streifenförmige Rötung (ähnlich ei-
ner Wassermelone). Entstehungsmechanismus unbekannt, aber bei einem Teil der
Patienten besteht portale Hypertension oder Kollagenose. Über Gefäßveränderun-
gen chronischer Blutverlust.
Portale hypertensive Gastropathie: bei Pfortaderhochdruck mehr proximal im
Magen dominierende ektatische Gefäße (fraglich durch Kongestion, durch ver-
126 3 Magen und Duodenum
Wegweisende Anamnese, klinische Untersuchung (Morbus Osler!), Endoskopie (bei Verdacht auf
Diagnostik Hämobilie mit Seitblickinstrument).
Therapie und Exulceratio Dieulafoy: endoskopische Blutstillung, vorzugsweise mit Clip, aber
Therapie auch Injektionstechniken möglich. Auch bei Rezidivblutungen endoskopische The-
versagen rapie gerechtfertigt, wenn Allgemeinzustand des Patienten ausreichend. Ansons-
ten operative Umstechung.
Wassermelonenmagen: unterschiedliche Therapiekonzepte mit thermischen Ver-
fahren (Argon-Plasma-Koagulation, mono- oder bipolare Elektrokoagulation, La-
ser) oder Injektionstechniken (Polidocanol 0,5 %ig, submuköse Injektionen). Effekti-
vität von Östrogen-/Gestagen-Präparat unsicher.
3.11 Reizmagen – funktionelle Dyspepsie 127
Verlauf Bei allen genannten Erkrankungen Rezidivrate erneuter Blutungen hoch (außer bei
Hämobilie).
Literatur Dulai GS, Jensen DM, Kovacs TO et al. Endoscopic treatment outcomes in watermelon stomach patients with
and without portal hypertension. Endoscopy 2004; 36: 68–72
Gretz JE, Achem SR. The watermelon stomach: clinical presentation, diagnosis, and treatment. Am J Gastro-
enterol 1998; 93: 890–895
Norton ID et al. Management and long-term prognosis of Dieulafoy lesion. Gastrointest Endosc 1999; 50:
762–767
Primignani M et al. Natural history of portal hypertensive gastropathy in patients with liver cirrhosis. Gast-
roenterology 2000; 119: 181–87
Definition Dyspeptische Beschwerden über mehr als 3 Monate Dauer ohne Nachweis struktu-
reller bzw. biochemischer Läsionen.
Typische dyspeptische Symptome:
██epigastrischer Schmerz, Druck- oder Völlegefühl, frühzeitiges Sättigungsgefühl,
Übelkeit (Brechreiz)
██retrosternales Brennen (Sodbrennen), geblähter Leib (Aufgeblähtsein, Meteo-
rismus), Aufstoßen, Erbrechen; cave: diese Symptome sind allein nicht ausrei-
chend, sondern müssen mit anderen Symptomen kombiniert sein
Wichtig:
Sodbrennen bzw. saure Regurgitation isoliert: Zeichen einer Refluxkrankheit
██
der Begriff der funktionellen Dyspepsie ist scharf von der Dyspepsie im Allge-
██
Patho Als ursächlich geltende Faktoren: viszerale Hyperalgesie bei gastraler Distension
mechanismus (postpranidal), Motilitätsstörungen (überwiegend verzögerte Magenentleerung),
unzureichende Akkommodation durch unzureichende Relaxation des Fundus nach
Nahrungsaufnahme. Es besteht nur eine schwache Korrelation zwischen dem Aus-
maß der jeweiligen pathophysiologischen Störung und der Intensität der Sympto-
matik.
128 3 Magen und Duodenum
Pathologie Das Fehlen pathologischer Veränderungen ist einerseits Voraussetzung für die Di-
agnose; andererseits schließt das Vorliegen einer chronischen Gastritis (autoim-
mun, Helicobacter pylori, chemisch) oder Cholezystolithiasis die Diagnose Reiz-
magen nicht aus.
██ primär nicht invasiver Test auf Helicobacter pylori (s. Kap. 3.7.1, Helicobacter-
pylori-Infektion; „test and treat“) anstatt Endoskopie aufgrund geringer Helico-
bacter-pylori-Durchseuchung nicht zu empfehlen.
Zusatz Sonografie des Abdomens, aber abhängig von Alter und Beschwerden; cave: Fehl-
diagnostik deutung einer Cholezystolithiasis als Ursache dyspeptischer Beschwerden.
Weitere Diagnostik je nach Symptomkonstellation (z. B. Laktosebelastung). Ab 50.
Lebensjahr großzügige Indikation zur Koloskopie. Andererseits Überdiagnostik
und v. a. ständige Wiederholung bei Normalbefunden unbedingt vermeiden, ledig-
lich bei Symptomwechsel (Hinweis auf organische Erkrankung) wieder Abklärung
anstreben. Dyspepsie keine Indikation für radiologische Verfahren einschließlich
CT.
Therapie Aufklärung: über Ursachen und günstige Prognose, stets eingehend durchführen
(„explain and reassure“), ist wichtigste Maßnahme; bei Teil der Patienten allein
ausreichend (Diagnostik als Teil der Therapie). Ggf. weitere Allgemeinmaßnah-
men: Diätberatung (allerdings keine nachgewiesene Effektivität), Anleitung zu ge-
sunder Lebensführung (Wirkung jedoch umstritten).
Medikamente:
Säurehemmer: Protonenpumpenblocker (PPI) wirksamer als H2-Rezeptorantago-
██
Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi), aber Wirksamkeit auf Symptome nur in
5–10 % der Fälle zu erwarten, Indikation fakultativ
Antidepressiva: Amitriptylin, Sulpirid (wirken hier v. a. als Schmerzmodulator)
██
Praktisches Allgemein: Bei Erstvorstellung vor Diagnostik frühzeitig Möglichkeit des Vorliegens
Vorgehen einer funktionellen Dyspepsie ansprechen, aber Ergebnisoffenheit der Diagnostik
nicht infrage stellen. Ggf. ist primär ein zeitlich begrenzter Therapieversuch ge-
rechtfertigt (Alter <45 Jahre, keine Alarmsymptome etc.). Nach Diagnosestellung ist
Aufklärung über Natur und Prognose der Erkrankung von zentraler Bedeutung, po-
sitive Diagnose (Reizmagen!) vermitteln, begegnet auch (Krebs-)Ängsten des Pati-
enten; Vorbereitung des Patienten auf Chronizität der Symptome und beschränk-
te Wirksamkeit medikamentöser Therapieverfahren. Auch wenn keine organische
Störung vorliegt, Aussagen wie „Sie haben nichts“ unbedingt vermeiden. Intensität
der Zuwendung wie bei organischen Erkrankungen (z. B. Wiedervorstellungster-
mine vereinbaren).
130 3 Magen und Duodenum
Langzeit Keine; Symptomwandel jedoch möglich und häufig (z. B. vom Gastrointestinaltrakt
komplikationen auf Thorax).
Patho Adenome: entsprechen analog zum Kolonkarzinom einer Stufe in der Adenom-
mechanismus Karzinom-Sequenz.
Hyperplastische Polypen: epitheliale Hyperregeneration (fraglich Auslöser); sehr
geringe Rate maligner Transformation.
Drüsenkörperzysten: keine Polypen im engeren Sinne, sondern Folge abnormer
Proliferation von Drüsen mit Ausbildung zystischer Polypen.
Epidemiologie Polypen bei 1–1,5 % der Endoskopien (davon in 25 % multipel). Mittleres Lebensal-
ter 60–70 Jahre.
Klinische Magen: in aller Regel symptomlos. Symptome durch Obstruktion (bei Lokalisation
Charakteristika präpylorisch durch Prolaps in den Pylorus, sehr selten) oder durch obere gastroin-
testinale Blutung (meist okkult).
Duodenum: Obstruktion der Papille (meist jedoch erst bei maligner Transformati-
on), ansonsten auch hier überwiegend Zufallsbefunde.
Therapie Symptomatische Polypen; Polypen >2 cm; Adenome stets therapieren (außer bei
indikation betagten Patienten); Karzinomrisiko determiniert Therapieentscheidung, aber: Al-
ter des Patienten berücksichtigen!
132 3 Magen und Duodenum
N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen
Fernmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
Genetik Bei GIST zahlreiche Mutationen der Tyrosinkinasen identifiziert, Ort der Mutation
scheint klinischen Verlauf zu bestimmen (Metastasen, Ansprechen auf Therapie
etc.), daher ggf. Mutationsanalyse sinnvoll (derzeit aber nicht routinemäßig).
Epidemiologie Inzidenz 1–2 Fälle pro 100 000; 1–3 % aller Magentumoren, 20 % der Dünndarmtu-
moren,<0,1 % der Kolontumoren (>80 % im Rektum lokalisiert).
Klinische Kleinere Tumoren meist asymptomatisch, dann zufällige Entdeckung bei Endos-
Charakteristika kopie; Manifestation möglich als gastrointestinale Blutung (durch Ulzeration);
in
traabdominelle Raumforderung mit uncharakteristischen abdominellen Be-
schwerden (Druckgefühl, leichte Schmerzen, selten Passagestörung), größere GIST
können asymptomatisch sein.
Zusatz ██ bei größeren Tumoren Schnittbilddiagnostik: CT, evtl. MRT bei Lokalisation im
diagnostik Rektum
██ Positronenemissionstomografie (PET)
██ Röntgenuntersuchung des Dünndarms bzw. Koloskopie (Ausschluss einer me-
chanischen Obstruktion)
██ rektale Endosonografie
Therapie Größere Tumoren (>2 cm), symptomatische Tumoren (cave: Beschwerden bei klei-
indikation nen Tumoren oft durch andere Ursachen bedingt), gastrointestinale Blutung. Vor-
gehen bei GIST <2 cm umstritten (ggf. auch Therapieindikation).
Therapie ██ bei Fehlen von Metastasen bzw. Abgrenzbarkeit von Nachbarorganen: Operation
Therapie der Wahl
██ bei kleinen Tumoren meist lokale Exzision mit Organerhalt, dann ggf. Eingriff
auch laparoskopisch möglich
██ bei größeren Tumoren: evtl. Staging-Laparoskopie (zwecks Vorbehandlung, s. u.)
extensive Lymphknotenentfernung wohl nicht erforderlich
██ bei metastasierenden bzw. penetrierenden GIST: Behandlung mit Imatinib (Inhi-
bitor von c-KIT) 400 mg/Tag, bei Tumorprogression Dosissteigerung auf 800 mg
möglich, in Kurzzeittherapie hochwirksam – schaltet Tumorwachstum nahezu
konstant ab. Da Tumorgröße (wegen starkem Bindegewebsanteils) nur bei Teil
der Patienten und langsam rückläufig ist, ist PET die mit Abstand aussagekräf-
tigste Methode für Beurteilung des Therapieeffekts. Imatinib hat wenig NW
(Blutung). Rezidive nach Absetzen der Therapie. In ca. 25 % der Fälle primär kein
Ansprechen. Ggf. Imatinib als neoadjuvantes Therapiekonzept (falls komplette
Resektion fraglich). Adjuvante Therapie bei hohem Rezidivrisiko (Mitoserate,
Größe des Primärtumors). Langzeiterfahrungen noch beschränkt.
██ sekundäres Therapieversagen meist durch neue Mutationen der Tyrosinkinasen
KIT oder PDGFRA
██ andere Chemotherapie unwirksam
Verlauf Größe bei kleinen Tumoren häufig konstant; nach operativer Entfernung Spätme-
tastasen selten; bei (v. a. großen) GIST Metastasierung häufig, Verlauf variabel, bis-
her Prognose ungünstig (Escape-Phänomen der Therapie).
Patil DT, Rubin BP. Gastrointestinal stroma tumors. Advances in diagnosis and management. Arch Pathol Lab
Med. 2011; 135: 1298–1310
Epidemiologie Inzidenz ca. 1 Fall pro 100 000. Mesenchymale Tumoren 1–3 % aller Magentumoren
(75 % benigne), <0,1 % der Kolontumoren (>80 % im Rektum lokalisiert). Gesamtheit
der mesenchymalen Tumoren: 50 % befinden sich im Magen. Insgesamt wenig epi-
demiologische Daten nach Etablierung der GIST-Definition.
Klinische Kleinere Tumoren meist asymptomatisch, dann zufällige Entdeckung bei Endosko-
Charakteristika pie; Manifestation möglich als gastrointestinale Blutung (durch Ulzeration); int-
raabdominelle Raumforderung mit uncharakteristischen abdominellen Beschwer-
den (Druckgefühl, leichte Schmerzen, selten Passagestörung), kann auch bei größe-
ren Tumoren asymptomatisch sein.
Zusatz
██ da überwiegend kleine Tumoren, ist weitere Diagnostik selten erforderlich
diagnostik
██ bei größeren Tumoren Schnittbilddiagnostik: CT, evtl. MRT bei Lokalisation im
Rektum
██ Röntgenuntersuchung des Dünndarms bzw. Koloskopie (Ausschluss einer mecha-
nischen Obstruktion)
██ rektale Endosonografie (wenn Tumor im Rektum)
Therapie Größere Tumoren (>2 cm), symptomatische Tumoren (cave: Beschwerden bei klei-
indikation nen Tumoren oft durch andere Ursachen bedingt), Tumor als Ursache einer gastro-
intestinalen Blutung.
Therapie ██ bei Fehlen von Metastasen bzw. Abgrenzbarkeit von Nachbarorganen: Operation
Therapie der Wahl; bei kleinen Tumoren (insbesondere Leiomyomen) meist lo-
kale Exzision mit Organerhalt; alternativ ggf. endoskopische Abtragung (erhöh-
tes Perforationsrisiko!)
██ bei kleineren Tumoren: Eingriff laparoskopisch möglich
Verlauf Größe bei kleinen Tumoren häufig konstant; nach operativer Entfernung Spätme-
tastasen selten.
Literatur Fletcher CD, Berman JJ, Corless C et al. Diagnosis of gastrointestinal stromal tumors: a consensus approach.
Int J Surg Pathol 2002; 10: 81–89
3.12.3 Magenkarzinom
Definition Vom Magenepithel ausgehender maligner Tumor. Es sollten Magenkarzinome in
Antrum und Korpus von den Karzinomen des gastroösophagealen Übergangs un-
terschieden werden (AEG-Tumoren).
Genetik ██ Erhöhte Magenkarzinomrate bei Lynch-Syndrom Typ II, evtl. auch bei familiärer
Polypose; erhöhte Rate in einzelnen Familien; bei Blutgruppe A Risiko 3-fach
erhöht.
██ Hereditäres diffuses Magenkarzinom: Keimbahnmutation im E-Cadherin-Gen
(CDH1); hohes Lebenszeitrisiko bei Nachweis einer Mutation, daher genetische
Diagnostik, wenn 2 oder mehr Verwandte an einem Magenkarzinom erkranken,
davon bei einem vor dem 50. Lebensjahr.
Epidemiologie Inzidenz ca. 5–10 Fälle pro 100 000 Einwohner pro Jahr, jedoch ausgeprägte geo-
grafische Unterschiede (hohe Erkrankungsrate in Japan, Costa Rica, Russland, nied-
rige Rate in USA); Inzidenz des Karzinoms in Antrum und Korpus rückläufig, in der
Kardia zunehmend.
Wegweisende Gastroskopie mit Biopsie: Die bioptische Erfassung szirrhöser Karzinome (intra-
Diagnostik mural wachsend) ist oft schwierig, bei Verdacht unbedingt Kontrolle und inten-
sivstes Biopsieren in unterschiedlichen Arealen. Stets Proben aus ulzerierten und
polypösen (Rand-)Bereichen.
Klassifikation TNM-Stadien nach der TNM-Klassifikation 2010 (Tab. 3.4, Tab. 3.5, Tab. 3.6).
Tis Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne Infiltration der Lamina propria
Fernmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
R1 Mikroskopisch Residualtumor
R2 Makroskopisch Residualtumor
Stadium IA T1 N0 M0
Stadium IB T1 N1 M0
T2 N0
Stadium IIA T3 N0 M0
T2 N1
T1 N2
Kurative Therapie:
██Frühkarzinome: endoskopische Therapie mittels Mukosa- bzw. Submukosare-
sektion. Voraussetzung: kleine Tumoren (<2 cm), hoher Differenzierungsgrad
(G1), intestinaler Typ, keine Lymphgefäß- und Veneninvasion (L0 und V0), Typ
I oder IIa (Wachstumsform erhaben), kein Ulkus, endosonografisch Tumor auf
Mukosa beschränkt; möglicherweise Erweiterung der Kriterien möglich (Nähe-
res siehe Leitlinie)
██Karzinome ohne Fernmetastasen: kurative Resektion einschließlich Lymphaden-
ektomie der Kompartimente D1 und D2; ab Stadium T3 und bei jedem N-Stadium
neoadjuvante Chemotherapie sinnvoll; offen, ob auch bei T2N0 Nutzen besteht
██neoadjuvante Therapiekonzepte: perioperative Chemotherapie (je 3 Zyklen ECF
prä- bzw. postoperativ); scheint Überleben bei Patienten mit potenziell resek-
tablen Tumoren (Stadium uT3 und uT4, keine Fernmetastasen) zu verbessern;
neoadjuvante Radiochemotherapie (5-Fluoruracil/Leucovorin plus 45 Gy) nicht
empfohlen. Durch neoadjuvante Chemotherapie mehr therapieassoziierte Kom-
plikationen (Neutropenie!), daher nur geeignet für Patienten mit noch gutem
Ernährungszustand. Optimale Auswahl der Patienten für neoadjuvante Therapie
weiter nicht abschließend geklärt.
██adjuvante Therapie: verschiedene Therapiekonzepte (Strahlen-, Chemo-, Ra-
diochemotherapie) geprüft; effektiv v. a. nach kurativer Resektion mit Lymph-
knotenbefall: Chemotherapie (in Studien häufig mit niedriger Strahlendosis
kombiniert) oder möglicherweise besser Radiochemotherapie. Überlebensvorteil
zeichnet sich ab, aber Patienten über Toxizität der Therapie hinreichend aufklä-
ren sowie möglichst in Studien einbringen! Problem: positive Studien aus USA
mit Operationen meist ohne Lymphadenektomie. Leitlinie: nach R0-Resektion
keine Indikation zur adjuvanten Therapie.
Palliative Therapie:
██palliative Chemotherapie, wenn noch guter Allgemeinzustand, verbessert Über-
leben. Ziel: Verbesserung der Lebensqualität. HER-2-Status bestimmen, bei star-
ker Expression kann Trastuzumab zu konventioneller Chemotherapie hinzuge-
fügt werden. Chemotherapieprotokolle: DCF, ECF (oder in Modifikation als EOX),
aber Komplikationsrate etwas höher als bei 2-fach-Kombinationen (PLF). Bei
Versagen kann Zweittherapie (je nach primärer Therapie) dem Patienten ange-
boten werden.
██stets adäquate Schmerztherapie
██palliative Stentimplantation (bei Stenosen)
██endoskopische Therapie mit Laser oder Argon-Plasma-Koagulation (bei Blutung;
häufig aber kein lang anhaltender Effekt, alternativ ist palliative Resektion zu
erwägen)
140 3 Magen und Duodenum
Verlauf ██ Prognose: abhängig von histologischem Typ, Tumorstadium (TNM), Blut- und
Lymphgefäßinvasion, Resektabilität; beim Frühkarzinom sehr günstig.
██ 5-Jahres-Überlebensrate: bei R0-Resektion von T3-Tumoren ohne LN-Befall
31 %, mit LN-Befall 6 %.
Wiederholung an Tag 22
Wiederholung: Tag 22
Wiederholung: Tag 22
Wiederholung: in Woche 8
3.12 Tumoren des Magens 141
Literatur Cunningham D et al. Perioperative chemotherapy versus surgery alone for resectable gastroesophageal
cancer. N Engl J Med 2006; 355: 11–20
Cunningham D et al. Capecitabine and oxaliplatin for advanced esophagogastric cancer. N Engl J Med 2008;
358: 36–46
van Cutsem E et al. Phase III study of docetaxel and cisplatin plus fluouracil compared with cisplatin and
fluouracil as first-line therapy for advanced gastric cancer: a report of the V325 Study Group. J Clin Oncol
2006; 24: 4991–4997
Möhler M et al. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“. Diagnostik und Therapie des Adenokarzinoms des Magens
und des gastroösophagealen Übergangs (AWMF-Regist.-Nr. 032-009-OL). Z Gastroenterol 2011; 49:
461–531
Rau B, Koop H. Mechanismen der Mangelernährung nach Gastrektomie. Chir Gastroenterol 2000; Suppl. 2:
1–7
3.12.4 Magenlymphom
S. auch Kap. 4.27.4, Gastrointestinales Lymphom
Patho Helicobacter pylori macht Magen generell zum lymphatischen Organ (z. B. Ausbil-
mechanismus dung von Lymphfollikeln); Helicobacter pylori kann die Proliferation von B-Zell-
klonen via T-Zellen induzieren (Helicobacter pylori ist in diesem Stadium trophi-
scher Faktor). In Abhängigkeit von genetischen Alterationen variiert Ansprechen
auf Helicobacter-pylori-Eradikation und Transformation in hochmaligne Formen.
Hochmaligne Lymphome können sich auch unabhängig von Helicobacter pylori
entwickeln.
Epidemiologie Primäre Magenlymphome sind selten, nur ca. 5 % der gastralen Malignome sind
Lymphome. Sekundäre Einbeziehung des Magens bei (insbesondere fortgeschritte-
nen) nodalen Lymphomen dagegen häufig.
Diagnostik
██ Endoskopie (wegweisend): mit ausgiebiger Biopsie aller Magenregionen (Map-
ping) sowie des Ösophagus und Duodenum, Helicobacter pylori-Diagnostik
██ zusätzlich: Endosonografie; Koloskopie und Untersuchung des Dünndarms (Sel-
link-CT oder -MRT, ermöglicht zugleich auch Beurteilung der Lymphomausbrei-
tung intraabdominell)
Literatur Fischbach W et al. Konsensus-Konferenz der DGVS über Helicobacter pylori. Z Gastroenterol 2009; 47:
68–102
Fischbach W et al. Outcome and quality of life favour a conservative treatment of patients with primary
gastric lymphoma. Z Gastroenterol 2011; 49: 430–435
Rouskone-Fourmestraux A et al. EGILS consensus report. Gastric extranodal marginal zone B-cell lymphoma
of MALT. Gut 2011; 60: 747–758
3.13 V
erätzungen und mechanische Läsionen
des Magens und Duodenums
Patho Alkalische Substanzen: Schädigung v. a. des Ösophagus, weniger des Magens (dort
mechanismus Neutralisation durch Säure), Duodenum seltener betroffen (<30 %). Kolliquations-
nekrosen mit Perforation, Peritonitis und Tod. Abhängig von Konsistenz großflächi-
ge (flüssige Alkali) bzw. umschriebene Läsionen (feste Stoffe, z. B. Batterien; diese
induzieren aber häufiger ösophageale Manifestation).
Säuren: Koagulationsnekrosen, durch Pylorospasmus längere Retention im Magen.
Antral betonte Läsionen. Wegen sauren Geschmacks Mengen jedoch meist gerin-
ger als bei Alkali, da Stopp der Ingestion bzw. Ausspucken. Speisereste im Magen
reduzieren ätzende Wirkung. Perforationen und Peritonitis bei größeren Quanti-
täten möglich.
Physikalische Läsionen: Auslöser wie Reanimation, stumpfes Bauchtrauma, hef-
tigstes Würgen, verschluckte scharfrandige Fremdkörper, selten spontan (Neu-
geborene). Iatrogen durch Endoskope und andere Instrumente (Bougies, Sonden)
sehr selten, dann häufiger im Ösophagus als im Magen. Läsionen bei thermischen
Verfahren (Laser) relativ häufiger.
Klinische Klinisches Bild variabel in Abhängigkeit von Art, Menge, Konsistenz der Chemika-
Charakteristika lie; von leichten retrosternalen und Oberbauchschmerzen, Erbrechen über Bluter-
144 3 Magen und Duodenum
Differenzial Andere Ursachen des akuten Abdomens, Herzinfarkt; cave: oft keine verlässlichen
diagnose Angaben bei Kindern und psychisch Kranken.
Literatur Loeb PM, Eisenstein AM. Caustic injury to the upper gastrointestinal tractin. In: Feldman M (ed.) Gastroin-
testinal and liver disease. Philadelphia: Saunders; 1997: 335–342
3.14 Amyloidose
Patho Befall der intramuralen Ganglien induziert unkoordinierte Kontraktionen, bei In-
mechanismus filtration bzw. partiellem Ersatz der Muskelschicht verzögerter Transit mit Zeichen
der Gastroparese bzw. intestinalen Pseudoobstruktion, bakteriellen Fehlbesied-
lung und Malassimilation.
AL; <10 %), chronische Niereninsuffizienz mit Langzeitdialyse (Deposition von β2-
Mikroglobulin, selten).
Verlauf Chronischer Verlauf, aber Prognose bestimmt durch Befall anderer Organe (Niere,
Herz).
Literatur Friedman S, Janowitz HD. Systemic amyloidosis and the gastrointestinal tract. Gastroenterol Clin N Am
1998; 27: 595–614
3.15 Operationsfolgen
3.15.1 Dumping-Syndrom
Definition Gastrointestinale, kardiovaskuläre und/oder vasomotorische Beschwerden nach
Nahrungsaufnahme im Gefolge von Operationen am Magen, in der Mehrzahl nach
Eingriffen am Pylorus (Resektion bzw. Pyloroplastik). Man unterscheidet Früh-
und Spätdumping.
Epidemiologie Dumping-Symptome früh nach Operation (bis zu 50 %) sehr viel häufiger als im
Verlauf (3–15 %); auch abhängig von Art der Operation (nach Billroth II [B-II] häufi-
ger als nach B-I); Frühdumping deutlich häufiger als Spätdumping.
Zusatz ██ oraler Glukosetoleranztest: bei Verdacht auf Spätdumping Testdauer mit Be-
diagnostik stimmungen von Blutzucker und ggf. Insulin auf 4 h verlängern
██ Endoskopie: zum Ausschluss pathologischer Veränderungen u. U. sinnvoll; Rönt-
genuntersuchung meist überflüssig
Verlauf Im Verlauf meist abnehmende Intensität (auch durch Umstellung der Ernährungs-
gewohnheiten durch Patienten selbst).
Literatur Eagon JC et al. Postgastrectomy syndromes. Surg Clin N Am 1992; 72: 445–465
3.15 Operationsfolgen 147
Patho Typ I: postprandial massive Füllung der zuführenden Schlinge (Beschwerden) und
mechanismus reaktives (galliges) Erbrechen.
Typ II: Distension der zuführenden Schlinge durch Galle-/Pankreassekret bei ge-
störter Entleerung.
Epidemiologie Insgesamt sehr selten; Prävalenz durch folgende Maßnahmen weiter reduziert:
weniger resezierende Magenchirurgie, Fußpunkt-Anastomose nach Braun, mehr
Operationen nach B-I statt B-II, häufigere Rekonstruktion mittels Y-Roux-Schlinge.
Literatur Eagon JC et al. Postgastrectomy syndromes. Surg Clin N Am 1992; 72: 445–465
Epidemiologie In der frühen postoperativen Phase häufig, im Verlauf aber abnehmend; Inzidenz
abhängig vom Operationsverfahren: am häufigsten (20–30 %) nach trunkulärer Va-
gotomie mit Pyloroplastik, bei selektiv proximaler Vagotomie selten (<5 %); kommt
auch nach resezierender Magenchirurgie vor: bis 10 %. Wichtig: auch Tumorchirur-
gie am Ösophagus führt oft zur trunkulären Vagotomie.
148 3 Magen und Duodenum
Klinische Diarrhö, nicht nur postprandial, sondern auch unabhängig (teils auch nachts).
Charakteristika
Diagnostik ██ Anamnese und Symptomkonstellation
██ Bestimmung der Transitzeit (H2-Atemtest mit Laktulose), evtl. Röntgenuntersu-
chung (Magen-Darm-Passage)
Therapie Nur ca. 10–20 % suchen ärztliche Hilfe; Therapie bei symptomatischen Patienten.
indikation
Verlauf Meist in der Frühphase nach Operation häufiger und ausgeprägter, Intensität geht
innerhalb einiger Monate zurück.
Literatur Eagon JC et al. Postgastrectomy syndromes. Surg Clin N Am 1992; 72: 445–465
Therapie Bei Mangelzuständen (cave: nicht auf klinische Symptomatik warten!): orale Ei-
sensubstitution; regelmäßige Gabe von Vitamin B12 parenteral; Kalzium und Vita-
min D oral, ggf. Vitamin D parenteral.
Literatur Rau B, Koop H. Mechanismen der Mangelernährung nach Gastrektomie. Chir Gastroenterol 2000; Suppl. 2:
1–7
3.16 Fremdkörper
Patho Versehentlich: v. a. Kinder <5 Jahre, bei Erwachsenen selten, meist im Alkohol-
mechanismus rausch.
Absichtlich: psychisch Kranke, Schmuggler, Strafgefangene (erhoffen Abwechs-
lung, Straferleichterung, Sedativa zur Extraktion).
Pathologie Bei spitzen Gegenständen schwerwiegende Läsionen möglich (dann aber meist im
Ösophagus), ansonsten Erosionen häufig; Perforationen sehr selten.
Klinische Symptome meist bei Ösophaguspassage (s. Kap. 2.8.5, Fremdkörper), nach Passage
Charakteristika in den Magen fast immer symptomlos; bei Perforation akutes Abdomen!
Therapie Fremdkörper, die für Passage durch Gastrointestinaltrakt zu groß sind (Ileusge-
indikation fahr) oder die toxische Substanzen freisetzen können (z. B. Batterien).
Therapie ██ bei ungefährlichen und kleineren Fremdkörpern (z. B. Münzen): normale Passa-
ge per Via naturalis abwarten, ggf. zusätzlich faserreiche Kost geben (z. B. Sauer-
kraut, zusätzlicher Nutzen nicht gesichert)
██ ansonsten Versuch der endoskopischen Extraktion
██ bei misslungener Extraktion und Gefahr bei physiologischer Passage: operative
Entfernung durch Gastrostomie
Literatur Webb WA. Management of foreign bodies in the upper gastrointestinal tract: Update. Gastrointest Endosc
1995; 41: 39–51
3.16.2 Bezoare
Definition Im Magen zusammenklumpende, unverdauliche Gebilde.
Epidemiologie Insgesamt sehr selten; Trichobezoare vorzugsweise bei jungen (20–30 Jahre) Frau-
en; Phytobezoare und Pharmakobezoare: mittleres oder höheres Lebensalter.
Therapie Stets Versuch der endoskopischen Extraktion, zuvor meist Zerkleinerung (z. B. mit
Schlinge oder Dormia-Körbchen) erforderlich; Versuch der enzymatischen Degra-
dation (Cellulase, Acetylcystein u. a.) möglich; ansonsten operative Entfernung.
Langzeit Gastrointestinale Blutung (aus Ulkus; kann zur Erstdiagnose eines Bezoars füh-
komplikationen ren); Obstruktion des Pylorus (bei Einklemmung) selten, bei Passage in den Dünn-
darm ggf. mechanischer Ileus möglich.
Literatur Lee J. Bezoars and foreign bodies of the stomach. Gastrointest Endosc Clin N Am 1996; 6: 605–619
151
4 Darm
I. Koop
Anatomie Der Dünndarm besteht aus Duodenum, Jejunum und Ileum. Das Duodenum beginnt
unmittelbar nach dem Pylorus mit dem Bulbus duodeni, verläuft ab hier retrope-
ritoneal in Form eines „C“ (im mittleren Teil liegt die Papilla vateri), um nach etwa
25 cm im linken Oberbauch am Treitz-Band wieder nach intraperitoneal zu treten.
An dieser Stelle beginnt das Jejunum (ca. 40 % des mobilen Dünndarms), gefolgt
vom Ileum (60 % des Dünndarms). Der Dünndarm wird von einer inneren Ring-
und einer äußeren Längsmuskelschicht bewegt. Die Schleimhaut liegt insbeson-
dere im Jejunum, nach distal abnehmend in Falten (Plicae circulares, Kerckring-
Falten). Im rechten Unterbauch mündet der Dünndarm mit der Bauhin-Klappe im
90 °-Winkel in den Dickdarm.
Der Dickdarm (das Kolon) beginnt im rechten Unterbauch mit dem Zökum (Blind-
darm; Durchmesser bis zu 6–8 cm), an dessen Ende die Appendix liegt. Nach kau-
dal schließen sich an: Colon ascendens (Länge ca. 25 cm, retroperitoneal fixiert),
Colon transversum (ca. 50 cm, intraperitoneal), Colon descendens (ca. 25 cm, ret-
roperitoneal), Sigma (ca. 45 cm, intraperitoneal, schmalste Stelle des Kolon, Durch-
messer ca. 2,5 cm) und Rektum (16 cm). Der Dickdarm endet mit dem Anus (s. Kap.
5 Anorektum). Tänien und Haustren geben dem Dickdarm ihr typisches Aussehen.
Die drei Tänien sind Bänder aus Längsmuskulatur, die zueinander im 120 °-Winkel
liegen. Dazwischen wechseln sich Haustren (Ausbuchtungen) mit Semilunarfalten
ab, die beide je nach Kontraktions- und Motilitätszustand variabel sind.
Gefäß Die A. mesenterica superior versorgt das distale Duodenum, Jejunum, Ileum und
versorgung das Kolon bis zur Mitte des Colon transversum bzw. bis zur linken Flexur. Das dis-
tale Kolon wird von der A. mesenterica inferior versorgt (individuell jedoch Unter-
schiede). In die Dünndarmzotten ziehen jeweils eine oder zwei Arteriolen bis zur
Spitze, verzweigen sich dort und münden in ein Venengeflecht.
Lymphdrainage Lymphgefäße in der Lamina propria der Dünndarmzotten drainieren in die Mesen-
teriallymphknoten. Im Kolon verlaufen sie zirkulär in der Submukosa und münden
in die epi- und perikolischen Lymphknoten. Die Lymphe drainiert über die zölia-
kalen und präaortalen Lymphknoten und den linken Ductus thoracicus in die linke
V. subclavia.
Histologie Dünndarm: Die Darmwand besteht aus Serosa, Muskularis, Submukosa und Mu-
kosa. Die Serosa besteht aus einschichtigen mesothelialen Zellen, die Ausläufer des
Peritoneums darstellen. Die Muskularis wird vom äußeren Longitudinalmuskel
und von der inneren zirkulären Muskelschicht gebildet. Dazwischen liegen die An-
teile des myenterischen (Auerbach-)Plexus. In der Submukosa findet sich eine he-
terogene Zellpopulation bestehend aus Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen,
Eosinophilen, Fibroblasten und Mastzellen, die je nach Erkrankung variieren. Im
152 4 Darm
Absorption von Wasser: im Dünndarm täglich passive Absorption von etwa 9 l Wasser mit Elektro-
Wasser und lyten und Verdauungsprodukten. 1–2 l Wasser erreichen den Dickdarm, ca. 100 ml
Elektrolyten werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Natriumionen sind die treibende und ent-
scheidende Kraft für die Flüssigkeitsabsorption.
Natrium: im Dünndarm elektrogener Na-Transport (durch so genannte Symporter:
Na-Glukose-Kotransport, Na-L-Aminosäuren-Kotransport) an der Bürstensaum-
membran vom Lumen in die Epithelzelle, intrazellulär Aufrechterhaltung einer
geringen Natriumkonzentration (14 mmol) durch aktiven Na-Transport (Na-K-AT-
Pase) nach extrazellulär (hohe Natriumkonzentration: 140 mmol) an der basola-
teralen Membran. Na-Kotransporter bleiben bei Durchfallerkrankungen erhalten
und sind so für die Rehydrierungstherapie essenziell (s. Kap. 4.13.1, Akute infek-
tiöse Enteritis). Im Kolon erfolgt Na-Absorption über amiloridsensitiven Na-Kanal,
der bei Entzündungen geschädigt wird, gleichzeitig nimmt die Permeabilität für
Kalium und Chlorid zu.
154 4 Darm
Sekretion von Sekretorische Vorgänge in das Darmlumen finden in den Epithelzellen der Kryp-
Wasser und ten statt:
Elektrolyten Wasser und Elektrolyte: Chloridionen sind die treibende Kraft für die Flüssigkeits-
sekretion. Elektrogene Chloridsekretion am Bürstensaum entlang elektrochemi-
schem Gradienten (hohe intrazelluläre Konzentration). Physiologisch geringe Se-
kretion, bei sekretorischen Diarrhöen steigern cAMP und Kalzium die Permeabili-
tät für Chlorid und damit für Natrium und Wasser.
██Endogene und luminale Stimuli der Chloridsekretion: Prostaglandine, Leukotrie-
ne, Neuropeptide und Neurotransmitter (VIP, Sekretin, PHI, Substanz P, Neu-
rotensin, Gastrin, GIP, Motilin, Bombesin, Serotonin, Acetylcholin), Adenosin,
Guanylin, NO, freie Sauerstoffradikale, Bakterientoxine (E. coli, V. cholerae, Sal-
monellen, Shigellen, Yersinien, Clostridium-difficile-Toxin A), Gallensäuren, La-
xanzien, langkettige Triglyzeride.
██Stimulation der Bikarbonatsekretion: kurzkettige Fettsäuren.
Riboflavin 1,3 mg
Pantothensäure 3–7 mg
Biotin 10–200 µg
Pyridoxin 1,5 mg
Eisen: Absorption von Fe2+ (Fe3+ wird zu Fe2+ reduziert) durch divalenten Metall-
transporter DMT1 im oberen Dünndarm). Eisenaufnahme und -verlust beträgt
1 mg/Tag. Verminderte Absorption durch vermehrtes Eisenangebot; gesteigerte
Absorption bei Eisenmangel, Hypoxie, Schwangerschaft, gesteigerter Erythropo-
ese.
Spurenelemente: Zink, Kupfer, Selen, Iod sind lebenswichtige Spurenelemente,
deren Mangel bei Morbus Crohn, Kurzdarmsyndrom und anderen Dünndarmer-
krankungen mit Malabsorption auftreten kann.
Gallensäuren: s. Kap. 7.1, Anatomie und physiologische Funktion sowie Kap. ▶ Kap.
4.7, Gallensäureverlustsyndrom.
Barrierefunk Hauptaufgabe ist die Ausgrenzung luminaler infektiöser und toxischer Substan-
tion des Darms zen. Entscheidend sind intakte Zellmembranen und Tight Junctions, sowie das mu-
kosaassoziierte Immunsystem des Darms (größtes Kompartiment des Körpers für
156 4 Darm
Immunzellen, auch GALT: „gut associated lymphoid tissue“). Erkennung und Selek-
tionierung luminaler Substanzen erfolgt über M-Zellen, die z. B. infektiöse Antige-
ne aufnehmen und mittels Bindung an HLA-Antigene benachbarten Immunzellen
(T-Lymphozyten) der Peyer-Plaques präsentieren. Es folgt die T-Zell-Aktivierung
sowie Initiierung einer Immunreaktion, an der zahlreiche Zytokine und Mediator-
stoffe beteiligt sind. In den B-Lymphozyten des Darms wird überwiegend IgA ge-
bildet. Erkrankungen mit gestörter intestinaler Immunreaktion sind z. B. Morbus
Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie, IgA-Mangel.
Motilität Dünndarm: der Nüchternzustand ist durch den „migrating motor complex“ (MMC)
charakterisiert, der postprandial ersetzt wird durch stationäre (80 %, Durchmi-
schung von Darminhalt) und propulsive Peristaltik (20 %, Transport des Darmin-
halts). Ein MMC-Zyklus dauert 1–3 h, besteht aus drei Phasen und beginnt 4–6 h
postprandial.
Dickdarm: hier treten Kontraktionswellen zirkadian (nachts weniger, tags mehr)
und prandial getriggert auf. Mehrmals pro Tag kommt es zu lumenobturierenden
Kontraktionen. Akute (infektiöse) Durchfallerkrankungen führen zu forcierter Mo-
tilität, chronische Durchfallerkrankungen können bei Hypomotilität (z. B. Morbus
Crohn) oder Hypermotilität (z. B. Reizdarmsyndrom) auftreten. Absorption, Sekre-
tion und Motilität beeinflussen sich wechselseitig über intrinsische Reflexbögen.
Literatur Marsh MN, Riley SA. Digestion and absorption of nutrients and vitamins. In: Feldmann M, Scharschmidt BF,
Sleisinger MH, eds. Gastrointestinal and liver disease. 6th ed. Philadelphia: Saunders; 1998: 1471–1500
4.2.1 Meckel-Divertikel
Definition Aussackung des Dünndarms im Bereich des früheren (Embryonalzeit) omphalo-
mesenterialen Gangs, der den Darm mit dem fetalen Dottersack verbindet.
Pathologie Echtes Divertikel, das alle Wandschichten enthält, meist innerhalb 100 cm von der
Bauhin-Klappe entfernt. Größe: 1–10 cm, auch Riesendivertikel bis 100 cm lang
(Typ I) oder ovalär (Typ II). Beinhaltet in 50 % versprengtes atypisches Gewebe: Ma-
genmukosa, auch Helicobacter-pylori-Besiedlung möglich, exokrines Pankreas;
selten: Leber-, Kolonmukosa.
Wegweisende
██ Darstellung des Divertikels: Röntgen-Dünndarm nach Sellink (Enteroklysma),
Diagnostik MR-Sellink
██ Blutung: wenn Gastroskopie/Koloskopie o. B.:Kapselendoskopie/Doppelballon-
Endoskopie (s. Kap. 1.9, Peranaler Blutabgang: Hämatochezie, Meläna, okkulte
Blutung), Angio-CT
██ Intussuszeption, Divertikulitis: Sonografie, CT
██ Technetiumszintigramm: nur Nachweis ektoper Magenschleimhaut (Mukuszel-
len sezernieren Technetium)
Literatur Nies et al. Carcinoid tumors of Meckel’s diverticula. Report of two cases and review of the literature. Dis
Colon Rectum 1992; 35: 589
Elsayes K et al. Imaging Manifestations of Meckel´s Diverticulum. AJR 2007; 189: 81–88
4.2.2 Volvulus
Definition Drehung eines Darmsegments um die eigene Achse mit Abklemmung des Mesen-
terialstiels und dadurch bedingten Komplikationen.
Wegweisende Röntgen-Abdomen-Übersicht:
Diagnostik ██Sigmavolvulus: isolierte, charakteristisch „aufgestellte“ , teils grotesk dilatierte
Kolonschlinge, „coffee-bean-sign“
██Zökumvolvulus: luftgefülltes, distendiertes Zökum im linken Oberbauch (nur
30 % der Patienten), Zeichen des tief sitzenden Dünndarmileus, fehlende Luft im
aboralen Kolon
158 4 Darm
Zusatz
██ CT-Abdomen mit retrogradem Kontrastmittel: Dilatation der betroffenen Darm-
diagnostik schlinge (bis >10 cm möglich), X-förmige Verdrehung der betroffenen und da-
durch obstruierten Darmsegmente
██ Retrograder Kontrasteinlauf (nur im Initialstadium, nicht bei Peritonitis)
Therapie Immer.
indikation
Literatur Levsky J et al. CT finding of sigmoid volvulus. AJR 2010; 194: 136–143
Definition Sehr seltene inkomplette Rotation des Dünn- und Dickdarms unterschiedlicher
Ausprägung während der Embryogenese mit mangelnder Fixation der Darmantei-
le im Abdomen und dadurch erhöhter Gefahr von Volvulus bzw. Obstruktion.
Pathologie Situs inversus partialis oder totalis: Die einzelnen Dünn- und Dickdarmanteile lie-
gen atypisch (z. B. Dünndarm rechts, Kolon links; Zökum unter der Leber oder sub-
pylorisch).
██ Coecum mobile
Wegweisende
██ Röntgen-Abdomenübersicht: Zeichen der Darmobstruktion, Überblähung
Diagnostik
██ Enteroklysma oder CT-Abdomen: abnorme Zökumlage (u. U. linker Oberbauch),
Verdrehung des betroffenen Darmabschnitts
Therapie Operation: Indikation sowohl akuter Volvulus als auch chronisch rezidivierende
Beschwerden.
Literatur Sheridan R. Nonrotation of the midgut presenting in the adolescent and adult. Am J Gastroenterol 1989; 84:
670
Rosenblat J et al. Findings of cecal volvulus at CT. Radiology 2010; 256: 169–175
██ Duplikaturen
Definition Seltene zystische Anomalie, die eine Duplikatur eines Abschnitts des Verdauungs-
kanals – bevorzugt des Dünndarms – darstellt, mit oder ohne Anschluss an das ei-
gentliche Darmlumen.
Pathologie Ausgekleidet meistens mit intestinaler Mukosa, seltener möglich ist aber auch ek-
tope Schleimhaut aus Magen, Pankreas, Plattenepithel; Schilddrüse, Bronchialsys-
tem.
Wegweisende ██ Röntgen-Dünndarm nach Sellink: Duplikatur nur sichtbar, wenn sie mit Darm-
Diagnostik lumen kommuniziert.
Therapie Operative Entfernung; Indikation bei Beschwerden bzw. bei rektalen Duplikaturen
immer.
160 4 Darm
Literatur Blank G et al. Adenocarcinoma arising in a cystic duplication of the small bowel: case report and review of
literature World J Surg Oncol 2012; 10: 55
Epidemiologie Häufige Ursache für intestinale Obstruktion beim Neugeborenen; Inzidenz: 1:3000
bis 1:5000.
Klinische Polyhydramnion des Fetus; Neugeborene: Zeichen der Obstruktion innerhalb der
Charakteristika ersten 3 Tage, Ikterus bei sehr kranieller Atresie.
Zusatz Kolonkontrasteinlauf.
diagnostik
Langzeit Kurzdarmsyndrom.
komplikationen
4.2 Kongenitale Anomalien und anatomische Varianten 161
Wesson D. Congenital anomalies. In: Walker WA, (ed.) Pediatric gastrointestinal disease: pathophysiology,
Literatur
diagnosis, management. Philadelphia: Decker; 1991: 477
██ Gastroschisis
Patho Hypothese: zeitliche Diskordanz der Gefäßversorgung der rechten Bauchwand bei
mechanismus zu früher oder zu später Involution der rechten Umbilikalvene.
██ Omphalozele
Definition Vollständiger Defekt der vorderen Bauchwand und dadurch bedingte Herniation
von Darm und anderen Organen vor die Bauchwand.
Patho Persistenz des Bauchstiels und der physiologischen Nabelhernie; fragliches Risiko:
mechanismus Schwangerschaftstoxikose.
Pathologie Die hernierten Organe sind von Peritoneum parietale überzogen, die äußere Mem-
bran besteht aus Amnion, der Zwischenraum wird von mesenchymalem Bindege-
webe gefüllt. Die Nabelschnur geht direkt in den Bruchsack über.
Assoziierte Weitere Anomalien in zwei Dritteln der Fälle: kardiale Fehlbildungen (ca. 50 %),
Erkrankungen Malrotation, Darmatresien.
Literatur Meller JL et al. Gastrochisis and omphalocele. Clin Perinatol 1989; 16: 113
██ Imperforierter Anus
Klinische Mekoniumileus, sofern keine Fistel vorhanden bzw. sakrale und genitourethrale
Charakteristika Anomalien, wenn verbunden mit anderen Anomalien (50 %).
██ Dolichokolon
Therapie Therapie der Obstipation; nur bei anhaltenden Beschwerden Resektion erwägen.
██ Chilaiditi-Syndrom
Therapie Keine.
4.3 Dünndarmdivertikel 163
4.3 Dünndarmdivertikel
Definition Erworbene, solitär oder multipel auftretende Ausstülpungen der Mukosa und Sub-
mukosa (Pseudodivertikel) oder der gesamten Darmwand (selten, meist Meckeldi-
vertikel) nach extraintestinal, sehr selten intraluminal (nur im Duodenum).
Pathologie Duodenal häufiger als jejunal; Durchmesser variabel von wenigen Millimetern bis
zu 10 cm; 75 % der Duodenaldivertikel liegen 2 cm von der Papille entfernt (juxta-
papilläres Divertikel), im Jejunum Divertikel meist proximal, selten bis ins Ileum.
Literatur Albert JG et al. Die Divertikelkranheit des Dünndarms im Zeitalter der Dünndarmendoskopie. Z Gastroente-
rol 2009; 47: 674–681
Mantas D. et al. Small intestine diverticula: Is there anything new? W J Gastrointest Surg 2011; 3: 49–53
Pathologie Histologisch sehr variabel: sehr geringe entzündliche Infiltration bis subtotale Zot-
tenatrophie des Dünndarms.
Wegweisende Anamnese: praktisch keine spontane Erkrankung ohne zugrunde liegende Ursa-
Diagnostik che; siehe Pathomechanismus
Erregerkultur: im duodenalen bzw. jejunalen Aspirat; Goldstandard (aber auch
Fehlerquote, da Kontamination oder Ort der bakteriellen Fehlbesiedlung weiter di-
stal und somit nicht erreicht)
Glukose-H2-Atemtest: Bakterien im Dünndarm spalten Glukose unter Bildung von
H2, bevor Glukose resorbiert werden kann (s. Kap. 14.2, Glukose-H2-Atemtest)
Literatur Bouhnik et al. Bacterial populations contaminating the upper gut of patients with small intestinal bacterial
overgrowth syndrome. Am J Gastroenterol 1999; 94: 1327
Stein JM, Schneider AR. Bakterielle Fehlbesiedlung. Z Gastroenterol 2007; 45: 620–628
4.5 Malabsorptionssyndrom
Definition Störung bzw. Fehlen der Absorption einzelner oder multipler Nahrungsendpro-
dukte (im Dünndarm); s. auch Kap. 1.13, Chronische Diarrhö, inkl. Algorithmus.
Epidemiologie Etwa 5 % der Patienten mit Durchfällen von mehr als 4 Wochen Dauer leiden an ei-
nem Malabsorptionssyndrom.
Therapie Bei klinischer Symptomatik und bei klinischen und laborchemischen Mangeler-
indikation scheinungen.
168 4 Darm
Therapie
██ Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung (in der Regel dadurch kausale The-
rapie möglich)
██ Substitution der fehlenden Nahrungsbestandteile: Eisen oral oder intravenös
(z. B. Venofer 100–400 mg/Woche i. v.), Vitamine (fettlösliche und Vitamin B12/
Folsäure) oral, selten intravenös erforderlich; Zinksubstitution oral/i. v.; Ersatz
von Spurenelementen (z. B. Biometalle, fraglich)
██ Substitution von Pankreasenzymen bei exokriner Pankreasinsuffizienz
██ Adaptation der Nahrungsaufnahme (ausführliche Ernährungsberatung):
–– bei exokriner Pankreasinsuffizienz, Morbus Crohn: Reduktion langkettiger
Triglyzeride
–– bei absolutem oder funktionellem Kurzdarmsyndrom mit Steatorrhö: Ersatz
langkettiger durch mittelkettige Triglyzeride (MCT-Fette)
–– bei Zöliakie: glutenfreie Kost; bei Laktoseintoleranz: Meiden von Laktose,
ggf. Einnahme von Laktaseenzymkapseln
–– bei Gallensäureverlustsyndrom: Colestyramin 3-mal 2–4 g/Tag
–– bei Kurzdarmsyndrom: u. U. lebenslange parenterale Substitution und/oder
Ernährung notwendig
Literatur Mason JB, Milovic, V. Malabsorption – Clinical features and diagnosis of malabsorption. www.Uptodate.com
version 19.2, 2011
4.6 Kurzdarmsyndrom
Therapie
██ Indikation: immer
indikation und
██ Ziel: komplette orale Ernährung. Erreichbarkeit abhängig von: Länge und Lo-
-ziel kalisation (Jejunum/Ileum) des Dünndarms, Kolon und Bauhin-Klappe intakt,
intestinaler Adaptation
Therapie Totale parenterale Ernährung (TPE): initial nach Darmresektion und je nach ver-
bliebener Darmlänge u. U. über Wochen erforderlich.
Orale Ernährung: sollte zügig begonnen werden, da der Darm nur durch enterale
Ernährung adaptieren kann; hochkalorisch, viele kleine Mahlzeiten, bis zu 6000–
8000 kcal/Tag notwendig, bis zu 40 % Fett der zugeführten Kalorien, MCT-Fette,
möglichst wenig freies Wasser (evtl. mit Elotrans oder Oralyt versetzen), keine
hochosmolaren Getränke, oxalsäurearme Kost; Ernährungsberatung.
Vollbilanzierte Sondennahrung (immer MCT-Sondennahrung): falls orale Ernäh-
rung nicht ausreichend, Zufuhr oral oder über nasogastrale Sonde und kontinuier-
lich über Pumpe; Beginn mit 40 ml/h, steigern nach klinischem Befund (Auftreten
bzw. Zunahme von Durchfall); s. Kap.15
Ausgleich von Mangelzuständen: häufig zusätzlich notwendig (s. Kap. 4.5, Malab-
sorptionsyndrom).
Protonenpumpenhemmer: zur Magensäurereduktion (Reduktion intestinaler
Flüssigkeitsmenge, Verhinderung von Pankreasenzymdestruktion).
Pankreasenzymsubstitution: da Enzyme durch schnelle Darmpassage verloren ge-
hen.
Gallensäureverlust: Colestyramin (s. Kap. 4.7, Gallensäureverlustsyndrom).
Antidiarrhoika: Loperamid; Tinctura opii.
Therapie ██ dauerhaft total parenterale Ernährung über implantierten Katheter (Port), am-
versagen bulant zu Hause durchführbar, spezielle kommerzielle Anbieter sowie Spezial-
pflegedienste (meist auch für enterale Sondenernährung) vermitteln Handha-
bung und Assistenz
██ Dünndarmtransplantation
Langzeit ██ Mangelzustände
komplikationen ██ parenterale Ernährung: Kathetersepsis, -thrombose; Dysbalancen in der Nah-
rungszufuhr (Hyperglykämie, Hypophosphatämie, Hyponatriämie, Hypervolä-
mie); Fettleber (zu hohe Glukose- bzw. Fettzufuhr); bakterielle Fehlbesiedlung,
Steatosis hepatis, Gallensteine, Hyperoxalurie, Laktatazidose
4.7 Gallensäureverlustsyndrom
Definition Enteraler Verlust von Gallensäuren durch fehlende Absorption im Ileum mit kon-
sekutiven Diarrhöen:
██Kompensiertes Gallensäureverlustsyndrom: Verlust geringer als Neusynthese
der Leber, wässrige Diarrhö bedingt durch toxische Wirkung der Gallensäuren
am Kolon
██Dekompensiertes Gallensäureverlustsyndrom: Verlust größer als Neusynthese,
dadurch Fettmalabsorption und Steatorrhö
170 4 Darm
4.8 Laktoseintoleranz
Patho Fehlen des Bürstensaumenzyms Laktase: Laktose kann nicht in Glukose und Ga-
mechanismus laktose gespalten werden (führt zu osmotischer Diarrhö) und wird im Kolon bak-
teriell gespalten (H2-Bildung und -Exhalation, vermehrte Gasbildung, Flatulenz).
██Primäre Laktoseintoleranz: Mutationen des Laktasegens
██Sekundäre Laktoseintoleranz: nach Infektionserkrankungen des Dünndarms
(z. T. persistierend), im Rahmen von Erkrankungen mit Zottenatrophie (Zöliakie,
Morbus Crohn etc.).
4.9 Andere Formen der Kohlenhydratmalabsorption 171
Klinische Unverträglichkeit von Milch und Milchprodukten (aber auch anderen laktosehal-
Charakteristika tigen Nahrungsmitteln – Laktosegehalt häufig nicht bekannt) mit Auftreten von
Durchfällen, Bauchschmerzen, Blähungen bzw. Flatulenz. Auftreten der Beschwer-
den in zeitlichem Zusammenhang mit Laktoseeinnahme! (30–120 min).
██ Primäre Laktoseintoleranz: führt bei Säuglingen zu Milchunverträglichkeit
██ Sekundäre Laktoseintoleranz: Beschwerden der Laktoseintoleranz in Abhängig-
keit der Darmmukosaschädigung
Verlauf Unter Einhaltung der Therapie gut; bei konsequenter Vermeidung von Milchpro-
dukten Gefahr von Kalzium-/Vitamin-D-Mangel und Osteoporose.
4.10 Nahrungsmittelunverträglichkeit
Einteilung Cave: Überlappungen der Reaktionstypen häufig, im klinischen Alltag klare Zuord-
nung häufig schwierig.
Klinische Nahrungsmittelallergie:
Charakteristika ██Gastrointestinaltrakt: innerhalb von Minuten bis Stunden in unterschiedlicher
Heftigkeit auftretend; häufig Beginn mit Kribbeln im Lippen- bzw. Mundbereich,
Ödem der Nasen-Mund-Rachen-Schleimhaut (OAS: orales Allergiesyndrom, bei
Erwachsenen am häufigsten), Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, Diarrhö, Bauch-
schmerzen (IAS: intestinales Allergiesyndrom); chronisch auch: eosinophile
Gastroenteritis
██Haut: Urtikaria, Quincke-Ödem, atopische Dermatitis
██Atemwege: Rhinitis, Heuschnupfen, Asthma, Otitis
██Anaphylaxie, Schocksymptomatik
██Sonstige: Migräne, anhaltende Müdigkeit, Arthritis, Ödeme
██Kinder: typischerweise Ekzem und Magen-Darm-Beschwerden; Proktitiden, En-
teropathien bis zu Malassimilation, eosinophile Ösophagitis; OAS seltener als
bei Erwachsenen, Rhinokonjunktivitis, Urtikaria/Angioödem, Anaphylaxie
Wegweisende Keine spezifische, beweisende Diagnostik bekannt. Da NMU sehr viel häufiger als
Diagnostik NMA, sollten Laktoseintoleranz und andere nicht immunologisch vermittelte Ur-
sachen (Anamnese!) zunächst ausgeschlossen werden.
Stufendiagnostik NMA:
██sorgfältige Nahrungsanamnese (Fachkraft für Ernährungsberatung), sonstige
Anamnese inkl. psychosozialer Aspekte
██Führen eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs über 2–4 Wochen (Problem:
versteckte Nahrungsallergene)
174 4 Darm
Zusatz ██ Pricktest der Haut: geringer positiver prädiktiver Wert; wenig standardisiert.
diagnostik Zunehmend rekombinante Antigene für Testung, alternativ Prick-to-Prick-Test:
Lanzette wird zunächst in zu testendes Nahrungsmittel gehalten, dann die Haut
des Patienten geprickt
██ orale Provokation (Durchführung siehe DGAI-Leitlinien): „Goldstandard“, dop-
pelblinde, plazebokontrollierte orale Nahrungsmittelprovokation, sehr aufwen-
dig!
██ COLAP-Test (koloskopische Allergenprovokation): koloskopisch geführte Injek-
tion des vermuteten (gereinigten) Antigens in die Kolonschleimhaut mit Aus-
lösung einer lokalen Reaktion (Test in Erprobung, nur in wenigen Zentren an-
geboten)
██ Nicht empfohlen, da kein Allergienachweis: IgG4-Antikörper im Serum gegen
Nahrungsmittel, DAO- und Histaminbestimmung i. S. sind nicht validiert
Therapie Nahrungsmittelallergie:
██bei klarer Allergenidentifikation: Allergenelimination aus der Nahrung
██bei unklarer Allergenidentifikation: Implementierung einer oligoallergenen Ba-
sisdiät, falls nach 5–7 Tagen keine Besserung der Symptome: Allergie unwahr-
scheinlich; falls Besserung: Reintroduktion einzelner Nahrungsmittel bis Symp-
tome auftreten, dann Allergenelimination (Allergie-/Ernährungsfachkraft!)
██supplementär: Cromoglicinsäure 4-mal 100 mg (prophylaktisch); selten Predni-
solon
██bei Anaphylaxieanamnese: Notfallset für Betroffenen: Adrenalin-Autoinjektor,
Prednisolon, Antihistaminikum (Einweisung in Handhabung!)
██keine Studien zu Desensibilisierung, lokalen Steroiden (Budesonid), prophylak-
tischer medikamentöser Therapie
Sonstige Nahrungsmittelunverträglichkeit:
██toxische Auslöser: meistens spontane Besserung
██sonstige: Elimination der auslösenden Substanzen/Nahrungsbestandteile; cave:
bei Eliminationsdiät Ausbildung von Mangelerscheinungen möglich!
Verlauf Wenn Allergenelimination möglich: gute Prognose. NMA selten, aber potenziell le-
bensbedrohlich (Anaphylaxie).
4.11 Systemische Mastozytose 175
Selbsthilfe http://www.aktionsplan-allergien.de/nn_461942/DE/07_SHG/nachTaetigkeits-
Schwerpunkt/SHG_node.html?_nnn=true
Literatur Zopf et al. The differential diagnosis of food intolerance. Dtsch Ärztebl Int 2009; 106: 359–370
Bischoff SC. Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Gatroenterol up2date 2012; 8: 143–161
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie: Standardisierung von
oralen Provokationstests bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien. Allergo J 2006; 15: 262–270
(www.awmf.de)
WHO- Eine systemische Mastozytose liegt vor, wenn entweder 1 Haupt- (HK) und 1 Ne-
Diagnose benkriterium (NK) oder 3 NK zutreffen: 1 HK + 1 NK oder 3 NK = systemische Mas-
kriterien tozytose
Hauptkriterium: multifokale, dichte Mastzellinfiltrate (>15 Mastzellen) in der
Knochenmark-(KM-)Biopsie und/oder Biopsie aus anderen extrakutanen Organen.
Nebenkriterien:
██25 % der Mastzellen im KM-Ausstrich sind atypisch oder >25 % der Mastzellen in
Infiltraten viszeraler Organe sind spindelförmig
██c-Kit-Punktmutation in Codon 816 in Mastzellen aus KM oder extrakutanem
Organ
██Mastzellen aus KM oder extrakutanem Organ produzieren CD2 und/oder CD25
██basale Tryptasekonzentration >20 ng/ml (nicht bei myeloischer Neoplasie)
Verlauf und Die indolente Mastozytose verläuft gutartig, ohne Organdysfunktionen. Die ande-
Prognose ren Formen der Mastozytose werden durch die hämatologischen Begleiterkran-
kungen und die Organinfiltration limitiert.
Selbsthilfe www.mastozytose.de
(Beim RDS des Erwachsenen sind die bisherigen „Rom-III-Kriterien“ abgelöst! Bei
Kindern und Jugendlichen kommen sie weiter zur Anwendung, s. DGVS-Leitlinie)
Epidemiologie Je nach Studie und Kriterien sind die Daten stark variabel.
Prävalenz: ca.14–24 % aller Frauen, 5–19 % aller Männer; Alter: 30–64 Jahre: 17 %,
65–93 Jahre: 11 %.
Inzidenz: ca. 1 % pro Jahr; RDS mit überwiegend Obstipation häufig bei Frauen;
nur ca. 5 % suchen Arzt auf. Postinfektiöses Reizdarmsyndrom: 4–31 % nach Gast-
roenteritis.
Medikamente:
bei Obstipation: Movicol 1- bis 3-mal 1 Btl.; Lactulose 1- bis 3-mal 10–20 ml/Tag;
██
hungen; Probiotika, Rifaximin 3-mal 400 mg (in Deutschland bislang nicht zuge-
lassen für diese Indikation)
alle RDS-Formen: Phytotherapeutika: STW5/Iberogast 3-mal 20 Trpf.
██
180 4 Darm
Therapie Häufig vorkommend, daher viele Therapieversuche, häufig Nachlassen der thera-
versagen peutischen Wirkung; Überweisung zu Konsiliararzt, Einholen einer 2. Meinung,
„reassurance“ des Patienten, neuer Therapieversuch. Cave: bei Nichtansprechen
der Therapie immer auch an Differenzialdiagnosen denken!
Literatur Layer P et al: S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom. Z Gastroenterol 2011; 49: 237–293 (www.dgvs.de), AWMF-
Reg. r.: 021/016
Böhm SK, Kruis W. Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. Gastroenterol up2date 2006; 2:
271–306
Longstreth GF et al. Functional bowel disorders. Gastroenterology 2006; 130: 1480–1491
Definition Akut einsetzende, durch unterschiedlichste Erreger bedingte und meist selbstli-
mitierende Durchfallerkrankung von hoher Variabilität bezüglich Häufigkeit der
Durchfälle (bis zu 20- bis 30-mal, auch nachts), Schwere (wässrig/blutig, Grad der
Bauchschmerzen, Fieber, Nierenversagen oder andere Komplikationen), Dauer und
Verlauf (in Mitteleuropa meist selbstlimitierend, selten fatal).
Einflussfaktoren: Erregervirulenz und -dosis, Alter des Patienten (ältere und junge
Menschen mehr gefährdet), reduzierte Immunlage des Patienten.
Patho Diarrhö wird hervorgerufen durch Leckage bzw. sekretorischem Elektrolyt- und
mechanismus Flüssigkeitsverlust.
Epithelschädigung durch:
██Mukosainvasion durch Erreger (invasive Enteritis: Yersinien, Shigellen, Campylo-
bacter, Salmonella typhi und paratyphi)
██erregerspezifisches Toxin (nichtinvasive Enteritis: ETEC, Staphylococcus aureus,
Campylobacter, Salmonella-Arten, Vibrio cholerae)
██zytotoxische Erreger: Noro-, Rotaviren, Clostridium difficile, Campylobacter,
EHEC, Shigella dysenteriae, Yersinien
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms 181
Epidemiologie Häufiges Kranheitsbild: eine Episode pro Person pro Jahr! Weltweit hohe Morbidi-
tät und Mortalität (v. a. in Afrika und Asien).
Deutschland: laut Erregerstatistik 2011 des Robert-Koch-Instituts pro 100 000
Einwohner ca. 350 gemeldete Erkrankungen, jedoch hohe Dunkelziffer! davon
Noroviren: 140 (rückläufig, 2007: 244), Rotaviren 65, Salmonellen 29, Campylo-
bacter 86, EHEC 6, andere E. coli 10, übrige Erreger ca. 6.
agnostik, da selbstlimitierend
Zusatz ██ Labor: BB, Diff-BB, BZ, Krea, Elektrolyte, Hst, IgA, evtl. HIV-Status
diagnostik ██ Sonografie des Abdomens: wandverdickte Darmsegmente, Lokalisation (Kolon,
terminales Ileum), dilatierte Darmschlingen, Ileuszeichen, Lymphknoten (Yersi-
nien!), evtl. Farbdoppler/Duplex der Mesenterialgefäße
██ Rektosigmoido- oder Ileokoloskopie: bei pseudomembranöser Kolitis (Cl. dif-
ficile) pathognomonische Veränderungen, schnelle Diagnose, ansonsten meist
entbehrlich
Differenzial Durchfall nicht infektiöser Ursache(s. Kap. 1.13, Akute Diarrhö), insbesondere
diagnose chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), isch-
ämische Kolitis, seltene Erreger bei Immungeschwächten: CMV, Adenoviren, Lam-
blien etc.)
Meldung durch das den Erreger bzw. das Toxin nachweisende Labor muss bei je-
dem Fall infektiöser Enteritis erfolgen.
Literatur Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 3/2012 (www.rki.de , Startseite > Infektionsschutz > Epi-
demiologisches Bulletin > 2012
Epple HJ, Zeitz M. Enteritis infectiosa. Internist 2011; 52: 1038–1046
www.eurosurveillance.org
Erreger Salmonella typhi bzw. paratyphi: die Dünndarmwand penetrierende Erreger, bil-
den ein Endotoxin, das für die schwere Allgemeinerkrankung verantwortlich ist;
184 4 Darm
Therapie Immer Antibiotika: Ciprofloxacin 2-mal 500 mg für 14 Tage, alternativ Ceftriaxon
2 g 1-mal/Tag i. v. über 14 Tage.
Erreger Gramnegative Stäbchen mit spiralförmiger Gestalt: viele Spezies, C. jejuni (95 %), C.
coli, C. lari, C. fetus ssp. fetus u. a., verursachen ca. 10 % der infektiösen Enteritiden;
häufig Reisediarrhö, Kinder und Jugendliche vermehrt, m>w; Campylobacter sind
invasive Erreger, bilden auch Entero- und Zytotoxin, genauer Pathomechanismus
ist unklar. Inzidenz in Deutschland 2011: 86/100 000 Einwohner (zweithäufigster
Erreger nach Noro).
Diagnostik Stuhlkultur
Erreger Gramnegative Enterobacteriaceae; Shigella sonnei (70–80 %), S. flexneri (10–20 %),
S. dysenteriae, S. boydii; geringe Erregermenge hoch infektiös, Vermehrung im
Dünndarm, Mukosaschädigung im Kolon; Enterotoxinbildner (S. flexneri, sonnei),
S. dysenteriae bildet zytotoxisches Shiga-Toxin, das auch von anderen Bakterien
gebildet wird (S. typhimurium, S. flexneri, Vibrio cholerae, E. coli O157:H7, E. coli
O104:H4).
Epidemiologie Meist Reisekrankheit: Ägypten, Tunesien u. a.; endemisch geringes Auftreten, Er-
krankungen 1–2/100 000, Auftreten in Heimen und Kindertagesstätten; weltweit:
signifikante Infektionserkrankung.
Klinische Durchfälle: wässrig (40 %), blutig (40 %), schleimig (80 %); kolikartige Bauch-
Charakteristika schmerzen (85 %), hohes Fieber (35 %); Symptomatik meistens spontan nach 2–7
Tagen sistierend
Schwerer Verlauf mit Bakteriämie: meist durch Shiga-Toxin verursacht; Konjunk-
tivitis, Gelenkbeteiligung, Iridozyklitis möglich
In Entwicklungsländern Shigellenenteritis mit Stenosebildung beobachtet,
schlechte Prognose, möglich sind toxisches Megakolon, Krampfanfälle (Fieber),
hämolytisch-urämisches Syndrom, leukämoide Reaktion
Diagnostik Stuhlkultur
Klinische Infektion häufig inapparent, oligosymptomatisch, ein Drittel erkrankt mit leichten
Charakteristika Durchfällen; ansonsten wässrig-blutige Durchfälle, Übelkeit, Erbrechen, Bauch-
schmerzen, selten Fieber.
EHEC-Ausbruch 2011 in Deutschland: blutige Diarrhöen (90 %), Bauchschmerzen
(90 %), Übelkeit/Erbrechen (bis 30 %), selten Fieber, hämolytisch-urämisches Syn-
drom (22 %), neurologische Symptomatik (ca. 15 %): Benommenheit, Agitiertheit,
Verwirrtheit, generalisierte Krampfanfälle, Koma.
Komplikationen ██ bei 10–20 % schwere hämorrhagische Kolitis: häufiger bei Kindern, alten Men-
schen und Immunkompromittierten, Perforation, neurologische Komplikatio-
nen (Schlaganfall, Krampfanfall)
██ in 5–10 % hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) bzw. thrombotisch-throm-
bozytopenische Purpura (TTP), dadurch im Kindesalter hohe Letalität; Nieren-
versagen meistens reversibel
██ EHEC-Ausbruch 2011 in Deutschland: 22 % HUS (Thrombopenie <150 000, hä-
molytische Anämie, akute Niereninsuffizienz), davon 50 % mit (meist vorüberge-
hender) Dialysepflichtigkeit, ca. 50 % neurologische Symptome
Literatur Frank C et al. Epidemic profile of Shiga-Toxin-producing Escherichia coli O104:H4 outbreak in Germany.
NEJM 2011; 365: 1771–1780
██ Clostridium difficile
Erreger Regulärer Keim der Darmflora im Kleinstkindalter, später Verlust der Darmkoloni-
sation. Anaerobier, grampositives, sporenbildendes Stäbchenbakterium, bildet En-
terotoxin (A) und Zytotoxin (B). Hohe genetische Variabilität. Neuer hochvirulenter
Stamm (Ribotyp O27) mit starker Toxinproduktion und z. T. schwerem klinischem
Verlauf auch in Deutschland nachgewiesen.
Patho Infektion meist nach antibiotischer Therapie (Clindamycin, Ampicillin, aber auch
mechanismus alle anderen Antibiotika inkl. Metronidazol und Vancomycin) durch Imbalance der
und Risiko regulären Darmflora als nosokomiale Infektion; bei ambulant erworbener Infekti-
faktoren on auch ohne vorausgegangene Antibiotikaeinnahme möglich.
Risikofaktoren: Immunschwäche, immunsuppressive Therapie, Chemotherapie,
postoperativ (nach Magen-/Darm-OP), Morbus Crohn/Colitis ulcerosa, Darmtu-
mor, Urämie, Verbrennungen, Wirbelsäulenverletzung, möglich: längerfristige PPI-
Einnahme.
188 4 Darm
Übertragung Von Mensch zu Mensch; meist ältere Patienten, bei Tumor, Immunsuppression.
Therapie Bei Durchfällen und Nachweis von Cl.-difficile-Toxin A und/oder B und/oder po-
indikation sitiver Stuhlkultur, bei schweren und fortbestehenden Symptomen, älteren/CO-
morbiden Patienten, bei fortgesetzter Antibiotikagabe.
Therapie und ██ Beginn der Erkrankung während Antibiotikagabe, aber auch noch bis 4 Wochen
Verlauf nach Absetzen von Antibiotika möglich.
██ Antibiotika absetzen, sofern möglich
██ Ersterkrankung: Metronidazol 4-mal 250 mg oral (oder 3-mal 500 mg) pro Tag (falls
unmöglich: i. v.) über mindestens 10 Tage; alternativ: Vancomycin 4-mal 125 mg
oral (teurer, i. v. ohne Wirkung). Rezidivgefahr ca. 20 % innerhalb von 3–21 Tagen
–– Primär Vancomycin: Kinder <10 Jahre, Schwangere, schwere Erkrankung
██ 1. Rezidiv: wie Ersterkrankung
██ >1. Rezidiv: Metronidazol oder Vancomycin oral 14–21 Tage plus Saccharomyces
boulardii (Perenterol)
██ sehr schwere Verläufe (toxisches Megakolon, Perforation, Peritonitis): Metroni-
dazol i. v. plus Vancomycin über Ernährungssonde; Indikation für Proktokolek-
tomie prüfen (Meldepflicht!)
██ neu: Fidaxomicin (2 × 200 mg für 10 Tage per os), gleich gut wirksam wie Van
comycin, etwas weniger Rezidive; sehr teuer!
██ Stuhtransplantation: in Rezidivtherapie offenbar sehr gute vorläufige Ergebnisse
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms 189
Hygiene,
██ www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Cl. difficile. Neu: Meldepflicht bei
Meldepflicht, schwer verlaufenden CDAD ans Gesundheitsamt.
Prophylaxe
██ Isolierung: nach >48 h nach Sistieren der Durchfälle Aufhebung der Isolierung
Literatur Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts 2008; 15: 117–122 (www.rki.de)
www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Cl. difficile (Stand 2013)
Schneider T et al. Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhoe. Dtsch Ärztebl 2007; 104: 1588–1594
Van Nood et al. Duodenal Infusion of donor feces for recurrent Clostridium difficile. NEJM 2013; 368:
407–415
██ Yersinien
Erreger Gramnegative Stäbchen (Yersinia enterocolica, Serotyp O:3 (90 %) und O:9 bedeut-
sam; seltener Y. pseudotuberculosis), penetrieren über Dünndarmschleimhaut in
Peyer-Plaques und Lymphknoten.
Klinische Trias: fieberhafte schmerzhafte, teils blutige Diarrhö, Erythema nodosum, akute
Charakteristika (Mon-)Arthritis; häufig auch rechtsseitige Unterbauchschmerzen („Pseudoappen-
dizitis“), Erbrechen, Anorexie, Gewichtsverlust, Kopfschmerzen, selten Sepsis.
Patienten mit Hämochromatose: häufigere und schwerere Infektion.
Diagnostik Stuhlkultur
Serologisch: IgA und IgM im Immunblot positiv in akuter und postakuter Phase,
nach 3–6 Monaten wieder negativ (auch falsch positive Ergebnisse möglich)
Sonografie: wandverdicktes terminales Ileum, zahlreiche mesenteriale Lymph-
knoten im rechten Unterbauch, aber auch in anderen Lymphknotenstationen, z. T.
sehr groß („mesenteriale Lymphadenitis“)
Endoskopie: uncharakteristische entzündliche Veränderungen im terminalen Ile-
um, vermehrt Lymphfollikel, Ulzera
Therapie In der Regel selbstlimitierend, keine Therapie erforderlich; bei chronischem Ver-
lauf, immunkompromittierten Patienten, Hämochromatose, Septikämie oder
Komplikationen: Ciprofloxacin 2-mal 500 mg über 4 Wochen, alternativ Ceftriaxon
2 g 1-mal/Tag i. v.
Literatur Cover TL und Aber RC. Yersinia enterocolitica. N Engl J Med 1989; 321: 16–24
www.rki.de> Startseite > Infektionsschutz > Epidemiologisches Bulletin > 2012/6
██ Noroviren
Übertragung Hohe Kontagiosität, meist fäkal-oral oder oral-oral von Mensch zu Mensch, selte-
ner kontaminierte Speisen. Inkubationszeit: 6–48 h.
Verlauf Meist Sistieren der Symptomatik innerhalb 24–48 h. Prolongierte Verläufe insbe-
sondere bei abwehrgeschwächten Menschen häufig. Mortalität: <0,1 % (v. a. alte
Menschen, Saison 2006/7 waren 79 % >80 Jahre). Keine Immunität.
Literatur Schneider T et al. Norovirusinfektion – häufigste Ursache akuter Gastroentritiden in den Wintermonaten.
Dtsch Ärztebl 2005; 102: B2153–2157
Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts 2008; 6: 43–58 (www.rki.de)
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms 191
██ Rotaviren
Übertragung Überwiegend fäkal-oral von Mensch zu Mensch, durch Wasser, durch kontami-
nierte Oberflächen; Auftreten zu 70 % in Winter und Frühjahr.
Klinische Inkubationszeit: 1–3 Tage; Erbrechen und wässriger (schleimiger) Durchfall, 1–5
Charakteristika Tage. Dehydratation Indikation für stationäre Behandlung.
Verlauf Sehr variabel, schwere Verläufe bei Kindern mit Immundefekt, Darminvagination
gehäuft, persistierender Laktasemangel möglich.
Prophylaxe Seit 2006 oraler Impfstoff verfügbar, von STIKO derzeit nicht empfohlen: Stand 2012.
██ Giardia lamblia
Erreger Flagellatum, Parasit; zwei morphologische Formen: Zysten und Trophozoiten; Zys-
ten entsprechen infektiöser Form, können lange in feuchtem Milieu überleben; im
Dünndarm geben Zysten multiple begeißelte Trophozoiten frei, die sich an die Mu-
kosa anheften, aber nicht infiltrieren oder destruieren; im Kolon verkapseln sich
Trophozoiten wieder zu Zysten. Bei chronischem Verlauf Zottenatrophie möglich.
Vorkommen/ Weltweit, besonders Indien, Türkei, Ägypten, Spanien, Italien, aber auch USA und
Übertragung Deutschland: über Wasser und Nahrung und von Mensch zu Mensch (Vorkommen
in Wasser, auch natürlichen Gewässern und Gebirgsgewässern sowie Nahrung). In-
kubationszeit: 3–25 Tage. Inzidenz in Deutschland (RKI 2010): 4,9/100 000, Kinder
und jüngere Erwachsene.
Therapie Metronidazol 3-mal 400 mg für 5 Tage (80–95 % Erfolg), evtl. wiederholen; Alterna-
tive: Tinidazol einmalig 2 g.
Verlauf Meist akut und selbstlimitierend; chronischer Verlauf begünstigt durch Therapie-
resistenz, Immunschwäche/-suppression, Reinfektion mit wechselnder Diarrhö
und zunehmendem Malabsorptionssyndrom möglich.
Differenzial Bei chronischem Verlauf: Malabsorption anderer Ursache (s. Kap. 4.5, Malabsorp-
diagnose tionssyndrom), einheimische Zöliakie (Zottenatrophie), tropische Zöliakie (Anam-
nese).
██ Amöben
Erkrankungen Infektion mit dem Protozoon Entamoeba histolytica („Amöbiasis“) mit asympto-
matischem, nichtinvasivem (auf den Darm beschränkten) oder invasivem Verlauf
mit ulzeröser Kolitis („Amöbenruhr“) und evtl. Amöbenabszess der Leber. Andere
Entamoeba-Arten (E. dispar, E. moshkovskii) sind für den Menschen klinisch nicht
bedeutsam.
Erreger und Entamoeba histolytica, Protozoon, Parasit; zwei morphologische Formen: Zysten
Verlauf und Trophozoiten; Zysten entsprechen infektiver Form, können lange in feuchtem
Milieu überleben. Orale Aufnahme von Zysten mit Wasser oder Nahrung, Übertra-
gung auch fäkal-oral. Im Dünndarm geben Zysten multiple Trophozoiten frei, die
sich im proximalen Kolon an die Mukosa anheften, zu Zellnekrosen und Ulzera
führen und die Darmwand penetrieren können. Im distalen Kolon erneute Enkap-
sulierung der Trophozoiten und Ausscheidung. In 80–90 % asymptomatische Infek-
tion. Invasive Form mit ulzerierender Kolitis und/oder extraintestinaler Erkran-
kung (Amöbenabszess der Leber in 95 %).
Epidemiologie Ca. 10 % weltweit infiziert, 40 000 Todesfälle; in Deutschland meist importierte Er-
krankung: ca. 0,25/100 000 Einwohner im Jahr 2000 (RKI); Vorkommen: Subtro-
pen und Tropen, überwiegend Indien, Afrika, Mexiko, Zentral- und Südamerika.
Inkubationszeit: Tage bis Monate; Latenz zwischen Aufnahme von Zysten und in-
vasiver Amöbiasis: Monate bis Jahre.
Diagnostik
██ E. histolytica-DNA-PCR im Stuhl; Nachweis von Zysten und Trophozoiten im fri-
schen Stuhl (gelingt nur in 70 %); Amöbenantigen im Stuhl; IgM-AK im Serum
██ Koloskopie: flache Ulzera mit erhabenem Rand; Histologie: unspezifisch oder
Trophozoitennachweis
Verlauf und Neigung zu Chronizität und Rezidiven, hämatogene Streuung und lokale Penetrati-
Komplikationen on; Leberabszess: s. Kap. 7.5.1; Amöbom der Darmwand (selten); Kolonperforati-
on; Pleuraerguss rechts, selten Lungenabszess. Komplette Ausheilung nach Thera-
pie. In 10 % sonografisch Restzustände nach Leberabszess.
Literatur Burchard GD, Tannich E. Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der Amöbiasis. Dtsch Ärztebl 2004; 101:
A3036–3040
Seltene und importierte Infektionskrankheiten. Robert-Koch-Institut 2011. www.rki.de/cln_153/
nn_467546/DE/Content/InfAZ/Steckbriefe/Steckbriefe__120606,templateId=raw,property=publicationFi
le.pdf/Steckbriefe_120606.pdf
4.13.2 Reisediarrhö
Definition Akute infektiöse Enteritis, die während oder nach Reisen typischerweise in Län-
dern mit reduziertem Hygienestandard auftreten (40–60 % der Reisenden in diese
Regionen entwickeln Diarrhö).
Ätiologie Meist bakterielle Ursache, ca. 10 % viral oder parasitär bedingt. Häufigster Auslöser:
enterotoxische E. coli (ETEC), Nachweis über auslösendes Agens in 70 % nicht zu füh-
ren. Übertragung durch kontaminierte Nahrung und Wasser. Infektion mit Giardia
lamblia (s. Kap. 4.13.1) auch durch kontaminiertes Wasser und natürliche Gewässer.
Epidemiologie Risikoregionen:
██geringes Risiko (<10 %): Nordeuropa, Australien, Neuseeland, USA, Kanada, Sin-
gapur
██mittleres Risiko (10–20 %): Mittelmeerregion, Südafrika, Karibik
██hohes Risiko (>30 %): Asien (außer Singapur), Afrika (außer Südafrika), Mittel-
und Südamerika, Mexiko
Verlauf Ohne Antibiotika erfolgt meist Besserung innerhalb 2–4 Tagen, durch Antibioti-
kum um 1–2 Tage früher.
Literatur DeBruyn G et al. Antibiotic treatment for travellers′diarrhoea. Cochrane Database Syst Rev 2000; 3:
CD002242
Rabenstein T et al. Rifaximin – ein nicht resorbierbares Antibiotikum mit vielfältigen Anwendungsmöglich-
keiten in der Gastroenterologie. Z Gastroenterologie 2011; 49: 211–224
4.13.3 A
ndere Enteritiserreger: Bakterien, Pilze, Parasiten
(Auswahl)
Bakterien Vibrio cholerae (Cholera): gramnegatives Bakterium, bildet Choleratoxin, das über
Stimulation von cAMP zu exzessiver Wassersekretion ins Darmlumen führt; en-
demisch in Indien, Afrika, Zentral- und Südamerika; Infektionsquelle: infiziertes
Wasser; Inkubationszeit: wenige Stunden.
██Klinik: schwerste Diarrhö (Reiswasserstuhl) mit Hypovolämie, Hypotonie, Kol-
laps, massivem Elektrolytverlust; akutes Nierenversagen; Letalität >50 %!
██Nachweis: in Stuhlkultur und im Phasenkontrastmikroskop.
██Therapie: entscheidend ist Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution plus Doxycy-
clin 300 mg/Tag oder Erythromycin 4-mal 500 mg/Tag oder Cotrim forte 2-mal 1.
Pilze Candida albicans: Stuhluntersuchung auf Candida albicans ist überflüssig. Nach-
weis ist insbesondere bei älteren Menschen im Enddarm häufig positiv und hat
keinen Krankheitswert. Allenfalls bei immuninkompetenten Personen (Chemothe-
rapie, Granulozytopenie, Immunsuppression, HIV) kann Candida Krankheitswert
erhalten, allerdings fast ausschließlich in anderen Körperregionen (oropharynge-
al, Soorösophagitis, Pneumonie, Abszess, Candida-Sepsis). Alleiniger Nachweis von
Candida im Stuhl ist nicht behandlungsbedürftig.
Therapie Folsäure 5 mg/Tag plus Tetrazyklin 4-mal 250 mg/Tag über 3–6 Monate.
Verlauf Folsäure allein normalisiert Anämie und klinisches Befinden in 50 %; trotz Tetrazy-
klintherapie bis zu 20 % Rezidive bei Personen, die weiter in Tropen leben.
Literatur Nath SK. Tropical sprue. Curr Gastroenterol Rep 2005; 7: 343–347
Epidemiologie Sehr selten (ca. 1000 Fallberichte weltweit), ca. 85 % Männer überwiegend euro-
päischen Ursprungs betroffen (fraglich genetischer Hintergrund, 28–44 % HLA-B-
27-positiv), mittleres Alter 50 Jahre.
Verlauf Unter Therapie verschwinden Symptome innerhalb Tagen bis Wochen, jedoch Re-
zidivgefahr bei zu kurzer Therapiedauer! Späte ZNS-Rezidive sind möglich (nach
mehr als 2 Jahren). Cave: histologisch können PAS-positive Infiltrate persistieren,
daher kein alleiniges Kriterium für Therapieerfolg.
Rezidivrate trotz adäquater Therapie: 2–33 % nach 5 Jahren.
5-Jahres-Überlebensrate unbehandelt: zu Beginn der Arthritis 83 %, bei Auftreten
von Diarrhö/Steatorrhö 20 %. Unbehandelt Letalität 100 %.
Langzeit Rezidive typischerweise mit neurologischer Symptomatik; Tod innerhalb von Jah-
komplikationen ren falls unbehandelt.
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms 201
4.13.6 HIV-Enteropathie
Definition Im Rahmen einer HIV-Infektion auftretender Symptomenkomplex mit Durchfäl-
len, Gewichtsverlust, Malabsorption ohne Nachweis einer weiteren intestinalen
Infektion (20–30 % der AIDS-Patienten).
Patho ██ Schädigung der Dünndarmmukosa durch HIV wird vermutet, durch Abnahme
mechanismus aktivierter T-Helferzellen kann hyporegenerative Schleimhautatrophie erklärt
werden
██ Schädigung autonomer Nervenfasern möglich
Patho Durch Verminderung der T-Helferzellen sowie der IgA-Sekretion aus B-Lymphozy-
mechanismus ten reduzierte intestinale Abwehr gegenüber ingestierten Keimen.
Wegweisende
██ Anamnese: Medikamenten-NW
Diagnostik
██ Stuhluntersuchung (u. U. mehrfach durchführen!) auf pathogene Bakterien,
Clostridium-difficile-Toxin, Lamblien, Mikrosporidien und andere Protozoen,
Wurmeier, Pilze, Mykobakterien
██ Biopsie: aus jeweils betroffenem Organ (CMV, HSV)
Differenzial Ziel: Verbesserung des Immundefekts durch ART, Voraussetzung für Erregerelimi-
diagnose und nation.
Therapie Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Lamblien, Clostridium difficile, Strongy-
loides stercoralis: s. Kap. 4.13.1, Akute infektiöse Enteritis.
Mykobakterien (Mycobacterium-avium-Komplex, M. celatum, M. kansasii, M. xe-
nopi, M. genavese): typische opportunistische Infektion bei AIDS mit fortgeschrit-
tenem Immundefekt (CD4-Zellen <50/μl); histologisch Ähnlichkeit mit Morbus
Whipple; Nachweis histologisch oder kulturell im Stuhl; Therapie: Clarithromycin
oder Azithromycin plus Ethambutol und Rifabutin; ART.
Kryptosporidien: Cryptosporidium parvum, häufigstes Protozoon bei AIDS, Proto-
zoen häufigste Durchfallerreger bei AIDS; kontaminiertes Wasser, auch Mensch-
zu-Mensch-Übertragung
██ Nachweis der Sporen im Stuhl, sensitive ELISA zum Nachweis von Erregeranti-
genen im Stuhl, Biopsie: intraepithelialer Keimnachweis, Zottendistorsion; ex-
traintestinal: Cholezystitis, Cholangitis, Pankreatitis, Hepatitis
██ Therapie: ART
██ Verlauf: chronisch im Falle weiterbestehender Immuninkompetenz.
Isospora belli: Protozoon, endemisch auf Haiti; akute Durchfallerkrankung bei Rei-
senden, bei AIDS-Patienten immer chronische Erkrankung
██Nachweis im Stuhl
██Therapie: Cotrimoxazol 2-mal 960 mg/Tag über 7 Tage, Erhaltungstherapie; al-
ternativ: Ciprofloxacin
Literatur Epple HJ et al. Gastrointestinale Manifestationen der HIV-Infektion. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR,
Mössner J, Hrsg. Gastroenterologie. Stuttgart: Thieme Verlag 2008: 1084–1109
www.aidsinfo.nih.gov
204 4 Darm
4.13.8 Tuberkulose
Definition Gastrointestinaler Befall mit Erreger des Mycobacterium-tuberculosis-Komplex
(M. tuberculosis, M. bovis, M. africanum, M. microti, M. canetti) (Magen, Darm,
Peritoneum).
Patho Durch Verschlucken von Mykobakterien, miliare Aussaat oder direkte Infiltration
mechanismus durch benachbarte Organe verursachte Beteiligung des Gastrointestinaltrakts.
Epidemiologie Selten in Europa; häufiger in Afrika, Asien; zunehmend in Nordamerika, UK; bei
Migranten bedenken! Alkoholismus.
Wegweisende ██ Mykobakteriennachweis und Kultur (!) in Magensaft, Stuhl, Aszites oder histo-
Diagnostik logisch in betroffenen Organen
██ Mykobakterien-PCR sensitiver als Bakteriennachweis, aber ersetzt nicht die Kul-
tur (Resistenzen!)
██ Quantiferon-Test (sensitiver als Tine-Test, nicht positiv bei Geimpften)
██ Ileokoloskopie: entzündliche, ulzerierende, auch polypoide Schleimhautverän-
derungen, entzündliche und narbige Stenosen; Biopsie: Mykobakterien, PCR
Therapie Wie pulmonale Tbc: Vierfachkombination mit INH (300 mg/Tag), Rifampicin
(600 mg/Tag), Pyrazinamid, Ethambutol (15 mg/kg/Tag) über 2 Monate, dann Zwei-
fachkombination (INH, Rifampicin) für 4 Monate.
Patho Das mit der Nahrung aufgenommene Gluten bzw. die darin enthaltenen alkoholex-
mechanismus trahierbaren Prolamine (charakteristische Aminosäurezusammensetzung: >30 %
Glutamin, >15 % Prolin) enthält toxische Epitope, die bei Zöliakie intraepithelial
nicht degradiert werden bzw. durch defekte Tight Junctions hindurchgelangen.
Subepithelial bilden diese Epitope mit dem endomysialen Autoantigen Transglu-
taminase 2 einen Komplex, der von antigenpräsentierenden Zellen bei gleichzeiti-
gem Vorliegen von HLA-DQ8 bzw. DQ2 zur T-Zell-Aktivierung, Freisetzung zytoto-
xischer Mediatoren mit Zerstörung der Dünndarmmukosa führen.
Pathologie Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten (CD3-positiv) auf >40 pro 100
Epithelzellen, unterschiedliche Destruktion der Dünndarmmukosa bis zur kom-
pletten Zottenatrophie und reaktiver Hyperplasie der Krypten; große Variabilität
in Schwere und Ausdehnung der Veränderungen (maximal vom Duodenum bis
zum terminalen Ileum). Tab. 4.2 zeigt die modifizierte Einteilung der Zöliakie nach
Marsh.
Kollagene Sprue (Sonderform? Komplikation? Eigenständige Erkrankung?): sub
epitheliales Kollagenband und Zottenatrophie
Cave: Zottenatrophie ist nicht beweisend für Zöliakie (s. Differenzialdiagnose)
Epidemiologie
██ Prävalenz: 1–2 % (Daten aus Screeningstudien), Tendenz steigend, Verhältnis
Frauen zu Männer = 2:1
██ klinischer Beginn im Kindes- und Erwachsenenalter möglich (hohe Prävalenz
auch >65. Lebensjahr)
██ seltener bei chinesischer, japanischer sowie schwarzer Bevölkerung
Assoziierte Diabetes mellitus Typ 1: 5 %–7,8 % der Patienten mit Zöliakie erkranken gleichzei-
Erkrankungen tig an einem Typ-1-Diabetes; ca. 5 % der Typ-1-Diabetiker leiden an einer Zöliakie.
Autoimmunthyreoiditis: Schilddrüsendysfunktionen im Rahmen einer Autoim-
munthyreoiditis: 10–15 %.
Mikroskopische Kolitis: eine Studie zeigte in 14,8 % der lymphozytären bzw. 20 %
der kollagenen Kolitis das Vorliegen einer Zöliakie.
Autoimmunerkrankungen der Leber: Autoimmunhepatitis (6 %), primär biliäre
Zirrhose (6 %).
Weitere Assoziationen: IgA-Mangel (4 %), Sjögren-Syndrom, IgA-Nephropathie,
Morbus Addison, autoimmune atrophe Gastritis, Down-, Turner-, Williams-Syn-
drom, kongenitale Herzfehler, Kardiomyopathie
,J$0DQJHO
ʪ,J*DQWL'*3
DOOH7HVWVQHJDWLY
NHLQ,J$0DQJHO
ʺNHLQH=|OLDNLH
'XRGHQDOELRSVLH
6HURORJLH
Serologischer Antikörpernachweis:
██IgA-Anti-Transglutaminase 2 (TG2): Nachweis von IgA-Antikörpern gegen das
endomysiale Autoantigen humane Gewebe-Transglutaminase (ELISA), Sensitivi-
tät und Spezifität ca. 98 %. Standardparameter bei klinischem Verdacht und als
Screeningparameter.
██IgA-Anti-Endomysium: nur wenn Transglutaminase-Ak negativ und IgA-Mangel
ausgeschlossen (hochsensitiver und -spezifischer Test, jedoch aufwendig und
wird nur in spezifischen Labors durchgeführt)
██IgA-Anti-Gliadin: wegen geringer Sensitivität und Spezifität nicht mehr indiziert
██IgA-Anti-deamidiertes Gliadin (DGP): IgA-Antikörper gegen deamidiertes Glia-
din, Sensitivität bis 85 %, Spezifität bis 95 %
██IgG-Anti-deamidiertes Gliadin (DGP): IgG-Antikörper gegen deamidiertes Glia-
din, Spezifität 98 %, indiziert bei IgA-Mangel, auch bei Kleinkindern hohe Spezi-
fität und Sensitivität
██beachte: falsch negative Befunde für IgA-Antikörper bei IgA-Mangel!
Zusatz ██ Labor: Hb, Hk, MCV, MCH, Leukozyten, Thrombozyten, Fe, Ferritin, Na, Kalium,
diagnostik Kalzium, Phosphat, Magnesium, Protein, Albumin, INR (evtl. Vitamin B12, Folsäu-
re, 1,25-Dihydroxycholecalciferol)
208 4 Darm
Screening ██ Wer: Verwandte 1. Grades, eineiige Zwillinge; Frauen mit rezidivierenden Abor-
ten; Patienten mit Typ-1-Diabetes, Autoimmunthyreoiditis, unklarer Transami-
nasenerhöhung, mikroskopischer Kolitis, Reizdarmsyndrom, Sjögren-Syndrom,
Down- oder Turner-Syndrom, IgA-Mangel (s. Wegweisende Diagnostik)
██ Wie: IgA-anti-TG2-Antikörper, evtl. weitere Serologie (s. o.), falls positiv: Histo-
logie
Guideline for the diagnosis and treatment of celiac disease in children: recommendations of the North
Literatur
American Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr
2005; 40: 1–19
Green PH, Cellier C. Celiac disease. N Engl J Med 2007; 357: 1731–1743
Dieterich W, Schuppan D. Zöliakie. Gastroenterologie up2date 2010; 6: 97–112
Richter T. Determination of IgG and IgA antibodies against native Gliadin is not helpful for the diagnosis of
coeliac disease in children up to 2 years of age. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2012; 13
Rubio-Tapia A, Murray J. Classification and management of refractory celiac disease. Gut 2010; 59: 547–557
4.15 C
hronisch entzündliche Darmerkrankungen:
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Ätiologie Hypothesen:
und Patho ██Defekte in der Bildung epithelial lokalisierter (Paneth-Zellen) antimikrobieller
mechanismus Peptide (Defensine) und dadurch ungenügende Abwehr gegen exogene Substan-
zen und Bakterien;
██Imbalance der intestinalen Immunabwehr mit Überwiegen einer Th1-Antwort
mit Nachweis proinflammatorischer Zytokine in der Mukosa. Unklar ist, ob die
Erkrankung durch einen primären Immundefekt (Autophagozytosedefekt) aus-
gelöst (und dies genetisch determiniert) ist oder ob die entzündlichen Verände-
rungen Reaktionen auf einen exogenen Auslöser sind. Ein spezifischer Krank-
heitskeim konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
Genetik Familiäre Häufung in 5–10 % der Patienten; Risiko für Kinder von Erkrankten ca.
50-fach erhöht; Konkordanz bei eineiigen Zwillingen ca. 50 %, bei dizygoten 6 %;
polygene Vererbung. Krankheitsassoziierte Gene: NOD2 auf Chromosom 16 weist
gehäuft Mutationen auf und korreliert in ca. 30 % mit Dünndarmbefall (NOD2 er-
kennt Muramyldipeptid in Bakterienmembranen, durch Mutation offenbar defek-
te Abwehr); ATG16L1-Gen auf Chromosom 10;IL-23-Gen auf Chromosom 1.
Epidemiologie Prävalenz: bis 0,2 % in Europa bzw. USA; Inzidenz in Deutschland: ca. 5,6/100 000;
Nord-Süd- und West-Ost-Gefälle in Europa; 3-fach höhere Prävalenz bei Juden in
Nordamerika und Europa im Vergleich zur übrigen Bevölkerung, 2- bis 3-fach hö-
here Prävalenz gegenüber Juden in Israel.
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa 211
Klinische Leitsymptome: Bauchschmerzen und Durchfall: Initial oft blande, sich spontan
Charakteristika bessernde Symptomatik; daher bis zur Diagnosestellung häufig jahrelange Latenz.
Erster entzündlicher Schub kann aber auch fulminant sein mit schwerer Entzün-
dung oder Ileus-/Darmperforation. Verwechslung mit Appendizitis bei Ileozökal-
befall möglich, Erstdiagnose dann zu 15 % im Rahmen einer Appendektomie. Der
abdominellen Symptomatik gehen in 20–30 % extraintestinale Symptome (s. un-
ten) voraus, insbesondere Arthritis. Tab. 4.3 vergleicht die Symptome bei Morbus
Crohn und Colitis ulcerosa.
Diarrhöen: in unterschiedlicher Häufigkeit, auch nachts (bis 20-mal pro Tag) und
Ausprägung (wässrig/breiig/blutig/schleimig) mit daraus resultierenden Folgen.
Tab. 4.3 Symptom Häufigkeit (%) bei Morbus Crohn Häufigkeit (%) bei Colitis ulcerosa
Vergleich der
Symptome bei Bauchschmerzen 70–80 40–80
Morbus Crohn Durchfall 70–90 80–90
und Colitis ulce
rosa. Blutiger Durchfall 20–25 90–100
Akute ██ Fisteln: in benachbarte Organe wie Harnblase (Bakteriurie bzw. Pyurie, Pneuma-
Komplikationen turie, Fäkalurie, Dysurie), Nieren, Hoden, Vagina; interenterisch, enteromesen-
terial, „fuchsbauartige“ Fistelsysteme, enterokutan, perianal
██ Abszesse: perianal, pararektal, intraabdominell z. B. durch blind endende ente-
romesenteriale Fistel, „Schlingenabszess“, Psoasabszess
██ Darmstenose/Ileus: bei 30–50 % der Patienten; akut entzündlich, auch chroni-
sche narbige Stenose; Lokalisation: Ileozökalregion wesentlich häufiger als an-
dere Darmabschnitte
██ Perforation: insbesondere vor Stenose
██ toxisches Megakolon: bei ausgedehntem Kolonbefall (selten, dann lebensbe-
drohlich)
██ lebensbedrohliche Blutung: 1–2 %
Extraintestinale Gelenke: Arthralgien, Arthritis, Spondylitis 20–40 % (kann Jahre vor Darmbeschwer-
Manifestationen den vorhanden sein): Monarthritis, Oligoarthritis; große Gelenke, Sprunggelenke,
Knie, Hüftgelenke, Ellenbogen; Sakroiliitis (selten bei Morbus Crohn): Schmerzen,
lokale Entzündungszeichen, Gelenkerguss. Einteilung: Typ I (pauciartikulär): we-
nige Gelenke parallel zu akutem Schub betroffen, Typ II (polyartikulär): mehrere
Gelenke unabhängig von akutem Schub befallen
Knochenstoffwechsel: Osteopenie (30–92 %); Osteoporose (4–35 %): Risikofakto-
ren: Steroidtherapie, niedriger BMI, Rauchen, Östrogenmangel, Laktoseintoleranz,
Dünndarmresektion; erhöhte Frakturgefahr; Diagnostik: Knochendichtemessung
mit DEXA.
Augen (5–15 %): Konjunktivitis, Iritis, Uveitis
Haut (5–10 %): Erythema nodosum (2–15 %), Pyoderma gangraenosum (1–2 %), Ak-
rodermatitis bei Zinkmangel.
Hepatobiliäres System (9–16 %): Fettleber am häufigsten; primär sklerosierende
Cholangitis (bis zu 9 %, v. a. bei Kolonbefall) mit allen Konsequenzen (bei Colitis ul-
cerosa häufiger als bei Morbus Crohn; s. Kap. 7.18); selten Autoimmunhepatitis als
Überlappungssyndrom bei PSC (10 %); Cholelithiasis (relatives Risiko: 3,5).
Niere: Albuminurie, Glomerulonephritis, korreliert mit Krankheitsaktivität, selten
klinische Signifikanz im Sinne progredienter Niereninsuffizienz, NW von Mesala-
zin; Oxalatsteine (bei ausgedehntem Ileumbefall oder Ileumresektion).
Pankreas: Pankreatitis (3,5 %) als Komplikation bei Cholelithiasis, NW von Mesala-
zin und Azathioprin, extraintestinale Manifestation.
Lunge (selten): reduzierte Diffusionskapazität, Restriktion, Vaskulitis; NW von
Mesalazin, Methotrexat.
Herz (selten): Perikarditis.
Thromboembolische Ereignisse: 1–6 %, Risiko für tiefe Beinvenenthrombose
4-fach erhöht.
Nervensystem: kasuistisch, im MRT kleine Gefäßläsionen, Bedeutung unklar.
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa 213
Sonstige: primäre oder sekundäre Amenorrhö (im akuten Schub); Amyloidose (se-
kundär bei lang dauernder Entzündung, selten); autoimmunhämolytische Anämie;
Vaskulitiden.
Wegweisende Die Etablierung der Diagnose Morbus Crohn folgt aus der Zusammenschau der
Diagnostik Befunde aus Endoskopie, Histologie, Sonografie (und andere Bildgebung), Abgren-
zung zur Colitis ulcerosa, ischämischer Kolitis u. a., Ausschluss anderer insbeson-
dere infektiöser Ursachen der Darmerkrankung.
Sonografie: immer! meistens erste Untersuchung und Verdachtsdiagnose; Be-
fund: entzündliche, echoarme Darmwandverschwellung, teils aufgehobene Wand-
schichtung (Morbus Crohn > Colitis ulcerosa), Haustrenverlust, insbesondere zur
Darstellung von Stenosen, Fisteln, Abszessen und umgebenden Organe; immer zur
Verlaufskontrolle und beim Rezidiv!
Ileokoloskopie: schmerzfreie Durchführung! grundsätzlich ausreichende Sedierung
(Propofol; Midazolam u. a.) anbieten/empfehlen, insbesondere auch bei Kindern und
Jugendlichen, um Traumatisierung zu vermeiden. Koloskopie-Vorbereitung mit Ab-
führlösungen (Moviprep, Endofalk, Oralav). Ileokoloskopie entscheidend, da dieser Be-
reich in mehr als 90 % betroffen; bei schwerem Schub erhöhte Perforationsgefahr, dann
initial nur Sigmoidoskopie, Ileokoloskopie später; Histologie in Ergänzung zum endo
skopischen Befund, jedoch nie allein entscheidend! Biopsien (≥2) aus terminalem Ile-
um und jedem Kolonabschnitt (befallene und normale Areale). Cave: endoskopischer
Befund korreliert nicht immer mit klinischem Befund. Kontrollendoskopie: der Nach-
weis der „mukosalen Heilung“ ist in seiner Bedeutung abschließend nicht geklärt. Bei
erneutem Schub kann Ileokoloskopie sinnvoll sein, um Änderung in der Ausdehnung
der Entzündung festzustellen (z. B. Entscheidung lokale versus systemische Therapie).
Tab. 4.4 vergleicht die Endoskopiebefunde bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.
Histopathologie: s. Pathologie.
Erythem/Ödem ++ +++
Verletzlichkeit + +++
Blutung + +++
Schleim/Eiter + ++
Aphthen +++ –
Pflastersteinrelief +++ +
Pseudopolypen ++ +++
Strikturen ++ (+)
Fistelöffnungen ++ (+)
214 4 Darm
Differenzial ██ Morbus Crohn versus Colitis ulcerosa: bei auschließlichem Kolonbefall; Colitis
diagnose indeterminata (s. auch Tab. 4.4)
██ Infektiöse Enteritis bzw. Kolitis (immer daran denken bei erneutem Schub!):
Yersinien, Lamblien, Campylobacter jejuni, Salmonellen, Shigellen, EHEC, Clost-
ridium difficile, Amöben, Rotaviren, Noroviren; aber auch: CMV-Kolitis
██ Divertikulitis; Appendizitis
██ Stenose: Tumor, Karzinom, Lymphom
██ Unterbauchschmerzen: Douglasabszess, gynäkologische Ursachen
██ Strahlenenteritis; eosinophile Enteritis
██ mikroskopische Kolitis; ischämische Kolitis; NSAR-induzierte Kolitis
██ systemische Vaskuliltis
██ sonstige: solitäres Ulcus recti; Morbus Behçet; Reizdarmsyndrom; Diarrhoea
factitia
Therapie ██ Beschwerden
indikation ██ Komplikationen
██ Mangelerscheinungen
██ extraintestinale Manifestationen
██ Rezidivprophylaxe
Abb. 4.3
Algorithmus zur $NXWHU6FKXE
Therapie des $XVVFKOXVVLQIHNWL|VH8UVDFKH
akuten Schubs ,OHRFRHFDOXQG.RORQEHIDOO
PlLJHVFKZHUH6\PSWRPDWLNˁ 3UHGQLVRORQ
1LFKWDQVSUHFKHQ
PJGRGHU
RGHU)UKUH]LGLY
PJNJ.*
]XVlW]OLFK
$]DWKLRSULQ
²PJNJ.*
$QVSUHFKHQ²
RGHU
LQ²:RFKHQ
0HUFDSWRSXULQ
²PJNJ.*
EHL8QYHUWUlJOLFKNHLW
0HWKRWUH[DW
PJ:RFKH
1LFKWDQVSUHFKHQ
,QIOL[LPDE
PJNJ.*RGHU
$GDOLPXPDE
RGHUFKLUXUJLVFKH
2SWLRQ
Therapie je Durch Behandlung des akuten Schubs erreichen ca. 80–90 % eine Remission. Ein
nach Verlauf akut rezidivierender Verlauf tritt bei 40–50 % auf (<2 Schübe/Jahr, gutes Ansprechen
auf Steroide). Ein steroidabhängiger Verlauf liegt vor, wenn 2 Steroidreduktionsver-
suche scheitern (ca. 28–35 %). Ein steroidrefraktärer Verlauf liegt bei 16–20 % vor.
Therapie bei chronisch-aktivem, steroidabhängigem oder steroidrefraktärem
Verlauf:
██Azathioprin 2,5 mg/kg KG oder 6-Mercaptopurin 1,5 mg/kg KG; alternativ: Me-
thotrexat 25 mg/Woche Einschleichende Dosierung, langsamer Wirkungsein-
tritt (Wochen bis Monate); Therapie über mehrere Jahre
██Reduktion der Steroide (Steroide sind ungeeignet für Dauertherapie)
██Falls unzureichendes Ansprechen oder alternativ sofort zusätzlich zu Immun-
suppressivum TNF-α-Antikörper
██Operationsmöglichkeit diskutieren
Therapie zum Nicht jeder Patient benötigt eine Therapie zum Remissionserhalt. Bei häufigen Re-
Remissions zidiven oder steroidabhängigem Verlauf sollte eine remissionserhaltende Therapie
erhalt erfolgen.
██Tabakrauchen einstellen, dadurch langfristig Halbierung der Rezidivrate!
██Mesalazin ist unwirksam (Ausnahme: postoperativ s. u.)
██Azathioprin (2–2,5 mg/kg KG), Dauer: mindestens 4 Jahre. Initial engmaschig
Blutbild und Transaminasenkontrolle, bei TPMT-Mutation Gefahr der Agranulo-
zytose. Alternativ: 6-Mercaptopurin 1,5 mg/kg KG. Tritt trotz immunsuppressi-
ver Behandlung ein Schub auf, sollte die Zuverlässigkeit der Medikamentenein-
nahme überprüft werden (6-TGN-Spiegel und 6-MMPR-Spiegel erniedrigt)
██Medikament der 2. Wahl: Methotrexat 1-mal 25 mg/Woche s. c., i. m. oder oral
██Alternativ: TNF-α-Antikörper allein oder in Kombination mit Azathioprin oder
6-MP. Dauer der sinnvollen TNF-α-Antikörper Therapie nicht klar.
██Steroide in Studien zum Remissionserhalt nicht wirksam, außerdem Nebenwir-
kungen!
██postoperativ nach Darmresektion: wenn präoperativ unkomplizierter Verlauf:
keine Rezidivprophylaxe. Alternativ: Mesalazin 3–4 g/Tag. Wenn präoperativ
komplizierter/langwieriger/chronisch-aktiver Verlauf vorlag, ist Rezidivprophy-
laxe mit Azathioprin oder 6-MP indiziert; optimale Dosis nicht klar, am ehesten
in Anlehnung an Remissionserhalt ohne vorherige OP. Risikofaktoren für post-
operatives Rezidiv: hohe präoperative Krankheitsaktivität, Tabakabusus, pene-
trierender Verlauf (Fisteln, Perforation), endoskopische Veränderungen an der
Anastomose, ausgedehnter Befall, junges Alter.
Verlauf und Allgemein: Der Verlauf und damit die Prognose ist sehr variabel (s. Therapie). Ein-
Prognose teilung in akut-rezidivierenden, steroidrefraktären und steroidabhängigen Verlauf.
Es gibt Patienten mit sehr wenigen Schüben im Leben, 2–4 Schüben pro Jahr, mit
Daueraktivität (ca. 15 %); der Verlauf ist nicht vorhersehbar. Es sind keine zuver-
lässigen Prognosekriterien vorhanden. Hinweise für einen komplizierten Verlauf
können sein: junges Alter, Steroidtherapie des ersten Schubs, Raucher, ausgedehn-
ter Dünndarmbefall, perianales Fistelleiden, endoskopisch tiefe Ulzera. Ca. 60–80 %
aller Patienten werden wegen der Darmerkrankung oder einer Komplikation min-
destens 1-mal operiert. Die Erkrankung ist derzeit nicht heilbar.
Kinder: Wachstumsretardierung, Mangelernährung, Verzögerung der sexuellen
Entwicklung
Fertilität und Schwangerschaft: Der Morbus Crohn stellt keine Kontraindikation
gegen Schwangerschaft dar. Fertilität bei Männern durch Sulfasalazin reversibel
vermindert. Fertilität bei Frauen in Remission vergleichbar mit Nichterkrankten.
Tritt Empfängnis ein, ist Risiko für einen Schub vergleichbar mit Nichtschwan-
geren. Während erhöhter Krankheitsaktivität ist die Fertilität vermindert, tritt
Konzeption ein, wird sich die Krankheitsaktivität bei zwei Dritteln persistieren
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa 221
Selbsthilfe Deutsche Crohn- und Colitis Vereinigung e. V., Paracelsusstraße 15, 51375 Leverku-
sen, Tel: 0214-876080, homepage: www.dccv.de
CED-Hilfe Hamburg
Deutsche Ileostomie-Colostomie-Urostomievereinigung ILCO e. V., Landshuter
Straße 30, 85356 Freising, Tel: 08161-934301, Homepage: www.ilco.de
Literatur S3-Leitlinie der DGVS. Hoffmann JC et al. Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn. Z Gastroenterol 2008;
46: 1094–1146. www.dgvs.de
Van Assche et al. The second European evidence-based consensus on the diagnosis and management of
Crohn′s disease: definitions and diagnosis. J Crohn’s and Colitis 2010; 4: 7–27. www.ecco-ibd.eu
Dignass A et al. The second European evidence-based consensus on the diagnosis and management of
Crohn′s disease: current management. J Crohn´s and Colitis 2010; 4: 28–62. www.ecco-ibd.eu
Caprilli R. et al.The second European evidence-based consensus on the diagnosis and management of
Crohn′s disease: special situations.J Crohn´s and Colitis 2010; 4: 63–101. www.ecco-ibd.eu
Rahier et al. European evidence based Consensus on the prevention, diagnosis and management of opportu-
nistic infections in inflammatory bowel disease. J Crohn’s and Colitis 2009; 3: 47–91 www.ecco-ibd.eu
www.kompetenznetz-ced.de
Ätiologie Die Ätiologie ist unklar. Hypothesen ähnlich wie beim Morbus Crohn: Imbalance
und Patho der intestinalen Immunantwort auf ein möglicherweise luminales Agens, z. B. Bak-
mechanismus terien. Mukosal finden sich vermehrt atypische Th2-Zellen sowie Th17-Zellen mit
starker Sekretion von IL-13 bzw. IL-17.
222 4 Darm
Genetik und
██ Konkordanz bei eineiigen Zwillingen 6–16 %, bei zweieiigen 1–3 %. „Kolitisgen“
Risikofaktoren bislang nicht nachgewiesen, aber zahlreiche Risiko-Loci, davon einige mit Über-
lappung zum Morbus Crohn
██ Risikofaktoren: Nichtrauchen; hoher hygienischer Standard; vermindertes Risi-
ko: Appendektomie vor 20. Lebensjahr; kein Risiko: bestimmter psychopatholo-
gischer Typus.
Epidemiologie Prävalenz: 0,7–24/10 000; Inzidenz: 0,1–2:10 000. Wie bei Morbus Crohn Nord-
Süd- und West-Ost-Gefälle. Erkrankungsgipfel: 15.–35. und 60.–70. Lebensjahr
Alle Altersgruppen können betroffen sein, kein Geschlechtsunterschied. Erkran-
kungsrisiko für Geschwister Erkrankter 10-mal höher als Normalbevölkerung.
Akute Kompli ██ toxisches Megakolon: ca. 5 % der Patienten, praktisch immer bei Pankolitis; Di-
kationen latation des Colon transversum auf >6 cm, hohe Perforationsgefahr! Durchwan-
derungsperitonitis, septisches Krankheitsbild. cave: blande Abdominalsympto-
matik unter immunsuppressiver Therapie!
██ Kolonperforation
██ lebensbedrohliche Blutung: bei Pankolitis
Zusatz Ausschluss infektiöse Ursache bei Erstmanifestation, aber auch beim akuten
diagnostik Schub einer bekannten Colitis ulcerosa, insbesondere Cl.-difficile-Toxin im Stuhl,
ggf. Rekto-/Sigmoidoskopie; evtl. weitere Erreger. Bei schwerem Schub und bei
Nichtansprechen auf Therapie: CMV-Infektion ausschließen (CMV-PCR im Blut,
CMV-Nachweis in Kolonbiopsie)
Labor: Es gibt keinen pathognomonischen Laborwert.
224 4 Darm
Therapieziele ██ Beschwerdefreiheit
und Indikation ██ Remissionserhalt/Rezidivprophylaxe
██ Vermeidung/Behandlung von akuten und chronischen (Karzinom) Komplika
tionen
██ Vermeidung von Mangelerscheinungen und Nebenwirkungen der Therapie
██ Behandlung extraintestinaler Manifestationen
██ (Endoskopischer oder sonografischer Befund allein ist keine Therapieindikation)
██ Wichtig: Die Therapie richtet sich nach Ausdehnung und Schwere der Erkran-
kung
Medikamentöse Grundsatz: bei distaler Kolitis topische Therapie versuchen. Problem: Bei ausge-
Therapie prägten Durchfällen können Patienten die rektal verabreichte Substanz oft nicht
lange genug (1 h) einhalten (Schaum besser als Klysma). Bei Therapieversagen ora-
le Therapie. Initialtherapie bis zur Beschwerdebesserung, dann Reduktion von Ste-
roiden; Reduktion von 5-ASA/Mesalazin bis zur Erhaltungsdosis (s. u.: Remissions-
erhalt/Rezidivprophylaxe).
Proktitis: 5-ASA/Mesalazin 0,5–1,5 g/Tag als Suppositorien, bei Nichtansprechen:
5-ASA-Rektalschaum (Claversal, Salofalk) oder Budesonid-Rektalschaum 2 mg/Tag
(Budenofalk) oder Klysmen (5-ASA 1–4 g oder Budesonid 2 mg)
██ Bei Nichtansprechen: Kombination aus 5-ASA lokal plus Budenosid lokal oder plus
5-ASA oral (Behandlung wie Linksseitenkolitis). Bei weiterer Therapieresistenz
kann ein Versuch mit topisch appliziertem Tacrolimus unternommen werden.
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa 225
5-ASA-Klysma 1 g/Tag
*Für die MMX-Formulierung ist die Wirksamkeit bei einmaliger Gabe/Tag belegt, ansonsten
Aufteilung der Tagesdosis in 2–3 Einzeldosen
Operatives Vorgehen:
elektiv: Einzeitige restaurative Proktokolektomie (dadurch Heilung der Kolitis)
██
Starke Diarrhöen ohne oder mit wenig Entzündungsaktivität: häufig bei lang-
jährigem Verlauf, „ausgebrannte“ Kolitis (Schleimhautatrophie, Wasser kann nicht
mehr resorbiert werden): Loperamid bis zu 3-mal 2 mg, Plantago ovata als Quell-
mittel, im Einzelfall: Opiumtropfen (10–60 mg/Tag, sehr individuelle Dosierung!).
Ernährungshinweise, -therapie: Es gibt keine spezifische Kolitisdiät. Ausgewoge-
ne Kost nach Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Patienten mit
Colitis ulcerosa vertragen häufig nicht: Zitrusfrüchte und -säfte, scharfe Gewürze,
Alkohol, blähende Speisen. Ansonsten grundsätzlich alles erlaubt. Ausnahme: bal-
laststoffarme Kost bei höhergradigen Stenosen empfohlen; cave: Ausschluss- oder
Spezialdiäten können zu Mangelernährung führen!
Psychosoziale bzw. psychosomatische Therapie und Betreuung: unterstützende
Betreuung durch behandelnden Arzt, Mitbetreuung durch Psychologen/ Psycho-
therapeuten anbieten (Indikation: Depression, Angstzustände, starker Leidens-
druck, zwanghaftes Verhalten, Stressbewältigung), jedoch kein Ersatz für medi-
kamentöse bzw. chirurgische Therapie! Auf Selbsthilfeorganisationen hinweisen.
228 4 Darm
Karzinomrisiko Das Kolonkarzinomrisiko ist bei Colitis ulcerosa erhöht (außer Proktitis)und hängt
ab von der Ausdehnung, der Entzündungsintensität und der Dauer der Erkrankung.
Bei Patienten mit Pankolitis und Beginn der Erkrankung <30. Lebensjahr ist das
Risiko 20- bis 50-mal größer als bei der Normalbevölkerung. Risiko steigt frühes-
tens ab dem 8.–10. Krankheitsjahr an und erhöht sich (5-fach) bei gleichzeitigem
Vorliegen einer PSC.
Karzinom ██ Eine Kontrollkoloskopie soll 8 Jahre nach Beginn der Erkrankung unabhängig
vorsorge von der Krankheitsaktivität durchgeführt werden. Bei ausgedehnter Colitis soll
dann ab 8. Krankheitsjahr, bei Linksseitenkolitis ab 15. Jahr alle 1–2 Jahre eine
Kontrollkoloskopie mit Stufenbiopsien erfolgen (mindestens 4 Biopsien alle
10 cm) bzw. Biopsien auffälliger Bezirke, Untersuchung in Remissionsphase! Al-
ternativ: Chromoendoskopie mit gezielten Biopsien auffälliger Areale
██ Bei hochgradiger intraepithelialer Neoplasie (2.-Begutachtung durch Referenz-
pathologe!) oder Adenokarzinom besteht die Empfehlung zur Proktokolektomie
mit Pouchanlage
██ Bei niedriggradiger IEN (Zweitbegutachtung durch Referenzpathologe!) Bera-
tung des Patienten über Proktokolektomie versus engmaschige endoskopische
Kontrolle (3 Monate)
██ Bei Nachweis einer ALM (adenoma-like-mass) kann endoskopische Resektion
(oder operative Resektion) erfolgen, sofern in der Umgebung und im Restkolon
keine weiteren IEN nachweisbar sind.
██ Bei gleichzeitiger PSC Kontrollkoloskopie jährlich ab Diagnosestellung PSC
██ Pouchoskopie 1-mal pro Jahr
██ ASS kann zur Prophylaxe eingesetzt werden. Ursodesoxycholsäure (bei PSC)
scheint protektiv zu sein.
Leitlinie der DGVS. Dignass A et al. Aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa
Literatur
2011: Ergebnisse einer Evidenzbasierten Konsensuskonferenz. Z Gastroenterol 2011; 49: 1276–1341
(www.dgvs.de)
Dignass A et al. Second European evidence-based Consensus on the diagnosis and management of ulcerative
colitis. J Crohn’s Colitis 2012; 6: 991–1030. www.ecco-ibd.eu
Danese S, Fiocchi C. Ulcerative Colitis. N Engl J Med 2011; 365: 1713–1725
S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“. Z. Gastroenterol 2008; 46: 1–73 (www.dgvs.de)
Definition Lebensbedrohliche, nicht obstruktive Dilatation des Kolons >6 cm mit systemi-
scher, toxischer Entzündungsreaktion.
Ätiologie ██ Komplikation bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn: häufigste Ursache, in
letzten Jahren jedoch seltener geworden, vermutlich aufgrund frühzeitigerer
Behandlung
██ Infektion mit Clostridium difficile: Risiko für toxische Verlaufsform der Kolitis:
COPD, immunsuppressive Therapie, antidiarrhöische Therapie, Nierenversagen,
Clindamycin und andere Antibiotika
██ andere Ursachen: Divertikulitis, Volvulus, Kolontumor, ischämische Kolitis;
CMV-Kolitis bei AIDS; selten andere Gastroenteritiserreger
Pathologie Transmurale Kolitis, Ausdünnung der Darmwand, Ulzera, Nekrosen, diffuse Infilt-
ration mit Entzündungszellen; Pseudomembranen bei Cl.-difficile-Infektion; ggf.
Nachweis von CMV bzw. infizierten Zellen („Eulenaugenzellen“) in der Mukosa
(Einschlusskörperchen).
Klinische Diarrhö, Hämatochezie (bis 100 %), Bauchschmerzen (ca. 80 %), Peritonitis, Darm-
Charakteristika überblähung (80 %), Übelkeit, Erbrechen (90 %), Fieber, Tachykardie, „toxisch“ wir-
kender Patient, Bewusstseinstrübung; cave: vorhergehende Therapie mit Steroi-
den oder Immunsuppressiva kann Symptomatik verschleiern!
Therapie Immer; Ziele sind Therapie der Entzündung, Vermeidung einer Operation bzw.
indikation rechtzeitige Notfallkolektomie.
Literatur Bermann L et al. Defining surgical therapy for pseudomembranous colitis with toxic megacolon. J Clin Gas
troenterol 2008; 42: 476–480
Leifeld L, Kruis W. Current management of toxic megacolon. Z Gastroenterol 2012; 50: 316–322
Genetik Vermehrter Nachweis von HLA-B5 (mittlerer Osten), HLA-B51 bei 50–70 %; fami-
liäre Häufung fraglich.
4.17 Morbus Behçet 231
Epidemiologie Prävalenz Türkei: 80–370:100 000; Europa/USA: 1:100 000 (nach Deutschland
ausgewanderte Türken deutlich niedrigere Prävalenz), Männer etwas häufiger be-
troffen; Haupterkrankungsalter: 20.–40. Lebensjahr.
Wegweisende ██ Anamnese
Diagnostik ██ klinische Untersuchung (Mundhöhle, Augen, Haut)
██ Pathergietest: nach Nadelstich (Unterarm) Knotenbildung und Flüssigkeitsaus-
tritt nach 24–48 h
██ Histologie nicht beweisend, wichtig für DD: chronisch entzündliche Darmer-
krankung
Verlauf Entwicklung eines Morbus Crohn möglich; insgesamt häufig chronisch bzw. rezi-
divierende Exazerbationen; nach 20-jähriger Erkrankungsdauer milderer Verlauf;
Morbidität durch Organbefall entsprechend Vaskulitis, neurologischem und Au-
genbefall entscheidend; Darmperforation unter Immunsuppression beschrieben.
Literatur Hatemi G et al. EULAR recommendations forthe management of Behçet´s disease. Ann Rheum Dis 2008; 67:
1656–1662
Deutsches Register Morbus Behcet (www.behcet.de)
www.behcets.com
232 4 Darm
4.18 M
ikroskopische Kolitis
(kollagene und lymphozytäre Kolitis)
Definition Durch wässrige Diarrhöen sich präsentierende Erkrankungen des Kolons, die his-
tologisch durch Kollagenablagerungen (kollagene Kolitis > lymphozytäre Kolitis)
und entzündliches Infiltrat (lymphozytäre Kolitis > kollagene Kolitis) der Mukosa
charakterisiert sind.
Patho Unklar; Hypothesen bzw. einzelne Berichte: luminales (fraglich infektiöses) Agens,
mechanismus vermehrt Yersinien-Ak nachgewiesen; Medikamente: NSAR, Lansoprazol, Simvas-
tatin, Ticlopidin; verminderter Gehalt an Matrixmetalloproteinase 1 (MMP-1) und
dadurch verminderter Kollagenabbau.
Diarrhö: durch verminderte Wasser- und Elektrolytresorption bedingt; korreliert
mit Ausmaß der entzündlichen Infiltration, nicht mit Kollagenablagerung.
Pathologie Kollagene Kolitis: Kollagenband subepithelial (>10 μm, normal 3–5 μm); Infiltra-
tion der Lamina propria mit Lymphozyten, Plasmazellen, weniger Granulozyten
und Eosinophilen; Abflachung des Deckepithels, oft kombiniert mit Vermehrung
intraepithelialer Lymphozyten.
Lymphozytäre Kolitis: mehr entzündliches Infiltrat, Kollagenband geringer.
Differenzial Kollagene versus lymphozytäre Kolitis, infektiöse Kolitis, Morbus Crohn, Colitis ul-
diagnose cerosa; wässrige Diarrhö anderer Genese.
Verlauf Rezidive nach Absetzen von Budesonid: ca. 50 % innerhalb 6 Monaten. Gute Prog-
nose: kurzer Verlauf, jüngeres Alter; Spontanremissionen möglich; als Langzeit-
komplikation: Steroidnebenwirkungen.
Literatur Chande N et al. Interventions for treating microscopic colitis: a Cochrane inflammatory bowel disease and
functional bowel disorders review group systematic review of randomized trials. Am J Gastroent 2009;
104: 235–241
Stewart MJ et al. Prednisolone and budesonide for short- and long-term treatment of microscopic
colitis:systematic review and metaanalysis. Clin Gastroent Hep 2011; 9: 881–890
Patho Unbekannt; diskutiert werden allergische Reaktionen, aber weniger gut belegt im
mechanismus Vergleich zur eosinophilen Ösophagitis.
Pathologie Befall des gesamten Magen-Darm-Traktes möglich, selten auch Pankreas (eosino-
phile Gastroenteritis, s. auch Kap. 3.7.4). Einteilung nach Klein in:
██Mukosaler Typ: Infiltration der Mukosa mit eosinophilen Granulozyten (>20 Eo-
sinophile pro Gesichtsfeld bei hoher Vergrößerung), makroskopisches Bild aber
häufig normal.
██Muskulärer Typ: Stenose des betreffenden Segments, Schleimhautrelief unregel-
mäßig, aber keine Ulzera. Histologisch eosinophile Infiltration der Lamina mus-
cularis, Mukosa aber zumeist frei von eosinophilen Infiltrationen.
██Subserosaler Typ: subserosale eosinophile Infiltrate ohne Beteiligung der Lami-
na muscularis bzw. Mukosa
Klinische Klinisches Bild variabel in Abhängigkeit von befallenem Anteil des Gastrointesti-
Charakteristika naltraktes und vom Typ der Infiltration: Bauchschmerzen (80–100 %) unspezifisch,
nahrungsabhängig bzw. als Ausdruck von Stenosesymptomatik bei Obstruktion,
Aszites; Diarrhöen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Malabsorption; Dyspnoe
(Pleuraerguss)
Wegweisende ██ Endoskopie (Ödem, Ptechien, Ulzera: klein, atypisch, aber auch landkartenartig
Diagnostik konfluierend, entzündliche Pseudopolypen) und ausgiebige Biopsie (auch nicht
befallener Areale)
██ Sonografie: Kokarde, u. U. segmental, Obstruktion, Aszites, Pleuraerguss
██ Blutbild, Differenzial-BB (Eosinophilie bis 20–40 %)
Literatur Chang JY et al. A shift in the clinical spectrum of eosinophilic gastroenteritis toward the mucosal disease
type. Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8: 669–675
Pineton de Chambrun G et al. Natural history of eosinophilic gastroenteritis. Clin Gastroenterol Hepatol
2011; 9: 950–956
4.20 Eiweißverlust-Gastroenteropathie
Definition Exzessiver Eiweißverlust über den Magen und Darm unterschiedlicher Ätiologie
mit nachfolgender Hypoproteinämie und Ödembildung.
Ätio Verlust von Serumprotein in das Darmlumen unabhängig von der molekularen
pathogenese Größe, gleichzeitiger Verlust von Eisen, Fetten etc. möglich. Mögliche Pathomecha-
nismen und Ursachen:
Permeabilitätserhöhung bzw. Schleimhautdefekte ohne Erosionen bzw. Ulzera-
tionen: Zöliakie, tropische Sprue, Riesenfaltengastritis/Morbus Ménétrier, Lym-
phozytengastritis, Infektionen (Morbus Whipple, Lambliasis, andere Parasiten, Vi-
ren, Pilze, HIV-Enteropathie), bakterielle Fehlbesiedlung, Amyloidose, eosinophile
Gastroenteritis, mikroskopische Kolitis, , allergische Gastroenteritis, Mastozytose,
Cronkhite-Canada-Syndrom, Kappenpolyp; nach Fontan-Operation bei angebore-
nen Herzfehlern, fortgeschrittene Rechtsherzinsuffizienz.
Entzündliche Exsudation über Schleimhautdefekte mit Erosionen bzw. Ulze-
rationen: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, maligne Tumoren (Magenkarzinom,
Lymphom, Kaposi-Sarkom, Alphakettenkrankheit), pseudomembranöse Kolitis,
NSAR-Enteropathie, Strahlenenterokolitis, erosive Gastritis, multiple Ulzera, Post-
chemotherapie-Mukositis, Amyloidose, eosinophile Gastroenteritis, systemische
Vaskulitiden (SLE, Churg-Strauss-Syndrom, Morbus Wegener, Panarteriitis nodosa,
rheumatoide Arthritis, „mixed connective tissue disease“)
4.21 Intestinale Lymphangiektasie (primäre Form) 235
Zusatz ██ Labor: BSG, BB, Diff-BB, Elektrolyte, TPZ, Transaminasen, Elektrophorese, Im-
diagnostik munglobuline, Immunfixation
██ Stuhluntersuchung: pathogene Keime, Parasiten
██ Abklärung Diarrhö: s. Kap. 1.13
██ Ösophagogastroduodenoskopie plus Biopsien: aus Magen und tiefem Duode-
num
██ Koloskopie plus Biopsie
██ Abklärung kardiale Genese, Echokardiografie
██ optional: Kapselendoskopie, Ballonenteroskopie; (MR-Sellink)
██ obsolet: 51Cr-Albumin-(Gordon-)Test
Therapie Immer.
indikation
4.22 Abetalipoproteinämie
Synonym Bassen-Kornzweig-Syndrom.
Definition Seltene, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch Fehlen von Betalipo-
protein mit konsekutiver Malabsorption von Fetten gekennzeichnet ist (Kap. 4.5).
(Fehlen von LDL und VLDL). Dadurch ist der Fetttransport durch den Dünndarm
gestört, Cholesterin und Triglyzeride im Serum sind stark reduziert.
Wegweisende ÖGD: „schneeweißes Duodenum“, Duodenalbiopsie; völliges Fehlen von LDL und
Diagnostik VLDL; Serum-Cholesterin und Serum-Triglyzeride erniedrigt; Akanthozytose der
Erythrozyten.
4.23 Graft-versus-Host-Disease
Therapie
██ Prophylaxe: mit geeigneten Immunsuppressiva (Cyclosporin, Methotrexat,
Prednisolon; alternativ: Tacrolimus, Mycophenolat Mofetil)
██ Akute GVHD: Versuch mit Steroiden, z. B. Prednisolon 2 mg/kg/Tag; Antibiotika
██ Chronische GVHD: Modifikation der immunsuppressiven Therapie
Literatur Salmasian H et al. Corticosteroid treatment regimens in acute and chronic graft versus host disease (GvHD)
after allogenic stem cell transplantation. Cochrane database systemiv review 2010; 20: CD005565
4.24 P
olypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms
und des Kolons
4.24.1 Allgemeines
Definition ██ Polyp: Vorwölbung der Mukosa in das Darmlumen
██ Polyposis: mehr als 100 Polypen
Klassifikation Die Einteilung von Polypen erfolgt nach dem Ausgangsgewebe in epitheliale (neo-
plastische, nicht neoplastische, hamartöse) und nicht epitheliale (neuroendokrine,
mesenchymale, lymphoide, polypoide Metastasen, Heterotopien, andere).
Die Polyposis-Syndrome werden eingeteilt in hereditäre (FAP, Gardner-Syndom,
Turcot-Syndrom, Peutz-Jeghers-Syndrom, juvenile Polypose, Cowden-Syndrom,
Muir-Torre-Syndrom) und sehr seltene nicht hereditäre (Cronkhite-Canada-Syn-
drom, Pneumatosis coli, lipomatöse Polyposis, entzündliche Polypose, benigne/
maligne lymphoide Polypose).
Klinische ██ Die meisten Polypen verursachen keine Beschwerden und stellen einen Zufalls-
Charakteristika befund bei der Endoskopie dar.
██ Blut im Stuhl: meist okkult, overte Blutung selten
██ Eisenmangelanämie: durch chronischen Blutverlust
██ Bauchschmerzen: nur bei sehr großen, das Lumen einengenden Polypen, selten!
██ Durchfall und/oder Schleimabgang: insbesondere bei villösen Adenomen
██ Tumorassoziierte Beschwerden (s. kolorektales Karzinom, Karzinoid)
Wegweisende Koloskopie: Verfahren mit der höchsten Sensitivität und Spezifität zur Detektion
Diagnostik und von kolorektalen Polypen und kolorektalem Karzinom. Durchführung nach opti-
Therapie mal gesäubertem Darm (PEG-haltige Abführlösung empfohlen). Derzeit einziges
Verfahren, bei dem in einer Sitzung detektiert und therapiert werden kann. Bei
kleinen und flachen Polypen bessere Sensitivität als andere Bildgebung. Die Chro-
moskopie im Rahmen der Koloskopie scheint die Detektionsrate zu erhöhen. Nur
bei unvollständiger Untersuchung (Stenose) sollte eine CT- oder MR-Kolonografie
angeschlossen werden. Bei positivem FOBT, Tumorverdacht oder Nachweis eines
neoplastischen Polypen muss eine komplette Koloskopie bis zum Zökum erfolgen!
Qualitätsmerkmale der Koloskopie: Erreichen des Zökum, (besser: terminales Ile-
um) Rückzugsdauer >6 min, Polypendetektionsrate bei 20–50 % aller Untersuch-
ten, übersehene Polypen <10 %.
Endoskopie des Dünndarms: Als Screeninguntersuchung auf Polypen bei Polypo-
sis-Syndrom ist die Kapselendoskopie geeignet. Doppel- oder Einfachballon-Ente-
roskopie (meist von oral und anal notwendig) ermöglicht Polypektomie.
Endoskopischer Befund und Therapie:
██ Polypen (Adenome) sind gestielt, breitbasig (sessil) oder flach. Die Abgrenzung
zur gesunden Umgebung fällt bei flachen Polypen zuweilen schwer; Chromo-
endoskopie (Indigokarmin oder Methylenblau) oder „narrow band imaging“
zur besseren visuellen Abgrenzung im Einzelfall hilfreich. Die Angabe der Ober-
flächenstruktur („pit pattern“) ersetzt nicht die histologische Untersuchung.
Zoomendoskopie und Endomikroskopie derzeit wissenschaftlichen Studien vor-
behalten
██ Polypektomie: Polypen (>5 mm) werden komplett mit Schlinge abgetragen
(ohne Kenntnis der Histologie), Polypen <5 mm mit der Zange
██ Flache Polypen: durch submukosale Injektion von physiologischer NaCl ± Adre-
nalin Abheben des Polypen mit anschließender Schlingen- Mukosektomie (mit/
ohne Kappe); bei ausgedehnten Polypen: En-bloc-Resektion mit endoskopischer
Submukosadissektion (ESD) insbesondere im Rektum sinnvoll, im Kolon erhöhte
Perforationsgefahr, Einzelentscheidung (Expertise des Endoskopikers!)
██ endoskopisch nicht komplett resezierbare Polypen müssen endoskopisch-chir-
urgisch oder chirurgisch entfernt werden
██ Bergung aller Polypen für histologische Untersuchung, Lokalisationsangabe!
██ Nachsorge s. u.
240 4 Darm
Epidemiologie Über 50-Jährige: 40 % Polypenträger; Inzidenz steigt mit Alter; Männer häufiger als
Frauen betroffen.
Riskofaktoren ██ Adenom >1 cm; villös > tubulär; hochgradige intraepitheliale Neoplasie
für Karzinom ██ Beachte: Karzinominzidenz kann durch komplette Abtragung aller Polypen um
entstehung mindestens 50 % gesenkt werden!
Klinische Blut im Stuhl (okkult oder overt), Zufallsbefund, selten Zeichen der Darmobstruk-
Charakteristika tion.
Langzeit Entartungsrisiko: 5 % falls keine komplette Polypektomie; erhöhtes Risiko für Ade-
komplikationen nomrezidive nach Polypektomie: höheres Alter, Polypengröße, -zahl.
Epidemiologie Prävalenz zunehmend mit Alter, 30 % bei >50-Jährigen. Sessile serratierte Adenome
zu 75 % im rechtsseitigen Kolon.
Diagnostik und Da makroskopisch keine Unterscheidung zum Adenom möglich, werden hyper-
Therapie plastische Polypen in der Regel im Rahmen der Koloskopie ektomiert. Nach Ab-
tragung hyperplastischer Polypen <1 cm ohne familiäre Belastung keine Notwen-
digkeit endoskopischer Nachsorge. Keine Angabe zum Vorgehen nach unvollstän-
diger Abtragung. Nach den neuesten genetischen Untersuchungen Vorgehen wie
bei Adenomen vermutlich empfehlenswert, d. h. komplette Abtragung anstreben.
Literatur Aust DE, Barreton GB. Serrated polyps of the colon and rectum (hyperplastic polyps, sessil serrated adeno-
mas, traditional serrated adenoms, and mixed polyps) – proposal for diagnostic criteria. Virchows Arch
2010; 457: 291–297
Ätiologie Epithelialer oder nicht epithelialer Ursprung: v. a. bei Morbus Crohn und Colitis
ulcerosa; seltener nach infektiöser (Schistosomiasis, Amöben) oder ischämischer
Kolitis, divertikelassoziiert, als Colitis cystica profunda (s. Kap. 4.25), Pneumatosis
coli (s. Kap. 4.26, Pneumatosis cystoides intestinalis), Kappenpolyp, bei Malakopla-
kie (s. Kap. 4.39).
Therapie Pseudopolypen werden in der Regel belassen; Abtragung nur bei Blutung, Ulzera-
tion, makroskopisch suspektem Befund.
Definition Die familiäre adenomatöse Polypose (FAP) ist eine autosomal-dominant vererbte
Polyposis mit multiplen (deutlich mehr als 100) Adenomen des Kolons und daraus
obligater Karzinomentstehung in jungem Lebensalter (1 % aller Kolonkarzinome).
Patho Auf dem Boden eines genetischen Defekts (APC-Gen) fehlende Expression eines
mechanismus Funktionsproteins, das für Wachstumskontrolle entscheidend ist.
Pathologie Hunderte bis tausende Adenome, linksseitiges Kolon und Rektum häufiger als
rechtsseitig.
Extrakolische ██ Adenome im oberen Gastrointestinaltrakt (75 %), v. a. Duodenum und Papilla va-
Manifestationen teri; selten: Magen (10 %), Dünndarm, Gallenblase, Gallengang: maligne Entar-
tung!
██ Drüsenkörperzysten im Magen (80–90 %)
██ Papillen-, Magenkarzinom, Hepatoblastom (Kindheit)
██ follikuläres oder papilläres Schilddrüsenkarzinom
██ ZNS-Tumoren (Medulloblastome), früher: Turcot-Syndrom, auch fokal noduläre
Hyperplasie der Leber, Café-au-lait-Flecken
██ Osteome (Mandibula), (ca. 70 %), klinisch harmlos, aber wegweisend
██ Desmoide, Epidermoidzysten (ca. 10 %): Desmoide potenziell mit aggressivem
Wachstum (zusammen mit Osteomen früher: Gardner-Syndrom)
██ CHRPE (kongenitale Hyperplasie des Retinapigmentepithels), harmlos, bei 80 %:
Screeninguntersuchung bei Säuglingen
Wegweisende ██ Koloskopie
Diagnostik ██ molekulargenetische Untersuchung: Mutation im APC-Gen in >90 % nachweis-
bar
██ Augenhintergrund-Spiegelung: in ca. 80 % Vorliegen klinisch harmloser konge-
nitaler Hypertrophien des Retinapigmentepithels bei Mutationsträgern
Langzeit Duodenale Adenome (80 %); Risiko für Duodenalkarzinom 3–4 %; Karzinom im
komplikationen Pouch und Ileostoma möglich.
Prophylaxe Chemoprävention: Nutzen nicht eindeutig, derzeit keine Empfehlung (NSAR, Cur-
cumin u. a.).
Screening von Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgrund des Erbgangs als Genträger infrage
Verwandten kommen, sollten gescreent werden:
██Augenhintergrund-Untersuchung: ab Säuglingsalter
██ab dem 10. Lebensjahr zusammen mit Erziehungsberechtigten molekulargeneti-
sche Beratung und molekularbiologische Untersuchung
██bei Gennachweis: Koloskopie ab dem 10. Lebensjahr, jährlich bis zur Proktoko-
lektomie
██Schilddrüsensonografie ab 10. Lebensjahr jährlich
██Abdomensonografie (jährlich)
Selbsthilfe www.familienhilfe-polyposis.de
Definition Die attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis (AAPC) ist eine Variante des FAP
(autosomal-dominant) mit Ausbildung von weniger (<100) und meist flachen ko-
lorektalen Adenomen, überwiegend rechtsseitiges Kolon, obligate Karzinoment-
wicklung, dies jedoch in höherem Lebensalter.
Extraintestinale Insgesamt selten. Korpusdrüsenzysten des Magens, gastrale und duodenale Ade-
Manifestationen nome, Desmoide.
Endoskopische Meist flache Adenome, proximales Kolon > distales Kolon, karzinomatöse Entar-
Charakteristika tung später als bei FAP (im Mittel im 55. Lebensjahr).
Therapie Abhängig von Anzahl bzw. Histologie der Adenome; komplette Polypektomie an-
streben, falls nicht möglich: Proktokolektomie anstreben, bei <5 Rektumpolypen
auch ileorektale Anastomose möglich. Ohne Proktokolektomie jährliche komplette
Koloskopie.
Screening von Verwandten: im 15. Lebensjahr Koloskopie, falls keine Polypen: ab
20. Lebensjahr jährlich Koloskopie.
Pathologie und Adenome, in 20–30 % Nachweis einer Mutation im MUTYH-Gen (bei Patienten
Genetik ohne APC-Mutationsnachweis)
Erhöhte Inzidenz weiterer gastrointestinaler Malignome, Talgdrüsentumore.
██ Hyperplastisches Polyposis-Syndrom
Pathologie und Hyperplastische Polypen, in ca. 20 % auch serratierte Adenome. Genetisch: Verlust
Genetik der Heterozygosität, p53-Überexpression, Mikrosatelliteninstabilität.
Peutz-Jeghers-Syndrom
Definition Autosomal-dominant vererbte Kombination aus hamartomatösen Polypen des
Gastrointestinaltraktes und Pigmentflecken auf Lippen und Wangenschleimhaut.
Voraussetzungen für Diagnose:
██mehr als 2 hamartomatöse Polypen vom Peutz-Jeghers-Typ oder
246 4 Darm
Therapie Ektomie aller Polypen ist anzustreben; Polypektomie auch im Dünndarm durch
Ballonenteroskopie heute möglich: gegenüber chirurgischer Resektion zu favori-
sieren.
Pathologie Mukosaler Tumor mit Exzess an Lamina propria, zystisch dilatierten Krypten, Ent-
zündungszellen und teils glatter, teils villöser Oberfläche; Größe: 0,3–2 cm oder
4.24 Polypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms und des Kolons 247
Langzeit Keine Entartung juveniler Polypen; aber: gleichzeitiges Auftreten von Adenomen:
komplikationen/ daher Entartungsrisiko; Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an Kolorektalem Karzinom
Vorsorge zu erkranken, beträgt ca. 60 %; Risiko für Magen- und Pankreaskarzinom erhöht.
Vorsorgestrategien nicht geklärt, frühzeitig komplette Bildgebung des gesamten
Gastrointestinaltraktes. Beginn des familiären Screening mit 10. Lebensjahr ver-
mutlich sinnvoll, ÖGD ab 10.–15. Lebensjahr.
Cowden-Syndrom
Definition Autosomal-dominant vererbte Erkrankung (auch PTEN-Hamartom-Tumor-Syn-
drom) mit hamartomatösen Polypen im Gastrointestinaltrakt und zahlreichen ex-
traintestinalen Manifestationen. Allelische Varianten:
██Bannayan-Zonana-Syndrom (Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom): multiple Li-
pome, Hämangiome, Makrozephalie, mentale Retardierung
██Lhermitte-Duclos-Syndrom: Hamartome der Gliazellen im Zerebellum, Makro-
zephalie
Epidemiologie Sehr selten. Im 20.–30. Lebensjahr Ausbildung von Polypen, Papeln im Gesicht.
248 4 Darm
██ Cronkhite-Canada-Syndrom
Pathologie Polypen entsprechen histologisch juvenilen Polypen (bei 50–90 % der Betroffenen),
Vorkommen: Magen bis Rektum.
Diffuse Schleimhautschädigung in Dünn- und Dickdarm
Literatur Schmiegel W et al. Aktualisierte S3-Leitlinie „kolorektales Karzinom“. Z Gastroenterol 2008; 46: 799–840.
www.dgvs.de
Lodewigk AA et al. Juvenile polyposis syndrome. World J Gastroenterol 2011; 28: 4839–4844
Spier I, Aretz S. Polyposissyndrome des Gastrointestinaltrakts. Internist 2012; 53: 371–383
Leiomyom: sehr seltener Tumor, der aus Muscularis mucosae oder Muscularis pro-
pria entsteht; primär benigne, aber: Entartungsrisiko.
██Vorkommen: im Kolon 3 % aller gastrointestinalen Leiomyome, im Dünndarm
meist solitär.
██Koloskopie: rötlich weicher submukosaler Tumor.
██Therapie: bei kleinen Tumoren Schlingenbiopsie, bei größeren Exstirpation, da
Entartung möglich (s. Gastrointestinale Stromatumoren, Kap. 3.12.2).
Definition Meist solitäre polypöse Formation, bestehend aus submukös gelegenen, zystisch
dilatierten Drüsen.
Pathologie Submuköse, nahezu ausschließlich im Rektum gelegene, meist solitäre Läsion mit
und Patho intaktem Epithel, die vermutlich durch Ersatz normaler Kolondrüsen im Rahmen
mechanismus von Regeneration nach Entzündung, chirurgischer Wunde oder im Rahmen eines
Rektumprolaps entsteht. Möglicherweise eine Entität mit solitärem Rektumulkus,
Vorkommen auch bei Proctitis ulcerosa.
Literatur Levine DS. Solitary rectal ulcer syndrome: are solitary rectal ulcer syndrome and localized colitis cystica pro-
funda analogous syndromes caused by rectal prolapse? Gastroenterology 1987; 92: 243
Definition Multiple luftgefüllte, submukös (Kolon) oder subserös (Dünndarm) gelegene Zys-
ten oder Bläschen.
Patho Unklar; vermutlich meist sekundär durch Einströmen luminaler Luft in die Zysten
mechanismus im Rahmen anderer Erkrankungen, sehr selten primäre Pneumatosis.
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons 251
Epidemiologie Meist mittleres Lebensalter, Männer > Frauen betroffen; insgesamt selten.
Literatur Höer J, Truong S, Virnich N et al. Pneumatosis cystoides intestinalis: confirmation of diagnosis by endoscopic
puncture – a review of pathogenesis, associated disease and therapy and a new theory of cyst formation.
Endoscopy 1998; 30: 793–799
Azzaroli F et al. Pneumatosis cystoides intestinalis. W J Gastroenterol 2011; 17: 4932–4936
Epidemiologie Im Dünndarm liegen 5–10 % aller gastrointestinalen Tumoren, davon sind zwei
Drittel maligne. Das Adenom ist der häufigste benigne Dünndarmtumor, das Ade-
nokarzinom der häufigste maligne Tumor.
252 4 Darm
Klinische
██ Zeichen der Obstruktion bis zum Ileus, Invagination durch Tumor häufig
Charakteristika
██ Anämie, peranaler Blutverlust (overt oder okkult), Gewichtsverlust, Durchfall,
Ikterus bei peripapillären Tumoren
██ keine spezifischen Symptome bei benignem versus malignem Tumor
██ cave: aufgrund ihrer Seltenheit wird häufig erst spät an die Möglichkeit eines
Dünndarmtumors gedacht!
Zusatz ██ Gastroduodenoskopie und Ileokoloskopie sind in aller Regel bereits vor der Ab-
diagnostik klärung eines Dünndarmtumors durchgeführt
██ ERCP: bei duodenalem bzw. peripapillärem Tumor
██ Ileokoloskopie
██ Einfach-/Doppelballon-Enteroskopie: Histologiegewinnung möglich
██ Labor: keine spezifischen Laborwerte
4.27.2 Dünndarm(adeno)karzinom
Definition Bösartige karzinomatöse Neubildung im Bereich des Duodenums, Jejunums oder
Ileums; 35–50 % aller malignen Dünndarmtumoren.
Epidemiologie Inzidenz: 1/100 000, zwischen 50. und 70. Lebensjahr, Männer häufiger betroffen.
Assoziierte Zöliakie, AIDS, Morbus Crohn (terminales Ileum; selten), FAP (Duodenum), Peutz-
Erkrankungen Jeghers-Syndrom, andere Polyposissyndrome, Neurofibromatose.
M1 Fernmetastasen
Stadium IIA T3 N0 M0
Stadium IIB T4 N0 M0
Literatur Lepage C et al. Incidence and managment of small bowel cancers. Am J Gastroenterol 2006; 101: 2826–2832
Overman MJ et al. Chemotherapy with 5-Fluorouracil and a platinum compound improves outcomes in
small intestinal bowel adenocarcinoma. Cancer 2008; 113: 2038–2045
254 4 Darm
Vorkommen Primär gastrointestinale Lymphome sind seltene Tumoren: ca. 20 % aller Lympho-
und Ätiologie me, davon zwei Drittel Magenlymphome, ca. 1–4 % aller malignen Magen-Darm-
Erkrankungen.
Marginalzonen-B-Zell-Lymphom vom MALT-Typ („mucosa associated lymphoid tis-
sue“): häufigstes gastrointestinales Lymphom, meist >50. Lebensjahr, Männer häu-
figer betroffen, „western-type lymphoma“; meist unilokulär, Tumor häufig polypo-
id-exophytisch mit Ulzerationen, im Darm stenosierend wachsend.
Magen (Antrum bzw. Korpus > Fundus): 60–80 %. Hochgradige Assoziation zu
chronischer Helicobacter-pylori-Infektion (s. Kap. 3.12.4, Magenlymphom)
Dünndarm (terminales Ileum > oberer Dünndarm) 15–20 %. Duodenales MALT-
Lymphom: Helicobacter-pylori-Assoziation beschrieben, prädisponierende Fakto-
ren sind AIDS, andere Immundefizienzsyndrome, lang dauernde immunsuppres-
sive Therapie (z. B. nach Organtransplantation), Morbus Crohn, nodulär lymphati-
sche Hyperplasie, Antoimmunerkrankungen
Kolon: 5–15 %
██ IPSID: multifokales bzw. diffuses Lymphom, das aus dem MALT des Dünndarms
entsteht. Vorkommen nahezu ausschließlich im Mittelmeerraum und mittleren
Osten (Synonym: Mittelmeertyp-NHL, Alphakettenkrankheit, diffuses Dünn-
darmlymphom); junges Erkrankungsalter, Männer häufiger betroffen, Assozia-
tion zu Campylobacter-jejuni-Infektion, niedriger sozioökonomischer und Hy-
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons 255
Wegweisende Ziele:
Diagnostik 1. Diagnosesicherung durch Histologiegewinnung. Deshalb: ausgiebige Biopsie-
entnahmen notwendig
2. Zuordnung als primäres oder sekundäres gastrointestinales Lymphom
3. Stadieneinteilung vor Therapieentscheidung
Apparative Diagnostik:
██Gastroduodenoskopie mit ausgiebigen Biopsien, bioptisches „mapping“ auch
makroskopisch normal erscheinender Schleimhaut, Helicobacter-pylori-Diag-
nostik (Magen)
██Endosonografie bei Magenlymphom: Tumorinfiltration, Lymphknotenbefall,
notwendig für Stadieneinteilung I1–II1 (s. u.), Treffsicherheit jedoch deutlich
schlechter als histologisches Staging
██Ileokoloskopie (10 % synchrones Lymphom bei Magenlymphom) und bei Ver-
dacht auf primären Sitz im ileokolischen Bereich
██MR-Enteroklysma; Kapselendoskopie als makroskopische Suchmethode: Stel-
lenwert beim Staging unklar; Ballonenteroskopie zur Histologiegewinnung
256 4 Darm
Stadien Stadieneinteilung außer für IPSID (s. u.) gemäß Ann-Arbor-System, Modifikation
einteilung nach Musshoff und Radaszikiewicz (Tab. 4.8, Tab. 4.9).
Stadium III Uni- oder multilokulärer Befall des Gastrointestinaltraktes jeglicher Infiltrati
onstiefe; zusätzlicher Befall infra- und supradiaphragmaler LK einschließlich
eines weiteren Organs im Gastrointestinaltrakt, der Milz (IIIS) oder beider
Zusatz „E“ Infiltratives (per continuitatem) Wachstum in ein Nachbarorgan bzw. Gewe
be
Stadium B Intermediärstadium
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons 257
Literatur Daum S, Zeitz M. Dünndarmtumoren. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR, Mössner J, Hrsg. Gastroentero-
logie. Stuttgart: Thieme Verlag 2008
Isaacson PG et al. Extranodal marginal zone lymphoma of mucosa-asssociated lymphoid tissue (MALT).
In: Swedlow et al, eds. Haematopoetic and lymphoid tissues. Lyon, France: IARC Press; 2008: 214–217.
World Health Organization Classificationof tumours. 4th ed.
Burke JS. Lymphoproliferative disorders oft he gastrointestinal tract. Arch Pathol Med Lab 2011; 135:
1283–1297
www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/leitlinien
258 4 Darm
Patho Über 90 % der kolorektalen Karzinome (KRK) entstehen aus adenomatösen Poly-
mechanismus pen des Darms, unabhängig davon, ob es sich um sporadische oder vererbte Kar-
zinomformen handelt (Adenom-Karzinom-Sequenz). Etwa 5 % der adenomatösen
Polypen entarten innerhalb von 5–10 Jahren (s. Kap. 4.24.2, Adenom [solitär oder
multipel]).
Bethesda-Kriterien:
Der Verdacht auf ein HNPCC besteht, wenn mindestens ein Kriterium erfüllt ist.
Der Tumor (KRK) sollte dann auf Mikrosatelliteninstabilität untersucht werden:
1. Diagnose eines KRK vor dem 50. Lebensjahr oder eines Endometriumkarzinoms
vor dem 45. Lebensjahr
2. Diagnose von syn- oder metachronen kolorektalen oder anderen HNPCC-asso-
ziierten Tumoren (Kolon, Rektum, Endometrium, Magen, Ovar, Pankreas, Ureter,
Nierenbecken, biliäres System, Dünndarm, Gehirn [Glioblastom: Turcot-Syn-
drom], Haut [Talgdrüsenadenome und -karzinome, Keratoakanthome: Muir-
Torre-Syndrom]) unabhängig vom Alter bei Diagnosestellung
3. Diagnose eines KRK vor dem 60. Lebensjahr mit typischer Histologie eines MSI-
H-Tumors (tumorinfiltrierende Lymphozyten, „Crohn’s-like lesion“, muzinöse
oder siegelringzellige Differenzierung, medulläres Karzinom)
4. Patient mit KRK unabhängig vom Alter, der mindestens einen Verwandten 1.
Grades mit einem KRK oder HNPCC-assoziierten Tumor, davon Diagnose min-
destens eines Tumors vor dem 50. Lebensjahr
5. Patient mit KRK, der mindestens 2 Verwandte 1. oder 2. Grades mit einem KRK
oder HNPCC-assoziierten Tumor hat unabhängig vom Erkrankungsalter
ab. Einzelheiten s. Kap. 4.24.1, Allgemeines sowie Kap. 4.24.2, Adenom (soli-
tär oder multipel)
–– Verwandte 1. Grades von Personen mit so genanntem sporadischem KRK haben
ein 2-faches Risiko, ebenfalls zu erkranken; Beginn der Vorsorge (Kolosko-
pie): 10 Jahre vor dem Alterszeitpunkt, an dem bei dem Verwandten ein KRK
entdeckt wurde; war der Indexpatient <60 Jahre: ab dem 40. Lebensjahr.
Wiederholung der Koloskopie mindestens alle 10 Jahre
–– Verwandte 1. Grades von Personen, bei denen ein kolorektales Adenom vor dem
60. Lebensjahr nachgewiesen wurde, haben erhöhtes Risiko für Entwicklung
eines KRK; Empfehlung: ab 40. Lebensjahr alle 10 Jahre Koloskopie
██ Anlageträger für ein hereditäres Karzinom:
–– FAP und AAPC: s. Kap. 4.24.5; hamartomatöse Polyposis-Syndrome)
–– HNPCC: Risikopersonen sind diejenigen, die die Amsterdam-Kriterien (s. o.,
Risikogruppen) oder eines der Bethesda-Kriterien (bei gleichzeitigem Nach-
weis einer Mikrosatelliten-Instabilität im Tumor) erfüllen, und deren Ver-
wandte, die aufgrund des Erbgangs als Genträger in Betracht kommen (Erfül-
len Individuen eines der Bethesda-Kriterien ohne Vorliegen einer MSI, ist ein
HNPCC wenig wahrscheinlich):
██ im Alter von 18 Jahren sollte die Empfehlung für eine genetische Beratung
und Genuntersuchung zur Identifizierung von Genträgern erfolgen
██ Risikopersonen sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich koloskopiert
werden, jährlich Oberbauchsonografie
██ wenn eine Genträgerschaft nicht nachweisbar ist, gelten die
Vorsorgeempfehlungen wie für asymptomatische Bevölkerung (s. o.)
██ bei weiblichen Risikopersonen zusätzlich zur jährlichen gynäkologischen
Vorsorge transvaginaler Ultraschall ab 25. Lebensjahr
██ wenn Magenkarzinome familiär gehäuft nachweisbar sind: jährlich
Ösophagogastroduodenoskopie
██ die prophylaktische Kolektomie wird derzeit nicht empfohlen
██ Personen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen: s. Kap. 4.15, CED
Pathologie Vorkommen:
██proximal der linken Flexur: 55 % der KRK (zunehmend)
██synchrones KRK (gleichzeitiger Zweittumor): 3–5 %
██metachrones KRK (neues, nicht an der Anastomose lokalisiertes KRK frühestens
6 Monate nach Resektion des 1. Tumors): 1–3 % bei sporadischem KRK
Pathogenese Sporadisches kolorektales Karzinom (>90 % aller KRK): initial Inaktivierung des
und genetischer APC-Gens, Aktivierung von Zielgenen wie c-myc, Zyklin D, welche die Zellprolife-
Hintergrund ration beeinflussen, Aktivierung von K-ras-Onkogen u. a., zuletzt Mutationen von
Tumorsuppressorgenen wie p53 mit Übergang in „high-grade“ intraepitheliale
Neoplasie bzw. Karzinom.
Hereditäres, nicht polypöses kolorektales Karzinom (HNPCC, 5 % aller KRK): au-
tosomal-dominante Prädisposition für die Entwicklung eines KRK mit 70–80 % Pe-
netranz (früher: Lynch-Syndrom). Charakteristisch: in 80 % Mikrosatelliteninstabi-
lität (MSI) durch fehlerhafte DNA-Replikation, bislang Keimbahnmutationen in 5
Mismatch-Repair-Genen, davon 90 % in den Genen hMSH2 und hMLH1, selten in
den Genen MSH6, PMS2. Das Turcot-Syndrom und das Muir-Torre-Syndrom gelten
als phänotypische Variante des HNPCC.
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), attenuierte familiäre adenomatöse Po-
lyposis, hamartomatöse Polyposis: s. Kap. 4.24, Polypen und Polyposis-Syndrome
des Dünndarms und des Kolons.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Entstehung des KRK auf dem Bo-
den dysplastischer Veränderungen, nicht aus Adenomen, aber auch in mehreren
Schritten, Auftreten mehrerer Mutationen (p53, K-ras u. a.).
Sonstige prädis Erhöhtes Risiko, ein KRK zu entwickeln, besteht wahrscheinlich für: gemüsearme,
ponierende fleischreiche und fettreiche Kost, Übergewicht (BMI >25), mangelnde körperliche
Faktoren Bewegung; daraus resultiert WHO-Consensus-Statement (s. u., Prophylaxe und
Vorsorge). Fraglich erhöhtes Risiko bei Diabetes mellitus, Akromegalie.
Epidemiologie Etwa 70 000 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr, Inzidenz von 1960–1980
verdoppelt, zweithäufigste Tumor-Todesursache (30 000 Todesfälle pro Jahr).
██Sporadisches KRK: Erkrankungsalter meistens >50. Lebensjahr
██HNPCC: Erkrankungsalter im Mittel 42. Lebensjahr
██FAP: Entwicklung eines KRK im Mittel 20. Lebensjahr.
Wegweisende
██ rektal digitale Untersuchung: 15 % aller Tumoren tastbar
Diagnostik
██ Koloskopie obligat: Nachweis des Tumors bzw. histologische Diagnosestellung;
Untersuchung bis ins Zökum (cave: Zweittumor?). Falls präoperativ komplette
Koloskopie nicht möglich: innerhalb der ersten 6 Monate postoperativ
██ klinische Abdomenuntersuchung: häufig ohne Befund – Tumor tastbar? Ileus?
Cave: Lymphome der Leiste bei Rektumtumor
T0 Kein Primärtumor
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
M1a Metastase(n) auf ein Organ beschränkt (Leber, Lunge, Ovar, nicht
regionäre Lymphknoten)
R2 Makroskopischer Residualtumor
264 4 Darm
Therapie Immer bei Tumornachweis, insbesondere wenn kurative Resektion möglich; Art
indikation der Therapie in Abhängigkeit vom Tumorstadium, Alter des Patienten, Allgemein-
zustand.
Therapie Das therapeutische Vorgehen sollte für jeden Patienten individuell unter Berück-
sichtigung der Leitlinien im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz
festgelegt werden. Insbesondere beim Rektumkarzinom ist in Abhängigkeit vom
Stadium die neoadjuvante Radiochemotherapie indiziert, die zum einen die Re-
sektabilität verbessern kann und die lokale Rezidivrate senkt. Kurativ ist nur die
Operation.
Chirurgische Das Ziel ist die operative R0-Resektion (bei ca. 70–80 % der Patienten möglich);
Therapie Entfernung des Primärtumors einschließlich regionaler Lymphknoten und evtl.
isolierter Metastasen (Leber, Lunge, seltener: Hirn).
Allgemeine Empfehlungen und Sondersituationen:
██ Laparotomie gemäß Leitlinien DGVS 2008, minimal-invasives Vorgehen nach
neueren Studien offenbar gleichwertig
██ Intraoperatives Staging: Inspektion und Palpation der Leber obligat, bei fragli-
chem präoperativem Metastasennachweis der Leber: intraoperative Lebersono-
grafie (Metastasen häufig subkapsulär!). Bei laparoskopischem Vorgehen ent-
fällt Palpation bzw. Möglichkeit der intraoperativen Sonografie
██ Kolonkarzinom: das Ausmaß der Darmresektion wird durch die Resektion der
versorgenden Gefäße und das hierdurch definierte Lymphabflussgebiet vorgege-
ben (onkologische Grundsätze beachten)
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons 265
LQWHUGLV]LSOLQlUH7XPRUNRQIHUHQ]
6WDGLXP, 6WDGLXP,,XQG,,,
X7F1 X7XQGRGHUF1
6RQGHUVLWXDWLRQ
7 7
F71 " QHRDGMXYDQWH
* *RGHU
7XPRUREHUHV 5DGLRFKHPRWKHUDSLH
/5 /RGHU5
5HNWXPGULWWHO
██ Vorgehen bei Karzinom auf dem Boden einer Colitis ulcerosa: in der Regel Prok-
tokolektomie mit Dünndarmpouch (Kap. 4.15.2)
██ Pathohistologische Diagnostik: Angaben obligat zu Tumortyp nach WHO, pTpN,
Anzahl der befallenen/resezierten Lymphknoten, Grading, Angabe zur Lymphan-
gioinvasion für Risikoabschätzung bei T1-Tumoren obligat, Abstand Resektionsrän-
der, R-Klassifikation. Untersuchung auf Mikrosatelliteninstabilität fakultativ. Qua-
lität der Mesorektumresektion Grad 1 bis Grad 3 (MERCURY-Studie). Bestimmung
des k-ras-Wildttyps/Mutation vor geplanter Therapie mit EGF-Rezeptor-Antikörper
Peri- und Allgemein: die neoadjuvante, adjuvante und palliative Therapie des kolorektalen
postoperative Karzinoms umfasst überwiegend die antineoplastische Therapie, Chemo- plus
Therapie Strahlentherapie beim Rektumkarzinom. Chemotherapeutika sind: 5-Fluoruracil,
Capecitabine, Irinotecan, Oxaliplatin, Bevacizumab (VEGF-Antikörper), Cetuximab
(EGFR-Antikörper) und Panitumumab (vollständig humaner EGFR-Antikörper). EG-
FR-Antikörper sind nur für Tumoren mit Nachweis von k-ras-Wildtyp zugelassen.
Adjuvante
██ Therapieziel postoperativ: Eliminierung von Mikrometastasen, Reduktion der
Therapie des Fernmetastasenrate, Verlängerung des rezidivfreien Überlebens, Verminderung
Kolonkarzinoms der Mortalität
██ Voraussetzung: R0-Resektion, mindestens 12 Lymphknoten entfernt
██ Lebensalter: bei Patienten >70 Jahre sollte primär 5-FU/FS eingesetzt werden.
Die zusätzliche Gabe von Oxaliplatin ergibt keinen Vorteil, die Sterblichkeit war
in Studien erhöht. Die Gabe von Capecitabine ergab schlechtere Ergebnisse als
mit 5-FU
██ UICC-Stadium III: adjuvante Chemotherapie indiziert (Metaanalysen zeigen sig-
nifikanten Überlebensvorteil)
██ UICC-Stadium II mit Risikofaktoren (pT4, G3, V1, wenn <10 Lymphknoten ent-
nommen, Tumorperforation, OP unter Notfallbedingungen): adjuvante Chemo-
therapie erwägen
██ UICC-Stadium II: adjuvante Chemotherapie kann durchgeführt werden (QUA-
SAR-Studie zeigt Überlebensvorteil von 3 %)
██ Patienten im Stadium II und III sollten möglichst innerhalb von Studien behan-
delt werden
██ Senkung der Gesamtmortalität durch adjuvante Chemotherapie im Stadium
UICC III um 12 %, UICC II um 7,2 %
Vorgehen bei Grundsätzlich sollten Entscheidungen zum Vorgehen in der interdisziplinären Tu-
(potenziell) morkonferenz getroffen werden.
resektablen Primär resektable Lungenmetastasen: Resektion anstreben, wenn R0-Resektion
Metastasen des möglich ist, ausreichend Lungengewebe verbleibt, abhängig von Zahl und Loka-
kolorektalen lisation, Durchführung in Zentren!, Prognose nicht definitiv von Metastasenzahl
Karzinoms abhängig.
Primär resektable Lebermetastasen: Resektion anstreben, wenn R0-Resektion
möglich ist. Definition: wenn nicht anderweitig nicht resektables Tumorleiden vor-
handen, <70 % der Leber befallen, <3 Lebervenen und <7 Segmente betroffen, keine
Leberinsuffizienz, keine Leberzirrhose CHILD B oder C vorliegt, keine schwerwie-
genden Begleiterkrankungen.
██ Prognose nach FONG-Score: ungünstige präoperative Kriterien sind:
–– nodal positiver Primärtumor
–– krankheitsfreies Intervall <12 Monate
–– Metastasengröße >5 cm
–– Anzahl der Metastasen >1
–– CEA prä-OP >200 ng/Tag
–– Interpretation: wenn ≤2 Punkte vorliegen, ist Prognose für Langzeitüberleben
bis 57 %; wenn >2 Punkte zutreffen, sollte vor OP ein FDG-PET-CT durchge-
führt werden (weitere Metastasen?).
Vorgehen bei Eine Therapie ist immer indiziert unter Berücksichtigung der Gesamtsituation und
nicht resektabel der Lebensqualität. Das Alter per se keine Therapiegrundlage.
erscheinenden Nicht bzw. potenziell resektabel erscheinende Metastasen: grundsätzlich immer
Metastasen interdisziplinär prüfen, ob durch eine so genannte „Konversionstherapie“ eine Re-
und palliativer duktion von Metastasenzahl-/größe und damit die R0-Resektion möglich scheint.
Situation Soll R0-Resektion angestrebt werden, ist neoadjuvant eine maximal remission-
induzierende Therapie indiziert, die 3–4 Monate präoperativ nicht überschrei-
ten sollte (Lebertoxizität). Geeignet als Konversiontherapie sind FOLFOX, FOLFIRI,
FOLFOXIRI-Schemata. Der Zusatz von EGFR-Antikörper(nur k-ras-Wildtyp!) bzw.
Bevacizumab zur Zweifach-Chemotherapie erhöht nach neueren Studien die Ope-
rabilitätsrate.
Tumorbedingte Symptome, Organkomplikationen, rascher Tumorprogress:
möglichst effektive Therapie
Patienten ohne tumorbedingte Symptome, Organkomplikationen und/oder Ko-
morbidität: auch weniger intensive, u. U. nebenwirkungsärmere Therapie indiziert
Bei inoperablen Metastasen und Indikation zur Chemotherapie kann der Primär-
tumor belassen werden (Ausnahme: Tumorstenose, Hb-relevante Blutung)
Palliative Chemotherapie: Die Indikation besteht in nicht kurativ resezierten,
nicht operierten bzw. rezidivierten (und nicht resezierbaren) oder sekundär me-
tastasierten Karzinomen (beachte: interdisziplinär Operabilität klären!) Für i. v.-
Chemotherapie Anlage eines zentralvenösen Port-Katheters indiziert, da 5-FU sehr
venentoxisch ist und über Port die Chemotherapie ambulant durchgeführt werden
kann. Kombinations-Chemotherapien sind wirksamer als Monotherapie. Für die
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons 269
Therapie stehen 5-FU, Capecitabine, Oxaliplatin und Irinotecan sowie der VEGF-
Antikörper Bevacizumab und die EGFR-Antikörper Cetuximab und Panitumumab
(zur Therapie nur zugelassen bei k-ras-Wildtyp-Nachweis im Tumor!) zur Ver-
fügung. Die Prognose wird nicht durch eine Substanz allein bestimmt, sondern
dadurch, ob der Patient möglichst viele der zur Verfügung stehenden Substanzen
erhält. Therapieziel: Verlängerung des Überlebens bei bestmöglichem Erhalt der
Lebensqualität. Daher individuell zugeschnittene Therapien. „Stop-and-go“-Stra-
tegien erwägen, z. B. FOLFOX über eine bestimmte Zyklenfolge, dann Oxaliplatin
Pause verringert neuropathische Nebenwirkungen; komplettes Aussetzen der The-
rapie bis zur erneuten Tumorprogression scheint die Überlebenszeit zu reduzieren.
Zweitlinientherapie:
██In Abhängigkeit von vorangegangener Therapie, therapiefreien Zeit, individuel-
le Patientensituation, Therapieziel. Grundsatz: bei nachgewiesenem Progress:
Wechsel der Therapie. FOLFOX, FOLFIRI, XELOX (s. o.) sind möglich; Cetuximab
plus Irinotecan nach Progress unter Irinotecan mono. Bevacicumab + Oxalipla-
tin + 5-FU nach Progress unter Irinotecan-haltigem Schema (Toxizitäten z. T. er-
höht!).
Drittlinientherapie:
██Cetuximab mono bei Irinotecan-Unverträglichkeit/Progress. Panitumumab
mono nach Versagen 5-FU-, Irinotecan- und Oxaliplatin-haltiger Schemata
(Einzelheiten s. Leitlinie DGVS 2008; Gastroenterologieup2date 2010)
Lebermetastasen in der Nachsorge. Daher entschied sich die Expertenkommission für das
einfachste und kostengünstigste Verfahren
4 Nur beim Rektumkarzinom ohne neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie
5 Nur beim Rektumkarzinom 3 Monate nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie (Opera
Wichtig: bei Polypabtragung mit T1-Tumor, „low risk“, sind bei tumorfreier Poly-
penbasis Untersuchungen nach 12 und 18 Monaten entbehrlich.
Kolorektales Karzinom Stadium IV: symptomorientierte Nachsorge.
Tumoren ohne eindeutige Zugehörigkeit (Rektosigmoidkarzinome): wie Rek-
tumkarzinome.
HNPCC: ohne subtotale Kolektomie: jährlich Koloskopie; nach subtotaler Kolektomie:
jährlich Rektoskopie.
FAP: nach Anlage eines Ileumpouches jährlich Pouchoskopie. Nach Ileorektosto-
mie: Rektoskopie in 4- bis 6-monatigen Abständen; ab 30. Lebensjahr: Gastroduo-
denoskopie alle 3 Jahre.
nährung, Fisch und Geflügel besser als „rotes Fleisch“, Alkohol <20 g/Tag; Niko-
tinverzicht; körperliche Aktivität
Medikamente: derzeit keine Empfehlung zur Einnahme von Spurenelementen
██
Selbsthilfe Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Hanauer Landstr. 194, 60314 Frankfurt/M., Tel.
(069)6300960, www.deutsche.krebsgesellschaft.de (gibt Kompendium mit allen
in Deutschland vorhandenen Adressen heraus).
www.krebsinformation. e. Krebsinformationsdienst (KID): Deutsches Krebsfor-
schungszentrum Heidelberg, Tel. 06221-410121
www.krebshilfe. e. Deutsche Krebshilfe
Deutsche Ileostomie-Colostomie-Urostomie-Vereinigung ILCO e. V., Landshuter
Straße 30, 85356 Freising; Tel. 08161-934301, www.ilco.de
Literatur Pohl M et al. Medikamentöse Therapie des kolorektalen Karzinoms. Gastroenterol up2date 2010; 6: 41–62
Andre T et al. Oxaliplatin, fluorouracil, and leucovorin as adjuvant treatment for colon cancer (MOSAIC-
study). N Engl J Med 2004; 350: 2343–2351
Koopman M et al. Sequential versus combination chemotherapy with capecitabine, irinotecan, and oxali-
platin in advanced colorectal cancer (CAIRO): a phase III randomised controlled trial. Lancet 2007; 370:
135–142
Schmiegel W et al. S3-Leitlinien „Kolorektales Karzinom“. Z Gastroenterol 2008; 46: 1–73 (www.dgvs.de)
Seymour MT et al. Different strategies of sequential and combination chemotherapy for patients with poor
prognosis advanced colorectal cancer (MRC FOCUS): a randomised controlled trial. Lancet 2007; 370:
143–152
Taschenbuch Onkologie 2012/13 – Interdisziplinäre Empfehlungen zur Therapie. Zuckschwerdt-Verlag Mün-
chen 2012. Kostenlos zu beziehen über ribosepharm@ribosepharm.de
www.dgho-oncopedia.de
T2 Muscularis propria
N2 ≥3 regionäre Lymphknoten
G4 Undifferenziert
Stadium I Tis N0 M0
Stadium II t1, T2 N0 M0
Stadium IIA T3 N0 M0
Verlauf, Abhängig von Histologie (wenig versus hochaggressiv) und von kompletter Tumor-
Prognose entfernung, 5-Jahres-Überlebensrate: 20–100 %.
274 4 Darm
Sugarbaker PH et al. Results of treatment of 385 patients with peritoneal surface spread of appendiceal ma-
Literatur
lignancy. Ann Surg Oncol 1999; 6: 727–731
Panarelli NC et al. Mucinous neoplasms of the appendix and peritoenum. Arch Pathol Lab Med 2011; 135:
1261–1268
██ Kaposi-Sarkom
Pathologie Tumoren bestehend aus Haufen von Spindelzellen, Leukozyteninfiltration und Ge-
fäßneubildungen; in 90 % der Spindelzellen Nachweis von KSHV.
Vorkommen im Gastrointestinaltrakt: jede Region betroffen, meist multipel auf-
tretend, charakteristische bläuliche, erhabene (submukös gelegene) Knoten, auch
in Mundhöhle; andere Lokalisationen: Haut, Respirationstrakt u. a.
Epidemiologie Männer deutlich häufiger als Frauen; Prävalenz nach Organtransplantation: Leber
1,24 %, Niere, Herz 0,4 %; Prävalenz bei AIDS-Patienten: häufigster Tumor, Homose-
xuelle besonders betroffen (bis 30 %).
██klassisches KS: meist ältere Männer
██endemisches KS: häufig bei Kindern, da starke Durchseuchung mit KSHV in Af-
rika
Klinische Mundhöhle (bis 30 % der KS-Patienten betroffen): bläuliche Knoten, die beim Kau-
Charakteristika en oder Sprechen stören; intestinal (initial 40 % der KS-Patienten betroffen, bei Au-
topsie 80 %): häufig symptomlos; Blutung, Malabsorption, Gewichtsverlust, exsu-
dative Enteropathie, Obstruktion möglich.
Therapie HAART (hoch aktive antiretrovirale Therapie): reduziert Inzidenz und verbessert
Überleben; kurative Therapie nicht möglich; Ziel: supportive, symptomorientierte
Therapie
██lokal: lokale Injektionstherapie, Kryotherapie, Lasertherapie, Strahlentherapie,
Resektion zur Größeneindämmung/aus kosmetischen Gründen
██systemisch: Chemotherapie mit pegyliertem, liposomalem Anthrazyklin, Pacli-
taxel, Vinorelbine; Interferon-α; fraglich Angiogenese-Inhibitoren
██Reduktion immunsuppressiver Therapie wenn möglich (nach Organtransplan-
tation)
Verlauf ██ Prognosefaktoren:
–– gut: KS als alleinige AIDS-Manifestation, steigende CD4-Zahlen
–– schlecht: reduzierte Immunlage, Alter >50 Jahre, weitere AIDS-assoziierte
Krankheiten
██ Psychologisches Problem bei starkem kutanem Befall (Gesicht, Arme)
██ Klassisches KS: indolenter Verlauf, meist nur Hautbefall
██ Endemisches KS: häufig aggressiver Verlauf
██ Metastasen
4.28 Appendizitis
Definition Akute Entzündung der Appendix, die unbehandelt in der Regel durch Gangrän,
Perforation oder perityphlitischen Abszess kompliziert ist.
Patho Obstruktion des Appendixlumens mit fäkalen Bestandteilen oder anderen Subs-
mechanismus tanzen (Tumor, Steine, Parasiten etc.); Mukussekretion des Epithels innerhalb der
Appendix hält an, intraluminaler Druckanstieg, venöse Abflussstörung, lokale Hy-
poxämie; Permeabilitätserhöhung, Einwanderung von Bakterien, Entzündung,
Gangrän, Perforation innerhalb von 24–36 h.
Bei einem Drittel der Patienten keine Obstruktion des Appendixlumens, Ursache
unklar, fraglich bakterielle/virale/parasitäre Infektion.
Pathologie Makroskopisch: einfache (entzündete und ödematöse Appendix ist intakt, Gefäß-
injektion der Serosa), gangränöse (Nekrose der Appendix, häufig Mikroperforatio-
nen) oder perforierte Appendizitis.
Mikroskopisch: initial Lymphozyten und Plasmazellen in Lamina propria, später
transmurale Infiltration mit Neutrophilen.
Therapie Immer.
indikation
Literatur Varadhan KK et al. Safety and efficacy of antibiotics compared with appendectomy for treatment of uncom-
plicated acute appendicitis: meta-analysis of randomisied controlled trials. BMJ 2012; 344: e2156 doi:
10.1136/bmj.e2156
4.29 Hernien
Definition Angeborene oder erworbene Gewebeschwäche bzw. -lücke mit Ausstülpung des
parietalen Bauchfells ohne oder mit Hindurchtreten von Teilen des Gastrointesti-
naltrakts (meistens Darm). Problem: Inkarzeration von eingeklemmten Eingewei-
den, Passagestörung, Ileus.
██Äußere Hernie: Hernie überschreitet die Bauchwand.
██Innere Hernie: Ausstülpung innerhalb von Bauchfelltaschen.
Ösophageale Hernien s. Kap. 2.2.2, Hiatushernien.
Therapie Operative Herniotomie bis ins hohe Alter, elektiv oder als Notfalleingriff bei Kom-
plikation (die Leistenhernienoperation ist die häufigste abdominelle Operation);
Bruchband obsolet!
Langzeit Auch bei lange bestehenden Hernien können akute Komplikationen wie Darmin-
komplikationen karzeration mit Gangrän auftreten; Rezidive: große Narbenhernien bis zu 50 %, an-
dere 1–15 %.
asymptomatisch 80 % symptomatisch 20 %
unspezifische Symptome
20 % (DD Reizdarm)
Divertikulitis Divertikelblutung
20 % 60 %
Literatur Diverticular disease. World Gastroenterology Organisation Practice Guidelines 2007. www.worldgastroen-
terology.org/global-guidelines.html
Gastroenterolup2date 2008; 4: 139–52
Kruis W. et al. Differentialdiadnose und Therapie von Divertikulose und Divertikulitis
4.30.1 Divertikulitis
Definition Komplikation der Divertikulose (s. Kap. 4.30). Spontane Entzündung von Diver-
tikeln durch Arrosionen und erhöhten intraluminalen Druck mit Ausbildung von
Mikro- oder Makroperforationen resultierend in unkomplizierter (75 %) oder kom-
plizierter Divertikulitis (25 %) mit klinisch gedeckter Perforation und Abszedierung
(ca. 35 %), freier Perforation (ca. 3–5 %), Stenose, Blutung oder Fisteln.
282 4 Darm
Patho Nicht eindeutig geklärt. Vermutlich durch im Divertikel festsitzenden Stuhl und
mechanismus dadurch bedingter Epithelarrosion ausgelöste Mikro- oder Makroperforation mit
lokaler Entzündungsreaktion. Anaerobier, gramnegative Erreger.
Cave: blande oder modifizierte Symptomatik bei Patienten mit reduzierter Im-
munlage (v. a. immunsuppressive Therapie, Steroide)
Therapie Immer.
indikation
Stadien In Deutschland wird in der Regel die Einteilung nach Hansen und Stock verwendet
einteilung und (Abb. 4.6). Das therapeutische Vorgehen ist abhängig vom Schweregrad und wei-
Therapie teren Komplikationen.
4.30 Divertikulose – Divertikelkrankheit 283
DNXWHNRPSOL]LHUWH'LYHUWLNXOLWLV
6WDGLXP,,DFQDFK+DQVHQXQG6WRFN
WKHUDSHXWLVFKHV9RUJHKHQ
1DKUXQJVNDUHQ]SDUHQWHUDOH)OVVLJNHLW1DKUXQJ
LY$QWLELRWLND
² $F\ODPLQRSHQLFLOOLQSOXV%HWDODFWDPDVH,QKLELWRU
7D]REDF%D\SHQ RGHU &HSKDORVSRULQHGHU*UXSSH
SOXV 0HWURQLGD]RO
² RGHU &DUEDSHQHPH =LHQDP
HPSLULVFKNHLQHNRQWUROOLHUWHQ6WXGLHQ
VRQR&7
%HVVHUXQJ NHLQH
JHVWHXHUWH
QDFK²K %HVVHUXQJ
$EV]HVVGUDLQDJH
NRQVHUYDWLY
FD
IUK HOHNWLYH23 1RWIDOO23
=LHOHLQ]HLWLJH23
Operatives Ziel ist die elektive Operation mit einzeitigem Vorgehen, Vermeidung eines zwei-
Vorgehen zeitigen Vorgehens (vorübergehender Stomaanlage und Hartmann-Stumpf-Anlage
mit Stomarückverlagerung nach 3 Monaten), Resektion des entzündlich befalle-
nen Darmsegments, Wiederherstellung der Kontinuität, Resektion von Fisteln bzw.
Abszessen; laparoskopisches Vorgehen möglich, bei elektivem Eingriff in geübter
Hand sinnvoll.
Langzeit Ballaststoffreiche Kost nach 4–6 Wochen wieder beginnen, keine eindeutigen Stu-
therapie/ dien vorhanden.
Prophylaxe ██Koloskopie nach 4–6 Wochen (Tumorausschluss)
Germer CT, Groß V. Divertikulitis: wann konservativ, wann operativ behandeln? Dtsch Ärztebl 2007; 104:
Literatur
A3486–3491 (www.aerzteblatt. de > archiv > Divertikulitis)
Rafferty J et al. Practice parameters for sigmoid diverticulitis. Dis Colon Rectum 2006; 49: 939–947
Jacobs DO. Diverticulitis. New Engl J Med 2007; 357: 2057–2066
Bodmann KF et al. Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie bakterieller Erkrankungen
bei Erwachsenen. Chemother J 2010; 19: 179–255 http://www.chemotherapie-journal.de/archiv/arti-
kel/2010/06/186.html#pt2_7
Chabok A et al. Randomized clinical trial of antibiotics in acute uncomplicated diverticulitis. Br J Surg. 2012;
99(4): 532–539. doi: 10.1002/bjs.8688.
4.30.2 Divertikelblutung
Siehe auch Kap. 1.9.
Patho Das Gefäß, entlang dem das Divertikel entstanden ist, ist am Divertikelrand beson-
mechanismus deren mechanischen Kräften ausgesetzt und neigt zur Ruptur. Blutungsquelle in
49–90 % im rechten Kolon.
Wegweisende Koloskopie. Häufig hat die Blutung jedoch sistiert. Auch Wiederholung der Kolos-
Diagnostik kopie sinnvoll, da nur in der akuten Blutung die Quelle lokalisiert und therapiert
werden kann (s. auch die Algorithmen zum differenzialdiagnostischen Vorgehen
bei gastrointestinalen Blutungen, Kap. 1.9).
Therapie ██ Wenn Blutungsquelle koloskopisch identifiziert: lokale Therapie mit Clip, OTSC,
Adrenalininjektion. Im Rahmen einer Angiografie: intravasale Therapie
██ OP-Indikation: Massentransfusion, wiederholt massive Blutung, konservativ
nicht zu beherrschende hämodynamische Instabilität
██ Vermeidung von Risikofaktoren
Verlauf Meist gutartig: 70–80 % der Blutungen sistieren spontan. Rezidivrate: 30 %, davon
50 % 2. Rezidiv.
Literatur Yamada A et al. Assessment of the risk factors of colonic diverticular hemorrhage. Dis Colon Rectum 2008;
51: 116–120
Strate LL et a. Use of aspirin or non-steroidal anti-inflammatory drugs increases risk for diverticulitis and
diverticular bleed. Gastroenterology 2011; 140: 1427–1433
Definition Hochgradige oder komplette Passagestörung des Dünn- oder Dickdarms aufgrund
eines mechanischen inneren (Obturationsileus, z. B. Tumor, Entzündungen, Fremd-
körper) oder äußeren (Strangulationsileus, z. B. Adhäsion, Bride) Hindernisses. Ur-
286 4 Darm
sache für Ileus: in 80 % mechanisch bedingt (s. auch Kap. 4.32, Paralytischer Ileus);
Dünndarmileus: 70–80 %, Dickdarmileus: 20–30 %.
Patho Die pathophysiologischen Konsequenzen des Ileus werden von der Dauer der Ob-
physiologie struktion und dem Grad der Ischämie bestimmt. Initial entsteht durch Obstruk-
tion eine Ansammlung von Flüssigkeit bzw. Sekreten und Stuhl im Darmlumen,
dadurch kommt es zur zunehmenden Überdehnung der Darmwand; initial mit
Hypermotilität, später Paralyse, durch Stase Überwucherung des Darms mit Bak-
terien, Translokation von Bakterien in mesenteriale Lymphknoten und das Portal-
system mit Initiierung einer systemischen Infektion, letztlich Darmwandischämie,
Gangrän, Perforation, Peritonitis. Systemische Manifestation: periphere Hypovolä-
mie, Hypotension, Schock, Sepsis, Multiorganversagen.
Klinische ██ krampfartige Abdominalschmerzen (>90 %), Übelkeit, Erbrechen (70 %), bei tie-
Charakteristika fer sitzendem Dünndarmileus als Miserere (Stuhlerbrechen), Stuhl- und Wind-
verhalt (30 %), aufgetriebenes Abdomen, bei rektaler Untersuchung häufig leere
Ampulle
██ cave: bei chronischer Entwicklung bzw. partiellem Ileus (insbesondere im Ko-
lon) kann Diarrhö vorhanden sein = paradoxe Diarrhö! Peranaler Blutabgang
bzw. Hämatochezie (v. a. bei Tumor)
██ Allgemeinsymptome: Schwäche, Hypotonie, Tachykardie, Tachypnoe, Schock,
Oligurie, Verwirrtheit, Fieber, Exsikkose
██ Ausnahme: hoch, d. h. weit proximal sitzender Dünndarmileus: schwallartiges
Erbrechen (eher wie Magenausgangsstenose), auffallende Diskrepanz zwischen
heftigem Erbrechen und fehlenden sonstigen Abdominalzeichen! Röntgen-Ab-
domen: fehlende Luft im Dünndarm
Therapie Immer; Dringlichkeit richtet sich nach Dauer und Intensität der Obstruktion (par-
indikation tiell/komplett), zugrunde liegendem Pathomechanismus und Allgemeinzustand
des Patienten.
Verlauf
██ bei kompletter Dünndarmobstruktion: ca. 75–85 % aller Patienten müssen ope-
riert werden
██ bei kompensierter/inkompletter (Adhäsions-)Dünndarmobstruktion: Besse-
rung der Symptomatik unter konservativen Maßnahmen in 75 %
██ bei Sigmavolvulus: durch endoskopische Dekompression in 60 % Operation ver-
meidbar, aber bis zu 50 % Rezidive
██ bei Invagination: beim Erwachsenen Operation indiziert, da zu 90 % assoziiert
mit Neoplasma, Meckel-Divertikel etc.
██ bei Koprostase: Prognose gut, Prophylaxe durch konsequente abführende Maß-
nahmen
██ bei Peritonealkarzinose: operativer Eingriff bei Ileus führt zu hoher 30-Tage-
Letalität (20 %) und hoher Morbidität (40 %, Wundinfekt, Abszesse, Fisteln, Em-
bolie)
Definition Passagestörung von Darminhalt durch fehlende Motilität (Darmlähmung) als Be-
gleitphänomen bzw. Komplikation intra- oder extraabdomineller Erkrankungen.
Retroperitoneale Ursachen:
██urologisch: Nierenkolik, Pyelonephritis, Neoplasie
██traumatisch: retroperitoneales Hämatom, spinales Trauma, Wirbelkörperfraktur
██entzündlich: akute Pankreatitis, Psoasabszess
Extraabdominelle Ursachen:
██reflektorisch: Kraniotomie, Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelkörper-/Rippen-/Be-
ckenring-Frakturen, Verbrennungen, offene Herzoperationen, koronare Bypass-
Operation, Pneumonie, Lungenembolie, Myokardinfarkt
██medikamentös: Beatmung mit Sedierung mit oder ohne Relaxierung, Opiate, tri-
zyklische Antidepressiva, Phenothiazine, Anticholinergika, Ganglionantagonis-
ten, Chemotherapeutika
██metabolisch: Sepsis, Elektrolytstörung (insbesondere Hypokaliämie!), Urämie,
diabetische Ketoazidose, Hypothyreose, respiratorische Insuffizienz, Porphyrie,
Blei- bzw. Quecksilbervergiftung, Sichelzellanämie
Pathologie Dilatation des Dünn- bzw. Dickdarms durch Lähmung der Muskulatur, Stase des
Darminhalts, Durchwanderungsperitonitis und Perforation als Komplikation.
4.33 Motilitätsstörungen des Darms 289
Wegweisende Anamnese: Da es sich beim paralytischen Ileus nicht um eine Erkrankung per se,
Diagnostik sondern um ein Begleitphänomen bzw. eine Komplikation handelt, ist die Kennt-
nis der Anamnese, Begleiterkrankungen, Voroperationen, Medikamenteneinnah-
me von essenzieller Bedeutung.
Klinische Untersuchung: Essenzielle Hinweise auf Ursache (abdominell, v. a. auch
bei extraabdominellen Ursachen)
Röntgen-Abdomen im Stehen/im Liegen a. p. und in Linksseitenlage: diffus dila-
tierte, mit Luft und Flüssigkeit gefüllte Darmschlingen, Spiegelbildungen uncha-
rakteristisch verteilt.
Langzeit Keine Rezidive per se, sofern die Grunderkrankung beseitigt ist, außer bei intesti-
komplikationen naler Pseudoobstruktion.
Definition Erworbene, sekundäre (häufig) oder angeborene (selten) Störung der Peristaltik
und des Transports des Darminhalts, die durch Störungen im enterischen Nerven-
system, der enterischen Muskulatur, begleitender Strukturen oder durch Misch-
formen hervorgerufen sein können. Als chronische Motilitätsstörung im eigentli-
chen Sinne werden die CIPO (chronisch intestinale Pseudoobstruktion), die ACPO
(Akute kolonische Pseudoobstruktion oder Ogilvie-Syndrom), das IMC (idiopathi-
sches Megakolon), der Morbus Hirschsprung und weitere primäre neuromuskulä-
290 4 Darm
Literatur Keller J. et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen
(DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM)zu Definition,
Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie intestinaler Motilitätsstörungen. Z.Gastroenterol 2011; 49:
374–390. www.dgvs.de
4.33.1 M
orbus Hirschsprung und andere primäre
neuromyopathische Erkrankungen des Darms
Zu den neuromyopathischen Erkrankungen zählen (Auswahl):
██Aganglionose (Morbus Hirschsprung)
██Hypoganglionose
██Ganglioneuromatose
██Intestinale neuronale Dysplasie (IND)
██Mitochondriale Neuropathie
██Primäre Myopathie (Morbus Duchenne, myotone Dystrophie)
(Übersicht und histopathologische Klassifizierung s. Leitlinie DGVS)
██ Morbus Hirschsprung
Patho Fehlendes oder unvollständiges Einwandern von Zellen der Neuralleiste in den
mechanismus Darm während der Embryonalzeit. Als Ersatz Einwandern von parasympathischen
Nervenfasern aus S 2–4, die infolge fehlender Ganglienzellen unkontrolliert Ace-
tylcholin entladen und zu einer Dauerkontraktion des Darmsegments führen. Die
Nervenfasern enthalten vermehrt Acetylcholinesterase (AChE). Durch Dauerkon-
traktion eines Darmsegments entsteht Obstipation und Dilatation des vorgeschal-
teten Darms.
Pathologie Befallsmuster:
██ultrakurzes Segment: Vorkommen in 3 %, reicht bis maximal 3 cm oberhalb der
Anokutanlinie
██kurzes Segment: häufigste und „klassische“ Form, 63 % aller Innervationsstörun-
gen, Befall des Rektosigmoids
██langes Segment: über Colon descendens hinaus
██totaler Kolonbefall (Zuelzer-Wilson-Syndrom)
██Kolon- und Dünndarmbefall
██Befall des gesamten Verdauungstrakts
292 4 Darm
Literatur De Loreijn F et al. Diagnosis of Hirschsprung’s disease: a prospective comparative accuracy study of com-
mon tests. J Pediatr 2005; 146: 787–792
Knowles CH et a. The London classification of gastrointestinal neuromuscular pathology: report on behalf of
the Gastro 2009 International working group. GUT 2010; 59: 882–887
4.33.2 Megakolon
Definition Abnorme Erweiterung des Kolons.
Klinische Ein Megakolon kann Folge einer mechanischen Obstruktion oder funktionellen
Charakteristika Motilitätsstörung des Kolons sein und als führendes Symptom Obstipation verur-
sachen (aber auch Durchfall ist möglich!). Andererseits kann schwere chronische
Obstipation zum Megakolon führen. Weitere Beschwerden bzw. Befunde: gebläh-
tes, tympanitisches Abdomen, je nach Ursache mit oder ohne Darmgeräusche, Pe-
ritonitis, Diarrhöen, Hämatochezie.
Definition Zeichen der akuten mechanischen Obstruktion des Kolons ohne nachweisbare Ob-
struktion im Rahmen einer schweren Grunderkrankung.
294 4 Darm
Klinische Bauchschmerzen (80 %), Übelkeit und Erbrechen (60 %), Obstipation, Stuhl-, Wind-
Charakteristika verhalt, auch paradoxe Diarrhöen (bis 40 %); zunehmender Bauchumfang durch
überblähtes Kolon, dadurch beeinträchtigte Atmung.
Zusatz ██ Labor: Na, K, Ca, Mg, BB, CRP, Kreatinin, Harnstoff, TSH, Laktat, Blutgasanalyse
diagnostik ██ Retrograder Kontrastmitteleinlauf (falls CT nicht möglich)
██ EKG; weitere spezifische Diagnostik entsprechend Anamnese
Therapie Immer.
indikation
Literatur ASGE Standards of practice committee. The role of endoscopy in the management of patients with known
and suspected colonic obstruction and pseudo-obstruction .Gastrointest Endosc 2010; 71: 669–679.
www.asge.org
Myopathisch:
infiltrativ/entzündlich (autoimmune Myositis): primär oder bei rheumatologi-
██
schen Systemerkrankungen
hereditär: Morbus Duchenne, myotone Dystrophie, mitochondriale Myopathie
██
Klinische Rezidivierende oder chronische Zeichen der intestinalen Obstruktion (bis zum
Charakteristika Ileus): Aufgetriebensein, Völlegefühl (75 %), Bauchschmerzen (58 %), Obstipation
(48 %), Übelkeit und Erbrechen (36 %), Appetitverlust, Gewichtsverlust.
Beteiligung von Ösophagus und Magen häufig, von Gallenwegen und ableitenden
Harnwegen möglich.
Literatur Seidl H et al. Chronische intestinale Pseudoobstruktion – Übersicht und Update 2008. Z Gastroentrol 2008;
46: 704–711
Stanghellini V et al. Chronic intestinal pseudo-obstruction: manifastations, natural history and manage-
ment. Neurogastroenterol Motil 2007; 19: 440–452
Keller J et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen
(DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) zu Definition,
Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie intestinaler Motilitätsstörungen. Z. Gastroenterol 2011; 49:
374–390. www.dgvs.de
4.35 Strahlenenterokolitis 297
4.34 Diversionskolitis
Klinische Peranaler Abgang von Schleim oder Blut, abdominelle Krämpfe, häufig aber asym-
Charakteristika ptomatisch.
Literatur Harig JH et al. Treatment of diversion colitis with short chain fatty acid irrigation. N Engl J Med 1989; 320: 23
4.35 Strahlenenterokolitis
Definition Akute (bis 3 Monate nach Bestrahlung) und/oder chronische Schädigung der Darm-
wand durch therapeutische Strahlenapplikation (insbesondere Tumoren von Rek-
tum, Uterus, Zervix, Ovarien, Harnblase, Prostata, Hoden und von Lymphomen).
Bei chronischer Schädigung Komplikationen wie chronische Blutungsanämie, Mal-
absorptionssyndrom, Diarrhöen, Strikturen, Ileus mit Perforation.
Patho Direkte toxische Schädigung der zellulären DNA mit Zelltod oder Verlust von Repa-
mechanismus raturmechanismen; Darmepithel besonders strahlensensibel aufgrund der hohen
Zellteilungsrate.
Ursachen der Diarrhö bei chronischer Enterokolitis: verminderte absorptive Ober-
fläche, Motilitätsstörung, bakterielle Fehlbesiedlung, Disaccharidasemangel, Gal-
lensäuremalabsorption, Veränderung der lymphatischen Gefäße.
Epidemiologie ██ Inzidenz in Abhängigkeit von Dauer, Gesamtdosis und Technik (hohe Einzeldosis
und Risiko impliziert höheres Risiko als dieselbe Gesamtdosis verteilt auf mehrere Sitzun-
faktoren gen); ab Gesamtdosis von 30 Gy sind in 90 % strahlenbedingte Mukosaschäden
nachweisbar, meistens asymptomatisch; Einzeldosen von 2 Gy und Gesamtdosis
>50 Gy erhöhen das Risiko signifikant; ca. 50–75 % der Patienten mit abdomi-
neller Bestrahlung entwickelt akute Strahlenenteritis, 5–20 % chronische Strah-
298 4 Darm
Zusatz Sonografie; Kontrastdarstellung des Kolons oder Dünndarms bei Verdacht auf Ste-
diagnostik nose (MR-Sellink), Zystoskopie bei enterovesikaler Fistel.
Differenzial Akute infektiöse Kolitis (Clostridien, CMV u. a.), chronisch entzündliche Darmer-
diagnose krankung (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), ischämische Kolitis (auch segmental),
NSAR-induzierte Läsionen, Stenose durch Tumor, Adhäsion.
Therapie Bei Beschwerden bzw. objektiven Problemen; bei supportiver Therapie bleibt der
indikation gewünschte Erfolg allerdings oft aus.
Verlauf Milde Symptome: gute Prognose; häufig progredienter Verlauf mit therapieresis-
tenten Symptomen und Ausbildung von Komplikationen (s. u.).
Literatur Andreyev HJN et al. Practice guidance on the management of acute and chronic gastrointestinal problems
arising as a result of treatment for cancer. GUT 2012; 61: 179–192. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/
PMC3245898/pdf/gutjnl-2011-300563.pdf
MacNaughton. Review article: new insights into the pathogenesis of radiation-induced intestinal dysfunc-
tion. Aliment Pharmacol Ther 2000; 14: 523–528
Vanagunas A. Radiation-induced gastrointestinal disease. Clin Perspect Gastroenterol 2001; 4: 69–75
Vorkommen Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und ASS gehören zu den am meisten ver-
ordneten und eingenommenen Medikamenten. Vertreter sind u. a. Diclofenac, Ibu-
profen, Indomethacin, Naproxen, Piroxicam, Sulindac, Azetylsalizylsäure sowie die
selektiven COX-2-Inhibitoren Celecoxib, Etoricoxib, Parecoxib. Nebenwirkungen
im gesamten Gastrointestinaltrakt als erosive und ulzerative Läsionen mit der Ge-
fahr der Blutung, Perforation, Strikturbildung (s. Kap. 3.9, Ulcus duodeni und Ulcus
ventriculi). Risikofaktoren: höheres Alter, Langzeiteinnahme, gleichzeitige Einnah-
me von Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmern.
Therapie Absetzen ursächlicher Medikamente, Ersatz durch andere Substanzen, keine spe-
zifische Therapie.
Verlauf Abheilung der Läsion innerhalb ca. 3 Wochen (Kontrolle koloskopisch, Ausschluss
Malignom).
Literatur Goldstein JL et al. Video capsule endoscopy to prospectively assess small bowel injury with celecoxib, napro-
xen plus omeprazole, and placebo. Clin Gastroenterol Hepatol 2005; 3: 133–141
Maiden L et al. Long-term effects of non-steroidal antiinflammatory drugs and cyclooxygenase-2 selective
agents on small bowel: a cross sectional capsule endoscopy study. Clin Gastroenterol Hepatol 2007; 5:
1040–1045
Klinische Akut einsetzender heftigster Schmerz (bei Embolie), meist paraumbilikal loka-
Charakteristika lisiert; in der Folge Übelkeit, Erbrechen. Abdomineller Untersuchungsbefund in
den ersten Stunden häufig nicht sehr auffällig: leichter Druckschmerz, spärliche
Darmgeräusche, geblähtes, etwas prall wirkendes Abdomen. Erst im Verlauf mit
zunehmender Darmdistension und Durchwanderungsperitonitis zunehmend aku-
tes Abdomen, paralytischer Ileus. Hämatemesis/Hämatochezie sind möglich. Die
Dynamik der Verschlechterung ist abhängig vom Ausmaß der Kollateralisation und
Ursache der Ischämie (bei venöser Thrombose langsamer). Ohne Therapie hämo-
dynamische Instabilität und Schock durch Flüssigkeitsverlust in den Darm, Durch-
wanderungsperitonitis und Sepsis.
Cave: Schmerzangabe korreliert u. U. nicht mit einem initial wenig auffälligem Ab-
domen, auch beschwerdearmes Intervall möglich, dadurch diagnostische Verzö-
gerungen!
Wegweisende Wichtig: nur eine schnelle Diagnose und Therapie innerhalb von 4–6 h nach Symp-
Diagnostik tombeginn kann den Darm retten! Bei klinischem Verdacht ist das Multidetektor-
CT mit KM die entscheidende Diagnostik.
██Anamnese: an die Möglichkeit der mesenterialen Ischämie denken! Schnelle Di-
agnostik und Therapie einleiten (entsprechend Herzinfarkt oder Hirninfarkt!);
Risikofaktoren (Vorhofflimmern, frühere Thrombosen, pAVK etc.), Diskrepanz
zwischen heftigsten Schmerzen und blandem Untersuchungsbefund (wenn auf-
fällige Untersuchungsbefunde, dann Peritonitis als Zeichen einer meist fortge-
4.37 Vaskuläre Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms 303
Differenzial Alle Formen des akuten Abdomens (s. Kap. 1.11), v. a. Bridenileus (initial Erbre-
diagnose chen, dann Schmerzen), Pankreatitis (gürtelförmige Schmerzen).
Therapie Immer!
indikation
Verlauf und Noch immer sehr hohe Letalität v. a. des arteriellen Verschlusses, aber auch der
Langzeit NOMI (bis 70 %) v. a. wegen verzögerter Diagnostik.; nach erfolgreicher Therapie
komplikationen ggf. Antikoagulation.
Nach Dünndarmresektion: die kritische Rest-Dünndarmlänge nach jejunokoli-
scher Anastomoe beträgt 65 cm, ansonsten droht das Kurzdarmsyndrom (s. Kap.
4.6), ggf. mit chologenen Diarrhöen (bei Ileumresektion); Notwendigkeit der le-
benslangen parenteralen Ernährung; Strikturen (selten).
Mesenterial-/Milzvenen- und Pfortaderthrombose: in den meisten Fällen
Darmerhalt möglich, dauerhafte Antikoagulation meistens erforderlich. Langfris-
tig Ausbildung von Ösophagus/Fundusvarizenbildung bei gestörtem Lienalis- oder
Pfortaderabfluss.
Literatur Klar E et al. Acute mesenteric ischemia: a vascular emergency. DtschArzteblInt 2012; 109: 249–256
Harnak IG, Brandt LJ. Mesenteric venous thrombosis. Vasc Med 2010; 15: 407–418
Acosta S. Diagnostic pitfalls at admission in patients with acute superior mesenteric artery occlusion. J
Emerg Med 2012; 42(6): 635–641
Menke J. Diagnostic accuracy of multidetector CT in acute mesenteric ischemia. Radiology 2010; 256:
93–101
Klinische Bild variabel! Angina abdominalis: abdominelle Schmerzen, ca. 0,5–1 h postpran-
Charakteristika dial auftretend, Dauer ca. 2 h; Schmerzen eher diffus, gelegentlich krampfartig,
bei fettreichen Speisen ausgeprägter; daneben intermittierende Blähungen und
Durchfall als dominierende Symptome möglich; Auftreten vorzugsweise postpran-
dial, führt häufig zur Reduktion der Nahrungsaufnahme, daher häufig Gewichts-
verlust (ca. 80 %).
Wegweisende ██ Alter und Anamnese (KHK, pAVK) kann Verdacht nähren, aber meist Ausschluss-
Diagnostik diagnose: Endoskopie, Ultraschall des Abdomens
██ Duplexsonografie der A. mesenterica superior mit hoher Spezifität, aber be-
grenzter Sensitivität (untersucherabhängig, Meteorismus bzw. Adipositas sen-
ken Darstellbarkeit)
██ Angio-CT mit KM (Multidetektor-CT), MR-Angiografie (beide mit hoher Sensi-
tivität)
██ selektive Angiografie der A. mesenterica superior und des Truncus coeliacus mit
der Möglichkeit der Intervention
Therapie Abhängig von Intensität der Symptome, technischer Machbarkeit, Risiko des the-
indikation rapeutischen Verfahrens und allgemeinem Zustand des Patienten (Alter, Begleit-
krankheiten etc.).
Verlauf Ohne Therapie in der Mehrzahl chronisch progredient (aber Dynamik variabel);
Rezidive auch nach therapeutischen Maßnahmen möglich.
Literatur White CJ. Chronic mesenteric ischemia: Diagnosis and management. ProgCardiovasc Dis 2011; 54: 36–40
Sharafuddin MJ et al. Endovascular recanalisations of total occlusion of mesenteric and celiac arteries. J Vasc
Surg 2012; 55(6): 1674–1681
Pathologie Stark variierendes Bild: von leichtem Schleimhaut- bzw. Wandödem über ulzerie-
rende Kolitis bis zum kompletten Infarkt. Entsprechend Versorgungsgebiet der A.
mesenterica inferior ist linksseitiges Kolon betroffen unter Aussparung des distalen
Rektums (hier weitere arterielle Versorgung aus A. iliaca). Gefäßverschluss selten.
Epidemiologie Häufigste Form der intestinalen Ischämie. Überwiegend höheres Lebensalter be-
troffen (entsprechend Ursachen, s. o.).
Klinische Plötzlich einsetzende, überwiegend leichte bis mäßige Schmerzen im linken Ab-
Charakteristika domen (abhängig von Ausmaß der Schädigung und Lokalisation); Blutabgang, ggf.
blutige Diarrhö; bei gangränösem Verlauf: Durchwanderungsperitonitis, Fieber,
progredienter Schock aufgrund massiver Diarrhöen und Blutung.
Literatur Sreenarasimhaiah J. Diagnosis and management of ischemic colitis. CurrGastroenterol Rep 2005; 7:
421–426
Brandt LJ et al. Anatomic patterns, patient characteristics, and clinical outcomes in ischemic colitis. Am J
Gastroenterol 2010; 105: 2245–52
4.38.1 Amyloidose
Siehe Kap. 3.14, Amyloidose.
Extrazelluläre Ablagerungen von Serumproteinen.
Therapie Für primäre Amyloidose keine gesicherte Therapie, Behandlung der Malabsorption
(s. Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom) bzw. bakteriellen Fehlbesiedlung; mit Mel-
phalan und Prednison verlängertes Überleben in einer Studie beschrieben; bei se-
kundärer Amyloidose Behandlung der Grundkrankheit, bessert auch Amyloidose.
4.38.2 Sarkoidose
Definition Siehe auch Definition Kap. 3.7.5, Granulomatöse Gastritis, und 7.27 (Leber).
Systemische granulomatöse Erkrankung unklarer Ätiologie; klinisch signifikante
Beteiligung des Gastrointestinaltrakts in <1 %, Magen deutlich häufiger als Dünn-
darm, Pankreas, selten Appendix oder Kolorektum.
Klinische Die Variabilität im klinischen Erscheinungsbild ist begrenzt, sodass die Mitbetei-
Charakteristika ligung des Gastrointestinaltrakts relativ uniform ist. Ischämie unterschiedlicher
Ausprägung (vornehmlich am Magen-Darm-Trakt).
Diagnostik Trotz großer klinischer Überlappungen gelingt es jedoch anhand weniger zusätz-
licher Untersuchungen (Antikörper, Differenzial-BB, Urinstatus, HBsAG etc.) und
der Gewinnung einer Histologie eine definitive Diagnose zu stellen. Entscheidend
ist es, initial differenzialdiagnostisch an diese seltenen Erkrankungen zu denken,
insbesondere wenn Therapieresistenz besteht. Die Einteilung der Vaskulitiden und
ihre gastrointestinale Beteiligung gibt die Tab. 4.22.
4.38 Darmbeteiligung bei Systemerkrankungen 309
Tab. 4.22 Einteilung der Vaskulitiden und Kollagenosen mit Angaben zur Organbeteiligung und serologischen
Markern.
Panarteriitis Mesenteriale Ischämie, ischämische Ulcera ventriculi HBsAG, Duplex, Angio-CT, Angio:
nodosa Kolitis, Perforation, Blutungen et duodeni, Perfo Aneurysmata bis 1 cm; Histologie!
ration
Wegener-Gra Ulzera, Darmischämie, Blutung, Oropharynx: Ulzera cANCA (Ak gegen PR3); Histologie:
nulomatose Perforation (selten) granulomatös, nekrotisierend
Churg-Strauss- Dünndarm > Kolon > Magen; Ulzera, Magen selten Blut-Eosinophilie; pANCA (Ak ge
Syndrom Ischämie, selten Perforation gen MPO); Histologie: eosinophile
nekrotisierende, granulomatöse
Vaskulitis
Systemischer Mesenteriale Ischämie: Ulzera, Hä Oro-/nasopharyn ANA, dsDNA, Anti-SM, Phospholip
Lupus ery matochezie, Ischämie bis zur Perfora geale Ulzera id-Ak, Cardiolidin-Ak, Leukopenie,
thematodes tion, Serositis, Aszites, Pankreatitis. Hämolyse, Urinstatus, Kreatinin
(SLE) Mesenterialvenenthrombose durch
sek. Antiphospholipid-Syndrom
Morbus Behçet Anogenital, Ileozökal: Ulzera Oropharynx: Ulzera Kein spezifischen Marker
(s. Kap. 4.17) Histologie: perivaskuläre Infiltrate
██ Systemische Sklerose
Therapie Laktosefreie, faserarme Kost, evtl. MCT-Fette statt LCT, Octreotid 50 μg s. c. zur
Nacht, Behandlung der bakteriellen Fehlbesiedlung (s. Kap. 4.4), Metoclopramid
bis 4-mal 10 mg /Tag, s. Therapie in Kap. 4.33.4, Chronische intestinale Pseudoobs-
truktion, sowie in Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom.
4.38 Darmbeteiligung bei Systemerkrankungen 311
██ Dermatomyositis
██ Sjögren-Syndrom (SS)
Definition Das primäre Sjögren-Syndrom ist eine langsam progrediente, entzündliche, multi-
systemische Autoimmunerkrankung, die durch lymphozyteninfiltrate der exokri-
nen Drüsen und Verlust des Drüsengewebes gekennzeichnet ist.
Sekundäres SS: PBC, chronisch aktive Hepatitis, SLE, Mischkollagenose, rheumato-
ide Arthritis, Thyreoiditis
██ Mischkollagenose
Definition Häufig Frauen um das 30. Lebensjahr betreffende chronisch entzündliche, schubwei-
se verlaufende Autoimmunerkrankung mit Vaskulitis der kleinen Gefäße. Manifesta-
tion an vielen Organsystemen (Nieren, Herz, Neurokranium) und gastrointestinaler
Beteiligung in 25–40 %, Ösophagus am häufigsten beteiligt. Gravierend ist die akute
mesenteriale Lupusvaskulitis mit hohem Perforationsrisiko und Mortalität. Weitere
Ursachen für Abdominalschmerzen können das Antiphospholipid-Syndrom mit me-
senterialer Thrombose (s. Kap. 4.37), Pankreatitis oder Peritonitis mit Aszites sein.
██ Anti-Phospholipid-Syndrom
Klinische Venöse und arterielle Thrombosen, dadurch auch Aborte, neurologische Insulte,
Charakteristika Thrombozytopenie. Die gastrointestinale Manifestation kann in venösen oder ar-
teriellen mesenterialen Thrombosen bestehen: Zeichen der lokalen oder ausge-
dehnten Ischämie bzw. Thrombose (s. Kap. 4.37.1) mit gastroduodenalen-intesti-
nalen Ulzera (u. U. Riesenulkus), Darmischämie, Gangrän.
██ Schönlein-Henoch-Purpura
Therapie Meist spontane Remission bei Kindern. Bei Erwachsenen insbesondere mit Nie-
renbeteiligung: Prednisolon 1 mg/kg KG, ggf. Therapie wie ANCA-assoziierte Vas-
kulitiden.
Diagnostik Bei der ÖGD oder Koloskopie untypisch erscheinende Ulzera, multipel oder mit
ungewöhnlicher Lokalisation (Histologie muss bis in die Submukosa reichen um
Gefäße zu treffen) .Angio-CT mit KM (Zeichen der Ischämie, Darmbeteiligung), Me-
senterikografie (Aneurysmata, Verschlüsse).
Labor: unspezifische Entzündungszeichen; HBsAG positiv in bis zu 40 %, Kryoglo-
buline und Kryofibrinogen, keine spezifischen Antikörper nachweisbar.
██ Wegener-Granulomatose
Klinische Bauchschmerzen bedingt durch die Vaskulitis, Ulzera, lokaler und diffuser akuter
Charakteristika oder chronischer Ischämie, akut auch Perforationen und Peritonitis möglich.
Therapie Leichtere Verläufe: Prednisolon plus MTX, schwere Verläufe: initial Prednisolon
plus Cyclophosphamid, Rituximab offenbar gleichwertig.
██ Churg-Strauss-Syndrom
Diagnostik Bluteosinophilie (5–20 %), BSG↑, Leukozytose, MPO-ANCA (pANCA) sind bei Fort-
schreiten in bis zu 70 % nachweisbar; ÖGD (multiple, bizarre Ulzera, Petechien,
Schleimhautschwellung-/rötung) plus Biopsie: granulomatöse Veränderungen und
eosinophile Infiltrate. Bei Dünndarmbefall auch Kapselendoskopie oder Ballonen-
teroskopie zur Histologie-Gewinnung notwendig.
Sonografie: Darmwandverdickung.
██ Mikroskopische Polyangiitis
Definition ANCA-assoziierte nekrotisierende Vaskulitis der kleinen Gefäße jedoch ohne Im-
munablagerungen. Im Gegensatz zur Wegener Granulomatose finden sich keine
Granulome. Lungenbefall mit Hämptysen, nekrotisierende Glomerulonephritis
(pulmorenales Syndrom), Mononeuritis multiplex, Arthralgien. Der Gastrointesti-
naltrakt ist in 30–50 % betroffen mit Darmischämie unterschiedlicher Ausprägung
314 4 Darm
Literatur Koop I. Beteiligung des Gastrointestinaltraktes bei rheumatischen Erkrankungen. Gastroenterologie up2date
2011; 7: 123–142
Mukhtyar C et al. EULAR recommendations for the management of primary small and medium vessel vas-
culitis. Ann Rheum Dis 2009; 68: 310–317
4.38.4 Immundefekte
██ IgA-Mangel
Diagnostik Anamnese! gehäuft Hypoglykämien und „schlecht einstellbarer Diabetes“ als Aus-
druck der Gastroparese, Ausschlussdiagnose durch Abklärung der Diarrhö (s. Kap.
1.13), bei Typ-1-Diabetes auch Abklärung Zöliakie, da gehäuft Assoziation.
██ Hypothyreose
██ Hyperparathyreoidismus
██ Morbus Addison
4.39 Malakoplakie
Pathologie Weicher, gelblicher Plaque der Mukosa, Ausdehnung bis in dazugehörige Lymph-
knoten; histologisch charakteristisch so genannte PAS-positive Michaelis-Gut-
mann-Körper (dunkle Einschlusskörperchen in Histiozyten).
Einteilung:
██polypöse Veränderungen vorwiegend im Rektosigmoid, stenosierend, auch fis-
telnd transmural
██diffuser Befall des Kolons mit polypösen und ulzerösen Veränderungen
██solitäre polypöse Läsion in Kombination mit Karzinom oder adenomatösem Po-
lyp
Diagnostik Endoskopie mit Biopsie: makroskopisch granuläre Schleimhaut oder Verdacht auf
Malignom, Histologie s. o.
Literatur Bock P, Schwarz A. Malakoplakia-like reaction in association with colorectal adenocarcinoma. Z Gastroente-
rol 2000; 38: 643–646
4.40 Endometriose
Vorkommen Lokalisation meist in unmittelbarer Nähe des Uterus: kleines Becken, Rektosigmo-
id (70 %), Appendix, Ileozökalregion; in 15 % aller Frauen, in 30 % infertiler Frauen.
Diagnostik (Ileo-)Koloskopie: Mukosa meist intakt, submuköses, bläuliches Kissen, tiefe Bi-
opsie
██ Laparoskopie bei serosaler Endometriose
5 Anorektum
G. Pommer
Anatomie Der Analkanal (3–4 cm) wird kranial durch die Linea dentata, kaudal durch die Li-
nea anocutanea begrenzt. Er wird durch 4 verschiedene Systeme gebildet:
██Schließmuskelsystem:
–– M. sphincter ani internus
–– M. sphincter ani externus
–– M. puborectalis
██Gefäße: Corpus cavernosum recti, das durch die A. rectalis superior gespeist
wird
██Schleimhaut: mehrschichtiges, unverhorntes Plattenepithel mit hoher Sensibi-
lität; an der Linea anocutanea Übergang in mehrschichtiges, verhorntes Platte-
nepithel
██Nervensystem:
–– Steuerung des M. sphincter ani internus über Dehnungsrezeptoren in der
Rektumwand
–– vegetative Nerven des Kontinenzorgans und des Analkanals aus dem sakra-
len Anteil des Parasympathikus und dem lumbalen Anteil des Sympathikus
–– der M. puborectalis wird durch motorische Äste aus dem Plexus sacralis und
dem N. pudendus versorgt, ebenso der M. sphincter ani externus
An der Linea dentata finden sich 15 Columnae anales mit dazwischen liegenden
Morgagni-Krypten (Ausführungsgänge der Proktodäaldrüsen).
Literatur Die Literaturangaben sind für alle Unterkapitel von Kap. 5 am Kapitelende zusam-
mengefasst.
318 5 Anorektum
6SDWLXPH[WUD 3OLFD
SHULWRQHDOH WUDQVYHUVD
SHOYLV UHFWLLQIHULRU
6WUDWXP
FLUFXODUH
7XQLFD
0 OHYDWRUDQL 6WUDWXP
PXVFXODULV
0 LOLRFRFF\JHXV ORQJLWX
GLQDOH
0 OHYDWRUDQL
0 SXERUHFWDOLV DQRUHNWDOHU5LQJ
3DUV &RUSXVFDYHUQRVXP
SURIXQGD UHFWL
0 VSKLQFWHU 3DUV 0VSKLQFWHUDQL
DQLH[WHUQXV VXSHUILFLDOLV LQWHUQXV
3DUV Å0 FRUUXJDWRUDQL´
VXEFXWDQHD NOLQLVFK
Abb. 5.1 Aufbau des Kontinenzorgans. Vier funktionelle Anteile des muskulären Ver
schlussmechanismus des Kontinenzorgans (Sicht von ventral auf ein durch den Frontalschnitt
eröffnetes Rektum in situ): konstruktiv enges Segment (v. a. M. sphincter ani internus),
Knickverschluss durch den M. levator ani, v. a. durch den M. puborectalis, Schnür- oder
Tamponierverschluss durch den M. sphincter ani externus und Schwellverschluss durch das
Corpus cavernosum recti (unter der Schleimhaut, also in der Rektumwand) (Quelle: Schünke
et al. 2005).
$ UHFWDOLVVXSHULRU
5HNWXP
=XIOXVV]XP
&RUSXVFDYHUQRVXPUHFWL
EHLÅ8KU´ =XIOXVV]XP
&RUSXVFDYHUQRVXPUHFWL
=XIOXVV]XP EHLÅ8KU´
&RUSXVFDYHUQRVXP
UHFWLEHLÅ8KU´
2VFRFF\JLV
Weiterführende Diagnostik:
Endosonografie: Beurteilung der subanodermalen und perirektalen anatomi-
██
tipation)
CT/MRT: Indikation: unklare Prozesse im perirektalen- und Beckenbodenbe-
██
5.3 Marisken
Definition Hautlappen bzw. Knoten im äußeren Analrand, vereinzelt auch zirkulär auftretend.
Ätio Primär: ohne erkennbare Ursache, gelegentlich bei langen Reizzuständen und ab-
pathogenese gelaufenen Analthrombosen.
Sekundär: Vorpostenfalte bei chronischer Analfissur bzw. nach operativen Eingrif-
fen.
320 5 Anorektum
Epidemiologie Ca. 75 % der Frauen, 50 % der Männer jenseits des 4. Lebensjahrzehnts; häufige
Fehlinterpretation als Hämorrhoide.
5.4 Analekzem
Ätiologie und Durch die anatomische Besonderheit mit Bildung einer feuchten Kammer und Se-
Pathogenese kretverhalt der ekkrinen und apokrinen Schweißdrüsen bedingt. Aufgrund der
Ätiopathogenese werden 3 Formen des Ekzems unterschieden:
██irritativ-toxisch, kumulativ-toxisches Ekzem (häufigste Ekzemform bei Einwir-
kung einer Noxe) Beispiel: Schleim- und Stuhlabsonderungen; bei proktologi-
schen Erkrankungen (Feinkontinenzstörung bei Hämorrhoidalleiden), Prolaps,
Sphinkterinsuffizienz, postoperative Zustände, Fisteln, Irritationen durch me-
chanische Reize
██atopisches Analekzem (Neurodermitis): Überempfindlichkeit gegen Umwelt-
stoffe (Typ-I-Allergie) assoziert mit IgE-Erhöhung, häufig auch andere Prädilek-
tionsstellen am Körper (Knie, Ellenbeuge), positive Familien- und Eigenanamne-
se mit atopischen Erkrankungen
██allergisches Kontaktekzem (Typ-IV-Allergie): meistens Hautpflegemittel,
Sprays, Salben, feuchtes Toilettenpapier mit Duftstoffen
Klinische Quälender Juckreiz, z. T. nächtlich deutlich verstärkt, Brennen, Nässen, Blut am To-
Charakteristika ilettenpapier.
Therapie Ausschluss proktologischer Erkrankung und evtl. Behandlung (s. dort); Vermei-
dung irritativer Stoffe mit Eliminierung, bei atopischem Ekzem kurzfristige lokale
Applikation mittelstarker Kortikoide, evtl. Bestrahlung mit UVA-Licht.
Bei chronisch rezidivierendem Verlauf: Intervalltherapie.
Allergisches Kontaktekzem: Nachweis des Allergens durch Epikutantest und Ab-
setzen aller Externa, evtl. Anwendung indifferenter Präparationen wie z. B. Pas-
ta zincii mollis (DAB 10), zur Symptomverbesserung: kurzfristige Anwendung von
Kortikoidexterna.
Basistherapie: Hygieneberatung, Stuhlregulierung.
5.5 Erythrasma
Klinische Erheblicher Juckreiz und Brennen, häufig durch Kratzen oberflächliche Lichenifi-
Charakteristika kation, Mazeration.
Diagnostik Großflächige, trockene, helle, hell- bis dunkelbraune, manchmal rötliche Verände-
rungen, schuppend. Beweis durch Wood-Lampe (UVA-Licht 366 nm).
Therapie Erythromycin in Gelform 2-mal tgl. über 7 Tage; bei Rezidiv: systemisch 14 Tage
2-mal 500 mg bzw. 4-mal 250 mg Erythromyin.
Therapie Exzision weit im Gesunden, hohe Rezidivquote (23 %), regelmäßige Kontrollunter-
suchung erforderlich.
Definition Seltene perianale, intraanale und rektale Karzinome des höheren Lebensalters.
Klinische Juckreiz.
Charakteristika
Differenzial Psoriasis, Morbus Bowen. Bei Nachweis eines Morbus Paget Ausschluss eines Rek-
diagnose tumkarzinoms zwingend.
5.8 Streptokokkendermatitis
Therapie Penicillin 500 000 IE/kg KG, oral 10–14 Tage, Anwendung von Externa nicht erfor-
derlich.
Ätio Virusinduzierte Erkrankung durch HPV6, HPV11, seltener HPV16. Hohe Infektions-
pathogenese rate (60 % der erwachsenen Bevölkerung).
Übertragungsweg: vorwiegend durch sexuellen Kontakt, bei vorgeschädigter Haut
evtl. auch andere Infektionswege (Sauna, Bad, Handtücher). Eine der häufigsten
sexuell übertragbaren Erkrankungen, insbesondere bei immunsupprimierten Pa-
tienten.
Pathologie Nachweis intraepithelialer Neoplasien (Grad 1–3), Entartung zum Karzinom bis
zu 30 %.
Diagnostik Typischer makroskopischer Aspekt, evtl. Differenzierung durch Betupfen mit Es-
sigsäure (5 %).
5.9 Virusbedingte anale Erkrankungen 323
Therapie Bei singulären Veränderungen: Podophyllotoxin 0,15 % Creme 2-mal tgl. für 3
Tage, 4 Tage Pause, 3-malige Wiederholung, alternativ: topische Anwendung von
Imiquimod-Creme (Aldara 5 %) 1-mal pro Woche.
Bei multiplen Kondylomen oder ausgedehntem Befall: operatives Vorgehen mit
flüssigkeitsunterstützter Koagulation.
Hohe Rezidivquote: 20–50 %.
Inkubationszeit 10–20 Tage; häufig latente Infektion, die bei Immundefizienten eine Reaktivierung
erfährt.
Klinik und Meistens halbseitig mit akut bestehenden stecknadel- bis reiskorngroßen Bläschen
Verlauf die nach etwa 1 Woche austrocknen. Häufig, schon vor sichtbaren Veränderungen,
erhebliche Schmerzen mit Berührungsempfindlichkeit und Hyperästhesie im Sa-
kralbereich.
Verlauf Spontanheilung in 2–3 Wochen mit Verlust der Schmerzen, selten postinfektionel-
le Neuralgie.
Inkubationszeit 2–12 Tage, neben der Primärinfektion häufig Reinfektion oder Aktivierung eines
latenten Herpes-simplex-Virus.
Diagnostik und Reiskorngroße Bläschen, z. T. später konfluierende, flache Erosionen bzw. Ulzerati-
Verlauf onen, erhebliche Schmerzhaftigkeit mit einer spontanen Heilung etwa nach 4 Wo-
chen, gelegentliches Auftreten von inguinalen Lymphdrüsenschwellungen, nicht
selten Allgemeinsymptome mit Fieber und Myalgien. Bei gleichzeitiger HIV-Infek-
tion ist ein schwerer Krankheitsverlauf möglich.
324 5 Anorektum
Komplikation Meningoenzephalitis.
Definition Entzündung der Talgdrüsen und der Haarfollikel perianal, inguinal, gelegentlich
axillär. Frauen und Männer sind in gleicher Weise betroffen ohne speziellen Al-
tersgipfel.
Ätio Superinfektion eines Komedo mit Ruptur des Follikelkanals und Ausbildung von
pathogenese Knoten, Fisteln und einer Fibrosierung. Es besteht eine genetische Disposition, zu-
sätzlich scheint Nikotinkonsum Bedeutung zu haben. Unklar ist die Rolle der Infek-
tion mit Strepto- oder Staphylokokken.
Therapie Konservative Maßnahmen (z. B. Antibiotikagabe) nicht sinnvoll. Die Methode der
Wahl ist die Operation mit kompletter Entfernung weit im Gesunden und sekun-
därer Wundheilung. Eine plastische Deckung ist nicht zwingend erforderlich, zeigt
aber ähnlich gute Ergebnisse bezüglich Kosmetik und Rezidivfreiheit.
Klinische Häufig asymptomatische Form bei nur reizloser kleiner Primäröffnung in der Rima
Charakteristika ani, häufig auch Zufallsbefund: Die abszedierende Form wird durch Schmerzen
und Schwellungen beherrscht. Spontanperforationen mit Abgang von Eiter.
Diagnostik Inspektion, typischer Befund, Ausschluss eines analen Crohns bzw. einer Analfis-
tel/Acne inversa.
Therapie Methode der Wahl ist die operative En-Bloc-Exzision des gesamten Befundes bis
zur Sakralfaszie, entweder mit plastischer Rekonstruktion oder Sekundärheilung.
Rezidivquote bei primärem Wundverschluss deutlich höher. Unter Umständen
sehr lang andauernde Abheilungsphase.
Therapie Lokale Anwendung von Azolen über 3 Wochen, evtl. gleichzeitige Behandlung ei-
ner Tinea pedis.
Medikamente: Clotrimazol, Miconazol, Econazol, bei Versagen der lokalen Thera-
pie systemische Behandlung.
5.13 Analthrombose
Ätio Unklar; auslösend sind: harter Stuhl mit deutlicher Pressbelastung, Durchfall,
pathogenese Schwangerschaft, scharfe Speisen und übermäßiger Alkoholkonsum, Spätphase
der Gravidität.
Klinische Häufig ganz akute, linsen- bis pflaumengroße Schwellung im Perianalbereich mit
Charakteristika Schmerzen, prall-elastisch, Spontanperforation mit Entleerung eines Thrombus
möglich.
Verlauf Spontaner Rückgang der Schmerzen möglich mit langsamer Abnahme des Ödems
und der Schwellung.
5.14 Analfissur
Ätio Die Fissurentstehung ist nicht eindeutig geklärt, vermutlich multifaktorielles Ge-
pathogenese schehen:
██mechanisch: harter, voluminöser Stuhlgang
██infektiös: Entzündung des kryptoglandulären Apparates
██vaskulär: geringere arterielle Vaskularisation in der hinteren Kommissur mit re-
duzierter Perfusion
██neuromuskulär: evtl. primärer Sphinkterspasmus mit funktioneller Analstenose
Symptomatik Schmerz, Blutung während und nach der Defäkation, der Schmerz kann sehr lange
anhalten mit Ausstrahlung in die Umgebung.
Klinischer Die akute Fissur heilt häufig spontan, selten Entwicklung zur chronischen Analfis-
Verlauf sur mit Sekundärveränderungen.
Diagnostik Typische Anamnese mit Schmerzen und Blut bei der Defäkation.
Inspektion typisch bei Spreizen der Nates, schmerzhafte digitale Untersuchung,
Proktoskopie schwierig, nach vorheriger Infiltration mit 2–3 ml 2 % Lidocain ist
auch eine Spreizspekulum-Untersuchung möglich.
5.15 Hämorrhoiden 327
Differenzial Analer Morbus Crohn mit atypischer Lokalisation, Infektion (SDT, HIV), trauma-
diagnose tisch bedingte Läsionen, Proktitis.
Therapie Akute Analfissur: 50 % der akuten Fissuren heilen spontan, daher zunächst konser-
vative Behandlung durch Stuhlregulierung, Flüssigkeitszufuhr, warme Sitzbäder.
Bei starken Schmerzen Anwendung von nitrathaltigen Salben und Kalziumantago-
nisten (Glyzeroltrinitrat bzw. Diltiazem, lokale Injektionen von Disport oder Botox
möglich). Nach Abklingen der Akutphase und Schmerzfreiheit evtl. zur Vermei-
dung eines Rezidivs Anwendung eines Analdehners.
Therapieprinzip: Steigerung der Durchblutung mit Verbesserung der Wundheilung
durch Herabsetzen des reaktiven Sphinkterhypertonus durch pharmakologische
Sphinkterrelaxation. Erfolg: 70–95 %, bei Botulinumtoxininjektionen vorüberge-
hende anale Inkontinenz (4–5 % der Fälle bis 2–3 Wochen).
Chronische Analfissur: Die Basistherapie entspricht jener der akuten Fissur, bei
ungenügender Beschwerdeerleichterung (Feinkontinenzstörung, Schmerzen etc.)
operative Sanierung empfohlen:
██laterale offene oder laterale geschlossene Sphinkterotomie: effektives Verfah-
ren mit dem Problem späterer Inkontinenz. Literaturangaben sind bezüglich der
Kontinenz problematisch, da nicht einheitliche Nachbeobachtungszeiten ange-
geben werden.
██Fissurektomien nach Gabriel: Entfernung des narbigen Fissurgewebes mit Abtra-
gung der hypertrophen Analpapille und Vorpostenfalte, sekundär Mariske
██anale Dilatation nach Lord, Operation nach Eisenhammer: beide Eingriffe sollten
wegen ungünstiger Spätergebnisse (Sphinkterinsuffizienz, Inkontinenzstörung)
nicht mehr durchgeführt werden.
5.15 Hämorrhoiden
Klassifikation Goligher unterteilt 4 Stadien des Hämorrhoidalleidens (Abb. 5.3, Tab. 5.1).
Abb. 5.3 Stadieneinteilung des Hämorrhoidalleidens nach Goligher (Quelle: Moll 2005).
328 5 Anorektum
Ätio Keine wissenschaftlich gesicherten Daten zur Ätiologie; folgende Faktoren werden
pathogenese diskutiert: Ernährungs- und Defäkationsverhalten, anorektale Funktionsstörung,
genetische Disposition, intraabdominelle Drucksteigerung (Arbeitsbelastung etc.).
Diagnostik Anamnese, Inspektion, Palpation, Prokto-, Rektoskopie. Der digitale Tastbefund ist
uncharakteristisch. Ausschluss einer höheren Blutungsquelle durch Koloskopie er-
forderlich, Ausnahme: Kinder oder Jugendliche.
Operative Behandlung:
Indikation: konservativ nicht behandelbare Hämorrhoiden 3.–4. Grades mit
██
zedierungen)
5.16 Analfistel 329
5.16 Analfistel
Ätio Vorwiegend ausgehend von Proktodäaldrüsen, die zwischen M. sphincter ani inter-
pathogenese nus und externus verlaufen und in den analen Krypten in Höhe der Linea dentata
einmünden. Vom Rektum ausgehende Fisteln haben eine andere Ätiologie, z. B. Mor-
bus Crohn, Bestrahlung, operative Eingriffe (Gynäkologie, Urologie) und Verletzung.
Klassifikation Abb. 5.4 zeigt die verschiedenen Lokalisationen perianaler Abszesse und Fisteln:
██submukös/subanodermal
██intersphinktär: zwischen innerem und äußerem Schließmuskel
██transsphinktär: Fistel durchdringt den inneren und äußeren Schließmuskel und
mündet im perianalen Bereich
██suprasphinktär: seltener Fisteltyp, aufsteigende Fistel in den Sphinkterraum,
häufig hufeisenförmig um die puborektale Schlinge verlaufend, in die Fossa is-
chiorectalis hineingehend und von dort zur äußeren Haut ziehend
██extrasphinktär
Epidemiologie Sichere Aussagen zur Inzidenz sind nicht möglich, Männer sind 2-mal häufiger be-
troffen als Frauen, Häufigkeitsgipfel zwischen 20. und 50. Lebensjahr.
SHOYLUHNWDOHU$EV]HVV
H[WUDVSKLQNWlUH)LVWHO
0OHYDWRUDQL
0VSKLQFWHUDQL VXSUDVSKLQNWlUH)LVWHO
LQWHUQXV
LVFKLRUHNWDOHU$EV]HVV
WUDQVVSKLQNWlUH)LVWHO
LQWHUVSKLQNWlUHU$EV]HVV
LQWHUVSKLQNWlUH)LVWHO
VXENXWDQHUVXEDQRGHUPDOHU
$EV]HVV VXEDQRGHUPDOH)LVWHO
Abb. 5.4 Lokalisationen perianaler Abszesse und Fisteln (Quelle: Brühl 2008).
330 5 Anorektum
Zusatz Evtl. bei nicht ganz sicherer Diagnose Endosonografie, MRT; Sondenuntersuchun-
diagnostik gen sollten insbesondere bei stärkerer Entzündlichkeit wegen der Möglichkeit ei-
ner Via falsa vermieden werden. Ggf. Abklärung Morbus Crohn.
Differenzial Bei ungewöhnlichem Verlauf: Morbus Crohn (30 % der Patienten mit Morbus Crohn
diagnose haben eine anale Manifestation), Acne inversa, Sinus pilonidalis.
Therapie Operative Fistelsanierung mit Entfernung der Quellfistel und von entzündlichem
Gewebe bei sorgfältigster Schonung des Sphinkterapparats.
Sondersituation bei Morbus Crohn: zunächst Einleitung der konservativen Therapie
mit Kombination einer Fadendrainage, spätere Fistelsanierung möglich, s. Kap. 4.15.
5.17 Analabszess
Definition Das Krankheitsbild ist eng mit der Analfistel verbunden, häufig Abszedierung vor
Entwicklung und Diagnostik einer Fistel. Die Abszesse können ischiorektal, inter
sphinktär, subanodermal/submukös oder pelvirektal gelegen sein (Abb. 5.4).
Klinische Schmerzen mit Fieber und starkem Krankheitsgefühl, nach Perforation oder Eröff-
Charakteristika nung sofortige Erleichterung.
Therapie Chirurgische Abszesseröffnung mit Drainage, evtl. zeitgleiche Entfernung der Be-
gleit-/Quellfistel, ansonsten im Intervall. Die Anwendung von Antibiotika oder
Zugsalbe gilt als Kunstfehler.
5.18 Analkarzinom
Definition Bösartige Neubildung ausgehend vom Epithel des Analkanals bzw. -randes (distal
Plattenepithel, proximal Übergangsepithel bzw. Rektummukosa).
Klinische Anale Blutung (45 %), Pruritus, anale Knotenbildung, Fehldeutung als nicht ab-
Charakteristika heilende Fissur oder Hämorrhoidalbeschwerden, Schmerzen selten. Cave: ca. 20 %
ohne Beschwerden!
Stadienein TNM-Klassifikation, UICC 7. Auflage (wie Hauttumoren) (Tab. 5.2, Tab. 5.3, Tab. 5.4).
teilung
T0 Kein Primärtumor
T1 <2 cm
T2 2–5 cm
T3 >5 cm
N0 Keine Lymphknoten
M0 Keine
M1 Fernmetastasen
II T2/3 NO MO
Therapie Ziel: Heilung bzw. lokale Tumorkontrolle unter Erhaltung des Kontinenzapparats.
Kombinierte Radiochemotherapie (Standard): 50 Gy à 1,8–2 Gy/Tag, simultan
5-Fluoruracil (1000 mg/m2/24 h i. v. Tag 1–4, in der 1. und 5. Woche 10 mg/m2 Mi-
tomycin C an Tag 1 und 29.
Bei Therapieversagen: abdominoperineale Rektumexstirpation.
Palliative Therapie: keine aussagekräftigen Studiendaten, Einsatz von Cisplatin
plus 5-FU wird derzeit untersucht.
Verlauf Die Diagnose wird häufig mit Verzögerung gestellt! Prognose und Lymphknoten-
beteiligung sind abhängig von der Tumorgröße: Tumor <2 cm: ca. 80 % Heilung, Tu-
mor >5 cm: ca. 50 % Heilung. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 60–85 %, die the-
rapiebedingte Letalität 5 %.
Definition Unfähigkeit, Darminhalt (Gas, flüssigen oder festen Stuhl) unter Beteiligung moto-
rischer, sensorischer und anatomischer Strukturen kontrolliert abzusetzen.
5.20 A
norektale Entleerungsstörung
(Outlet-Obstipation)
5.21.1 Analprolaps
Definition Teile des Analkanals werden aus dem Anus herausgepresst, gelegentlich in Kombi-
nation mit einem Hämorrhoidalprolaps.
5.21.2 M
ukosaprolaps (Rektumvorderwand-Prolaps
mit Ulcus recti simplex)
Definition Vorstufe des Rektumprolaps mit Vorfall und Invagination von Anteilen des Mast-
darms, vorwiegend der Rektumvorderwand.
Therapie Ballaststoffe, Vermeiden des Pressens, Zusatz von Laxanzien. Bei Zunahme von Be-
schwerden unter gesicherter konservativer Therapie evtl. Resektion.
5.21.4 Rektumprolaps
Definition Ausstülpung des Rektums mit allen Schichten, das spontan zurückgleiten kann;
häufiger ist aber eine manuelle Reposition erforderlich.
Wegweisende Pressen lassen auf dem Untersuchungsstuhl mit einem Prolaps von 6–8 cm aller
Diagnostik Rektumanteile.
Digital-rektale Untersuchung: häufig schlaffer Schließmuskeldruck.
Prokto-/Rektoskopie.
Patho Diskutiert werden: Spasmen der Muskulatur, des Beckenbodens und der Sphink-
mechanismus teren, fragliche Gefäßspasmen, psychosomatische bzw. vegetativ-funktionelle Ein-
flüsse möglich.
Triggerfaktoren: Trauminhalte, frustrane Defäkationsversuche.
Klinische Plötzliche, häufig ohne Vorboten einsetzende Schmerzen, die als krampfartig, z. T.
Charakteristika stechend oder schneidend empfunden werden, gelegentlich dumpfer Druck mit
Ausstrahlung in den Anorektalbereich, nachts häufiger als tags, einige Sekunden
bis einige Minuten anhaltend, selten Schwindelgefühl, Schweißausbruch, Brech-
reiz. Eine Assoziation mit anderen Erkrankungen (z. B. Migräne, Reizdarmsyn-
drom) wird beobachtet.
Therapie Je nach Beschwerden Therapieversuch mit Nitrosalbe intraanal, evtl. durch Sen-
kung des Schließmuskeltonus. Bei Nebenwirkungen: Diltiazem.
Empirisch: Wärmeapplikation; bei Vorliegen eines Hämorrhoidalleidens: Sklero-
sierungstherapie (Symptomreduktion häufig).
5.23 Kokzygodynie
Synonym Steißbeinneuralgie.
Definition Der Begriff „Juckreiz“ hat sich im klinischen Alltag stark verbreitet. Dennoch sollte
man in wissenschaftlichen Zusammenhängen den Ausdruck Jucken oder Juckemp-
findung nennen, da der Reiz das auslösende Element ist. Der Begriff „Pruritus sine
materia“ ist wegen einer fehlenden exakten Definition nicht zu verwenden. Der
akute Pruritus wird vom chronischen Pruritus getrennt, wenn dieser länger als 6
Wochen besteht. Über die Inzidenz und Prävalenz lassen sich nur ungenaue Anga-
ben machen, da nur ein geringer Teil der Patienten eine Arztpraxis aufsucht. Bei
proktologischen Patienten findet sich etwa in 62 % ein Pruritus mit einem Häufig-
keitsgipfel etwa zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.
Ätio Etwa 50 % der Patienten beobachten ein Stuhlschmieren. Es gibt Hinweise dafür,
pathogenese dass eine nicht normale Relaxation des internen Sphinkters den Pruritus unter-
stützen kann.
██Stuhlschmieren:
–– Durchfall, ungeformter Stuhl
–– Pathologische interne Sphinkterrelaxation
–– Hygienefehler (s. u., Therapie)
–– Anatomische Besonderheiten (Hämorrhoidalleiden II°–III°, Marisken)
██Anorektale Erkrankungen (Tab. 5.5):
–– Abszesse, Fissuren, Fisteln, Malignität, Morbus Paget, Zustand nach Operation
Analfissuren 12 %
Rektumkarzinom 11 %
Analkarzinom 6%
Tiefsitzende Adenome 4%
338 5 Anorektum
██ Infektionen:
–– Sexuell übertragbare Erkrankungen, bakterielle Infektionen, Parasiten, Can-
dida albicans
██ Psychologische/psychiatrische Ursachen
██ Dermatologische Erkrankungen
–– Psoriasis, Kontaktdermatitis, atopische Dermatitis, kumulativ oder irritativ-
toxisches Ekzem
██ Diätetische Ursachen:
–– Kaffee, Tee, Cola, Schokolade, Tomaten und Zitrusfrüchte. Die Reaktion auf
die genannten Nahrungsbestandteile ist nicht gut erklärt. Somit sind derma-
tologische, proktologische und allergologische Erkrankungen ursächlich.
Klinische Der Pruritus findet sich zirkumanal, gelegentlich auch intraanal; die Linea denta-
Charakteristika ta stellt nach proximal die Begrenzung des Pruritus dar. Die Intensität kann ins-
besondere nachts (Bettwärme) häufig so gesteigert sein, dass die Patienten unter
Schlaflosigkeit leiden. Durch Kratzen wird eine gewisse Linderung erfahren. Bei
der Untersuchung findet man im äußeren Analbereich – insbesondere bei länger
dauerndem Pruritus – Erosionen/Exkoriationen. Zusätzlich auf der entzündeten
Haut Superinfektionen.
Diagnostik Äußere Inspektion: man unterscheidet den Pruritus auf primär nicht entzündeter
Haut von dem Pruritus auf entzündeter Haut sowie den Puritus mit Kratzläsionen.
Anamnese, Inspektion, Palpation, Prokto-/Rektoskopie, ggf. auch Spekulumunter-
suchung, evtl. Abstrich zum Erregernachweis und Allergentestung.
Bei unklarem Hautbefund: Probeexision. Bei Blutungen und einem Alter über 40
Jahre oder positive Familienvorgeschichte eines kolorektalen Karzinoms: Kolosko-
pie.
Therapie Konservativ: Oberstes Prinzip ist, die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln
und nicht nur das Symptom, z. B. Sanierung des Hämorrhoidalleidens, Stuhlregu-
lierung, Beseitigung von Feinkontinenzstörungen (Fissur, prolabierende Fibrome).
Wesentlicher Bestandteil der Therapie ist die Beratung: Analhygiene (Vermeidung
von Seifen, Cremes, Salben, Shampoos, Waschmittel und Intimspray). Wegen des
hohen Anteils der Selbstmedikation (z. B. Hämorrhoidalsalben), Absetzen aller Ex-
terna, Vermeidung von Feuchttüchern.
Lokale Anwendung von Pasten, z. B. Pasta zincii mollis, DAB 10, evtl. Anwendung
von Leinenläppchen zur kurzfristigen Auflösung der Feuchtigkeitsbildung. Evtl.
Adstringentia (Gerbstoffe), Ziel: Reduktion der Schweißbildung. Nebeneffekt: an-
tipruriginöse und antiinflammatorische Wirkung.
Bei Versagen dieser Maßnahmen evtl. Anwendung von Capsicain-Salbe 0,025 %ig.
Bei einem Puritus ohne sichtbare Hautveränderungen ist an eine psychosomati-
sche bzw. psychische Ursache zu denken.
Die Behandlung des Pruritus ani ist oft sehr schwierig – daher: frühzeitige Vorstel-
lung beim Dermatologen.
Da der Pruritus ani ist bei Kindern äußerst selten ist, sollte eine Oxyurisasis aus-
geschlossen werden.
Literatur Brühl W. Anorektale Erkrankungen. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR, Mössner J (Hrsg.). Gastroentero-
logie, Stuttgart; Thieme 2008: 883 ff
Brühl W, Wienert V, Herold A. Aktuelle Proktologie. 3. Aufl. Bremen; Uni-Med 2008
5.24 Pruritus ani 339
6 Pankreas
J. Mayerle, P. G. Lankisch
Beim Erwachsenen ist das Pankreas 14–18 cm lang und wiegt 65–80 g. Der Pank-
reaskopf (Caput pancreatis) ist maximal 3 cm im Durchmesser und schmiegt sich
der Konkavität der C-förmigen Duodenalschleife an. Im kranialen Anteil des Pan-
kreaskopfs zieht der Ductus choledochus zur Duodenalpapille, der kaudal davon
liegende, hakenförmige Anteil wird als Processus uncinatus bezeichnet und ent-
steht embryonal aus der ventralen Anlage des Pankreas (endosonografisch häu-
fig echoärmer als das übrige Pankreas). Durch diese enge anatomische Beziehung
führen Vergrößerungen oder Tumore des Pankreaskopfs häufig zu Kompressionen
des Ductus choledochus mit nachfolgendem Ikterus. Die embryonal dorsale An-
lage des Pankreas bezeichnet den kranialen Teil des Pankreaskopfs, den sich nach
medial anschließenden Korpus, der ventral über die Wirbelsäule zieht und den
Pankreasschwanz (Cauda), der in Richtung des Milzhilus endet.
Der Ductus pancreaticus (Ductus wirsungianus) misst bis zu 2 mm und durchzieht
die Drüse in ihrer Längsausdehnung nahe der Hinterfläche. Er nimmt zahlreiche
kurze Drüsengänge auf, die senkrecht einmünden. Der Ductus pancreaticus mün-
det ganz überwiegend gemeinsam mit dem Ductus choledochus in der Papilla
duodeni major und damit in das Duodenum. Aufgrund des gemeinsamen Ausfüh-
rungsgangs besteht durch einen vor oder in der Papille festsitzenden Gallenstein
die Gefahr einer biliären Pankreatitis.
Durch die Verschmelzung der dorsalen und ventralen Pankreasanlage in der Em-
bryonalzeit wachsen die Pankreasgänge zusammen. Es entsteht der Ductus pan-
creaticus (Wirsungianus) als Hauptgang, der zu 80 % in den Ductus choledochus
und zu ca. 20 % separat in die Papilla major mündet, sowie der Ductus pancreaticus
minor oder accessorius (Santorini), der sehr variabel in die Papilla minor, die oral-
wärts der Papilla major liegt, in das Duodenum mündet.
In der zephalen Phase kann es durch die zentrale Verarbeitung von Anblick, Ge-
ruch, Geschmack und Kauen der Nahrung zu einer Stimulation der Pankreassekre-
tion von bis zu 50 % der maximalen Sekretionsantwort kommen.
Die gastrale Phase vermittelt durch die Dehnung der Magenwand und über va-
sovagale Reflexe die Sekretion des Pankreassafts. Hierdurch erklärt sich auch das
Symptom der pankreaticocibalen Asynchronie, einer funktionellen exokrinen In-
suffizienz nach Magenoperationen. Der Dehnungsreiz und die vagale Innervation
gehen durch den operativen Eingriff verloren und die stimulierte Pankreassekreti-
on versiegt trotz intakter Drüse.
Die intestinale Phase beginnt mit der Entleerung des Nahrungsbreis in das Duo-
denum. Hier wirkt die Magensäure als Stimulator der sekretinvermittelten Was-
ser- und Bikarbonatsekretion, während die Verdauungsprodukte von Fetten und
Proteinen die Enzymsekretion stimulieren. Da das Pankreas eine Reserve von 90 %
besitzt und erst dann die klinischen Zeichen einer exokrinen Insuffizienz auftre-
ten, führt die Magenoperation oder eine dauerhafte Protonenpumpenhemmer-
Therapie allein nur selten zu einer klinisch relevanten exokrinen Insuffizienz.
6.3.1 Shwachman-Syndrom
Definition Kombination von exokriner Pankreasinsuffizienz, intermittierend auftretender
Neutropenie, metaphysealen Dysostosen und Minderwuchs; zweithäufigste Ursa-
che einer exokrinen Pankreasinsuffizienz im Kindesalter.
6.3.2 Johanson-Blizzard-Syndrom
Sehr seltenes Krankheitsbild. Das Pankreas fehlt oder ist durch Fett ersetzt. Au-
tosomal dominanter Erbgang. Mutationen im Ubr-1-Gen. Klinisch am häufigsten
exokrine Pankreasinsuffizienz, ferner angeborene Aplasie der Alae nasi, Taubheit,
Hypothyreoidismus, Zwergwuchs, Mikrozephalie, Fehlen bleibender Zähne.
Definition und Die akute Pankreatitis ist eine primär nichtbakterielle, entzündliche, potenzi-
Einteilung ell lebensgefährliche Erkrankung unterschiedlicher Ätiologie. Die Diagnose wird
gestellt bei akut einsetzenden gürtelförmigen Oberbauchbeschwerden und einer
über das 3-Fache der Norm erhöhten Lipase (oder Amylase) im Serum. Unabhängig
von der Ätiologie gibt es 2 Verlaufsformen:
██ die akute interstitiell-ödematöse Pankreatitis (75–85 %) mit einer Letalität <1 %
██ die akute hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis (15–25 %) mit einer Leta-
lität zwischen 10–24 %
Tab. 6.1 Medikamente, die eine akute Pankreatitis auslösen können (Quelle: Mayerle 2012).
Acetaminophen 13 1
Asparaginase 177 2
Azathioprin 86 16 4 2 5 2 6 2
Cimetidin 1 1
Cisplatin 11 1
Cytarabin 26 4
Didanosin 883 9
Enalapril 12 2
Erythromycin 11 1
Estrogene 42 11
Furosemid 21 3
Hydrochlorothiazid 12 1
Interferon-α2b 12 2 1 1
Lamivudin 19 1
Kausalität gesichert
Mercaptopurin 69 10
Mesalamin/ 59 12 1 1 9 3 5 1
Olsalazin
Methyldopa 2 2
Metronidazol 1 1
Octreotid 16 4
Opiate 42 5
Oxyphenbutazon 1 1
Pentamidin 79 2
Pentavalent anti- 80 14
Monials
Phenformin 13 1
Simvastatin 1 1
Steroide 25 1
Sulfasalazin 23 5
Sulfmethaxazol/Trime 24 1
thoprim
Sulindac 21 8
Tetracyclin 34 2
Valproinsäure 80 11
6.4 Akute Pankreatitis 345
Carbamazepin 14 0
Cyclopenthiazid 11 0
Didanosin 1 0
Doxycyclin 1 0
Kausalität wahrscheinlich
Enalapril 1 0
Estrogene 1 0
Famotidin 1 0
Furosemid 1 0
Hydrochlorothiazid 1 0
Maprotilin 1 0
Mesalazin 3 0
Rifampin 25 0 1 0
Sulindac 1 0
Neuere Fallberichte belegen, dass auch eine Gabe von Glukose und Insulin rasch
zu einem Absinken der Triglyzeride führt (Cave: Hypokaliämie unter Therapie).
Das Therapieziel einer medikamentösen Therapie der Hypertriglyzeridämie
liegt bei <500 mg/dl. Neben floridem Alkoholismus werden solch hohe Triglyze-
ridspiegel meist nur durch eine Apolipoprotein-C-II Defizienz oder eine Lipopro-
tein-Lipase-Defizienz erreicht.
██ Begleitpankreatitis bei gastrointestinalen und anderen Infektionen: Unter den vie-
len viralen Erregern, die eine akute Pankreatitis auslösen, sind insbesondere die
Enteroviren (Coxsackie-B- und Echo-Viren) und Mumps hervorzuheben. Häufi-
ge bakterielle Pathogene sind Mycoplasma pneumoniae und Yersinien. Wichtige
parasitäre Erreger sind Ascaris lumbricoides und in Asien Clonorchis sinensis.
Die im Rahmen parasitärer Infektionen beobachtete Pankreatitis ist meistens
durch eine Obstruktion des Pankreasgangs bedingt. Bei AIDS sind zusätzlich op-
portunistische Erreger wie Cryptosporidium parvum, Cryptococcus neoformans
und Toxoplasma gondii als Auslöser beschrieben worden (Tab. 6.2)
Genetik Selten: bei Mukoviszidose oder hereditärer Pankreatitis (s. Kap. 6.5).
Komplikation Ursache
Intrapankreatisch lokal
Extrapankreatisch lokal
Stenose der benachbarten Hohl Nekrosestraßen in alle Richtungen möglich, Pankreaskopfschwellung bei intersti
organe (Ductus choledochus, tieller, Kopfnekrosen bei nekrotisierender Pankreatitis
Duodenum und Kolon)
Oberer Gastrointestinaltrakt
Dünndarm
Paralytischer Ileus Ileus bei nekrotisierender Pankreatitis nahezu obligat, Folge der Grunderkrankung
Milz
Milzruptur (lebensbedrohliche Übergreifen der Pankreatitis auf benachbarte Gefäße und durch Vordringen von
Bltung) Pankreaspseudozysten in die Milz(region)
Systemisch
Kardiale Komplikationen Ursache unklar, infarkttypische EKG-Veränderungen bei bis zu 50 % der Patienten,
seltener Perikardergüsse (Gefahr: Herzbeuteltamponade)
Labor:
██Lipase: Diagnosesicherung! (Cave: Höhe der Lipase korreliert nicht mit dem
Schweregrad; Verlaufsbestimmungen nicht erforderlich!). Bestimmung der
Amylase nicht erforderlich
██Hämatokrit: Beurteilung der Hämokonzentration und damit des Flüssigkeitsde-
fizits (HK >43 % beim Mann und >39,2 % bei der Frau erhöht die Wahrscheinlich-
keit einer schweren Pankreatitis)
██Leukozyten/Leukozytose, Thrombozytopenie bei Verbrauchskoagulopathie
██kapilläre/arterielle Blutgasanalyse (metabolische Azidose, respiratorische Parti-
al- oder Globalinsuffizienz)
██Cholestasewerte: GPT (Erhöhung auf >3-Fache der Norm hat hohen prädiktiven
Wert für biliäre Ursache), AP, γ-GT, Bilirubin (Differenzialdiagnose: Cholangitis;
Indikationsstellung für ERC/Papillotomie und Steinextraktion, s. Therapie)
██CRP (prädiktiver Marker für Schweregrad in den ersten 48–96 h; cave: in den
ersten 24h ist das CRP häufig noch nicht erhöht!)
██Harnstoff, Kreatinin,Elektrolyte (cave: akutes prärenales Nierenversagen); Harn-
stoff wichtiger Parameter für die Flüssigkeitsbilanzierung, s. Therapie
██Blutzucker (neu auftretende Hyperglykämie >126 mg% ist mit ungünstiger Prog-
nose korreliert: Sensitivität 86 %. Umgekehrt macht eine Normoglykämie einen
schweren Verlauf unwahrscheinlich)
Sonografie: Initial Untersuchung der Wahl (wenn auch häufig limitiert durch
Darmparalyse, Luftüberlagerung und schmerzbedingt nur eingeschränkt mögli-
cher Untersuchung), erfordert hohe Expertise des Untersuchers
–– Pankreas: nur in 60–80 % der Fälle beurteilbar; echoarme Auftreibung des
Organs bzw. eines Organanteils (Caput, Corpus, Cauda), peripankreatische
Exsudationen/Nekrosestraßen (Gerotasche Faszie, Bursa omentalis, parako-
lisch etc.)
6.4 Akute Pankreatitis 349
Vorhersage des Hinweise auf einen komplizierten Verlauf der akuten Pankreatitis ergeben sich bei:
Schweregrades/ ██Hinweisen auf drei oder mehr Organkomplikationen bei Aufnahme und persis-
Prognose tierend nach 48 h
abschätzung ██beim klinischen Vorliegen einer extrapankreatischen Komplikation (z. B. respira-
torische oder Niereninsuffizienz)
██beim Nachweis von Pankreasnekrosen im CT-Abdomen mit KM
██Erhöhung des CRP bis auf 130 mg/l in den ersten 48 h nach Schmerzbeginn ohne
Anhalt für einen anderen infektiösen Fokus
350 6 Pankreas
██ Hämatokrit bei Aufnahme >44 % (Mann) oder >39 % (Frau) oder kein Abfallen des
Hk innerhalb der ersten 24 h nach Therapiebeginn
██ Erhöhte Punktwerte bei Errechnung von Scores, die im Alltag jedoch häufig
nicht stringent angewendet werden (APACHE-II-Score, Imrie- und Ranson-Score,
SOFA-Score)
██ Risiko für schweren Verlauf: Alter >55 Jahre, BMI >25/>>30
Therapie Da initial der Verlauf der akuten Pankreatitis schwer abzuschätzen ist (80 % milder
Verlauf, aber 20 % schwerer Verlauf mit Organkomplikationen), sollte die Behand-
lung unter stationären Bedingungen erfolgen. Häufige Verlaufskontrollen des klini-
schen Befundes, der laborchemischen Verlaufsparameter sowie der bildgebenden
Befunde machen ein ambulantes Patienten-Management nahezu unmöglich. Die
Behandlung auf der Intermediate-care- oder Intensivstation ist in den ersten 48 h
meistens sinnvoll und notwendig! Indikation großzügig stellen, da sich die Erkran-
kung auch nach 1–2 Tagen noch dramatisch verschlechtern kann.
Volumen und Elektrolytsubstitution: Flüssigkeitssubstitution ist die entscheiden-
de initiale therapeutische Maßnahme (und ebenso der häufigste Behandlungsfeh-
ler, wenn sie nicht erfolgt), die in der Notaufnahme beginnen sollte (Abb. 6.1)!
Das akute prärenale Nierenversagen innerhalb der ersten 48 h nach stationärer
Aufnahme korreliert mit erhöhter Mortalität. Jeder Anstieg des Serum-Harnstoffs
um 5 mg/dl erhöht die Mortalität um einen Faktor von 2,2.
██ Praktisches Vorgehen: Infusion von 5–10 ml/kg/h Flüssigkeit (Ringer-Lsg., isoto-
ne NaCl; keine kolloidalen Lösungen) bis 2 oder mehr der folgenden Kriterien
erreicht sind:
–– Herzfrequenz <120/min
–– mittlerer arterieller Druck 65–85 mmHg
–– Urinausscheidung >1 ml/kg/h
–– Hämatokrit <35 % (Evidenzgrad 1b) (cave Überwässerung)
–– Die Überwachung der Laborwerte (Elektrolyte, Harnstoff, Hk, BZ, SpO2) sollte
initial alle 4–6 h erfolgen.
██ Die Volumengabe sollte, wenn möglich durch ein Thermodilutionssystem ge-
steuert werden(Hk und ZVD häufig zu ungenau in Abschätzung des Volumen-
defizits).
O2-Sättigung von >95 % (soll präventiv auf die Entwicklung eines sekundären Or-
ganversagens wirken). Verschlechterung der Atmung sollte frühzeitig nichtinvasi-
ve Beatmung (NIV) bzw. invasive Beatmung induzieren.
Ein kombiniert konservatives und interventionelles Vorgehen ist auch bei infizier-
ter Nekrose einem minimal-invasiv-chirurgischem Verfahren gleichwertig. Das
Ziel ist die mechanische Entlastung der infizierten Areale mit ausreichender Spü-
lung bzw. Ausräumung der Nekrosen.
In einer Kohortenstudie an 639 Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis (PAN-
TER Studie) benötigten 62 % keine Intervention. Bei infizierter Nekrose führt eine
späte minimal invasive Intervention zu einem verbesserten Überleben. Die mini-
mal-invasive Therapie im „step-up“ Ansatz führte zu einem signifikant besseren
klinischen Verlauf (kombinierter Endpunkt: Mortalität und schwere Komplikati-
onen).
Cholezystektomie bei biliärer Pankreatitis: Die Rezidivrate einer biliären Pankre-
atitis ohne Cholezystektomie bei einem Beobachtungszeitraum von 2 Jahren liegt
6.4 Akute Pankreatitis 353
NOLQLVFKDNXWH3DQNUHDWLWLV
DEGRPLQHOOH6FKPHU]HQHUK|KWH3DQNUHDVHQ]\PHLP6HUXP
)OVVLJNHLWVWKHUDSLH
=LHO=9'!FP+28ULQPHQJHPONJ.*K530$3²PP+J+)PLQ
LQLWLDO%ROXVPLWPOKGDQQPONJ.*ELV=LHOHUUHLFKW
$EVFKlW]XQJGHV6FKZHUHJUDGHV
VFKZHU OHLFKW
$3$&+(,,6FRUH62)$&53
,78 VXSSRUWLYH7KHUDSLH
IUKHHQWHUDOH(UQlKUXQJ
6FKPHU]WKHUDSLH9ROXPHQWKHUDSLH
ELOLlUH3DQNUHDWLWLV (5&EHL9D&KROHGRFKROLWKLDVLV
(5&LQQHUKDOEYRQ²KEHL
9D&KROHGRFKROLWKLDVLV
(QWODVVXQJ
EHL6FKPHU]IUHLKHLWXQGQDFK
.RQWUDVWPLWWHO&7 .RVWDXIEDX
1HNURVH! 1HNURVH
$QWLELRWLNDEHLLQIL]LHUWHU
1HNURVH
IUELV]X:RFKHQ
HQWHUDOH(UQlKUXQJ6FKPHU]WKHUDSLH7KHUDSLHGHV2UJDQYHUVDJHQV
NHLQHNOLQLVFKH%HVVHUXQJ NOLQLVFKH%HVVHUXQJ
.RQWUDVWPLWWHO&7 (QWODVVXQJ
EHL6FKPHU]IUHLKHLWXQG
QDFK.RVWDXIEDX
9DLQIL]LHUWH1HNURVH 9DVWHULOH1HNURVH
PLQLPDOLQYDVLYH7KHUDSLH PLQLPDOLQYDVLYH7KHUDSLH
PLQLPDOLQYDVLYZHQQP|JOLFKEHU QXUIDOOVGDV$XVPDGHU1HNURVHHLQH
IROJHQGH=XJDQJVZHJHWUDQVJDVWULVFK YROOVWlQGLJH5FNELOGXQJDXVVFKOLHW
WUDQVGXRGHQDORGHUUHWURSHULWRQHDO :DKOGHV7KHUDSLHYHUIDKUHQVQDFK
RSHUDWLYH7KHUDSLHQXULP (UIDKUXQJGHV=HQWUXPVLQWHUYHQWLRQHOO
$XVQDKPHIDOOEHLNRQVHUYDWLY UDGLRORJLVFKLQWHUYHQWLRQHOO²
QLFKWEHKHUUVFKEDUHQ.RPSOLNDWLRQHQ HQGRVNRSLVFKHV9HUIDKUHQRGHUPLQLPDO
LQYDVLYFKLUXUJLVFKHV9HUIDKUHQYRU]XJVZHLVH
LPÅ6WHSXSDSSURDFK´ VLHKH7H[W
)RUWIKUXQJGHUNRQVHUYDWLYHQ7KHUDSLH
VROOWHGDV$XVPDGHU1HNURVHHLQHYROOVWlQ
GLJH5FNELOGXQJZDKUVFKHLQOLFKPDFKHQ
bei 30 %, die Mortalität bei 6 %. Die Indikation zur Cholezystektomie ist daher bei
allen Patienten nach biliärer Pankreatitis gegeben. Die Operation soll nach Abklin-
gen der akuten Entzündung erfolgen (optimal: 4–6 Wochen nach Entlassung).
Karzinomrisiko Kein Karzinomrisiko per se (im Gegensatz zur chronischen Pankreatitis, s. Kap. 6.5).
Cave: akute Pankreatitis als Erstmanifestation eines Pankreaskarzinoms! Bei Pa-
tienten ohne erkennbare Ursache der Pankreatitis >50 Jahre wird nach Abklingen
der akuten Entzündung die Durchführung eines CT-Abdomens bzw. einer Endoso-
nografie zum Ausschluss (Nachweis) eines Pankreastumors empfohlen.
Literatur Mayerle J, Simon P, Lerch MM. Therapie der akuten Pankreatitis. Intensivmed.up2date 2012; 8: 49–65
Mayerle J, Heidecke CD, Kraft M, Lerch MM. Konservative Therapie der akuten Pankreatitis. Dtsch Med Wo-
chenschr. 2008; 133: 1911–1916
Working Party of the British Society of Gastroenterology; Association ofSurgeons of Great Britain and
Ireland; Pancreatic Society of Great Britain andIreland; Association of Upper GI Surgeons of Great Britain
and Ireland. UKguidelines for the management of acute pancreatitis. Gut 2005; 54(3): iii1–9
Nitsche C, Maertin S, Scheiber J, Ritter CA, Lerch MM, Mayerle J. Drug-Induced Pancreatitis. Curr Gastroen-
terol Rep. 2012
Pathologie Entzündlich und durch Fibrosierung bedingte isolierte oder generelle Dilatation
von Hauptgang und Nebenästen mit unregelmäßiger Sklerosierung des Organs;
Zerstörung und permanenter Verlust des exokrinen und endokrinen Drüsengewe-
bes, fokal, segmental oder diffus
Ätiologie und Alkohol (80 %): es besteht ein logarithmischer Zusammenhang zwischen dem re-
Genetik lativen Risiko an einer Pankreatitis zu erkranken und der Menge an konsumier-
tem Alkohol und Protein. Ein Minimum von 80 g Alkohol pro Tag über 6–12 Jah-
re ist vermutlich notwendig, um eine chronische Pankreatitis zu induzieren. Ein
Schwellenwert ist nicht bekannt, die Art des Alkohols unerheblich. Patienten mit
chronischer Pankreatitis oder Leberzirrhose unterscheiden sich nicht signifikant
hinsichtlich der Menge des konsumierten Alkohols. Die Zeit zwischen Beginn ei-
nes exzessiven Alkoholkonsums bis zum Auftreten einer Pankreatitis beträgt im
Mittel 18 ± 11 Jahre.
Idiopathisch (ca. 20 %): unklare Ätiologie, durch Nachweis der erblichen Form
(s. u.) Abnahme der idiopathischen Form und prozentual Zunahme der hereditä-
ren Pankreatitis.
Hereditär (ca. 1 %): erstmals 1996 nachgewiesener Gendefekt im kationischen
Trypsinogen-Gen auf dem langen Arm des Chromosoms 7 (7q35). Die so genannte
R122H-Mutation (die häufigste von bisher 24 beschriebenen Mutationen im kat-
ionischen Trypsinogen) verursacht mit einer Penetranz von 80 % in einem auto-
somal-dominanten Erbgang die Entstehung einer chronischen Pankreatitis, deren
klinische Symptome in 80 % bis zum 18. Lebensjahr auftreten. Weitere Gene, die
mit der klinisch idiopathischen Form in Verbindung gebracht werden, sind der
Serinprotease-Inhibitor SPINK1, ein endogener intrapankreatischer Inhibitor von
Trypsin sowie das Chymotrypsin C.
Zystische Fibrose (Mukoviszidose): Punktmutation im Gen des Cystic Fibrosis
Conductance Regulator (CTFR-Gen), autosomal-rezessiver Erbgang. Die Pankreas-
beteiligung variiert von einem kompletten Verlust der exokrinen und endokrinen
Funktion bis zu einer nahezu normalen Pankreasfunktion (durch Bildung eines hy-
perviskösen Pankreassekrets kommt es zu Stau und Obstruktion mit Atrophie der
Drüse). Rezidivierende Pankreatitiden werden in 1–2 % der pankreassuffizienten
und selten auch bei pankreasinsuffizienten Patienten beobachtet.
Epidemiologie Die Inzidenz beträgt 8,2 pro 100 000 Einwohner in Deutschland, die Prävalenz 27,4
pro 100 000 Einwohner (korreliert mit der konsumierten Alkoholmenge in der Ge-
sellschaft). Die meisten Patienten befinden sich bei Stellung der Erstdiagnose im
356 6 Pankreas
Frühstadium der Erkrankung und sind zwischen 37 und 40 Jahre alt, Männer >
Frauen.
Symptome bestehen bei Diagnosestellung im Median seit 30–55 Monaten im Fall
der alkoholinduzierten Pankreatitis und im Median seit 81 Monaten bei einer
chronischen Pankreatitis, die durch eine andere Ursache ausgelöst ist.
Die 10-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit chronischer Pankreatitis beträgt
70 %, die 20-Jahres-Überlebensrate 45 %. Es besteht eine um das 3,6-Fache erhöhte
Mortalitätsrate im Vergleich zu einem gleichaltrigen Studienkollektiv ohne chro-
nische Pankreatitis.
Die hereditäre Pankreatitis ist durch Pankreatitisschübe bereits in der frühen
Kindheit/Jugend (gleiche Geschlechtsverteilung), positive Familienanamnese und
ein deutlich erhöhtes Risiko für ein Pankreaskarzinom gekennzeichnet (Indikation
zur genetischen Testung s. „Zusatzdiagnostik“).
Klinische Leitsymptome:
Charakteristika ██Oberbauchschmerzen, rezidivierend, gürtelförmig, die oft in den Rücken aus-
strahlen (80–95 %)
██Gewichtsverlust (80 %): zunächst nicht selten bedingt durch mangelnde Nah-
rungszufuhr aus Angst vor Schmerzen, später durch exokrine Pankreasinsuffizi-
enz mit Maldigestion und /-absorption; Fehlernährung bei Alkoholismus
██Durchfälle (50 %): hoher Fettanteil/Steatorrhoe, „Konsistenz wie feuchter Lehm“
██Ikterus: gelegentlich, Kompression des Ductus hepatocholedochus durch Einbe-
ziehung des DHC in die Pankreaskopffibrose oder Kompression durch Pseudo-
zyste
Der klinische Verlauf ist vom jeweiligen Stadium der Erkrankung abhängig. Er
reicht von einem hochakuten Zustand mit den Symptomen des akuten Abdomens
bis zu schleichender Kachexie. Mit der Erkrankungsdauer nimmt die Schmerzin-
tensität oft ab („burn-out of pain“) und korreliert dann mit dem Auftreten von
Kalzifikationen im Pankreas und dem Verlust der exokrinen und endokrinen Funk-
tion. In diesem Stadium kommt es zu sehr variablen Entzündungs- und Schmerz-
attacken, die immer wieder von symptomarmen oder sogar symptomfreien Inter-
vallen gefolgt sein können.
Extrapankreatisch
Pleuraerguss Luftnot
Perikarderguss Luftnot
Bildgebende Diagnostik:
██ Sonografie, transabdominell: Strukturinhomogenität, häufig schlechte Abgrenz-
barkeit, Vergrößerung (und Atrophie) möglich, Gangerweiterungen unter-
schiedlicher Ausprägung, Verkalkungen (häufig schwierig von intraduktalen
Konkrementen abgrenzbar), Darstellung von Komplikationen (s. CT-Abdomen).
Die diagnostische Sensitivität (untersucherabhängig) beträgt 52–68 %, die Spezi-
fität 95–100 %. Der negative prädiktive Wert liegt bei >95 %. Gute sonografische
Beurteilung nur in 80 % der Fälle (Tab. 6.5).
██ Rö-Abdomen: als Zufallsbefund: Verkalkungen im Verlauf des Pankreas
██ CT-Abdomen: Goldstandard. Mit ihm können Komplikationen der chronischen
Pankreatitis wie Pankreaspseudozysten (infiziert? eingeblutet?), Gangaufstau,
358 6 Pankreas
Zusatz Die Indikationen zur genetischen Testung auf eine hereditäre Pankreatitis bzw. auf
diagnostik Trypsinogen-Mutationen sind:
██rezidivierende (2 oder mehr) Schübe einer akuten Pankreatitis ohne identifizier-
baren Auslöser oder Ätiologie oder
██idiopathische chronische Pankreatitis – v. a. bei Kindern und im jungen Erwach-
senenalter (<25 Jahre) oder
██Erkrankung an einer Pankreatitis bei einem Patienten mit einer positiven Fa-
milienanamnese für eine Pankreatitis (einer oder mehrere Verwandte 1. oder
2. Grades)
Schmerztherapie: Die Schmerztherapie beruht auf den Richtlinien der WHO für
anhaltende Schmerzen bei chronischen Erkrankungen:
██peripher wirksame Analgetika: Metamizol, Paracetamol, NSAR (cave: ulzeroge-
ne NW)
██Kombination peripher wirksamer Analgetika mit Neuroleptika oder Tramadol-
sulphat
██zusätzliche Gabe von potenten zentral wirksamen Opioiden (z. B. Buprenorphin,
Morphin, Fentanyl)
Abb. 6.2
NOLQLVFKH.ULWHULHQ
Diagnosestellung
$QDPQHVH 2EHUEDXFKVFKPHU]6WHDWRUUK| NOLQLVFKHU%HIXQG
einer chronischen *HZLFKWVYHUOXVW'LDEHWHVPHOOLWXV
Pankreatitis
(s. Indikationen
einer genetischen PRUSKRORJLVFKH.ULWHULHQ IXQNWLRQHOOH.ULWHULHQ
Testung (Quelle:
Mayerle 2004, 8OWUDVFKDOO HQGRNULQ H[RNULQ
mit freundlicher
Genehmigung
(86 (5&3 LQGLUHNWH)XQNWLRQVWHVWV
von Springer Sci
ence + Business
Media). &7 05705&3 JJIGLUHNWH)XQNWLRQVWHVWV
lWLRORJLVFKH.ULWHULHQ
JHQHWLVFKH7HVWXQJEHLKHUHGLWlUHUXQG
LGLRSDWKLVFKHU3DQNUHDWLWLV -DKUH
360 6 Pankreas
Abb. 6.3
Algorithmus zur %LOGJHEXQJ
Therapie der
chronischen Pan
'LDJQRVH
kreatitis (Quelle: $QDPQHVH NOLQLVFKH8QWHUVXFKXQJ
FKURQLVFKH3DQNUHDWLWLV
Mayerle 2007,
mit freundlicher
Genehmigung
von Springer Sci 6FKPHU]HQ 0DOGLJHVWLRQ 'LDEHWHVPHOOLWXV .RPSOLNDWLRQHQ
ence + Business
Media). $ONRKRODEVWLQHQ] (Q]\PVXEVWLWXWLRQ 'LlW HQGRVNRSLVFKH
,QWHUYHQWLRQ
²*DOOHQJDQJVVWHQW
(Q]\PVXEVWLWXWLRQ 6lXUHVXSSUHVVLRQ ,QVXOLQWKHUDSLH ²3VHXGR]\VWHQ'UDLQDJH
²3DQNUHDV6WHQW
²(6:/
6FKPHU]WKHUDSLH *DEHYRQ
:+25LFKWOLQLHQ PLWWHONHWWLJHQ
)HWWVlXUHQXQG &KLUXUJLH
IHWWO|VOLFKHQ ²'UDLQDJH2SHUDWLRQHQ
FKLUXUJLVFKHYV 9LWDPLQHQ 3DUWLQJWRQ5RFKHOOH
HQGRVNRSLVFKH 3XHVWRZ
,QWHUYHQWLRQ ²UHVH]LHUHQGH9HUIDKUHQ
%HJHU)UH\%FKOHU
Pankreasgangsteine:
██ESWL bei ausgeprägtem Schmerzsyndrom indiziert, geringe Komplikationsrate
██endoskopische Entfernung von Konkrementen/Fragmenten aus dem Pankreas-
gang nicht zwingend erforderlich
Pankreaspseudozysten:
██Auftreten: bei 25 % der Patienten
██Verlauf: innerhalb der ersten 6 Wochen bilden sich 40 % der Pseudozysten spon-
tan zurück, nach 12 Wochen meist keine weitere Rückbildung
██Komplikationen und Interventionsindikation: Auftreten in 20 %, entscheidend
Größenzunahme > 5 cm. Zunehmende Schmerzen, Infektion, Verlagerung/Kom-
pression von angrenzendem Gewebe oder benachbarten Organen (Magen, Duo-
denum), Einblutung (Abwarten versus Operation), Zystenruptur (meist Operati-
on erforderlich)
██Interventionsmöglichkeiten: gemeinsame gastroenterologisch/chirurgische Ent-
scheidung; endoskopische/endosonografische Drainage (transgastral/transduo-
362 6 Pankreas
Operative 30–60 % aller Patienten bedürfen im Verlauf einer chirurgischen Intervention (Abb.
Therapie 6.4a–b). In mindestens 30 % der Fälle scheint eine konservative Therapie erweitert
durch endoskopische Interventionen zur Therapie ausreichend.
Verfahren:
██Thorakoskopische bilaterale Splanchnikektomie bei Schmerz als alleinigem führen-
dem Symptom (und bildgebend ohne Nachweis wesentlicher sekundärer Kom-
plikationen): bei Patienten, die auf eine peridurale Anästhesie gut ansprechen,
wird langfristig gute Schmerzkontrolle erreicht bei minimaler perioperativer
Morbidität (7 %).
██Pankreasresezierende Verfahren: Unabhängig von der Art des operativen Eingriffs
muss als oberstes Therapieziel eine weitestgehende Organ- und Parenchym-
schonung angesehen werden (Operationsverfahren Abb. 6.4a–b). Die frühzeitige
chirurgische Intervention kann die fortschreitende globale Pankreasinsuffizienz
möglicherweise hinauszögern.
██klassische Pankreatikoduodenektomie (Kausch/Whipple); Morbiditätsrate 24–
55 %
██pyloruserhaltende Pankreatoduodenektomie (pp-Whipple)
–– Vorteile der pyloruserhaltenden Whipple-Operation (pp-Whipple) gegenüber
der klassischen Resektion: weniger Dumping-Syndrom, seltener Ulzera, kein
Galle-Reflux in den Magen/Ösophagus, Kontinuität des Magen-Darm-Trakts
wird erhalten.
██duodenumerhaltenden Pankreaskopfresektionen (nach Beger, Modifikation durch
Frey, Izbicki, Büchler). Die Mortalitätsrate in erfahrenen Zentren zwischen 0 und
maximal 3,2 %, vergleichbar mit klassischer Pankreatoduodenektomie. Morbidi-
tätsrate: 9–22 %
–– wenn Pankreasgang <3 mm durchmisst („small duct disease“) kann als Mo-
difikation der klassischen Drainageoperation eine V-förmige Resektion des
ventralen Pankreasparenchyms bis auf den Ductus Wirsungianus durch-
geführt werden (Izbicki), wobei die Pankreasgänge 2. und 3. Ordnung auch
entlastet werden.
–– Vorteil der duodenum- gegenüber der pyloruserhaltenden Resektion: geringere
Rate einer im postoperativen Verlauf auftretenden Magenentleerungsver-
zögerung. Demgegenüber wird bei der Beger- und Frey-Operation eine zwi-
schen 5 und 10 % gering erhöhte Blutungsrate beobachtet.
Verlauf und Nach 10 Jahren sind ca. 50 % der Patienten schmerzfrei. Eine Vorhersage, wer
Prognose schmerzfrei sein wird, ist nicht möglich. Operative Maßnahmen erfolgen in ca. 33–
6.5 Chronische Pankreatitis 363
364 6 Pankreas
$QDVWRPRVH]XP
3DQNUHDVNRSI
*DOOHQJDQJ XQGNRUSXV
3DQNUHDVJDQJ
5HVHNWLRQVIOlFKH
DXVJHK|KOWHU )XSXQNW
3DQNUHDVNRSI DQDVWRPRVH
$EOHLWXQJGHV%DXFKVSHLFKHOV
EHUHLQHDXIJHQlKWH'DUP
7'UDLQDJH VFKOLQJHDXI
3DQNUHDVNRSI
*DOOHQJDQJ N|USHU
XQGVFKZDQ]
OlQJV
JHVSDOWHQHU
3DQNUHDVJDQJ
DXVJHK|KOWHU
G 3DQNUHDVNRSI
Literatur Keller J, Aghdassi AA, Lerch MM, Mayerle JV, Layer P. Tests of pancreatic exocrine function - clinical signifi-
cance in pancreatic and non-pancreatic disorders. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2009; 23: 425–439
Mayerle J, Lerch MM, Heidecke CD. Chronic pancreatitis. Diagnosis and treatment. Gastroenterologe. 2007;
2: 275–290
Mayerle J et al. Chronische Pankreatitis. Diagnostik und Therapie. Der Chirurg. Springer Medizin 2004; 75:
731–748
DiMagno MJ, DiMagno EP. Chronic pancreatitis. Curr Opin Gastroenterol. 2011; 27: 452–459
Cahen DL, Gouma DJ, Nio Y, et al. Endoscopic versus surgical drainage of the pancreatic duct in chronic pan-
creatitis. N Engl J Med 2007; 356: 676–684
Cahen DL, van Berkel AM, Oskam D, et al. Long-term results of endoscopic drainage of common bile duct
strictures in chronic pancreatitis. Eur J Gastroenterol Hepatol. 2005; 17: 103–108
Sarner M, Cotton PB. Classification of pancreatitis. Gut 1984; 25: 756–759
6.6 Autoimmunpankreatitis 365
6.6 Autoimmunpankreatitis
Pathologie Histologie:
██Typ-1-Autoimmunpankreatitis: dichte kragenartige lymphoplasmazytäre Infil-
tration mit obliterativer Phlebitis und periduktulärer Fibrose mit gleichartigen
Veränderungen in anderen Organen
██Typ-2-Autoimmunpankreatitis „granulocytic epithelial lesions“ (GELs) bei ca.
45 % der Patienten (eher weiblich, mit chronisch entzündlichen Darmerkrankun-
gen, kein IgG4 im Serum, seltener Rezidive)
Epidemiologie Die größte vergleichende Studie hat 731 Fälle rekrutiert. Männer erkranken häufi-
ger als Frauen (2:1). Prävalenz in Asien: 5–6 % in einer Patientenkohorte mit chro-
nischer Pankreatitis. Etwa 5 % der Patienten, die bei Verdacht auf ein Pankreaskar-
zinom operiert werden, leiden histologisch an einer Autoimmunpankreatitis.
Diagnosestel Die Diagnosestellung erfolgt nach den HiSORT-Kriterien, die die Histologie, Sero-
lung logie, die Beteiligung anderer Organsysteme und das Ansprechen (Response) auf
eine Steroidtherapie einschließen (s. Tab. 6.6). Diagnostisch beweisend ist ein ra-
sches Ansprechen auf Steroide.
Therapie Bei gesicherter AIP oder begründetem Verdacht auf AIP im akuten und chronischen
indikation Verlauf, sowie zur Behandlung extrapankreatischer Manifestationen. Ausgeschlos-
sen sind residuale Zustände nach Pankreasatrophie ohne Beteiligung anderer Or-
gane.
366 6 Pankreas
Tab. 6.6 Diagnostische Kriterien für eine Autoimmunpankreatitis Typ I (HiSORT-Score) (Quelle: Beyer 2012).
D Duktale Bildgebung Lange (> ein Drittel des Verlaufs) oder mul Segmentale/fokale Strikturen mit proxima
ERP tiple Strikturen des Pankreasgangs ohne ler Dilatation bis 5 mm
proximale Dilatation
Rt Erfolg der Steroid Schnelles Ansprechen (≤2 Wochen) auf einen Therapieversuch mit radiologischem Nachweis
therapie einer deutlichen Besserung
Erfolg der Steroidtherapie Ansprechen auf Ein Level-1-S/OOI-Kriterium oder ein Level-
(Rt) Steroide 1-D-Kriterium + ein Level-2-S/OOI/
H-Kriterium + Rt
QDFKGHQ+,625W.ULWHULHQ QDFKGHQ+,625W.ULWHULHQ
NHLQ$QKDOWIU$,3 9HUGDFKWDXI$,3
PDOLJQH KLQZHLVHQGDXI
3DQNUHDVOlVLRQ HLQH$,3
Literatur Kamisawa T, Chari ST, Giday SA, et al. Clinical profile of autoimmune pancreatitis and its histological subty-
pes: an international multicenter survey. Pancreas. 2011; 40: 809–814
Lerch MM, Mayerle J. The benefits of diagnostic ERCP in autoimmune pancreatitis. Gut. 2011; 60: 565–566
Chari ST, Kloeppel G, Zhang L, Notohara K, Lerch MM, Shimosegawa T. Autoimmune Pancreatitis Internatio-
nal Cooperative Study Group (APICS). Histopathologic and clinical subtypes of autoimmune pancreatitis:
the Honolulu consensus document. Pancreas. 2010; 39: 549–554
Pickartz T, Mayerle J, Lerch MM. Autoimmune pancreatitis. Nat Clin Pract Gastroenterol Hepatol. 2007; 4:
314–323
Sugumar A. Diagnosis and management of autoimmune pancreatitis. Gastroenterol Clin North Am. 2012;
41: 9–22
Sugumar A, Levy MJ, Kamisawa T, et al. Endoscopic retrograde pancreatography criteria to diagnose autoim-
mune pancreatitis: an international multicentre study. Gut 2011; 60: 666–670
Beyer G et al. Antoiummunpankreatitis, Gastroenterologie up2date 2012; 8: 199–217
Epidemiologie Inzidenz 16/100 000 Einwohner, Männer und Frauen gleichhäufig. In Deutschland
versterben daran jedes Jahr mehr als 11000 Menschen. In den USA steht es an 4.
Stelle in der Statistik der Krebstodesursachen. Das mediane Erkrankungsalter liegt
in der 6.–8. Lebensdekade.
368 6 Pankreas
Klinische Die klinischen Symptome sind meistens unspezifisch und treten häufig erst in fort-
Charakteristika geschrittenem Stadium auf.
Allgemein: abdominelle (epigastrische) Schmerzen und/oder Rückenschmerzen,
Inappetenz, Übelkeit, Gewichtsverlust, Ikterus (Lokalisation im Pankreaskopf),
tastbare schmerzlose Gallenblase (Courvoisier-Zeichen). In manchen Fällen mani-
festiert sich im Vorfeld ein Diabetes mellitus. Starke Rückenschmerzen können auf
eine Tumorinvasion im Splanchnikus-Gebiet hinweisen.
Diagnostik bei Alarmzeichen:
Zusatz Labor:
diagnostik ██Selten hilfreich, meist unspezifisch
██Erhöhung von AP, γ-GT, LDH, SGOT und Bilirubin (extrahepatische Cholestase)
oder intrahepatische Cholestase bei Lebermetastasierung
██erniedrigtes Serumalbumin (Malnutrition, Aszites)
██Erhöhung von Lipase/Amylase bei häufig subklinischer Pankreatitis
██CA19-9: Carbohydrate Antigen 19-9, Monosialogangliosid mit 1000 kDa, das Ep-
itop gehört zu den Lewis-Blutgruppen-Antigenen (7 % der Bevölkerung expri-
Therapie Da die R0-Resektion die einzige potenziell kurative Therapie darstellt, muss zu-
(interdiszi nächst anhand der Bildgebung die Operabilität evaluiert werden. Alter per se ist
plinäre Tumor kein Ausschlusskriterium, die Komorbidität kann limitierend für den ausgedehn-
konferenz) ten operativen Eingriff sein. Entsprechend der aktuellen Leitlinien gelten im All-
gemeinen Patienten mit Fernmetastasen oder mit einer Infiltration der arteriellen
Gefäße als inoperabel.
Adjuvante Chemotherapie: Die adjuvante Chemotherapie nach R0-Resektion gilt heute als
Therapie Therapiestandard. Auf Grundlage der CONKO-1 und der ESPAC-3v2-Studie bildet
die 6-monatige Gemcitabine-Gabe die Standardchemotherapie. Eine 5-Fluorura-
cil-basierte adjuvante Chemotherapie ist ähnlich effektiv (Steigerung der 5-Jahres-
Überlebensrate von ca. 10 % auf über 24 %), hat aber etwas ausgeprägtere Neben-
wirkungen.
Radiochemotherapie: Trotz verschiedener kleiner Untersuchungen empfiehlt die
aktuelle Leitlinie keine Radiochemotherapie; weder in der adjuvanten noch in der
palliativen Situation, da die ESPAC-1 Studie einen Überlebens-Nachteil für Patien-
ten nach Bestrahlung gezeigt hat.
Palliative Beim inoperablen Patienten (lokal fortgeschritten oder metastasiert) ist eine his-
Therapie tologische Sicherung des Karzinoms obligat. Wie bei allen malignen Tumorerkran-
kungen steht eine patientenzentrierte und symptomorientierte Behandlung mit
optimaler Schmerz- und Ernährungstherapie dabei im Mittelpunkt. Daneben soll-
te bei entsprechend gutem Allgemeinzustand (ECOG 0-1 in Ausnahme ECOG 2)
eine palliative Chemotherapie erfolgen.
372 6 Pankreas
Palliative Chemotherapie:
██Standard: Gemcitabine Monotherapie (1000 mg/m2 i. v., 1-mal wöchentlich) bis
zum Progress des Tumorleidens. Studien haben für diese Therapie eine Lebens-
verlängerung, eine verbesserte Lebensqualität, einen verringerten Schmerzmit-
telbedarf und einen geringeren Gewichtsverlust im Vergleich zu „best-suppor-
tive-care“ erbracht.
██Alternativ: Kombination von Gemcitabine mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Er-
lotinib. Dabei korreliert das Ansprechen eng mit Ausbildungsgrad eines Exan-
thems (Rush) als typische Nebenwirkung von Erlotinib. Verlängerung der Ein-
jahresüberlebensrate von 17 % bei Gemcitabine Monotherapie auf 23 % bei der
Kombination mit Erlotinib. Es hat sich in der klinischen Praxis als praktikabel
erwiesen und wird in der Leitlinie empfohlen, die Erlotinibgabe zu beenden,
wenn nach etwa 6 Wochen kein Exanthem (rush) aufgetreten ist, da sie dann als
wirkungslos angesehen werden muss.
██Alternativ: Kombination aus 5-FU, Irinotecan und Oxaliplatin; Nachteil: ca. 42 %
Neutropenierate, daher meist nur für jüngere Patienten ohne wesentliche Ko-
morbidität geeignet.
██Zweitlinientherapie: 5-Fluoruracil oder auf Oxaliplatin basierte Therapien bei
Patienten mit gutem körperlichem Zustand (die CONKO-003-Studie zeigte eine
Verdopplung der Überlebenszeit unter dem OFF-Regime (Oxaliplatin, Folinsäu-
re, 5-Flurouracil).
Prognose Nur eine kleine Gruppe von Patienten mit früh diagnostiziertem, lokal begrenzten
Tumor hat Aussicht auf eine Heilung durch R0-Resektion. Die 5-Jahres-Überlebens-
rate beträgt nach optimistischen Studien 10 % bei einer Resektionsrate zwischen
14–20 %.Insgesamt versterben 65 % aller Patienten während der ersten 6 Monate
nach Diagnosestellung. Nach Resektion und adjuvanter Chemotherapie liegt das
5-Jahres-Überleben bei bis zu 25 %.
Literatur Adler G, Seufferlein T, Bischoff SC. S3-Leitlinie „Exokrines Pankreaskarzinom. Z Gastroenterol 2007; 45:
487–523
Brand RE, Lerch MM, Rubinstein WS, et al. Advances in counselling and surveillance of patients at risk for
pancreatic cancer. Gut 2007; 56: 1460–1469
Howes N, Lerch MM, Greenhalf W et al. Clinical and genetic characteristics of heriditary pancreatitis in
Europe. Clin Gastroenterol Hepatol 2004; 2: 252–261
Holzapfel K, Fingerle A, Rummeny E. Aktueller Stand der bildgebenden Diagnostik des Pankreaskarzinoms.
Onkologe 2010; 16: 568–579
Keck T. Pankreaskarzinom – Operationsindikation und chirurgische Radikalität. Onkologe 2010; 16:
580–587
Neoptolemos JP, Stocken DD, Bassi C, et al. Adjuvant chemotherapy with fluorouracil plus folinic acid vs
gemcitabine following pancreatic cancer resection: a randomized controlled trial. JAMA. 2010; 304:
1073–1081
Hoffmeister A, Mössner J. Palliative Therapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms. Onkologe 2010; 16:
604–609
6.9 Zystische Pankreasläsionen 373
6.8.1 Azinuszellkarzinom
Ca. 1 % aller Pankreastumoren, Männer > Frauen, jedes Alter. Bei 15 % der Patienten
besteht ein Syndrom, das durch subkutane Fettgewebsnekrosen und Gelenkbetei-
ligungen in Kombination mit hohen Serumlipasewerten charakterisiert ist. Etwa
50 % der Patienten haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Metastasen in regi-
onalen Lymphknoten und/oder Leber und damit schlechte Prognose. Therapie wie
Adenokarzinom.
6.8.2 Pankreatoblastom
Sehr selten, <0,1 % aller Pankreastumoren, überwiegend bei kleinen Kindern, Jun-
gen > Mädchen. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig Metastasen, spricht
auf Radio- und Chemotherapie an. Bei R0-Resektion gute Prognose.
6.8.3 Metastasen
Durch kleinzelliges Bronchialkarzinom, Melanom, Nierenzellkarzinom, Mamma-
karzinom; insgesamt selten.
Neben entzündlichen (die von einer Wand aus Kollagen und Granulationsgewebe
umgeben sind) und kongenitalen Veränderungen finden sich im Pankreas seröse
und muzinöse Adenome. Serös zystische Adenome sind praktisch immer benigne
und müssen nur bei Symptomen oder Komplikationen therapiert werden. Muzinö-
se Läsionen (muzinös-zystische Neoplasie, intraduktale papilläre muzinöse Neo-
plasie [IPMN], muzinöses Zystadenokarzinom) können bereits bei Diagnosestel-
lung invasiv wachsen oder bergen ein malignes Potenzial.
In 1–2 % aller CT-Untersuchungen des Abdomens findet sich eine zystische Läsion
des Pankreas als Zufallsbefund. In 2,4 % der Fälle findet sich bei vermeintlich gesun-
den Probanden im MRT ein zystischer Pankreasbefund. Zufallsbefunde nehmen mit
dem Alter zu. Etwa 10–15 % der entdeckten zystischen Läsionen haben ein malignes
Potenzial. In der größten publizierten Serie (522 Patienten mit zystischen Läsionen)
wurden in etwa 75 % der operierten zystischen Läsionen Adenome diagnostiziert
(32,6 %: Seröse Zystadenome, 28,5 % muzinöse Zystadenome, 10,6 % IPMN). 16,4 %
der Läsionen waren maligne transformiert (Zystadenokarzinom, muzinöses Zysta-
denokarzinom). 32 % der serösen Zystadenome und 26 % der muzinös zystischen
Adenome waren asymptomatisch. 6 % der muzinösen Tumore hatten Ganganschluss
im Sinne eines IPMN und 10 % der malignen Läsionen hatten Gangschluss und ent-
sprachen somit einem aus einer IPMN entstandenen Karzinom.
Das diagnostische und differenzialdiagnostische Vorgehen zur Abklärung zysti-
scher Läsionen ist in 6.9.6 und Abb. 6.6 dargestellt.
374 6 Pankreas
Pathologie Zystische Läsionen im Rahmen einer IPMN können solitär oder multipel, lokal auf
eine Pankreasregion beschränkt (meist Caput) oder diffus verteilt sein.
Einteilung:
1. Hauptgang IPMNs (MD-IPMN, main duct-IPMN) ausgehend vom Ductus Wirsun-
gianus
2. Seitengang IPMN (BD-IPMN, branch duct IPMN) ausgehend von den Gängen 1.
oder 2. Ordnung des Pankreas
3. gemischt oder kombinierte IPMN (mixed-IPMN) die sowohl Haupt- als auch Ne-
bengang betreffen
Die Analyse der größten Serien mit klinisch und histologisch gesicherten IPMNs
(n=389) ergab ein invasives Karzinom in der MD-IPMN-Gruppe bei 42 %, in der ge-
mischten IPMN-Gruppe bei 48 % und in der BD-IPMN-Gruppe bei 11 %.
Seit der Einführung der histologischen Subklassifikation von IPMN in den gastra-
len, intestinalen, pankreatikobiliären und onkozytischem Typ auf Grund der Un-
terschiede in der Muzinproduktion besteht die Möglichkeit die histologische Sub-
klassifikation zur Einschätzung des Malignitätsgrades heranzuziehen. Der über-
wiegende Teil der BD-IPMN entspricht dem gastralen Typ, während MD-IPMN
überwiegend vom intestinalen Typ sind. Invasive Karzinome, die aus IPMNs ent-
standen sind, haben, wenn sie nicht aus einem intestinalen Typ entstanden sind,
eine deutlich schlechtere Prognose. Eine präoperative Diagnose des histologischen
Subtyps könnte somit auf den Behandlungsalgorithmus Einfluss nehmen.
Epidemiologie Erkrankung in der 2.Lebenshälfte. Männer: Frauen= 3:1; ca. 2 % der exokrinen Pan-
kreastumoren.
Klinische ██ Häufig seit Jahren Pankreatitis-Schübe; sowohl exokrine als auch endokrine In-
Charakteristika suffizienz möglich.
██ Häufig Zufallsbefund (zunehmende Bildgebung mit Sonografie, EUS und CT/
MRT), Differenzialdiagnose zystischer Läsionen!
Therapie Die Therapie ist abhängig von der Lokalisation (internationale Konsensuskonferenz)
██Hauptgang IPMN: Resektion bei einem hohen Entartungspotenzial
██Seitengang IPMN: differenziertes Vorgehen:
6.9 Zystische Pankreasläsionen 375
Prognose und Die IPMN kann multifokal auftreten und verhält sich in diesem Fall wahrscheinlich
Nachsorge etwas aggressiver. Das Risiko für das synchrone Auftreten von IPMN und duktalem
Adenokarzinom ist erhöht (Inzidenz 3,5–9,3 %). Die Inzidenz für ein Pankreaskar-
zinom liegt bei 1,1 % pro Jahr. Grundsätzlich muss deshalb im Rahmen der Nach-
beobachtung auf solide Läsionen an anderer Stelle im Pankreas verstärkt geachtet
werden. Auch nach einer Resektion muss in 10 % der Fälle mit einer erneuten Ent-
wicklung von IPMNs gerechnet werden und die Patienten sollten in ein Überwa-
chungsprogramm eingeschlossen werden.
Prognose Bei nichtinvasivem Wachstum ist die Prognose nach einer Operation gut. Wird je-
doch ein invasives Wachstum nachgewiesen (11 %), so beträgt das mittlere Überle-
ben 45 Monate und das 5-Jahres-Überleben 64 %.
Ätiologie Meist Zufallsbefund, 30 % der zystischen Läsionen ohne Anamnese für eine Pank-
reatitis. Frauen:Männer = 3.5:1, das mittleres Alter bei Diagnosestellung 65 Jahre.
Diagnostik und Das Zystenpunktat ist negativ für Muzin, CEA oder Amylase. Es findet sich ein gly-
Therapie kogenreiches Epithel in der Zytologie. Bei sicherer Diagnose muss keine Operation
erfolgen.
376 6 Pankreas
6.9.5 Pseudozysten
s. Kap. 6.5, Chronische Pankreatitis.
6.9.6 Z
ystische Läsionen: diagnostisches und
differenzialdiagnostisches Vorgehen
Zu klären sind folgende Fragen:
1. Symptomatische oder asymptomatische zystische Läsion?
Anamnese: Alkohol, Medikamente, abdominelles Schmerzereignis (akute/chro-
nische Pankreatitis: Pankreaspseudozyste?, s. 6.5), Oberbauchschmerzen, Rü-
ckenschmerzen, Gewichtsverlust, neu aufgetretener Diabetes mellitus, Nacht-
schweiß (Karzinom?), frühere Pankreaserkrankungen/-interventionen, Zysten
in anderen Organen bekannt, Familienanamnese
2. Hat die zystische Läsion Anschluss an das Pankreasgangsystem? MRCP hat
höchste Sensitivität und Spezifität in der Detektion eines Ganganschlusses. Bei
Kontraindikationen kann eine ERCP durchgeführt werden (individuelle Ent-
scheidung): bei IPMN kann der Papillenporus mit Muzin verstopft sein (Fisch-
maulpapille); Cave: Infektion der Zyste insbesondere bei Ganganschluss und
ungenügendem Abfluss, peri-interventionell ist Antibiotikaprophylaxe sinnvoll.
3. Artdiagnose der zystischen Läsion: Endosonografie erlaubt Darstellung der Zysten-
wand (Verdickung, solide Anteile, Noduli), des Zysteninhalts (echofrei/-arm, Sep-
ten, Sedimentationen) und Punktion der Zystenflüssigkeit (Bestimmung von CEA,
Muzin, Lipase oder Amylase, ggf. der Viskosität der Flüssigkeit und die zytologische
Untersuchung). CT-Abdomen sinnvoll bei Pankreaspseudozysten, auch zur Beurtei-
lung der peripankreatischen Umgebung und Leber (z. B. Lymphome? Metastasen?)
]\VWLVFKH/lVLRQ &76RQRJUDILH(QGRVRQRJUDILH057
$QDPQHVH 3DQNUHDWLWLV%6\PSWRPDWLN(QW]QGXQJV]HLFKHQ
.RPSOLNDWLRQHQ 7H[WNDVWHQ
6\PSWRPDWLN
QHLQ MD
!FP!FP !FPPLW
FP RKQH0DOLJQLWlWV 0DOLJQLWlWV
NULWHULHQ NULWHULHQ
5HVHNWLRQ 5HVHNWLRQ
(86057 (86057 5HVHNWLRQ QXUEHL RGHU
-DKU 0RQDWH 6\PSWRPDWLN ,QWHUYHQWLRQ
Abb. 6.6 Algorithmus zur diagnostischen Abklärung und Therapie zystischer Pankreasläsionen (Quelle: Mayerle 2012,
mit freundlicher Genehmigung von Springer Science + Business Media).
Eine erschwerte Differenzialdiagnose besteht, wenn die zystische Läsion vor dem
Hintergrund einer akuten Pankreatitis diagnostiziert wird. Ca. 20 % der Patienten
mit einer IPMN werden durch eine akute Pankreatitis unklarer Ätiologie auffällig.
Die Prävalenz einer zystischen Raumforderung, die zu einer Pankreatitis führt, ist
für die anderen Ätiologien nicht sicher geklärt. Ca. 14 % der Patienten mit einem
Pankreaskarzinom berichten über eine Episode von akuter Pankreatitis (in 90 %
milder Verlauf). Bei 1,2 % der Pankreatitiden mit ungeklärter Ätiologie wurde als
Ursache ein Pankreaskarzinom gefunden. Es wird deshalb empfohlen, nach Abklin-
gen der Symptome einer akuten Pankreatitis unklarer Ätiologie mit Nachweis von
zystischen Läsionen eine bildgebende Verlaufskontrolle zu veranlassen.
Literatur Mayerle J, Kraft M, Menges P, et al. Intraductal papillary mucinous neoplasia: which findings support obser-
vation? Chirurg. 2012; 83: 123–129
Lerch MM, Stier A, Wahnschaffe U, Mayerle J. Pancreatic pseudocysts: observation, endoscopic drainage, or
resection? Dtsch Arztebl Int. 2009; 106: 614-621
Werner J, Fritz S, Büchler MW. Intraductal papillary mucinous neoplasms of the pancreas – a surgical di-
sease. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2012; 9(5): 253–259
378
7
Leber
K. Beckh
Makroskopie Gewicht der Leber: 2,3–3 % des Körpergewichts (beim Mann 1500–1800 g, bei der
Frau 1300–1500 g)
Vier Lappen (Lobi): Lobus dexter, Lobus sinister, Lobus caudatus, Lobus quadratus;
Segmenteinteilung: I–VIII
Blutgefäßsystem: Leberdurchblutung 1500±300 ml/min, ca. 70 % aus V. portae, ca.
30 % aus A. hepatica:
██A. hepatica: Aufteilung in R. hepaticus dexter und R. hepaticus sinister
██V. portae: Aufteilung in R. dexter (Zufluss aus V. cystica) und R. sinister. Weiter-
hin Vv. interlobares, Venulae interlobulares, Venulae afferentes, Sinusoide (Vasa
sinusoidea)
██V. hepatica: aus Zentralvene werden sublobuläre Venen, Sammelvenen, 5
Stammvenen: V. hepatica superior dextra und sinistra und V. hepatica dextra,
sinistra und media
Histologie Parenchymzellen: Hepatozyten (60–65 % der Gesamtzellzahl) sind durch die sinu-
soidale Membran, die mit dem Disse-Raum in Kontakt steht, und durch die kana-
likuläre Membran begrenzt. Man unterscheidet die periportalen Hepatozyten, die
im Anfangsbereich der Sinusoide lokalisiert sind, und die perivenösen Hepatozyten,
die am Endteil der Sinusoide gelegen sind und entsprechend dem jeweiligen Gra-
dienten mit einer geringeren Konzentration an Hormonen, Substraten und Sauer-
stoff in Kontakt sind. Diese Faktoren führen zu einer metabolischen Zonierung des
Leberazinus, die sich in der präferenziell periportal lokalisierten Glukoneogenese,
Betaoxidation, Harnstoffsynthese sowie in der präferenziell perivenös lokalisierten
Glykolyse, Liponeogenese, Ketogenese und Glutaminsynthese ausdrückt.
Nicht-Parenchymzellen:
██ Endothelzellen (15–20 % der Gesamtzellzahl) kleiden die Sinusoide aus und sind
von Fenestrae durchbrochen, deren Größe variabel ist. Rezeptorvermittelte En-
dozytose, Phagozytose sowie die Synthese einzelner Komponenten der extrazel-
lulären Matrix (Kollagene, Fibronektin) stellen weitere Funktionen dar
██ Kupffer-Zellen (8–12 % der Gesamtzellzahl) befinden sich zwischen den Endo-
thelzellen und ragen in das Lumen des Sinusoids vor. Periportal ist die Verteilung
der Kupffer-Zellen um den Faktor 3–4 höher als perivenös. Als Teil des mononu-
7.1 Anatomie und physiologische Funktion 379
Kohlenhydrat Die Leber trägt zur Glukosehomöostase über die folgenden Stoffwechselwege bei:
stoffwechsel Glykogenolyse, Glukoneogenese (periportal), Glykogensynthese, Glykolyse (periven-
ös). Neben der Niere ist sie das einzige zur Glukoneogenese fähige Organ, sie leistet
ca. 90 % der De-novo-Synthese (Niere ca. 10 %). Postprandial sind ca. 75 g Glykogen
gespeichert (5 % des Lebergewichts), die in der Postresorptionsphase über die Gly-
kogenolyse zur Glukosehomöostase mobilisiert werden können. Das Glykogen in
der Muskulatur (ca. 120–150 g) steht ausschließlich dem muskulären Stoffwechsel
zur Verfügung. Präferenzieller Metabolismus der anderen Monosaccharide (Galak-
tose, Fruktose) in der Leber.
Aminosäuren- In 24 h werden 600–700 g Aminosäuren umgesetzt. In der Leber werden pro Tag
und Protein 120 g Proteine synthetisiert, von denen ca. 90 g abgegeben werden.
stoffwechsel Serumproteine: Folgende Serumproteine werden in der Leber gebildet: Albumin,
Alpha-Fetoprotein, Alpha1-Antitrypsin, Caeruloplasmin, Fibrinogen, Transferrin,
Komplement C3, Komplement C4, Orosomukoid, Alpha1-Antichymotrypsin, Hap-
toglobin, C-reaktives Protein, Serumamyloid A, Ferritin, Gerinnungsfaktoren (Fak-
toren II, VII, IX, X, Protein C und S).
Aminosäuren (AS): Für den Proteinstoffwechsel sind 20 Aminosäuren von Bedeu-
tung, von denen Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryp-
tophan und Valin essenzielle AS sind. Bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen
kommt es zu einer Imbalance der AS-Konzentrationen im Serum: Erniedrigung
der verzweigtkettigen (Valin, Leucin, Isoleucin) und Erhöhung der aromatischen
AS (Methionin, Phenylalanin, Tryptophan, Tyrosin).
Lipid- und Zentrale Rolle der Leber im Abbau von Fettsäuren (Betaoxidation) und in der Syn-
Lipoprotein these von Fettsäuren und Triglyzeriden (Liponeogenese). Weiterhin Synthese der
stoffwechsel Lipoproteine sowie Synthese des Cholesterins und biliäre Exkretion.
Bilirubinstoff Aufnahme des unkonjugierten Bilirubins (an Albumin gebunden) über die sinu-
wechsel soidale Membran der Hepatozyten (250–300 mg Bilirubin/Tag). Intrazellulärer
Transport des Bilirubins mit Bindung an das Y-Protein (Glutathion-S-Transfera-
se). Konjugation mit Glucuronsäure im endoplasmatischen Retikulum über UDP-
Glucuronyltransferase. Exkretion des konjugierten Bilirubins über die kanalikuläre
Membran der Hepatozyten.
Hormonstoff Die Inaktivierung der Hormone erfolgt v. a. in der Leber durch Proteolyse und Re-
wechsel doxprozesse. So wird der Serumspiegel der Hormone nicht nur durch Synthese und
Ausschüttung, sondern auch durch den Abbau in der Leber beeinflusst.
Auch wird der Leberstoffwechsel selbst durch einzelne Hormone gesteuert.
Steroidhormone: werden nach Glukuronidierung und Sulfatierung in Galle und
Urin ausgeschieden. Glukokortikoide steigern die Glukoneogenese, Proteinbiosyn-
these, die Aufnahme der Aminosäuren und die Harnstoffsynthese in der Leber. Ös-
trogene erhöhen die Lithogenität der Galle durch eine vermehrte Cholesterinexkre-
tion bei verminderter Exkretion von Gallensäuren und reduzierter Gallesekretion.
Glukagon und Katecholamine: erhöhen als antiinsulinäre Hormone die Glykoge-
nolyse, Lipolyse, Proteolyse und Ketogenese.
Thyroxin (T4): nach Aufnahme kommt es zur Konversion zu Trijodthyronin (zu ca.
70 %) und zum Abbau des Hormons.
Vitaminstoff Wasserlösliche Vitamine: in der Regel über die Niere ausgeschieden werden Vita-
wechsel min B1, B2, B6, B12, Biotin, Pantothensäure, Niacin und Folsäure.
Fettlösliche Vitamine: umfassen die Vitamine A, D, E, F und K:
██Vitamin A wird in den Ito-Zellen (Fettspeicherzellen) gespeichert und ist an der
Glykoprotein-, Glykolipid- und Proteoglykan-Synthese beteiligt.
7.1 Anatomie und physiologische Funktion 381
Biotrans Fremdstoffe: In vielen Fällen werden Fremdstoffe (häufig lipophil) in der Leber
formation metabolisiert und zu wasserlöslichen Metaboliten „entgiftet“. In der Phase I der
Biotransformation kommt es zu einer Oxidation der Substanz über ein Isoenzym
der Cytochrom-P450-Familie (z. B. Phenacetin zu Paracetamol). In der Phase II der
Biotransformation wird dann die oxidierte Substanz konjugiert (z. B. Paracetamol
zu Paracetamolglukoronid).
Alkoholabbau Die Leber stellt den Hauptabbauort für Ethanol dar. Pro Stunde werden 120–
150 mg Alkohol pro kg KG abgebaut. Den Abbau zu Acetaldehyd katalysieren die
Alkoholdehydrogenase (ADH) im Zytosol, das mikrosomale ethanoloxidierende
System (MEOS) im endoplasmatischen Retikulum und die Katalase in den Peroxi-
somen. Das toxische Acetaldehyd wird über die Aldehyddehydrogenase (ALDH) zu
Acetat oxidiert.
Säure-Basen- Systemische pH-Regulation: Neben Niere und Lunge spielt die Leber hier eine zen-
Haushalt trale Rolle. Über 2 Mechanismen kann die Leber Ammoniak metabolisieren und da-
mit die Konzentration an Bikarbonationen regulieren:
██periportal kann aus Glutamin (über die Glutaminasereaktion) Ammoniak pro-
duziert und Ammoniak aus dem Blut aufgenommen werden, um unter Ver-
brauch eines Bikarbonations über den Harnstoffzyklus zu Harnstoff metaboli-
siert zu werden
██perivenös wird Ammoniak über die Glutaminsynthetase zu Glutamin verstoff-
wechselt
Literatur Häussinger D, Steeb R, Gerok W. Metabolic alkalosis as driving force for urea synthesis in liver disease: pa-
thogenetic model and therapeutic implications. J Clin Invest 1992; 70: 411–415
Jungermann K, Katz N. Functional specialization of different hepatocyte populations. Physiol Rev 1989; 69:
708–764
Jungermann K, Kietzmann T. Oxygen: Modulator of metabolic zonation and disease of the liver. Hepatology
2000; 31: 255–260
382 7 Leber
7.2 D
ifferenzialdiagnostisches Vorgehen
bei pathologischen Laborbefunden
7.2.1 Transaminasenerhöhung
Differenzial Zunächst sollte durch die Anamnese und den klinischen Verlauf geklärt werden,
diagnostische ob es sich um eine akute Lebererkrankung (Transaminasen in der Regel deutlich
Überlegungen erhöht) oder eine chronische Lebererkrankung handelt. Liegt eine akute Leberer-
krankung (Leberwerterhöhung in der Regel stärker) vor, sind z. B. zusätzlich diffe-
renzialdiagnostisch die Hepatitis A und E zu beachten.
Erhöhungen von GOT (AST) und GPT (ALT) zeigen den hepatozellulären Schaden/
Nekrose an.
DeRitis-Quotient: Das Verhältnis von GOT und GPT kann bereits einen Hinweis
geben:
██GOT/GPT >2 spricht für alkoholische Genese
██GOT/GPT <1 spricht für virale Genese
Diagnostisches Anamnese:
Vorgehen ██Alkoholgenuss → alkoholische Lebererkrankung
██Medikamente → Leberschaden durch Arzneimittel
██Berufsanamnese → Leberschaden durch Gifte
Serologische Verfahren:
██Cholesterin, Triglyzeride, Glukose → nichtalkoholische Fettleber (NAFLD, NASH)
██Anti-HBc, HBsAg → chronische Hepatitis B
██Anti-HCV → chronische Hepatitis C
██Ferritin, Transferrinsättigung → Hämochromatose
██ANA, LKM, SLA → Autoimmunhepatitis
██Elektrophorese → Alpha1-Antitrypsin-Mangel
██Caeruloplasmin und Kupfer im Serum, 24-h-Cu-Ausscheidung im Urin → Mor-
bus Wilson (nur bei Jüngeren)
Histologie: Zur Klärung der Ätiologie sollten die wichtigsten serologischen Ergeb-
nisse abgewartet und die Entnahme einer Histologie von der therapeutischen Kon-
sequenz und einer klaren Fragestellung abhängig gemacht werden.
7.2.2 Cholestasewerte
Differenzial Erhöhungen der Alkalischen Phosphatase (AP) und der Gamma-Glutamyltrans-
diagnostische ferase (γ-GT) zeigen eine Cholestase an (Abb. 7.1). Isolierte Erhöhungen der γ-GT
Überlegungen und der Glutamat-Dehydrogenase (GLDH) deuten auf einen toxischen Schaden
(z. B. Alkohol, Medikamente) hin. Die Bestimmung weiterer Enzyme wie der Leu-
cin-Aminopeptidase (LAP) und der 5-Nucleotidase, die ebenfalls Cholestase anzei-
gen, ist entbehrlich.
Abklärung z. T. identisch mit dem Vorgehen bei Ikterus (s. Kap. 1.15).
Diagnostisches Das diagnostische Verfahren der 1. Wahl ist die Sonografie, das weitere Vorgehen
Vorgehen ist abhängig vom erhobenen Befund.
Sonografisch normal weite Gallenwege:
██ antimitochondriale Ak (AMA), Histologie → primär biliäre Zirrhose
██ MRCP/ERCP, Histologie → primär sklerosierende Cholangitis
7.3 Akute und chronische Virushepatitis 383
(UK|KXQJGHU*37XQGRGHUGHUǵ*7
$QDPQHVH
8OWUDVFKDOO
²&KROHGRFKROLWKLDVLV ²SULPlUH/HEHUWXPRUHQ
²FKRODQJLR]HOOXOlUHV ²0HWDVWDVHQ
.DU]LQRP ²/\PSKRPH
²3DQNUHDV13/ ²/HEHUDEV]HVVH
²3DSLOOHQWXPRU ²/HEHU]\VWHQ
²0LUL]]L6\QGURP ²(FKLQRNRNNXV]\VWHQ
²&KROHGRFKXV]\VWH
Erreger RNA-Virus (Picorna-Virus): 7 Genotypen, 1 Serotyp (aus dem Stuhl infizierter Per-
sonen 1973 erstmals isoliert).
Patho
mechanismus Nicht komplett geklärt, unspezifischer Immunmechanismus.
384 7 Leber
Wegweisende Anti-HAV-IgM-Nachweis: positiv nach 14 Tagen und bis ca. 6–12 Monate nach Ex-
Diagnostik position.
Differenzial Akute Virushepatitis B, C, E; akute Infektion mit EBV, CMV oder HSV; Alkoholhepa-
diagnose titis; Autoimmunhepatitis; Morbus Wilson; akute Verschlechterung einer chroni-
schen Lebererkrankung.
Therapie Bei fulminanter Verlaufsform: intensivmedizinische Maßnahmen (s. Kap. 7.28, Ful-
minantes Leberversagen):
██Substitution von Gerinnungsfaktoren
██parenterale Ernährung
██Behandlung der hepatischen Enzephalopathie (s. Kap. 7.27)
5HVSRQVH
9LUlPLH
,J0
+$9LP
6WXKO
$/7
:RFKHQ
Literatur Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut/Stand: Juli 2012 (http://
www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2012/31_12.pdf?__blob=publicationFile)
Gerken A, Canbay A. Hepatitis A und E, neue Viren. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR, Mössner J (Hrsg.)
Gastroenterologie. Stuttgart: Thieme-Verlag 2010
386 7 Leber
Victor JC, Monto AS, Surdina TY et al. Hepatitis A vaccine versus immune globulin for postexposure prophy-
laxis. N Engl J Med 2007; 357: 1685–1694
Patho Das Virus ist nicht direkt zytopathogen. Zelluntergang der Hepatozyten wird als
mechanismus zelluläre Immunantwort auf virusinduzierte Oberflächenantigene vermittelt. Bei
chronischer Infektion Einbau in das Wirtsgenom.
Pathologie Hydropische Schwellung der Hepatozyten; Bildung von hyalinen Körpern; Infiltra-
tion der Portalfelder mit Lymphozyten, Plasmazellen und anderen mononukleären
Zellen; Einzelzellnekrosen (Councilman-Körperchen).
Abb. 7.3a, b
Hepatitis B.
+%H$J
a Verlauf der
akuten selbst +%V$J
limitierten +%9'1$
Hepatitis.
b Verlauf der DQWL+%H
chronischen
Hepatitis B
7LWHU
+HSD DQWL+%F
(Quelle: Böcher
WLWLV
2008). DQWL+%V
*37
DQWL+%H,J0
QRUPDO
0RQDWH -DKUH
D =HLWUDXPQDFK,QIHNWLRQ
+%H$J +%H$J
+%V$J +%V$J +%V$J
DQWL+%F
+HSD
7LWHU
WLWLV DQWL+%H
*37
QRUPDO
0RQDWH -DKUH
E =HLWUDXPQDFK,QIHNWLRQ
388 7 Leber
Therapie Interferon: angesichts des relativ seltenen chronischen Verlaufs und mangelnder
Effizienz nicht angezeigt.
Bei fulminantem Verlauf: intensivmedizinische Maßnahmen (s. Kap. 7.28, Fulmi-
nantes Leberversagen); Einsatz von Lamivudin bei Einschränkung der Lebersyn-
these u. U. gerechtfertigt
Bei Therapieversagen: Lebertransplantation.
Verlauf Symptomatischer Verlauf: in ca. 65 % der Fälle beim Erwachsenen, in 10 % der Fälle
beim Kind.
Besondere Verlaufsformen:
██anikterischer Verlauf: Chronifizierungsrate höher als bei ikterischem Verlauf
██cholestatischer Verlauf: in ca. 10–20 % der Fälle
██fulminante Verlaufsform: in 0,1–1 % der Fälle bei Erwachsenen, bei präexisten-
ten Lebererkrankungen und Koinfektionen (HDV) häufiger
██fibrosierende cholestatische Hepatitis: stellt nach Leber- oder Knochen-
marktransplantation als Ausdruck der Reinfektion eine Verlaufsform mit un-
günstiger Prognose dar.
Reinfektionsrate: niedriger als bei chronischer Hepatitis B oder Leberzirrhose.
Aktive Immunisierung:
██Engerix-B, HBVAXPRO: 3 intramuskuläre Injektionen am Oberarm (Monate 0, 1, 6)
██auch Kombinationsimpfstoff gegen HAV und HBV verfügbar (Twinrix)
██für Kinder: HBVAXPRO (5 μg HBsAg/0,5 ml), Engerix-B Kinder (10 μg HBsAg/0,5 ml)
██für Dialysepatienten: HBVAXPRO 40 μg (1 ml, 0,04 mg HBsAg)
7.3 Akute und chronische Virushepatitis 389
Literatur Böcher W. Hepatitis B und D. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR, Mössner J (Hrsg.) Gastroenterologie.
Stuttgart: Thieme-Verlag 2010
Cornberg M, Protzer U, Petersen J, Wedemeyer H et al. Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Prophylaxe,
Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-Infektion. AWMF-Register-Nr.: 021/011. Z Gastroenterol
2011; 49: 871–930 (http://dgvs.de/media/Leitlinie_Hepatitis_B_2011.pdf)
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut / Stand: Juli 2012 (http://
www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2012/31_12.pdf?__blob=publicationFile)
Ganem D, Prince AM. Hepatitis B virus infection – natural history, and clinical consequences. N Engl J Med
2007; 350; 1118–1129
390 7 Leber
Pathologie Histologie soll nach den Leitlinien der DGVS angestrebt werden; Bestimmung der
entzündlichen Aktivität (Grading) und des Fibroseausmaßes (Staging).
Zusatz ██ falls beide positiv: HBeAg, Anti-HBe bei DD: akute Hepatitis B → Anti-HBc-IgM,
diagnostik HBV-DNA, Anti-HDV
██ falls HBsAg isoliert positiv: HBsAg-Bestätigungstest (falls positiv: HBeAg, HBV-
DNA, nach 2–4 Wochen: Kontrolle Anti-HBc)
██ falls nur Anti-HBc-positiv: Anti-HBs-Nachweis (>10 IU/l: ausgeheilte Hepatitis B,
<10 IU/l: Anti-HBc-only-Status/okkulte Hepatitis B), bei klinischen Symptomen/
Frage der Infektiosität: HBV-DNA quantitativ
██ erhöhte Transaminasen: in der Regel GPT (ALT) > GOT (AST)
██ vor Interferontherapie: GOT, GPT, Quick (INR), Bilirubin, Blutbild, Thrombozy-
ten, Gesamteiweiß, Elektrophorese, HBsAg, HBeAg, HBV-DNA, Anti-HCV, Anti-
HIV, AFP, TSH, Thyreoglobulin-Ak, mikrosomale Schilddrüsen-Ak, ANA, SMA,
Anti-LKM, antimitchondriale Ak (AMA); Sonografie
MD 7KHUDSLH
HLQJHVFKUlQNWH
+%V$JSRVLWLY DNXWH+HSDWLWLV%" MD
/HEHUIXQNWLRQ"
QHLQ NHLQH7KHUDSLH
QHLQ
FKURQLVFKH
+HSDWLWLV%
QHLQ /HEHU]LUUKRVH" MD
+%9'1$ +%9'1$
!,8PO" SRVLWLY"
QHLQ MD MD QHLQ
QHLQ MD
QHLQ
H[WUDKHSDWLVFKH0DQLIHVWDWLRQRGHU+&&5LVLNR MD
Abb. 7.4 Therapieindikation bei chronischer Hepatitis B nach den Leitlinien der DGVS. Eingeschränkte Leberfunktion:
Quick-Wert <50 %. (Quelle: Cornberg 2011).
██ Kontraindikationen:
–– Schwangerschaft, Stillzeit
–– sehr hohe Transaminasen (ALT >10-fach der Norm)
–– dekompensierte oder fortgeschrittene Leberzirrhose (Child B/C)
–– s. auch Kap. 7.3.4, Akute Hepatitis C
██ günstige Indikatoren:
–– HBV-Genotyp A
–– niedrige Viruslast (<108 IU/ml)
–– mindestens 2-fach (ideal: >5-fach) erhöhte Transaminasen
–– nicht vorbehandelte Patienten
–– junges Alter
██ Therapieziele:
–– virologisch
██ dauerhafter Abfall der HBV-DNA, mindestens <104 Kopien/ml (2-mal 103
IU/ml), ideal <300 Kopien/ml (60 IU/ml)
██ dauerhafte HBe-Serokonversion
██ im Idealfall Verlust des HBsAg (nur in 5–10 % erreichbar)
–– biochemisch: dauerhafte ALT-Normalisierung
–– histologisch:
██ Abnahme des Fibrosestadiums in der Histologie
██ Abnahme der entzündlichen Aktivität in der Histologie
██ Behandlungsalgorithmus: Vorschlag s. Leitlinien der DGVS, Abb. 7.5.
392 7 Leber
]HLWOLFKEHJUHQ]WH7KHUDSLH
3(* ,QWHUIHURQDOSKD" MD
PLW3(*,)1 LG5:RFKHQ
QHLQ
NHLQH/HEHU]LUUKRVH /HEHU]LUUKRVH
1XNOHRV W LG$QDORJRQ
1XNOHRV W LG$QDORJRQ
$XVZDKOQDFK
PLWKRKHU5HVLVWHQ]EDUULHUH
9LUXVODVW.RPRUELGLWlWHQ9RUWKHUDSLHQ
YLURORJLVFKHV$QVSUHFKHQQDFK²0RQDWHQ
QDFK0RQDWHQ QDFK0RQDWHQ EHL(79E]Z7') NHLQ7KHUDSLHDQVSUHFKHQ
+%9'1$ +%9'1$ NRQWLQXLHUOLFKHU
,8PO QHJDWLY +%9'1$$EIDOO 7KHUDSLHDGKlUHQ]"
RKQH3ODWHDX
MD
+%9'1$ EHL+%9'1$
7KHUDSLH $QSDVVXQJGHU
DOOH $QVWLHJ
ZHLWHU 7KHUDSLH
²0RQDWH !ORJEHU1DGLU
Abb. 7.5 Behandlungsalgorithmus bei chronischer Hepatitis B nach den Leitlinien der DGVS. *Bei sehr hoher Aus
gangslast kann es auch beim Einsatz von Entecavir oder Tenofovir 2–3 Jahre dauern, bis eine komplette HBV-DNA-Ne
gativierung erreicht wird. Es sollte aber ein kontinuierlicher HBV-DNA-Abfall ohne Plateau vorliegen (Quelle: Cornberg
2011).
Alternativ: Nukleotid-/Nukleosidanaloga:
██Lamivudin (Nukleosidanalogon, Epivir, Zeffix):
–– Dosierung 100 mg/Tag p. o.
–– bei progredienter Hepatitis B nach Interferontherapie oder bei KI gegen In-
terferon, Alternative zu Interferon zur Behandlung der HBe-negativen Hepa-
titis-B-Infektion (Virusmutante) (HBe-Serokonversionsrate max. 50 % nach 5
Jahren)
–– führt zu Abfall der Transaminasen und Suppression der histologischen Akti-
vität und Virusreplikation. In Kombination mit Interferon nicht erfolgreich.
Unter Therapie in ca. 20 % Auftreten von Mutationen. Nach Absetzen sehr
häufig Rezidive, sodass bei Patienten mit hoher Aktivität eine Dauerbehand-
lung durchgeführt wird.
–– bei Auftreten von Lamivudin-resistenter HBV-Varianten (bis zu 20 % pro Jahr)
ist eine zusätzliche Gabe eines Nukleotidanalogons („Add-on“) angezeigt.
Alternativ kann Lamivudin durch Entecavir ersetzt werden.
██Entecavir (Baraclude), Nukleosidanalogon, 0,5 mg/Tag p. o., HBe-Serokonversi-
onsrate 32 % in 2 Jahren
██Telbivudin (Sebivo), Nukleosidanalogon, 600 mg/Tag p. o., HBe-Serokonversions-
rate 34 % nach 2 Jahren
██Adefovir dipivoxil (Hepsera), Nukleotidanalogon, 10 mg/Tag p. o., HBe-Serokon-
versionsrate max. 50 % nach 5 Jahren
██Tenofovir dipivoxil (Viread), Nukleotidanalogon, 245 mg/Tag p. o., höhere Wirk-
samkeit im Vergleich zu Adefovir dipovoxil.
7.3 Akute und chronische Virushepatitis 393
Therapie
██ Überprüfung der Therapieadhärenz
versagen
██ Testung auf HBV-Varianten
██ Wechsel auf ein anderes Nukleos(t)id-Analogon:
–– Bei Lamivudin: Wechsel auf Tenofovir
–– Bei Adefovir (nicht als Primärtherapie empfohlen): Wechsel auf Entecavir
oder Tenofovir
–– Bei Entecavir: Wechsel auf Tenofovir
–– Bei Telbivudin: Wechsel auf Tenofovir
–– Bei Tenofovir: Wechsel auf Entecavir oder zusätzliche Gabe von Lamivudin,
Telbivudin oder Entecavir
██ Lebertransplantation
Literatur Chang TT, Gish RG, de Man R et al. Background entecavir is a potent and selective guanosine analogue with
significant activity against hepatitis B virus (HBV). N Engl J Med 2006; 354: 1001
Cornberg M, Protzer U, Petersen J, Wedemeyer H et al. Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Prophylaxe,
Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-Infektion. AWMF-Register-Nr.: 021/011. Z Gastroenterol
2011; 49: 871–930 (http://dgvs.de/media/Leitlinie_Hepatitis_B_2011.pdf)
Hoofnagle JH. Hepatitis B – preventable and now treatable. N Engl J Med 2006; 35: 1074
Marcellin P, Heathcote EJ, Buti M, Gane E et al. Tenofovir disoproxil fumarate versus adefovir dipivoxil for
chronic hepatitis B. N Engl J Med 2008; 359: 2442–2455
Tacke F, Lutz HH, Trautwein C. Aktuelle Diagnostik und Therapie der Hepatitis B. Gastro up2date 2009: 5;
209–225
Thimme R, Spangenberg HC, Blum HE. Chronic Hepatitis B. Dtsch med Wochenschr 2008; 133: 135–138
Wegweisende ██ erhöhte Transaminasen: dabei GPT (ALT) in der Regel höher als GOT (AST)
Diagnostik ██ Anti-HCV: wird ca. 6 Wochen nach Exposition nachweisbar
██ HCV-RNA (PCR): wird ca. 2–3 Wochen nach Exposition nachweisbar
Therapie Alle Patienten mit akuter Hepatitis C innerhalb der ersten 3–4 Monate nach Er-
indikation krankungsbeginn. Der Zeitpunkt des Therapiebeginns hängt von den Chancen ei-
ner spontanen Ausheilung, relativen Kontraindikationen gegen eine Interferonthe-
rapie und von der Wahrscheinlichkeit einer optimalen Compliance ab.
Verlauf Nur in ca. 10 % der Fälle ikterischer Verlauf, deshalb sehr selten diagnostiziert. In
der Regel blander Verlauf (Transaminasen <600 U/l), sehr selten fulminanter Ver-
lauf. Chronifizierungsrate 60–80 %.
Literatur Blackard JT, Shata MT, Shire NJ et al. Acute hepatitis C virus infection: a chronic problem. Hepatology 2008;
47: 321–331
Sarrazin C, Ross T, Berg RS, Schirmacher P. Update der S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der
Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion. AWMF-Register 021/012. Z Gastroenterol 2010; 48: 289–351 http://
dgvs.de/media/Leitlinie_Hepatitis_C_2010_ZfG.pdf
Pathologie
██ Periportale lymphozytäre Entzündung; Brückenfibrose; Nekrosen; Steatose
██ Bestimmung der entzündlichen Aktivität (Grading) und des Fibroseausmaßes
(Staging)
██ Histologischer Aktivitäts-Index (HAI) nach Knodell ist in Studien ein Maß für die
entzündliche Aktivität.
In Deutschland ca. 500 000 Virusträger; Infektionswege s. Kap. 7.3.4, Akute Hepa-
titis C.
In einer epidemiologischen Arbeit (Hüppe D et al. 2008) mit 10.326 HCV-Infizier-
ten ist die Verteilung des Genotyps beschrieben:
██ Genotyp 1: 61,7 %
██ Genotyp 2: 6,9 %
██ Genotyp 3: 28,0 %
██ Genotyp 4: 3,2 %
██ Genotyp 5: 0,1 %
██ Genotyp 6: 0,1 %
Durch die Zulassung von zwei Proteinase-Inhibitoren im Herbst 2011 ist die Be-
handlung der chronischen Hepatitis C im Falle des Genotyps 1 durch zwei weitere
Optionen erweitert worden. Damit können die Ansprechraten von ca. 40 % (Pegin-
terferon + Ribavirin) auf 65–70 % gesteigert werden.
Bei nicht vorbehandelten Patienten:
██Beginn mit Peginterferon α + Ribavirin über 4 Wochen (Lead in), dann Boce-
previr (3-mal 800 mg/Tag) + Peginterferon α + Ribavirin über 24 Wochen, wenn
HCV-RNA in Behandlungswoche (BW) 8 und 24 negativ ist. Behandlungsdauer
wird auf 48 Wochen verlängert, wenn HCV-RNA zu BW 8 nachweisbar und zu
BW 24 nicht nachweisbar ist.
██Telaprevir (3-mal 750 mg/Tag) über 12 Wochen, Peginterferon α + Ribavirin über
24 Wochen. Falls HCV-RNA zu BW 4 oder BW 12 noch positiv ist, dann Behand-
lung mit Peginterferon-α und Ribavirin über insgesamt 48 Wochen. Dieses Re-
gime gilt auch für vorbehandelte Patienten mit Relapse. Abbruchkriterium ist
die HCV-RNA >1000 IE/ml in BW 4 oder BW 12.
Als Nebenwirkung ist bei beiden Substanzen die Anämie zu nennen, was bei der
längeren Gabe von Boceprevir möglicherweise mehr zum Tragen kommt. Bei Telap-
revir stehen Hautausschläge, Juckreiz, gastrointestinale Beschwerden und anorek-
tale Probleme im Vordergrund, bei Boceprevir Veränderungen des Geschmacks-
empfindens. Arzneimittelinteraktionen müssen beachtet werden.
Therapiever Durch die Zulassung der beiden Proteinase-Inhibitoren im Herbst 2011 ist auch
sager (Relapse, die Behandlung der Patienten mit chronischer Hepatitis C (Genotyp 1) bei Thera-
Non-Responder, pieversagern verbessert worden.
Partial ██Boceprevir: Patienten mit einem Rückfall/Non Response sollten mit der Dreifach-
Response) therapie mit Lead-in-Phase über 48 Wochen behandelt werden. Bei HCV-RNA-
Spiegel von 100 IE/ml oder höher zu BW 12 ist die Therapie zu beenden. Zu BW
24 muss die HCV-RNA negativ sein, sonst Abbruch.
██Telaprevir: Patienten mit einem Partial Response/Non Response sollten mit der
Dreifachtherapie (Telaprevir über 12 Wochen, Peginterferon α + Ribavirin über
48 Wochen) behandelt werden. Abbruchkriterium ist die HCV-RNA >1000 IE/ml
398 7 Leber
in BW 4 oder BW 12. Die Patienten mit Relapse werden wie naive Patienten be-
handelt.
██ Nebenwirkungen wie Anämie, Hautausschlag und Interaktionen mit anderen
Pharmaka sind zu beachten.
Literatur Hüppe D, Zehnter E, Mauss S et al. Epidemiologie der chronischen Hepatitis C in Deutschland – eine Analyse
von 10326 Hepatitis-C-Virus-Infizierten aus Schwerpunktpraxen und -ambulanzen. Z Gastroenterol
2008; 46: 34–44
Jacobson IM, McHutchinson JG, Dusheiko G et al. Telaprevir for previously untreated chronic hepatitis C
virus infection. N Engl J Med 2011; 364: 2405–2416
7.3 Akute und chronische Virushepatitis 399
Poordad F, McCone J, Bacon BR et al. Boceprevir for untreated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J
Med 2011; 364: 1195–1206
Sarrazin C, Berg T, Ross RS et al. Update der S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-
C-Virus (HCV)-Infektion. Z Gastroenterol 2010; 48: 289–351
Erreger Inkomplettes RNA-Virus, das sich nur in Gegenwart einer HBV-Infektion propagie-
ren kann. Hülle aus HBsAg, im Nukleokapsid Hepatitis-Delta-Antigen (HDAg) und
Virusgenom. Einziges virales Protein ist das HDAg.
Von den HDV-Varianten sind 3 Genotypen bekannt: Genotyp I (Frankreich, Italien,
USA, Japan), Genotyp II (Japan), Genotyp III (Peru, Kolumbien).
Pathologie Histologie wie bei akuter Hepatitis B (s. Kap. 7.3.2). Immunhistochemischer Nach-
weis von HDAg in der Leber möglich.
Epidemiologie Inkubationszeit: relativ lange (60–110 Tage), nur in Assoziation mit HBV vorkom-
mend.
Übertragungswege:
██wie bei HBV
██endemische HDV-Infektion mit hoher Prävalenz im Mittelmeerraum (Süditalien,
Griechenland: Prävalenz der HBsAg-Träger mit positiven HDV-Antikörpern bei
20–30 %)
██epidemische HDV-Infektion: Südamerika (Amazonasregion)
██Risikogruppen wie Drogenabhängige und Hämophile (10–75 %)
Klinische Koinfektion: gleichzeitige Infektion mit HBV und HDV; ähnlicher Verlauf wie bei
Charakteristika akuter Hepatitis B; bei 20–30 % der Patienten biphasischer Verlauf mit erneutem
Anstieg der Transaminasen.
Superinfektion: akute Infektion mit HDV bei chronischer Hepatitis-B-Infektion
mit klinisch schwererem Verlauf als bei Koinfektion.
Wegweisende Indikation zur Diagnostik bei neu diagnostizierter HBV-Infektion und fehlender
Diagnostik Testung bei bekannter HBV-Infektion, besonders dringlich bei Exazerbation einer
chronischen Hepatitis B.
Nachweis von Anti-HDV:
██bei Koinfektion: Titer meist niedrig und verzögerter Nachweis der Hepatitis-D-
Infektion bei schon positivem HBsAg und Anti-HBc-IgM
██bei Superinfektion: Nachweis des Anti-HDV früher, höherer Titer; hohe Titer auf
chronischen Verlauf hinweisend (Titer >1:1000)
Nachweis von HDV-RNA: soll per RT-PCR erfolgen, quantitativer Nachweis mög-
lich.
Nachweis von Anti-HDV-IgM: wird zur Unterscheidung akuter und chronischer
Infektion eingesetzt, limitierte Spezifität.
400 7 Leber
Zusatz
██ HBsAg: bei annähernd allen Patienten mit HDV-Infektion nachweisbar (Ausnah-
diagnostik me: bei fulminant verlaufender Hepatitis-D-Infektion)
██ HBeAg: bei Superinfektion häufig negativ bei positivem Anti-HBc
██ GOT, GPT: bei Superinfektion meist höher als bei Koinfektion
Zusatz ██ erhöhte Transaminasen: GPT (ALT) in der Regel höher als GOT (AST)
diagnostik ██ Histologie
██ (Mini-)Laparoskopie: bei Verdacht auf Leberzirrhose
Therapie Chronische Hepatitis D mit erhöhten Transaminasen und Progredienz der Erkran-
indikation kung.
Therapie Pegyliertes Interferon-α: 180 µg (Pegasys) pro Woche über mindestens 12 Monate,
Ansprechrate bei 25 % (dauerhafte HDV-RNA-Clearance).
Verlauf Rapide Progression der Erkrankung bei 10–15 % der Patienten mit Leberversagen
innerhalb von 2 Jahren; Langzeitkomplikationen: ca. 80 % entwickeln chronisch
7.3 Akute und chronische Virushepatitis 401
Literatur Cornberg M, Protzer U, Petersen J, Wedemeyer H et al. Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Prophylaxe,
Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-Infektion. AWMF-Register-Nr.: 021/011. Z Gastroenterol
2011; 49: 871–930 (http://dgvs.de/media/Leitlinie_Hepatitis_B_2011.pdf)
Ehrhardt A, Hoernke M, Heinzel-Pleines U, Sagir A, Göbel T, Häussinger D. Retrospektive Analyse der chroni-
schen Hepatitis D an einer westdeutschen Universitätsklinik über 2 Dekaden: zunehmende Migrations-
muster, Prävalenz und klinischer Verlauf. Z Gastroenterol 2010: 48: 813–817
Farci OP, Chessa L, Balestrieri C et al. Treatment of chronic hepatitis D. J Viral Hepat 2007; 14(1): 58–63
Wedemeyer H, Yurdayhìn C, Dalekos G et al. Peginterferon plus adefovir versus either drug alone for hepati-
tis delta. N Engl J Med 2011; 364: 322–331
Erreger RNA-Virus: mit Caliciviren verwandt, bisher nur ein Serotyp und 4 Genotypen (Ge-
notypen 1–4) bekannt. Genotyp 1 und 2 infizieren ausschließlich Menschen, beim
Genotyp 3 und 4 sind zusätzlich Tiere, v. a. Schweine, als Reservoir beschrieben.
In Deutschland ist der Genotyp 3 in 66 % der symptomatischen HEV-Infektionen
verantwortlich.
Wegweisende Anti-HEV-IgM: in Deutschland nur sinnvoll bei Patienten, welche die Zeichen einer
Diagnostik akuten Hepatitis haben und aus Endemiegebieten kommen.
Verlauf ██ in der Regel akut und selbstlimitierend, Symptome nach 2–3 Wochen rückläufig
██ im Vergleich mit der Hepatitis A fulminanter Verlauf häufiger, der v. a. schwan-
gere Frauen im 3. Trimenon betrifft (hohe Letalität!)
402 7 Leber
██ in den letzten Jahren Berichte über chronische Verläufe bei Transplantierten und
bei HIV-Infizierten (Purcell u. Emerson 2008, Kamar et al. 2008)
Erreger RNA-Virus, zu den Flaviviren gehörig: HGV und GBV-C sind verschiedene Isolate
derselben Virusspezies.
Patho Führt bei akuter Infektion wie die Infektion mit einem anderen, neu beschriebe-
mechanismus nen Virus (TT-Virus, DNA-Virus) wahrscheinlich nicht zu einer Lebererkrankung;
Leber nicht Hauptreplikationsort: HGV-Konzentrationen im Serum höher als im
Lebergewebe.
Klinische Akute Infektion mit GBV-C-Virus sehr selten mit dem klinischen Bild einer akuten
Charakteristika Hepatitis vergesellschaftet.
Wegweisende Wegen fehlender Hepatotropie des Virus ohne Bedeutung: HGV-RNA (PCR), Anti-
Diagnostik HGV.
Literatur Hadziyannis SJ. The new „hepatitis“ virus G or GBV-C. In: Bircher J, Benhamou JP, McIntyre N, Rizzetto M, Ro-
dés J, eds. Oxford textbook of clinical hepatology. 2nd ed. Oxford: Oxford Medical Publications 1999
Laufs R, Feucht HH, Polywka S et al. Übertragungswege und klinische Bedeutung des Hepatitis-G-Virus.
Dtsch Ärztebl 1997; 94: B1680–1682
Ross RS, Viazov S, Clauberg R et al. Lack of de novo hepatitis C virus infections and absence of nosocomial
transmissions of GB virus C in a large cohort of German haemodialysis patients. J Viral Hepat 2009; 16:
230–238
7.4 Andere virale Infektionen 403
7.4.1 CMV-Hepatitis
Definition Infektion mit dem Zytomegalievirus.
Therapie Ganciclovir (Cymeven 5 mg/kg KG alle 12 h): allgemein empfohlen, allerdings lie-
gen keine kontrollierten Studien vor.
7.4.2 Herpes-simplex-Hepatitis
Definition Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV).
Therapie Frühzeitig bereits bei Verdacht: Gabe von Aciclovir (z. B. Zovirax, Aciclovir Frese-
nius 5–10 mg/kg KG i. v. alle 8 h).
Bei Therapieversagen: Lebertransplantation.
7.4.3 Epstein-Barr-Virus-Hepatitis
Synonym Pfeiffer-Drüsenfieber.
Definition Begleitreaktion bei Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) bei Mononukleose.
Pathologie Infiltration der Sinusoide und Portalfelder mit mononukleären Zellen; Proliferati-
on der Kupffer-Zellen; selten Leberzellnekrosen.
Immunhistologischer Nachweis mit monoklonalen Antikörpern.
Epidemiologie Ubiquitäres Vorkommen, oraler Infektionsweg (z. B. Küssen), Erkrankung und Tod
meldepflichtig.
Wegweisende ██ Titeranstieg der EBV-Antikörper vom IgM-Typ („viral capsid antigen“ VCA)
Diagnostik ██ Mononukleose-Schnelltest (Paul-Bunnell-Test), begrenzte Sensitivität und Spe-
zifität
7.4 Andere virale Infektionen 405
Therapie Nur in sehr schweren Fällen und besonderen Situationen (z. B. Zustand nach Trans-
plantation): Aciclovir.
7.4.4 Masern-Hepatitis
Erreger RNA-Virus, zu den Paramyxoviren gehörig.
Pathologie Infiltration der Sinusoide und Portalfelder mit mononukleären Zellen; kleine Foci
mit Leberzellnekrosen; immunhistologischer Nachweis.
Klinische Sehr selten klinisch evidente Zeichen einer Begleithepatitis (nur im Erwachsenen-
Charakteristika alter).
7.4.5 HIV-Hepatitis
Erreger HIV-1-Virus: in Kupffer-Zellen, Endothelzellen und Hepatozyten nachgewiesen.
Differenzial Leberbefall mit einem opportunistischen Keim bei HIV-Infektion (sehr viel häufi-
diagnose ger als HIV-Hepatitis): atypische Mykobakteriose (Mycobacterium avium), Tuber-
kulose, Pilze (Candida, Cryptococcus, Aspergillus), Pneumocystis carinii, Toxoplas-
mose, CMV-Hepatitis, Virushepatitis B/C, Herpes-simplex-Hepatitis.
406 7 Leber
7.4.6 Varizella-Zoster-Hepatitis
Erreger Varizella-Zoster-Virus (VZV): zu den Herpesviren gehörig.
Klinische Nur selten, bei immunsupprimierten Patienten kann es bei generalisierten Infek-
Charakteristika tionen zu einer Begleithepatitis kommen, die allerdings in Einzelfällen mit Leber-
zellnekrosen einen letalen Verlauf nehmen kann.
7.4.7 Rubella-Hepatitis
Erreger RNA-Virus, zur Togaviridiae-Gruppe gehörig.
7.4.8 FSME-Hepatitis
Erreger FSME-Viren, zur Togaviridiae-Gruppe gehörig.
Meldepflicht hinsichtlich Erkrankung und Tod.
7.4.9 Marburg-Virus-Krankheit
Erreger Marburg-Virus: zu den Filoviren gehörig.
7.5.1 Leberabszess
Definition Umschriebene Ansammlung von Eiter in der Leber.
Pathologie Verteilung: solitär zu multipel ca. 1:1; Lokalisation meist im rechten Leberlappen;
bei biliärer Genese häufig multiple Abszesse.
Epidemiologie Seltenes Ereignis: Ursache für ca. 0,01 % der stationären Aufnahmen; in Autopsie-
untersuchungen 0,3–1,5 %.
Klinische Fieber (85–100 %); Schwäche (30–85 %), Übelkeit, Erbrechen (28–53 %); Ikterus
Charakteristika (20–40 %); pleuritische Schmerzen (10–25 %), Schmerzen im rechten Oberbauch
(40–70 %); Hepatomegalie (50–90 %), Splenomegalie (20 %).
Literatur Gundling F, Secknus R, Abele-Horn M et al. Pyogener Leberabszess. Aktueller Stand der Diagnostik und The-
rapie. DMW 2004; 129: 1685–1688
Ng SS, Lee JF, Lai PB. Role and outcome of conventional surgery in the treatment of pyogenic liver abscess in
the modern era of minimally invasive therapy. World J Gastroenterol 2008; 14: 747–751
408 7 Leber
Ruiz-Hernández JJ, León-Mazorra M, Conde-Martel A et al. Pyogenic liver abscesses: mortality-related fac-
tors. Eur J Gastroenterol Hepatol 2007; 19: 853–858
Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
Epidemiologie Erregerreservoir: Nagetiere (Ratten, Mäuse), Rinder, Schweine, Hunde und Kat-
zen; besondere Gefährdung für Arbeiter in Kanalisation, Abfallentsorgung und
Landwirtschaft.
Inkubationszeit: 7–14 Tage.
Zusatz ██ GOT, GPT (nur leicht erhöht), AP, γ-GT, Bilirubin (deutlich erhöht)
diagnostik ██ Anämie, Leukozytose, Thrombozytopenie
██ CK (erhöht), Kreatinin, Harnstoff (ansteigend bei zunehmenden Nierenversagen)
Verlauf Prognose von Nierenversagen und pulmonaler Insuffizienz abhängig (Letalität ca.
20 %).
7.5.3 Tuberkulose
Erreger Mycobacterium tuberculosis.
7.5.4 W
eitere bakterielle Erkrankungen
mit Leberbeteiligung
Lues: Die Infektion mit Treponema pallidum kann im Sekundärstadium eine syphi-
litische Hepatitis auslösen. Im Tertiärstadium können syphilitische Gummen in der
Leber lokalisiert sein, die mit den bildgebenden Verfahren (Sonografie, CT, MRT)
nachweisbar sind.
Borreliosen: Sowohl bei der Lyme-Borreliose (Erreger: Borrelia burgdorferi) als
auch – in ausgeprägterer Form – beim Rückfallfieber (Erreger: Borrelia recurrentis
obermeieri) kann es zu einer Begleithepatitis mit Ikterus kommen.
Listeriose: Bei dieser Erkrankung durch das Bakterium Listeria monocytogenes,
das sich v. a. im Abfall, Wasser, Schlamm und in der Erde aufhält, kann eine granu-
lomatöse Hepatitis, die selbst keine wesentliche klinische Symptomatik auslöst, im
Rahmen einer Listerien-Meningoenzephalitis auftreten.
Bruzellose: Bei der Infektion mit Brucella abortus (Rind), Brucella suis (Schwein),
Brucella canis (Hund) und Brucella ovis (Schaf), die unter anderem zu Meningoen-
zephalitis und Pneumonie führen kann, reagiert die Leber mit histiozytären Granu-
lomen und fokalen Nekrosen.
Rickettsiosen: Die Leber kann bei den Rickettsiosen beteiligt sein: Rocky Mountain
Spotted Fever (Rickettsia rickettsii), Fleckfieber (Rickettsia prowazeki), Q-Fieber
(Coxiella burneti).
Tularämie (Hasenpest): Bei diesem hochfieberhaften Krankheitsbild (Erreger:
Francisella tularensis) kann es neben Meningitis, Pneumonie, Lymphknoten-
schwellungen und Lungenabszessen zu einer Hepatomegalie mit Lebergranulo-
men, Epitheloidzellen und Riesenzellen kommen. Auch Leberabszesse können auf-
treten.
Ornithose: Bei der Psittakose (Erreger: Chlamydia psittaci), die über Vogelkot auf
den Menschen übertragen wird, steht eine Pneumonie im Vordergrund mit mög-
licher Begleithepatitis.
Morbus Whipple: chronische bakterielle Dünndarmerkrankung (Erreger: Trophe-
ryma whipplei), die mit einer Leberbeteilung in Form von Granulomen verlaufen
kann (s. Kap. 4.13.5, Morbus Whipple).
Sepsis: Bei jeder Form der Sepsis tritt häufig eine Begleithepatitis auf, die cholesta-
tisch verlaufen kann.
7.6 Pilzerkrankungen
7.6.1 Candidiasis
Erreger Verschiedene Candida-Spezies: Candida albicans, C. glabrata, C. krusei, C. parapsi-
losis, C. tropicalis.
Zusatz Sonografie: Nachweis von Abszessen (Leber, Milz), die sich auch mittels CT/MRT
diagnostik abgrenzen lassen.
7.6.2 Aspergillose
Erreger Schimmelpilze: Aspergillus niger, A. terreus, A. flavus, A. nidulans.
Epidemiologie Eintrittspforte ist der Respirationstrakt, wo sich die Erkrankung primär manifes-
tiert (Aspergillom, Pneumonie).
Verlauf Bei Immunsuppression kann es zu einer Generalisation mit Befall der Leber (auch
Abszess) kommen.
Bei Lebertransplantierten ist ein Auftreten bis zu 10 % beschrieben.
7.6.3 Kryptokokkose
Erreger Cryptococcus neoformans.
Verlauf Einzelne Verläufe mit Cholangitis, hepatitisähnlichem Bild und sogar mit einem
fulminanten Leberversagen sind in der Literatur beschrieben.
7.7.1 Protozoonosen
██ Amöbenabszess
Epidemiologie Kommt gehäuft in subtropischen und tropischen Ländern vor; Infektion erfolgt
über verunreinigtes Wasser oder Lebensmittel.
Antikörpernachweis:
██serologischer Nachweis von IgM-Antikörper gegen E. histolytica
██weitere serologische Tests (z. B. KBR, IHA, IIF)
Verlauf Gute Prognose (Letalität 1–3 %; bei Abszessperforationen aber ungünstiger Verlauf
(Letalität bis zu 30 %).
Literatur Burchard GD, Tannich E. Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der Amöbiasis. Dtsch Ärztebl 2004; 101:
A3036–3040
██ Lambliasis
Epidemiologie Gehäuft in tropischen und subtropischen Regionen; auch Auftreten nach Tropen-
aufenthalt möglich.
Diagnostik Wegweisend: Nachweis der Lamblien im Duodenalsekret, aber auch in der Duo-
denalbiopsie sowie im Stuhl (Zysten, Giardia-Antigen).
412 7 Leber
Zusätzlich: GOT, GPT (können leicht erhöht sein), AP, γ-GT (bei Mitbeteiligung der
Gallenwege erhöht).
██ Leishmaniasis (Kala-Azar)
Epidemiologie Kommt in Indien und Ostafrika vor; Infektion erfolgt über Sandfliegen.
Pathologie Befall der Kupffer-Zellen mit Leishmanien; rundzellige Infiltration der Portalfel-
der; Einzelzellnekrosen.
██ Malaria
██ Toxoplasmose
Verlauf Ungünstiger Verlauf bei immungeschwächten Patienten (z. B. AIDS) mit Befall des
ZNS (Enzephalitis), der Augen (Chorioretinitis) und der Lunge (Pneumonitis).
7.7.2 Helminthosen
Siehe Kap. 4.13.3, Andere Enteritiserreger: Bakterien, Pilze, Protozoen, Würmer.
██ Trematoden
Schistosomiasis
Erreger Leberbeteiligung bei 4 von 5 menschenpathogenen Arten: Schistosoma mansoni, S.
japonicum, S. intercalatum, S. mekongi.
Epidemiologie Weite Verbreitung in Afrika, Asien und Südamerika; ca. 250 Mio. Infizierte welt-
weit.
Diagnostik Nachweis der Eier im Stuhl und Rektumbiopsie; zusätzlich serologische Tests.
Therapie Praziquantel (Biltricide): 40 mg/kg KG als Einzeldosis (höhere Dosen bei S. japoni-
cum und S. mekongi notwendig).
Verlauf Leberbefall kann zur Fibrose und konsekutiver portalen Hypertension mit Vari-
zenblutung und Aszitesbildung führen. Das Auftreten eines hepatozellulären Kar-
zinoms geht fast immer auf die häufig koinzidente Hepatitis-B-Infektion zurück.
Clonorchiasis
Erreger Clonorchis sinensis (chinesischer Leberegel).
Andere Trematoden
Fasciola hepatica (großer Leberegel): weltweite Verbreitung; nach Jahren kann
sich eine chronische Cholangitis oder biliäre Zirrhose entwickeln.
Opisthorchis felineus (sibirischer Leberegel): in Asien, auch in Europa verbreitet;
klinischer Verlauf wie bei Fasciola hepatica.
Fasciolopsis buski (großer Darmegel): in Ostasien verbreitet, Cholangitis und Le-
berabszesse können auftreten.
7.7.3 Nematoden
Askariasis
Erreger Ascaris lumbricoides (Spulwurm): 4 mm dick und bis zu 40 cm lang.
Epidemiologie Weltweite Verbreitung, v. a. in tropischen Ländern; ca. 800 Mio. Menschen befal-
len.
Verlauf Ein Leberabszess und eine sekundär biliäre Zirrhose können sich entwickeln.
Andere Nematoden
Toxocariasis: Eine Hepatomegalie kann bei der Infektion mit dem Hundespulwurm
auftreten.
Capillaria hepatica: Sehr seltene Wurmerkrankung, die zu einer Hepatomegalie
mit Nachweis von Granulomen führt.
Strongyloidiasis: Die Infektion mit dem Zwergfadenwurm kann eine Cholangitis
hervorrufen.
Pentastomiasis: Die Larven kapseln sich in der Leber ab und werden bei häufig
asymptomatischem Verlauf nur zufällig entdeckt.
██ Zestoden
Zystische Echinokokkose
Erreger Echinococcus granulosus (Hundebandwurm), bis zu 6 mm lang.
Epidemiologie Weite Verbreitung, vor allem in Viehzucht treibenden Ländern, Übertragung durch
orale Aufnahme der Echinokokkus-Eier von Hundekot oder -speichel.
Pathologie Nach Einwanderung der Larven in die Leber Bildung von Hydatiden (flüssigkeits-
gefüllten Zysten).
Therapie Operatives Vorgehen: Methode der Wahl; verschiedene Techniken sind Perizys-
tektomie, partielle Hepatektomie, Zystektomie mit Omentumplastik.
PAIR (Punktion-Aspiration-Instillation-Reaspiration): Punktion der Zyste(n), Eva-
kuation und Instillation von 95 % Ethanol (ca. ein Drittel des aspirierten Volumens),
wird zunehmend v. a. in der Dritten Welt und bei Kontraindikationen der Opera-
tion angewandt.
Chemotherapie (isoliert oder kombiniert mit Operation/PAIR): Albendazol (Eska-
zole) 10–15 mg/kg KG/Tag p. o. oder Mebendazol (Vermox) 40–50 mg/kg KG/Tag p. o.
Verlauf Häufig asymptomatischer Verlauf über Jahre; insgesamt relativ gute Prognose bei
adäquater Therapie, Diagnosestellung oft erst bei Auftreten von Komplikationen:
██Kompression des Gallengangsystems: Ikterus
██Zystenperforation in Pleura, Lunge, Perikard, Peritonealhöhle, Duodenum, Ma-
gen oder Kolon: Urtikaria, anaphylaktischer Schock
Literatur Kern P, Reuter S, Buttenschoen K, Kratzer W. Diagnostik der zystischen Echinokokkose. DMW 2001; 126:
20–23
Kern P, Reuter S, Kratzer W, Buttenschoen K. Therapie der zystischen Echinokokkose. DMW 2001; 126:
51–54
416 7 Leber
Kern P. Echinococcus granulosus infection: clinical presentation, medical treatment and outcome. Langen-
becks Arch Surg 2003; 388: 413–420
Mbaya N, Gevensleben H, Büttner R. Zystische versus alveoläre Echinokokkose. Gastro Up2Date 2009; 5:
170–174
Alveoläre Echinokokkose
Erreger Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm).
Epidemiologie Prävalenz: ca. 0,5 Fälle pro 100 000 Einwohner in Süddeutschland, 80–200 Fälle
pro 100 000 Einwohner in Russland, China.
Höheres Infektionsrisiko bei der ländlichen Bevölkerung, da Bandwurmeier in der
Natur sehr widerstandsfähig; keine Infektion von Mensch zu Mensch.
Literatur Kern P, Kratzer W, Reuter S. Alveoläre Echinokokkose: Diagnostik. DMW 2000; 125: 59–62
Kern P, Reuter S, Kratzer W et al. Alveoläre Echinokokkose: Therapie. DMW 2000; 126: 87–89
Kern P, Wen H, Sato N et al. WHO classification of alveolar echinococcosis: principles and application. Para-
sitol Int 2006; 55 (Suppl.): S283–287
Kratzer W, Reuter S, Hirschbuehl K et al. Comparison of contrast-enhanced power Doppler ultrasound (Le-
vovist) and computed tomography in alveolar echinococcosis. Abdom Imaging 2005; 30: 286–290
Mbaya N, Gevensleben H, Büttner R. Zystische versus alveoläre Echinokokkose. Gastro Up2Date 2009; 5:
170–174
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen 417
Therapie Lebertransplantation.
versagen
Verlauf Manifestation: bereits nach 3–4 Monaten, selten erst im jugendlichen Alter.
Niereninsuffizienz: zunehmend durch fokal-noduläre Glomerulosklerose.
Pulmonale Hypertonie: selten.
Leberadenome: als Langzeitkomplikation auftretend mit Wachstumstendenz und
Gefahr der Ruptur und maligner Transformation.
Prognose: durch metabolische Kontrolle deutlich besser.
Subtypen Subtyp Forbes (Typ IIIa): betroffen sind 85 %, Glykogenablagerung in Herz, Leber
und Muskel.
Subtyp Forbes-Hers (Typ IIIb): betroffen sind 15 %, Glykogenablagerung nur in der
Leber.
Verlauf Rasche Entwicklung einer Zirrhose mit Komplikationen; unbehandelt letaler Ver-
lauf innerhalb von 3 Jahren.
Literatur Donner MG, Erhardt A, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber. Teil 2. Glykogenosen, hereditäre
Fruktoseintoleranz, Galaktosämien und hepatische Porphyrien. Dtsch Med Wschr 2010; 135: 2540–2547
██ Galaktosämie
Klinische Manifestation: meist sehr früh nach der Geburt, späte Manifestation im Erwachse-
Charakteristika nenalter ebenfalls beschrieben.
420 7 Leber
██ Fruktoseintoleranz
Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Mangel an Aldolase B beruht und zu einer
Akkumulation von Fruktose-1-Phosphat führt.
Wegweisende ██ Gentest: kann 2 Mutationen nachweisen, die in 80 % der Fälle für die Erkrankung
Diagnostik verantwortlich sind
(Diagnose ██ Fruktosebelastungstest: bei negativem Gentest; orale Gabe von 200 mg Fruk-
auch erst im tose pro kg KG, Messung der Glukose und des Phosphats im Serum über ca. 3 h
Erwachsenen (pathologisch: Glukose <40 mg/dl, Phosphat <1,5 mg/dl)
alter ██ Bestimmung der Aldolase in der Leberbiopsie: bei negativem Gentest und nicht
beschrieben) eindeutigem Fruktosebelastungstest
Therapie Fruktose- und sorbitfreie Ernährung. Cave: keine fruktose- oder sorbithaltigen In-
fusionslösungen verwenden!
Verlauf Die fruktosefreie Ernährung kann die Entwicklung einer Zirrhose verhindern. Bei
Ernährungsfehlern können eine Leberfibrose, -zirrhose und ein hepatozelluläres
Karzinom entstehen.
7.8.2 Alpha1-Antitrypsin-Mangel
Definition Genetisch determinierter Mangel an Alpha1-Antitrypsin, einem wichtigen Prote-
ase-Inhibitor.
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen 421
Patho Das normale Alpha1-Antitrypsin (normaler Phänotyp PiMM) gehört zu den Akut-
mechanismus phaseproteinen, hat eine Halbwertszeit von ca. 4,5 Tagen und hemmt Trypsin, Chy-
motrypsin, pankreatische Elastase, Kollagenase, Renin und Urokinase. Der Mangel
des normalen Alpha1-Antitrypsins und die Synthese eines abnormen Alpha1-Anti-
trypsins führen zu einer Akkumulation des abnormen Proteins und zu einem ver-
änderten Abbau des Proteins.
Bei homozygoten Trägern (PiZZ) ist ca. 5 % der normalen Aktivität vorhanden. Die
Lebererkrankung korreliert mit der intrazellulären Proteinakkumulation und ist
anders als die Lungenveränderungen nicht invers korreliert mit den Serumspie-
geln.
Genetik Defekt des SERPINA1-Gens auf dem Chromosom 14. Es sind über 100 Allelvarian-
ten bekannt, wobei nur wenige Kombinationen zu Leber- oder Lungenerkrankun-
gen führen.
██homozygote Defektallele: PiZZ, PiZnull, PiPP, PiWW, Pinull, PiMmalton
██heterozygote Defektallele: PiMS, PiMZ, PiSZ, PiFZ, PiMnull
Phänotypische Expression sehr unterschiedlich:
██sehr frühe Manifestation mit neonataler Hepatitis/Cholestase
██sehr späte Manifestation mit Lungenemphysem beim Erwachsenen
Wegweisende ██ Alpha1-Antitrypsin im Serum: Erniedrigung auf Werte unter 20 % ist Hinweis für
Diagnostik homozygoten Typ, auf 40–70 % Hinweis für heterozygoten Typ
██ Alpha1-Globulin-Fraktion: Erniedrigung
██ Phänotypisierung des Alpha1-Antitrypins: (in Speziallabors)
██ Leberpunktion/(Mini-)Laparoskopie
Literatur Erhardt A, Donner MG, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber Teil 1: Hämochromatose, Morbus
Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, Morbus Gaucher. Dtsch Med Wschr 2010: 135: 2481–2488
7.8.3 Mukoviszidose
Synonym Zystische Fibrose.
Definition Autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die auf einem Defekt des Chloridtrans-
ports durch die Zellmembran verschiedener sekretorischer Drüsen und Epithelien
beruht.
Epidemiologie Inzidenz bei 1:1800–3000 bei weißer Bevölkerung (sehr viel seltener bei anderen
Ethnien). Leberbeteiligung max. 25 %.
Langzeit Leberzirrhose mit portaler Hypertension; in ca. 2,5 % der Fälle Tumoren der Leber
komplikationen und des Gallengangsystems bei sonst gleichem Karzinomrisiko.
Selbsthilfe Mukoviszidose e. V., Bendenweg 101, 53121 Bonn, Tel. 0228/987800, Fax
0228/9878077; E-mail: mukoviszidose@t-online.de; www. meb.uni-bonn.de/mu-
koviszidose.
Literatur Elkins MR, Robinson M, Rose BR et al. A controlled trial of long-term inhaled saline in patients with cystic
fibrosis. N Engl J Med 2006; 354: 229–240
Klinische Akute Verlaufsform (bei Neugeborenen): Erbrechen, Diarrhö; Ödeme, Aszites; He-
Charakteristika patomegalie, Hypalbuminämie, Hypoglykämie; Gerinnungsstörungen; Fanconi-
Syndrom (Schädigung des proximalen Tubulus), Glukosurie, Aminoazidurie, Phos-
phaturie, renale tubuläre Azidose.
Chronische Verlaufsform (Manifestation häufig erst mit 5–10 Jahren): Hepatome-
galie, Zeichen der Leberzellinsuffizienz; Polyneuropathie; Fanconi-Syndrom.
Diagnostik Wegweisend:
██Succinylaceton: Bestimmung im Urin (um Faktor 3–40 erhöht)
██Fumarylacetoacetat-Hydrolase: Bestimmung in Leukozyten, Fibroblasten und Le-
bergewebe
Zusätzlich:
██Albumin: erniedrigt
██α-Fetoprotein: stark erhöht
Patho Bei allen Typen kommt es zu einer Hyperammonämie, die für die neurologischen
mechanismus Symptome verantwortlich ist.
Epidemiologie Sehr selten, Typ 1 mit >100 Fällen in der Literatur am häufigsten vorkommend.
7.8.6 Lipidspeicherkrankheiten
██ Wolman-Krankheit
Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Mangel an lysosomaler Lipase beruht.
Patho Durch den Enzymmangel (bei Homozygoten auf 1–10 % der Norm reduziert)
mechanismus kommt es zu einer exzessiven Speicherung von Cholesterinestern und Triglyzeri-
den in verschiedenen Organen (Leber, Haut, Nervensystem).
Therapie Symptomatisch.
Verlauf Sehr schlechte Prognose durch rasche Entwicklung einer Zirrhose mit portaler Hy-
pertension, häufig letaler Verlauf im 1. Lebensjahr.
██ Cholesterinester-Speicherkrankheit
Definition Angeborene Erkrankung, die wie die Wolman-Krankheit auf einem Mangel an ly-
somaler Lipase beruht (mildere Form).
Klinische Manifestation später als bei der Wolman-Krankheit (nach ca. 5 Jahren), im We-
Charakteristika sentlichen mit Hepatomegalie.
██ Zerebrotendinöse Xanthomatose
Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Mangel an der mitochondrialen 27-Hyd-
roxylase beruht.
Verlauf Der klinische Verlauf wird durch die schwere neurologische Symptomatik be-
stimmt.
██ Abetalipoproteinämie
Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Gendefekt des mikrosomalen Triglyze-
ridtransfer-Proteins (MTP) beruht und zu einer mangelnden Exozytose von Lipo-
proteinen führt.
Patho Der MTP-Mangel verhindert den intrazellulären Transport der Lipide mit Apopro-
mechanismus tein B vom rauen endoplasmatischen Retikulum zum Golgi-Apparat, was einen
Abbau des Apolipoproteins nach sich zieht und die Lipide intrazellulär (Hepatozyt,
Enterozyt) akkumulieren lässt.
Therapie Ernährung mit mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Kost), Gabe von Vitamin A und E.
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen 427
Verlauf In Einzelfällen wurde die Progression der Lebererkrankung zur Leberzirrhose be-
obachtet. In einem Einzelfall wurde von einer Lebertransplantation berichtet.
██ Morbus Gaucher
Definition Angeborene Erkrankung, die auf einer verminderten Aktivität der lysosomalen
β-Glukozerebrosidase beruht und zu einer Akkumulation von Glukozerebrosid in
verschiedenen Organen führt.
Patho Der Enzymdefekt begrenzt den Abbau der Sphingolipide bis zum Glukozerebrosid,
mechanismus das von den Makrophagen (Gaucher-Zellen) in verschiedenen Organen (Milz, Le-
ber, Knochenmark, Lymphknoten) gespeichert wird.
Epidemiologie 1:50 000–60 000 Geburten, damit die häufigste lysosomale Speicherkrankheit.
Therapie Substitution des Enzyms: i. v.-Infusion von Imiglucerase (max. 60 IE/kg KG alle 14
Tage). Alternative: Seit 2010 ist in Deutschland Velaglucerase zugelassen.
Bei Unverträglichkeit: Orale Substratreduktionstherapie mit Miglustat.
Lebertransplantation: in Einzelfällen erfolgreich mit dramatischer Rückbildung
der Glukosylceramidablagerungen.
Gentherapie: im experimentellen Stadium.
Literatur Erhardt A, Donner MG, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber Teil 1: Hämochromatose, Morbus
Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, Morbus Gaucher. Dtsch Med Wschr 2010: 135: 2481–2488
428 7 Leber
7.8.7 A
ngeborene Störungen der Gallenwege und
der Gallenbiosynthese
██ Gallensäure-Biosynthesestörung
Verlauf Unter den Zeichen einer cholestatischen Lebererkrankung entwickelt sich rasch
eine Zirrhose. In der Regel sterben die Kinder bereits während des 1. Lebensjahrs.
██ Byler-Syndrom
Definition Sehr seltene, angeborene Erkrankung, die zu einer zunehmenden Cholestase mit
Ikterus führt.
Therapie
██ Relativ gut wirksam: Ursodeoxycholsäure
██ Wenig bzw. nicht effektiv: Phenobarbital, Cholestyramin, Rifampicin
██ Bei Therapieversagen: Lebertransplantation
Verlauf Ohne Lebertransplantation letaler Verlauf innerhalb von 2–15 Jahren, als Langzeit-
komplikation biliäre Zirrhose bzw. hepatozelluläres Karzinom.
Literatur Rifai K, Manns MP, Bahr MJ. Lebertransplantation bei metabolischen Erkrankungen im Erwachsenenalter. Z
Gastroenterol 2004; 42: 749–765
██ Alagille-Syndrom
Pathologie Schwellung der Hepatozyten; Einlagerung von Kupfer und Bilirubin in den Hepa-
tozyten; Fibrose in den Portalfeldern; Rarefizierung der Gallengänge in den Portal-
feldern; Entwicklung einer Zirrhose in ca. 10–15 % der Fälle.
Epidemiologie Sehr selten (1:70 000–100 000 Neugeborene), bei männlichen Neugeborenen häu-
figer.
alter zurück
Ikterus, Xanthome
██
Hepato-, Splenomegalie
██
Diagnostik Wegweisend:
Bewertung des Phänotyps und der klinischen Symptomatik
██
Zusätzlich:
██Labor: Erhöhung des Gesamtbilirubins auf 4–14 mg/dl, Anteil des direkten Bili-
rubins 30–50 %, häufig Normalisierung des Bilirubins im 2. Lebensjahr
██Echokardiografie
Verlauf Von der Schwere der hepatischen Manifestation und kardiovaskulären Anomalien
abhängig. Leberversagen ist Todesursache bei ca. 20 % der Patienten; ca. 50 % errei-
chen das Erwachsenenalter.
Definition Angeborene benigne Störung, die zu einer Erhöhung des indirekten Bilirubins
führt.
Epidemiologie Hohe Prävalenz, bis zu 7 % in der Bevölkerung, Männer häufiger betroffen (4:1).
Wegweisende Erhöhtes indirektes Bilirubin und erhöhtes Gesamtbilirubin bei sonst normalem
Diagnostik Laborprofil (GOT, GPT, AP, γ-GT, LDH), Anstieg unter Nahrungskarenz.
Verlauf Kein Krankheitswert als solcher. Diagnosestellung ist jedoch wichtig, da manchmal
unklare Bilirubinerhöhungen zum Absetzen elektiver operativer Eingriffe führen.
██ Crigler-Najjar-Syndrom Typ I
Epidemiologie Sehr selten, etwas mehr als 150 Fälle sind beschrieben.
Verlauf Gute Prognose. Einzelne Fälle mit hohen Bilirubinanstiegen nach operativen Ein-
griffen in Allgemeinanästhesie wurden beschrieben.
██ Dubin-Johnson-Syndrom
Definition Chronische Störung, die mit intermittierendem Ikterus (Erhöhung des direkten
und indirekten Bilirubins) einhergeht.
Pathologie Ablagerung eines braunen Pigments in der Leber (v. a. perivenös in Hepatozyten,
aber auch in Kupffer-Zellen).
Epidemiologie Höchste Prävalenz in Israel mit 1:1300; Manifestation meist in frühem Erwachse-
nenalter.
Klinische Meist asymptomatisch, in manchen Fällen milder Ikterus und Braunfärbung des
Charakteristika Urins.
Therapie Keine.
Verlauf Sehr gute Prognose. Ikterus kann während der Schwangerschaft oder bei Einnah-
me oraler Antikonzeptiva zunehmen.
432 7 Leber
██ Rotor-Syndrom
Definition Chronische familiäre konjugierte Hyperbilirubinämie, die auf einer Störung der Bi-
lirubinaufnahme und -exkretion beruht.
7.8.9 Gefäßmalformationen
██ Morbus Osler
Genetik Nachweis von Mutationen des Gens für den Transforming Growth Factor TGF
(Chromosom 9, 3, 12).
Verlauf ██ Von den gastrointestinalen Blutungen und anderen Komplikationen der Zirrhose
abhängig
██ Selten: intrahepatische Cholangiolithiasis, Cholangitis
██ Langzeitkomplikation: Leberzirrhose
7.9 Porphyrien 433
Khalid SK, Garcia-Tsao G. Hepatic vascular malformations in hereditary hemorrhagic telangiectasia. Semin
Literatur
Liver Dis 2008; 28: 247–258
7.9 Porphyrien
Definition Störungen der Hämbiosynthese durch Enzymdefekte, die über eine Überproduk-
tion von Hämvorläufern zu einer klinischen Symptomatik führen (Abb. 7.6). Man
unterscheidet die erythropoetischen Porphyrien, bei denen die verstärkte Photo-
sensitivität im Vordergrund steht, von den hepatischen Porpyhrien, die durch eine
variable und vielfältige klinische Symptomatik gekennzeichnet sind.
Definition Die akut intermittierende Porphyrie (AIP) ist eine schubweise verlaufende Störung
der Hämbiosynthese, bedingt durch einen Mangel an Uroporphyrinogen-I-Syntha-
se (Porphobilinogen-Deaminase; Abb. 7.6).
3RUSKRELOLQRJHQ
3RUSKRELOLQRJHQ'HVDPLQDVH DNXWLQWHUPLWWLHUHQGH3RUSK\ULH
+\GUR[\PHWK\OELODQ
NRQJHQLWDOH
8URSRUSK\ULQRJHQ,,,6\QWKHWDVH
HU\WKURSRHWLVFKH3RUSK\ULH
8URSRUSK\ULQRJHQ
8URSRUSK\ULQRJHQ,,,
3RUSK\ULDFXWDQHDWDUGD
'HFDUER[\ODVH
.RSURSRUSK\ULQRJHQ
.RSURSRUSK\ULQRJHQ2[LGDVH KHUHGLWlUH.RSURSRUSK\ULH
3URWRSRUSK\ULQRJHQ
3URWRSRUSK\ULQRJHQ2[LGDVH 3RUSK\ULDYDULHJDWD
3URWRSRUSK\ULQ
HU\WKURSRHWLVFKH
)HUURFKHODVWDVH
3URWRSRUSK\ULH
+lP
Epidemiologie Manifestation zwischen 20. und 40. Lebensjahr; Frauen häufiger als Männer be-
troffen (3–4:1); Prävalenz ca. 5:100 000 (Frankreich).
Patho Pathomechanismus und Auslöser einer akuten Attacke wie bei der akuten inter-
mechanismus mittierenden Porphyrie (s. o.).
Epidemiologie Männer häufiger als Frauen betroffen; Prävalenz ca. 1:100 000.
Therapie Glukose- bzw. Hämarginatinfusionen: Dosierung wie bei der akuten intermittie-
renden Porphyrie.
Verlauf Gute Prognose bei Vermeidung der Noxen (Medikamente, Alkohol, Sonnenlicht).
██ Hereditäre Koproporphyrie
██ Doss-Porphyrie
Definition Angeborene bzw. erworbene Störung der Hämbiosynthese, durch einen Mangel an
Uroporphyrinogen-III-Decarboxylase bedingt (Abb. 7.6).
Patho Neben dem Enzymdefekt sind auslösende Faktoren (z. B. Alkohol, Medikamente)
mechanismus für die Manifestation notwendig.
Pathologie Zeichen einer Hepatitis oder Zirrhose; ausgeprägte Fluoreszenz des Leberzylin-
ders.
Literatur Donner MG, Erhardt A, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber. Teil 2. Glykogenosen, hereditäre
Fruktoseintoleranz, Galaktosämien und hepatische Porphyrien. Dtsch Med Wschr 2010; 135: 2540–2547
Gundling F, Mössner J. Erythropoetische und hepatische Porphyrien. Aktueller Stand der Diagnostik und
Therapie. DMW 2005; 130: 335–339
Müller-Marbach AM, Schwarz M, Häussinger D. Porphyrien. Gastro Up2date 2007; 3: 215–239
7.10 Hämochromatose 437
7.10 Hämochromatose
Patho Erhöhte Eisenresorption im oberen Dünndarm (normal: 0,5–2 mg/Tag, bei Hämo-
mechanismus chromatose 2–4 mg Eisen/Tag) führt zu einer Eisenüberladung des Gesamtorganis-
mus. Hepcidin fungiert als negativer Regulator der Eisenaufnahme über die Bin-
dung an Ferroportin, das in Membranen von Enterozyten lokalisiert ist. Die hepati-
sche Eisentoxizität geht mit einer gesteigerten Kollagensynthese einher und führt
zur Fibrose und Zirrhose.
Epidemiologie Prävalenz: ca. 100–500:100 000 Einwohner; Prävalenz der homozygoten C282Y-
Mutation: 500:100 000 Einwohner (USA). In einer amerikanischen Studie erkrank-
ten 28,4 % der Männer und 1,2 % der Frauen über einen Zeitraum von 12 Jahren.
Manifestation: meist zwischen 40. und 60. Lebensjahr, bei Männern häufiger (2–
8:1), Gendefekt gleich häufig.
Wegweisende Serumferritin: häufig > 1000 μg/l (auch bei Alkoholismus und akuter Infektion er-
Diagnostik höht!).
(Abb. 7.7) Transferrinsättigung: häufig >55 %, Berechnung nach Formel:
Zusatz Histologie:
diagnostik ██bei Entnahme einer Histologie sollte der Eisengehalt mitbestimmt werden (Ei-
sengehalt bei Hämochromatose >15 mg (= 27 μmol) pro g Trockengewicht)
██bei Grenzfällen sollte der hepatische Eisenindex bestimmt werden:
–– Formel: μmol Eisen pro g Trockengewicht/Patientenjahre
–– Normalwert: 0,7–1,1
438 7 Leber
5LVLNRJUXSSHQ6FUHHQLQJ YRUDOOHPKHUHGLWlUH
9HUZDQGWH2UGQXQJ +lPRFKURPDWRVH
JJI9HUODXIVNRQWUROOH
MD
MD
&\V7\UKHWHUR]\JRW
*HQWHVW+)( RGHU
$ENOlUXQJDQGHUHU8UVDFKHQ
&\V7\U+LV$VS +LV$VSKHWHUR]\JRW
HLQHU(LVHQEHUODGXQJ
RGHU
:LOGW\S
&\V7\UKRPR]\JRW
RGHU
JHPKHWHUR]\JRW
IU&\V7\U+LV$VS
KHUHGLWlUH
+lPRFKURPDWRVH
)HUULWLQ²ǾJO )HUULWLQ!ǾJO
7UDQVDPLQDVHQQRUPDO XQGRGHU
7UDQVDPLQDVHQSDWKRORJLVFK
HYWO/HEHUELRSVLH
$GHUODVVWKHUDSLH
=LHO)HUULWLQǿJO
Abb. 7.7 Algorithmus zur Diagnostik und Therapie der Hämochromatose (Quelle: Steiner u. von Ahsen 2005).
7.11 Morbus Wilson 439
Langzeit ██ Leberzirrhose
komplikationen ██ Hepatozelluläres Karzinom: in 50 % Todesursache! Risiko um Faktor 220 erhöht,
v. a. bei Patienten mit Leberzirrhose
██ Spätkomplikationen des Diabetes mellitus: Nephro-, Retinopathie, kardiovas-
kuläre Komplikationen
Literatur Bacon BR, Britton RS. Clinical penetrance of hereditary hemochromatosis. N Engl J Med 2008; 358: 291–292
Erhardt A, Donner MG, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber Teil 1: Hämochromatose, Morbus
Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, Morbus Gaucher. Dtsch Med Wschr 2010: 135: 2481–2488
Pietrangelo A. Hereditary hemochromatosis – a new look at an old disease. N Engl J Med 2004; 350:
2383–2397
Steiner M, von Ahsen N. Den Verdacht auf eine hereditäre Hämochromatose früh und nichtinvasiv bestäti-
gen. Klinikarzt 2005; 34: 61–65
Stremmel W, Karner M, Manzhalli E et al. Leber und Eisenstoffwechsel – Überlegungen zur Pathogenese der
genetischen Hämochromatose. Z Gastroenterol 2007; 45: 71–75
Von Figura G, Kulaksiz H. Diagnostik und Therapie der hereditären Hämochromatose. Dtsch Med Wschr
2009; 134: 2565–2572
Patho Physiologisch biliäre Exkretion von täglich 1,5–2 mg Kupfer, renale Ausscheidung
mechanismus 30–60 μg/Tag. Beim Morbus Wilson ist die biliäre Exkretion von Kupfer vermin-
dert, das sich in Leber, Gehirn, Niere und Kornea ablagert.
Klinische ██ hepatisch (in 45 %): Zirrhose, chronisch aktive Hepatitis, fulminantes Leberver-
Charakteristika sagen
██ neurologisch (in 35 %): Rigor, Tremor, Ataxie, Dyskinesie, Dysarthrie, Krampfan-
fälle
██ psychiatrisch (in 10 %): Verhaltensstörungen, Depressionen, Phobien
██ hämatologisch (in 10 %): Hämolyse, Gerinnungsstörungen
██ ophthalmologisch: Kayser-Fleischer-Ring an den Augen, immer bei neurologi-
scher Manifestation
██ seltener: Zeichen der Kardiomyopathie
Zusatz Radiokupfertest.
diagnostik
Therapie Prinzipiell bei jedem diagnostizierten Fall gegeben, auch wenn asymptomatisch;
indikation bei sehr frühzeitiger Therapie bessere Prognose.
Verlauf Die Prognose ist bei frühzeitig erkanntem Morbus Wilson mit konsequenter The-
rapie am besten, z. B. bei Familienangehörigen (Diagnose durch Familienscree-
ning). Eine schlechte Prognose besteht bei Patienten mit bereits schwerer neurolo-
gischer Manifestation.
Selbsthilfe Morbus Wilson e. V., Leiblstr. 2, 83024 Rosenheim; Tel. 08031/249230, Fax
08031/43876; Email: morbus-wilson@t-online.de
Literatur Cox DW, Roberts EA. Wilson disease. In: Feldman M, Friedman LS, Brandt LJ (eds.)Gastrointestinal and liver
disease. Ninth Edition, Saunders Elsevier 2010
Erhardt A, Donner MG, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber Teil 1: Hämochromatose, Morbus
Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, Morbus Gaucher. Dtsch Med Wschr 2010: 135: 2481–2488
Sevmis S, Karakayali H, Aliosmanoglu I et al. Liver transplantation for Wilson’s disease. Transplant Proc
2008; 40: 228–230
Verlauf Pruritus: bei 30 % im 2. Trimenon und bei ca. 70 % im 3. Trimenon bis zur Geburt
in der Regel zunehmend; verschwindet meist innerhalb von 24–48 h nach der Ge-
burt. Hohes Rezidivrisiko bei weiteren Schwangerschaften (45–70 %).
Literatur Panther E, Blum HE. Lebererkrankungen in der Schwangerschaft. Dtsch med Wschr 2008; 133: 2283–2287
7.12.2 Präeklampsie
Definition Schwangerschaftssyndrom mit Auftreten von arterieller Hypertonie und Protein-
urie, das bei Progression zu zerebralen Krämpfen Eklampsie genannt wird.
Patho Nicht geklärt; Änderungen auf der fetalen Seite der Plazentaperfusion; Leber bei
mechanismus Präeklampsie in ca. 10 % involviert.
Pathologie Diffuse Ablagerung von Fibrin entlang der Sinusoide; Hämorrhagien periportal
und in Portalfeldern; fokale, meist konfluierende ischämische Nekrosen.
Wegweisende
██ Blutdruckmessung: RR >140/90 mmHg
Diagnostik
██ Proteinausscheidung im 24-h-Urin: >0,5 g/Tag
7.12.3 HELLP-Syndrom
Definition Syndrom in der Schwangerschaft, das durch 3 Symptome gekennzeichnet ist:
██H: „hemolysis“ (Hämolyse)
██EL: „elevated liver enzymes“ (erhöhte Transaminasen)
██LP: „low platelet count“ (Thrombozytopenie)
Epidemiologie Etwa 10 % bei Frauen mit Präeklampsie, 0,17–0,85 % aller Schwangerschaften be-
troffen.
Klinische Arterielle Hypertonie (90 %), Druckschmerz im rechten Oberbauch (100 %), Aszites
Charakteristika (65 %), disseminierte intravasale Gerinnung (ca. 20 %).
Therapie Bei subkapsulärem Hämatom der Leber ohne Ruptur: sonografische Kontrollen,
Möglichkeit der angiografischen Embolisation der A. hepatica bzw. eines Astes,
Sectio caesarea.
Bei rupturiertem subkapsulären Hämatom der Leber: Sectio caesarea, operative
Versorgung der Leberruptur.
Literatur Mihu D, Costin N, Mihu CM et al. HELLP syndrome – a multisystemic disorder. J Gastrointestin Liver Dis
2007; 16: 419–424
Pathologie Schwellung des Lobulus bei erhaltener Architektur, die zur Kompression der Sinu-
soide führt; mikrovesikuläre Einlagerung von Fett in den perivenösen Hepatozy-
ten; pleomorphe Mitochondrien; gering ausgeprägte Infiltration durch Plasmazel-
len und Lymphozyten.
In der Elektronenmikroskopie: zahlreiche kleine, nicht membrangebundene Fett-
tröpfchen im Zytoplasma der Hepatozyten, Dilatation der Galle-Canaliculi mit Ver-
lust der Mikrovilli.
Genetik Bei Müttern von Kindern mit angeborenem Mangel an langkettiger 3-Hydroxya-
cyl-CoA-Dehydrogenase häufiger; eine angeborene mitochondriale Dysfunktion
wird vermutet. Allerdings spricht die sehr niedrige Rezidivrate gegen eine ent-
scheidende Rolle der genetischen Faktoren.
Zusatz Leberbiopsie.
diagnostik
Therapie Beendigung der Schwangerschaft ist notwendig nach Stabilisierung der Mutter. In
Einzelfällen sind auch Lebertransplantationen beschrieben.
7.13 Probleme von Lebererkrankungen in der Schwangerschaft 445
Verlauf Trotz inzwischen konsequenter Beendigung der Schwangerschaft liegt die mütter-
liche Letalität bei 7–18 %, die des Kindes bei 9–23 %.
Literatur Panther E, Blum HE. Lebererkrankungen in der Schwangerschaft. Dtsch Med Wschr 2008; 133: 2283–2287
Walter JH. Inborn errors of metabolism and pregnancy. J Inherit Metab Dis 2000; 23: 229–236
7.13 P
robleme von Lebererkrankungen
in der Schwangerschaft
Klinische Insgesamt unterscheiden sich die klinischen Charakteristika nicht wesentlich von
Charakteristika denen der akuten Virushepatitis bei nicht schwangeren Frauen (s. Kap. 7.3, Akute
und chronische Virushepatitis).
Verlauf Allgemein: insgesamt unterscheidet sich der Verlauf nicht wesentlich vom Verlauf
der akuten Virushepatitis bei nicht schwangeren Frauen; Ausnahmen bei:
██Hepatitis E: häufig fulminanter Verlauf
██Herpes-simplex-Hepatitis: ebenfalls aggravierte Verläufe beschrieben
Wegweisende Caeruloplasmin: steigt während der Schwangerschaft an, sodass dieser Wert kei-
Diagnostik nesfalls als Therapiekontrolle verwendet werden sollte.
Verlauf Abortrate, maternale und fetale Morbidität und Letalität hängen direkt vom prä-
partalen Zustand der Leber (präzirrhotisches Stadium, Zirrhose) ab.
Literatur Sternlieb I. Wilson’s disease and pregnancy. Hepatology 2000; 31: 531–532
7.13.3 A
ndere chronische Lebererkrankungen
in der Schwangerschaft
██ Chronische Virushepatitis
██ Leberzirrhose
Verlauf ██ mütterliche Mortalität (bis zu 13,1 %): gastrointestinale Blutung (40–70 %), Le-
berversagen (20–25 %), andere (10–35 %)
7.14 Benigne Tumoren der Leber 447
Patho Nicht eindeutig geklärt; die Hyperplasie der Hepatozyten wird als Reaktion auf
mechanismus eine fokale Läsion (Gefäßmalformation) aufgefasst.
Pathologie Fester hellbrauner bis gelblicher Tumor mit sternförmigen Septen, welche die Läsi-
on in Lobuli aufteilen. Häufig subkapsulär gelegen, kann gestielt sein; meist solitär.
Größere Tumoren zeigen zentral Herde von Einblutung oder Nekrose. Die Hepato-
zyten sind unverändert. In den Bindegewebssepten verlaufen Galleductuli. Deut-
liche Infiltration von Lymphozyten, Plasmazellen und Histiozyten. Äste der Leber-
arterie und der Pfortader zeigen eine Verdickung der Intima und eine Hyperplasie
der glatten Muskulatur.
Epidemiologie Prävalenz: ca. 0,4–3 %, mindestens doppelt so häufig wie das Adenom;
Frauen:Männer = 6:1.
Auslösende Faktoren: Obwohl hauptsächlich Frauen erkranken, ist die Rolle der
Sexualhormone nicht eindeutig geklärt. Das Absetzen von Antikonzeptiva führt
nicht zur Regredienz des Tumors. Auch sind die Komplikationsraten in der Schwan-
gerschaft nicht erhöht.
Klinische Lange asymptomatisch (häufig Zufallsbefund); bei Größenzunahme (>8 cm): Ober-
Charakteristika bauchschmerzen, Hepatomegalie.
Wegweisende ██ Sonografie: echoarme oder diskret echoreiche Echostruktur, meist gut abgrenz-
Diagnostik bar, bei Verwendung von Kontrastmittel häufig Zuordnung möglich (Mehranrei-
cherung in der arteriellen und portalvenösen Phase, Darstellung der zentralen
oder parazentralen Arterie, Narbe und Radspeichenmuster).
██ CT: hypo- oder isodense Läsion mit starker KM-Aufnahme
██ MRT: iso- oder hypointense Struktur mit Nachweis einer zentralen Narbe (hohe
Spezifität)
448 7 Leber
Zusatz
██ US-gesteuerte Feinnadelaspirationszytologie/-histologie: bei eindeutiger KM-
diagnostik Sonografie oder MRT-Diagnose nicht notwendig
██ hepatobiliäre Sequenzszintigrafie: zur Differenzierung vom Adenom (keine
Gallengänge!); theoretisch guter Ansatz, selten praktiziert
Verlauf Meist unproblematisch, Rückbildung nach Absetzen der Antikonzeptiva. Als Lang-
zeitkomplikation Blutung in freie Bauchhöhle beschrieben, jedoch extrem selten.
Literatur Dietrich CF, Schreiber-Dietrich D, Schüssler G et al. Kontrastverstärkte Ultraschalluntersuchung der Leber –
Aktueller Wissensstand. DMW 2007; 132: 1225–1231
Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
Mathieu D, Kobeiter H, Maison P et al. Oral contraceptive use and focal nodular hyperplasia of the liver.
Gastroenterology 2000; 118: 560–564
7.14.2 Adenom
Definition Gutartiger Lebertumor, der aus Hepatozyten besteht und in einer normalen Leber
entsteht.
Patho Entwicklung durch orale Antikonzeptiva gezeigt, auch durch Anabolika induzier-
mechanismus bar.
Pathologie Meist solider brauner bis gelber Tumor mit oder ohne Kapsel, meist im rechten
Leberlappen (65–70 %) lokalisiert, häufig direkt unterhalb der Leberkapsel. Hepa-
tozyten mit hohem Glykogengehalt, vergrößert, feintropfige Verfettung. Architek-
tur ohne Portalfelder, Zentralvenen und Gallengänge. Adenomatose der Leber: >10
Adenome.
Genetik Eine genetische Disposition zur Adenomentwicklung bei Einnahme von Antikon-
zeptiva wird vermutet.
Epidemiologie Prävalenz: ca. 4:100 000, überwiegend Frauen. In 90 % Zusammenhang mit der Ein-
nahme von Antikonzeptiva: bei Einnahme über 6 Jahre Risiko um den Faktor 5,
über 9 Jahre um den Faktor 25 erhöht. Bei Männern besteht erhöhtes Risiko bei
Einnahme von Anabolika.
Klinische In der Regel asymptomatisch. Bei ca. 20 % der Patienten kommt es zu Völlegefühl
Charakteristika und Schmerzen im rechten Oberbauch oder Epigastrium.
7.14 Benigne Tumoren der Leber 449
Wegweisende
██ Sonografie: inhomogene, echoarme oder -reiche Raumforderung, manchmal
Diagnostik zentrale Einblutung, bei Verwendung von KM Zuordnung möglich (früharteri-
elle Mehranreicherung)
██ CT: hypodense Läsion mit verzögerter KM-Aufnahme (s. Kap. 7.14.1, Fokal no-
duläre Hyperplasie)
██ MRT: hyperintenser Tumor, der von der FNH, aber nicht vom HCC differenziert
werden kann
██ Angiografie: 50 % hypo-, 50 % hypervaskularisiert
Therapie In der Regel, v. a. bei Tumoren >5 cm gegeben. Bei Tumoren <5 cm, die der Gruppe
indikation des HNF1α-inaktivierten Adenoms oder inflammatorischen Adenoms angehören,
können Verlaufsbeobachtungen mit KM-Ultraschall oder MRT angezeigt sein. Bei
Progredienz Operation. Absolute Operationsindikation bei β-Catenin-aktiviertem
Adenom.
Therapie Absetzen der oralen Antikonzeptiva; Resektion des Adenoms, auch Behandlung
mit perkutaner Ethanolinjektion (PEI) und Radiofrequenzablation (RFA) möglich.
Verlauf Nach Absetzen der oralen Antikonzeptiva kommt es in 20 % zur Regression des Tu-
mors, allerdings ist auch bei Regression nach Absetzen von Antikonzeptiva eine
maligne Entartung nicht auszuschließen.
Literatur Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
Kubicka S, Tannapfel A. Solide gutartige Lebertumoren und tumorartige Läsionen. In: Messmann H (Hrsg.).
Klinische Gastroenterologie. Stuttgart: Thieme Verlag 2012
Mathieu D, Kobeiter H, Maison P et al. Oral contraceptive use and focal nodular hyperplasia of the liver.
Gastroenterology 2000; 118: 560–564
Pathologie Solitär (70 %) und multipel (30 %) auftretend; meist 1–4 cm groß; Verteilung auf
beide Leberlappen gleich. Verschieden große vaskuläre Hohlräume, mit Endothel
ausgekleidet und durch Bindegewebssepten getrennt.
450 7 Leber
Epidemiologie Häufigster gutartiger Lebertumor, 0,5–7 % in Autopsien, Frauen etwas häufiger be-
troffen.
Verlauf Hämangiomgröße kann bei Einnahme oraler Antikonzeptiva und in der Schwan-
gerschaft zunehmen.
Literatur Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
Pathologie Solitäres oder multiples Vorkommen; Tumorgröße bis zu 15 cm; scharfe Abgren-
zung, allerdings keine Kapsel.
Assoziierte Hämangiome in anderen Organen; Haut in ca. 50 % der Fälle betroffen. Sind mehr
Erkrankungen als 3 Organe betroffen, spricht man von einer diffusen neonatalen Hämangiomatose.
7.14.5 Leberzysten
Definition Hohlraum, der seröse Flüssigkeit (keine Gallensäuren, kein Bilirubin) enthält und
nicht mit dem Gallengangsystem kommuniziert.
Pathologie Zyste von kuboiden Zellen ausgekleidet, die Galleepithelien ähneln. Kleine Zysten
von intaktem Lebergewebe umgeben; große Zysten können zu einer Atrophie des
umgebenden Lebergewebes führen.
Epidemiologie Prävalenz ca. 1–3 %, in 50 % solitär vorkommend. Frauen häufiger betroffen (1,5–
9:1); familiäre Häufung vorhanden, können auch gehäuft mit Pankreaszysten auf-
treten.
Therapie In der Regel keine Therapie indiziert, ggf. Verlaufsbeobachtung. Bei deutlicher
Symptomatik: US-gesteuerte Punktion und Instillation von Ethanol (PEI) oder la-
paroskopische Zystenentdachung.
Literatur Temmerman F, Missiaen L, Bammens B et al. Systemic review: the pathophysiology and management of
polycystic liver disease. Aliment Pharmacol Ther 2011; 34: 702–713
7.14.7 Von-Meyenburg-Komplex
Definition Biliäre Mikrohamartome, Teil des Spektrums der adulten Form der polyzystischen
Lebererkrankung.
Pathologie Multiple grauweiße Noduli, die aus kleinen, irregulären Gallengängen mit Zylin-
derepithel und hyalinem fibrösen Stroma bestehen.
Epidemiologie Häufigkeit: in 0,6 % bei Laparotomien und in 0,7 % bei Autopsien entdeckt.
Zusatz
██ US-gesteuerte Feinnadelaspirationszytologie oder -histologie
diagnostik
██ Labor: leichte Erhöhung der γ-Glutamyltransferase
Differenzial Metastase(n).
diagnose
Therapie Keine.
Literatur Mariss J, Gaa J, Wörtler K, Rummeny E. Multiple biliäre Hamartome (von Meyenburg-Komplexe). Radiologie
up2date 2009; 9: 199–202
Pathologie Mit Endothel ausgekleidete, blutgefüllte Räume, die dilatierten Sinusoiden und
Disse-Räumen entsprechen.
Epidemiologie Sehr selten auftretend, auch bei Kleinkindern beschrieben. Kann durch Medika-
mente (Hydroxyurea, Azathioprin, Anabolika u. a.) ausgelöst werden.
Diagnostik ██ Laparoskopie (mit Punktion): im Durchmesser 1–10 mm große Herde von livid-
rötlicher Farbe, die häufig rund sind und konfluieren können.
██ Sonografie, CT, MRT: Herde aufgrund der Größe nicht darzustellen
██ Labor: meist erhöhte Transaminasen
T3b Tumor mit Befall eines größeren Astes der V. portae oder der Vv. hepaticae
N1 Regionäre Lymphknoten
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
Stadium IIIC T4 N0 M0
Epidemiologie Weltweit ist das HCC der siebthäufigste (bei Männern) und der neunthäufigste (bei
Frauen) maligne Tumor: Bei den tumorbedingten Todesursachen steht es an der 3.
Stelle. In Mitteleuropa relativ geringe, aber stark steigende Inzidenzrate bei Män-
nern (6:100 000) und bei Frauen (2:100 000). In Ländern mit hohen Inzidenzraten
(Afrika, China) Häufigkeitsgipfel bei ca. 50 Jahren, in Ländern mit niedriger Inzi-
denzrate bei ca. 70 Jahren.
Risikofaktoren:
██chronische Hepatitis-B- und -C-Infektion
██Leberzirrhose (s. a. assoziierte Erkrankungen)
██Medikamente: Kontrazeptiva, Androgene, Anabolika, Methotrexat, Methyldopa,
Zyprotoronacetat
7.15 Maligne Tumoren der Leber 455
A3 0 1 Herd, I PHT
<5 cm Bilirubin erhöht
Child-Pugh-Stadium) zutreffen.
Klinische Bauchschmerzen (in ca. 80 %), Hepatomegalie (ca. 75 %), Gewichtsverlust (ca. 50 %),
Charakteristika körperliche Schwäche (ca. 35 %), Aszites (ca. 50 %), Ikterus (ca. 20 %).
456 7 Leber
/HEHUUXQGKHUGLQ=LUUKRVHOHEHUEHL8OWUDVFKDOO
9RUJHKHQMHQDFK :LHGHUKROXQJGHU
*U|HGHU/lVLRQ %LOGJHEXQJXQGRGHU%LRSVLH
SRVLWLY QHJDWLY
%HKDQGOXQJGHV+&&
Abb. 7.8 Diagnostischer Algorithmus des HCC bei Patienten mit Leberzirrhose und neu aufgetretener Raumforderung
(Quelle: Greten 2010).
Differenzial Regeneratknoten bei Patienten mit Leberzirrhose, benigner Lebertumor (z. B. Ade-
diagnose nom, fokal noduläre Hyperplasie), Metastase, peripheres cholangiozelluläres Kar-
zinom.
Früherkennung Überwachung mit AFP und Ultraschall alle 6 Monate bei Patienten mit erhöhtem
HCC-Risiko (Hepatitis-B-/C-Infektion, alkoholische Leberzirrhose, Hämochromato-
se, primär biliäre Zirrhose) (nach Schacherer et al. 2007).
singulär 3 Knoten ≤ 3 cm
PVD/Bilirubin
LTx
Resektion PEI/RFA TACE Sorafenib BSC
(CLT/LDLT)
Abb. 7.9 Algorithmus zur Therapie des hepatozellulären Karzinoms nach Vorschlag der EASL in Abhängigkeit vom
BCLC-Score. (PS = Performance Status, PVD = Portalvenendruck; CLDT = Post-Mortem-Lebertransplantation, LDLT =
Lebendspender-Lebertransplantation, PEI = perkutane Ethanolinjektion, RFA = Radiofrequenzablation, TACE = transar
terielle Chemoembolisation, BSC = best supportive care) (Quelle: Greten et al. 2006).
458 7 Leber
Verlauf 5-Jahres-Überlebensrate:
██nach Resektion: 22–40 % (in Deutschland)
██nach Transplantation: bei UICC I/II >50 %, bei UICC III ca. 30 %, bei UICC IV ca. 13 %
Literatur Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
El Sarag HB. Current concepts: hepatocellular carcinoma. N Engl J Med 2011; 365: 1118–1127
Erhardt A, Zhu E, Blondin D et al. Zunahme und verbessertes Überleben des hepatozellulären Karzinoms im
Zeitraum von 1988-2007: Daten einer deutschen Universitätsklinik. Z Gastroenterol 2011; 49: 720–727
Greten TF, Blum HE, Manns MP et al. Therapie des hepatozellulären Karzinoms. ZGastroenterol 2006; 44: 43–49
Greten TF. Hepatozelluläres Karzinom. Gastro Up2Date 2010; 6: 123-131
Kolligs FT, Hoffmann RT, op den Winkel M et al. Diagnose und multimodale Therapie des hepatozellulären
Karzinoms. Z Gastroenterol 2010; 48: 274–288
Llovet JM, Ricci S, Mazzaferro V et al. Sorafenib in advanced hepatocellular carcinoma. N Engl J Med 2008;
359: 378–390
Schacherer D, Schölmerich J, Zuber-Jerger I. Diagnostik des hepatozellulären Karzinoms. Z Gastroenterol
2007; 45: 1067–1074
Trojan J, Hammerstingl R, Strey CW et al. Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik und Therapie des
hepatozellulären Karzinoms. Dtsch Ärztebl 2007; 104: A3333–3336
Epidemiologie Auftreten deutlich früher als beim HCC (5–35 Jahre). Inzidenz: ca. 0,1:100 000/Jahr.
Assoziierte
Erkrankungen Keine.
7.15 Maligne Tumoren der Leber 459
7.15.3 Hepatoblastom
Definition Maligner Lebertumor, der in der Regel im Kleinkindesalter auftritt.
CT
██
MRT
██
Verlauf Falls eine kurative Operation nicht möglich ist, ist die Prognose sehr schlecht.
7.15.4 Angiosarkom
Synonyme Malignes Hämangioendotheliom, hämangioendotheliales Sarkom, Kupffer-Zell-
Sarkom.
Patho Nach Exposition von Thorotrast (20–25 % ThO2-Lösung), Vinylchlorid und Arsenex-
mechanismus position Auftreten häufiger, Latenz 10–40 bzw. 12–29 Jahre.
Epidemiologie Sehr niedrige Inzidenz: ca. 0,01:100 000, 25 Fälle in USA pro Jahr; Auftreten in der
6. und 7. Lebensdekade; Männer häufiger betroffen (3:1).
Diagnostik
██ Sonografie: inhomogener, eher echoreicher, gut vaskularisierter Tumor
██ CT (Angio-CT): Methode der Wahl
Therapie ██ Chirurgische Resektion: wegen der Größe und des multifokalen Auftretens häu-
fig nicht möglich
██ Chemotherapie: nicht effektiv
██ Strahlentherapie: nicht effektiv
Verlauf Insgesamt sehr schlechte Prognose wegen rascher Metastasierung in die Lunge und
in die Knochen.
Eine Variante mit besserer Prognose stellt das epitheloide Hämangiosarkom dar
(5-Jahres-Überlebensrate ca. 50 %).
7.15.5 Lebermetastasen
Definition Sekundäre maligne Lebertumoren bei unterschiedlichen Primärtumoren.
CUP-Syndrom („cancer of unknown primary“): Metastase bei unbekanntem Pri-
märtumor.
Wegweisende ██ Sonografie: Zuordnung häufig durch Einsatz der KM-Sonografie möglich. Cha-
Diagnostik rakteristisch ist eine Minderanreicherung in der portalvenösen Phase (Aus-
wasch-Phänomen) und eine hypervaskularisierte Peripherie (rim sign). Defini-
tive Diagnose mit US-gesteuerter Feinnadelaspirationszytologie bzw. -histologie
möglich
██ CT: Sensitivität etwa gleich wie beim Ultraschall
██ MRT: alternativ einzusetzendes bildgebendes Verfahren
Literatur Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
7.16 Autoimmunhepatitis
Definition Chronische Entzündung der Leber, die durch eine periportale Hepatitis und organ-
spezifische oder -unspezifische Autoantikörper im Serum charakterisiert ist.
Genetik ██ Typ 1: assoziiert mit HLA-B8, HLA-DR3 (frühe Manifestation, aktiver Verlauf),
HLA-DR4
██ Typ 2: assoziiert mit HLA-DR3
Epidemiologie Manifestation: zwischen 10 und 30 Jahren sowie zwischen 40 und 55 Jahren, Frau-
en häufiger betroffen (4:1).
Klinische Leichte Ermüdbarkeit (85 %), Polymyalgie (30 %); Hepatomegalie (78 %), Leberschmerz
Charakteristika (48 %); dunkler Urin/ entfärbter Stuhl (77 %), Spider naevi (58 %); tastbare Milz (40 %);
extrahepatische Manifestationen häufig (ca. 60 %): Arthritis, Hauteffloreszenzen.
ANA = Antikörper gegen Kernantigene; SMA = Antikörper gegen glatte Muskulatur; LKM =
Liver-Kidney mikrosomale Antikörper; SLA = Antikörper gegen lösliches Leberantigen; AIH =
autoimmune Hepatitis
462 7 Leber
Wegweisende Diagnose nach Score-System der International Autoimmune Hepatitis Group (Tab.
Diagnostik 7.6).
Serologie:
██Typ 1: quantitativer Nachweis (Titer ≥1:40) von antinukleären Antikörpern
(ANA) (Prävalenz im Gesamtkollektiv 40–60 %), Nachweis von Antikörpern gegen
glatte Muskulatur (SMA) (Prävalenz im Gesamtkollektiv 40–50 %)
██Typ 2: quantitativer Nachweis (Titer ≥1:40) von LKM-Antikörpern (Antikörper
gegen Mikrosomen aus Leber oder Niere, Zielantigen: Cytochrom P450 2D6; Prä-
valenz im Gesamtkollektiv <5 %)
██Typ 3: qualitativer Nachweis von Antikörpern gegen SLA oder gegen Leber-Pank-
reas-Antigen (Anti-LP; Prävalenz im Gesamtkollektiv 15–30 %)
██bei bis zu 10 % der Patienten mit Autoimmunhepatitis sind die Standard-Auto-
antikörper negativ
██Overlap-Syndrom: in etwa 10 % der Fälle sind die diagnostischen Kriterien für
eine primär biliäre Zirrhose gegeben.
Therapie Monotherapie: Prednisolon (z. B. Decortin H), Dosierung 1 mg/kg KG über 1 Wo-
che, dann wöchentliche Reduktion um 10 mg bis 30 mg/Tag, weitere Reduktion in
5-mg-Schritten bis zur Erhaltungsdosis (Titration nach Krankheitsaktivität).
Kombinationstherapie: wie Monotherapie; wenn Diagnose der autoimmunen He-
patitis als gesichert anzusehen ist, zusätzlich Azathioprin (Dosierung 1–1,5 mg/kg
KG/Tag).
Erhaltungstherapie: Durchführung über mindestens 3 Jahre, entweder Kombina-
tion aus Prednisolon 2,5–10 mg/Tag und Azathioprin 1 mg/kg KG/Tag oder Mono-
therapie mit Prednisolon unter 10 mg/Tag bzw. Azathioprin bis 2 mg/kg KG/Tag.
Bei weniger aggressiven Verläufen und Unverträglichkeit gegenüber Azathio-
prin: Behandlung mit Mycophenolat Mofetil (MMF) möglich.
Neuer Ansatz mit Budesonid: In einer großen internationalen Studie war Budeso-
nid (9 mg/Tag) effektiver als Prednison. Allerdings wurde das Glukokortikoid nur in
einer Dosis von 40 mg eingesetzt.
Verlauf In 70 % der Fälle Ansprechen auf Mono- oder Kombinationstherapie innerhalb von
2 Jahren. Die Lebenserwartung im Falle der chronischen Hepatitis ohne Zirrhose
liegt nach 5 und 10 Jahren über 90 %, bei den Fällen mit Zirrhose bei Diagnosestel-
lung nach 5 Jahren bei 80 %, nach 10 Jahren bei 65 %. Heilungsrate insgesamt bei
ca. 15 %.
7.17 Primär biliäre Zirrhose 463
Langzeit
██ Zirrhose mit Komplikationen
komplikationen
██ hepatozelluläres Karzinom (in 7 % der Patienten mit autoimmuner Hepatitis und
Zirrhose)
██ Medikamentennebenwirkung: Adipositas, Osteoporose, Diabetes mellitus
Literatur Hennes EM, Zeniya M, Czaja AJ et al. International Autoimmune hepatitis group. Simplified criteria for the
diagnosis of autoimmune hepatitis. Hepatology 2008; 48: 169–176
Krawitt EL. Autoimmune hepatitis. N Engl J Med 2006; 354: 54–66
Lüth S, Weiler-Normann C, Schramm C, Lohse AW. Autoimmunerkrankungen der Leber. Internist 2009; 50:
310–317
Manns MP, Woynarowski M, Kreisel W et al. Budesonide induces remission more effectively than predniso-
ne in a controlled trial of patients with autoimmune hepatitis. Gastroenterology 2010; 139: 1198–1206
Definition Die primär biliäre Zirrhose (PBC) ist eine chronische cholestatische Lebererkran-
kung ungeklärter Ätiologie, die zu einer Destruktion der intrahepatischen Gallen-
gänge führt.
Sonderform Autoimmuncholangitis (Synonym: autoimmune Cholangiopathie):
unterscheidet sich nur durch den Nachweis von ANA und SMA bei fehlenden anti-
mitochondrialen Ak (AMA-negativ).
Patho Nicht eindeutig geklärt; die zellulären Immunreaktionen sind wahrscheinlich von
mechanismus größerer Bedeutung als die humoralen.
Pathologie 4 Stadien:
██I: pericholangioläre Infiltrate mit Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen
██II: Gallengangproliferationen in den Periportalfeldern
██III: ausgeprägte Fibrose mit Ausbildung von Septen
██IV: Leberzirrhose mit Regeneratknoten
Genetik Genetische Disposition wahrscheinlich; 7,4 % der gesunden Verwandten haben an-
timitochondriale Antikörper (AMA), 11 % Antikörper gegen glatte Muskulatur und
16 % antinukleäre Antikörper.
Klinische Pruritus (ca. 50 %), Müdigkeit (ca. 50 %), Spider naevi (ca. 30 %), Ikterus (ca. 20 %).
Charakteristika
Verlauf Durch Behandlung mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) wurde eine Besserung labor-
chemischer und histologischer Parameter, ein vermindertes Auftreten von Kom-
plikationen und eine Verlängerung des transplantationsfreien Überlebens beob-
achtet. Kontrolliert wird die Therapie durch Anamnese, klinische Untersuchung
und Laborwerte (Bilirubin, AP, γ-GT, GPT, Quick, Albumin). Verschiedene Modelle
zur Prognoseabschätzung wurden publiziert, wobei das Mayo-Modell die weites-
te Verbreitung erlangt hat (Parameter: Alter, Bilirubin, Albumin, Prothrombinzeit,
Ödeme). Die Lebertransplantation verbessert die Langzeitprognose dramatisch.
Literatur Kaplan MM, Gershwin ME. Primary biliary cirrhosis. N Engl J Med 2005; 353: 1261–1273
Leuschner U, Manns MP, Eisebitt R. Ursodeoxycholic acid in the therapy for primary biliary cirrhosis on
progression and prognosis. Z Gastroenterol 2005; 43: 1051–1059
Lüth S, Weiler-Normann C, Schramm C, Lohse AW. Autoimmunerkrankungen der Leber. Internist 2009; 50:
310–317
7.18 Primär sklerosierende Cholangitis 465
Definition Die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine chronische cholestatische Le-
bererkrankung mit fibrosierender Entzündung der extrahepatischen und/oder in-
trahepatischen Gallenwege.
Epidemiologie Prävalenz 1–5:100 000 Einwohner, Männer häufiger betroffen (2–3:1), mittleres
Manifestationsalter 40 Jahre.
Differenzial IgG4-assoziierte Cholangitis (nur durch das erhöhte IgG4 zu unterscheiden, im-
diagnose munsuppressive Behandlung), sekundär sklerosierende Cholangitis, primär biliäre
Zirrhose, cholangiozelluläres Karzinom, idiopathische Duktopenie.
Therapie Lebertransplantation:
versagen ██1-Jahres-Überlebensrate 80–90 %; 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 80 %, sofern
kein Karzinom vorgelegen hat. Indikation zur Transplantation ist zu erwägen,
wenn Bilirubinwert >5 mg%, jedoch keine „prophylaktische“ Lebertransplanta-
tion bei Nichtvorliegen einer Zirrhose oder einer hepatischen Dekompensation
██technisch häufig erschwert durch vorausgegangene abdominelle Operationen
(in ca. 60 % der Fälle) und problematische Anastomosierung des Gallengangs
██Wiederauftreten der primär sklerosierenden Cholangitis im Transplantat in Ein-
zelfällen beschrieben, unter Immunsuppression meist blander Verlauf
Verlauf Die durchschnittliche Überlebenszeit bzw. bis zur Transplantation liegt zwischen
12 und 17 Jahren. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei asymptomatischen Pa-
tienten 80–90 %, bei symptomatischen Patienten 30–50 %. Es besteht kein Einfluss
der Proktokolektomie bei Colitis ulcerosa auf den Verlauf der PSC. Häufig kommt
es zu rezidivierenden Cholangitiden mit Risiko des Leberabszesses und von Abs-
zessen in anderen Organen.
Literatur Björnsson E, Olsson R, Bergquist A et al. The natural history of small-duct primary sclerosing cholangitis.
Gastroenterology 2008; 134: 975–980
Dignass A, Preiß JC, Autschbach F et al. Aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Colitis ulcero-
sa 2011 – Ergebnisse einer Evidenzbasierten Konsensuskonferenz. Z Gastroenterol 2011; 49: 1276–1341
Lüth S, Weiler-Normann C, Schramm C, Lohse AW. Autoimmunerkrankungen der Leber. Internist 2009;
50:310–317
Schramm C, Gotthardt D, Spengler U et al. Primär sklerosierende Cholangitis. Herausforderungen gemein-
sam meistern. Z Gastroenterol 2011; 49: 63–65
7.19 Alkoholhepatitis 467
7.19 Alkoholhepatitis
Definition Akute, schwere, mit Ikterus einhergehende Erkrankung; allerdings auch blande
Verläufe vorkommend (ASH).
Patho Die mitochondriale Oxidation von Ethanol zu Acetaldehyd und Acetat führt zu
mechanismus einem Verbrauch von ATP und NAD, das zu einer Änderung des Redoxstatus, zu
einer Hemmung des Zitratzyklus, der Fettsäurenoxidation, der Glukoneogenese
(Neigung zu Hypoglykämie!) führt und einen Anstieg des Laktats nach sich zieht.
Zusätzliche Mechanismen der Hepatotoxizität liegen in der direkten toxischen
Wirkung der Metabolite und des Acetaldehyds, das kovalente Bindungen mit Zell-
proteinen eingeht. Über die Metabolisierung des Alkohols über das mikrosomale
ethanoloxidierende System (MEOS) entstehen vermehrt Radikale. Die durch Etha-
nol induzierte Nekrose und Entzündung triggern die Fibrogenese.
Genetik Eine genetische Prädisposition für Alkoholkrankheit und für die Entwicklung alko-
holischer Leberschäden wird angenommen.
Epidemiologie Starker Alkoholkonsum über Jahre führt nur in ca. 25 % der Fälle zu einer Alkohol-
hepatitis bzw. -zirrhose. Die Morbidität eines alkoholischen Leberschadens steigt
bei einem täglichen Alkoholgenuss von 40 g beim Mann und ca. 20 g bei der Frau
an. In Deutschland ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol auf 10,4 l/Jahr mit paral-
lelem Verlauf der Zirrhosemortalität (27/100 000 pro Jahr) gestiegen.
Therapie Lebertransplantation: Die Indikation ist durch die Tatsache stark eingeschränkt,
versagen dass eine Alkoholabstinenz von 6 Monaten gefordert wird. Liegt die Zeit der Alko-
holabstinenz darunter, ist mit einer Rezidivrate der Alkoholkrankheit von 65 % zu
rechnen.
Literatur Mathurin P, Duchatelle V, Ramond MJ et al. Survival and prognostic factors in patients with severe alcoholic
hepatitis treated with prednisolone. Gastroenterology 1996; 110: 1847–1853
Seitz HK. Wie viel Alkohol macht krank? Trägt Alkohol zur Gesundheit bei? Dtsch Ärztebl 2000; 97: A1538
Akriviadis E, Botla R, Briggs W et al. Pentoxifylline improves short-term survival in severe acute alcoholic
hepatitis: a double-blind, placebo-controlled trial. Gastroenterology 2000; 119: 1637–1648
Lucey MR, Mathurin P, Morgan TR. Alcoholic hepatitis. N Engl J Med 2009; 360: 2758–2769
7.20 N
icht alkoholische Fettleber und
Fettleberhepatitis
Definition Die nicht alkoholische Fettleber (NAFLD) und Fettleberhepatitis (nicht alkoholi-
sche Steatohepatitis, NASH) stellen eine Verfettung der Leber durch andere Ursa-
chen als Alkohol dar.
Patho Prädisposition führt bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen über freie Radikale
mechanismus zur Fettleberhepatitis („Two-Hit“-Hypothese).
Epidemiologie Häufigkeit nimmt mit steigendem Körpergewicht deutlich zu; höchste Prävalenz
in der 5. Lebensdekade.
7.21 Leberzirrhose 469
Wegweisende Sonografie: Nachweis der deutlich höheren Echogenität der Leber im Vergleich
Diagnostik zur rechten Niere
██Leberhistologie: Differenzierung NAFLD versus NASH schwierig, zum Staging
und Grading der Erkrankung, nur bei therapeutischer Konsequenz
██Klare Evidenz für Alkoholabstinenz (<40 g/Woche)
██serologischer Ausschluss einer Virushepatitis
Therapie Behandlung der Grundkrankheit, bisher keine etablierte Therapie (in Studien z. B.
Glitazone, Ursodeoxycholsäure, Vitamin E).
Verlauf Gute Prognose der NAFLD, Progredienz in NASH in <10 %, Mortalitätsrate nicht un-
terschiedlich zur Normalbevölkerung.
10–30 % Übergang der NASH in Zirrhose, NASH wahrscheinlich häufigste Ursache
der kryptogenen Zirrhose, erhöhtes Risiko für hepatozelluläres Karzinom.
Literatur Belfort R, Harrison SA, Brown K et al. A placebo-controlled trial of pioglitazone in subjects with nonalcoho-
lic steatohepatitis. N Engl J Med 2006; 355: 2297–2307
Sanyal AJ, Chalasani N, Kowdley KV et al. Pioglitazone, vitamin E, or placebo for nonalcoholic steatohepati-
tis. N Eng J Med 2010; 362: 1675–1685
Streetz, Tacke K. Nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) – Ursachen, Diagnostik und Therapie. Gastro
Up2Date 2010; 6: 173–188
7.21 Leberzirrhose
Definition Chronische, das gesamte Organ betreffende Erkrankung der Leber, die mit Paren-
chymnekrosen, Bindegewebsvermehrung, Parenchymregeneration sowie Störung
der Läppchenstruktur und der Gefäßversorgung einhergeht.
Patho Wichtigste Ursachen: Alkohol, NASH, Arzneimittel, Chemikalien (s. Kap. 7.30, Che-
mechanismus misch-toxischer Leberschaden); Virushepatitis B, C, D; Autoimmunhepatitis; pri-
mar biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis; Hämochromatose; Mor-
bus Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel.
Epidemiologie Inzidenz ca. 250:100 000/Jahr; Männer häufiger betroffen (2:1); fünfthäufigste To-
desursache bei 45- bis 64-Jährigen.
Wegweisende Im klinischen Alltag wird der Verdacht auf Leberzirrhose häufig erst bei Kompli-
Diagnostik kationen wie Aszites, Ikterus, Varizenblutung oder in den bildgebenden Verfahren
(Sonografie, CT) gestellt.
Sonografie: wellige Kontur, inhomogene Struktur, Verplumpung des Lobus cauda-
tus, Rarefizierung der Lebervenen, Dilatation der Pfortader, Nachweis von Umge-
hungskreisläufen (Cruveilhier-von Baumgarten-Syndrom); Splenomegalie
CT, MRT: Einsatz erst nach sorgfältiger Sonografie; Nachweis der welligen Kontur,
Entdeckung eines hepatozellulären Karzinoms
(Mini-)Laparoskopie: Goldstandard, ist nicht notwendig, wenn ohne therapeuti-
sche Konsequenz bereits Komplikationen vorliegen oder bildgebende Verfahren
sichere Zeichen ergeben; Alternative: Leberpunktion nach Menghini. Bei Patienten
mit Kontraindikationen (erhöhtes Blutungsrisiko, Antikoagulation) kann zur Beur-
teilung des Fibrosestadiums, wenn verfügbar, die transiente Elastografie (Fibros-
can) eingesetzt werden (Friedrich-Rust u. Zeuzem 2007).
Verlauf Vom Stadium der Leberzirrhose abhängig (Einteilung nach Child-Pugh, Tab. 7.7).
Literatur Friedrich-Rust M, Zeuzem S. Nicht invasive Beurteilung des Leberfibrosestadiums mit der transienten Elas-
tographie (Fibroscan): Aktueller Stand und Perspektiven. Z Gastroenterol 2007; 45: 387–394
Gundling F. Chronische Lebererkrankungen und Ernährung. Med Welt 2011; 62: 195–199
Rodríguez-Roisin R, Krowka MJ. Hepatopulmonary syndrome – a liver-induced lung vascular disorder. N
Engl J Med 2008; 358: 2378–2387
Tripodi A, Mannucci PM. The coagulopathy of chronic liver disease. N Engl J Med 2011; 365: 147–156
Wittenburg H, Tennert U, Berg T. Komplikationen der Leberzirrhose. Internist 2011; 52: 1061–1072
7.22 P
ortale Hypertension und gastrointestinale
Blutung
Definition Anhaltender Anstieg des Pfortaderdrucks auf >7 mmHg und/oder des transhepati-
schen Druckgradienten auf >5 mmHg.
III Durchmesser >5 mm oder mehr als ein Drittel des Lumens einnehmend
IV Varizen mit Blutungsstigmata oder mehr als zwei Drittel des Lumens einnehmend
472 7 Leber
Abb. 7.10
Algorithmus zum V. a. Varizenblutung
Vorgehen bei Klinik + Vorgeschichte
akuter Varizen
blutung (Quelle:
Sauerbruch u.
Schepke 2004).
Terlipressin
Kurzinfusion
Antibiotikum i. v.
Ösophago-gastro-duodenoskopie
Blutstillung ⊖ Blutstillung ⊕
2. therapeutische
Endoskopie
Zusatz Sonografie:
diagnostik
██Nachweis einer Splenomegalie und Dilatation der Pfortader (>13 mm)
██Nachweis von Umgehungskreisläufen (Cruveilhier-von-Baumgarten-Syndrom),
einer kavernösen Transformation der Pfortader, einer Rekanalisierung der V.
umbilicalis
Abb. 7.11
Algorithmus zur erfolgreich behandelte
Rezidivprophylaxe akute Varizenblutung
nach behandelter
Varizenblutung
(Quelle: Sauer Patienten mit refraktärem
bruch u. Schepke Aszites und
2004). Bilirubin < 3 mg/dl
HVPG: Leber
venenverschluss
druck; LTX: Leber
Ligatur (plus Propranolol?)
transplantation
oder
Propranolol, wenn HVPG um > 20 %
oder unter 12 mmHg gesenkt werden kann
signifikante Rezidivblutung
schlechter
Child B/C Child A
Child C
TIPS TIPS
und oder
LTX-Evaluation chirurgischer Shunt
474 7 Leber
Medikamente:
Terlipressin (1–2 mg initial, weiter mit 1 mg alle 4–6 h)
██
Abb. 7.12
Algorithmus zum (UVWGLDJQRVH/HEHU]LUUKRVH
Vorgehen bei
Erstdiagnose Le
berzirrhose und
Varizen Quelle:
Sauerbruch u. gVRSKDJR
Schepke 2004). JDVWUR
GXRGHQRVNRSLH
6WDQGDUG 3URSUDQRORO
NRQWUDLQGLNDWLRQ
3URSUDQRORO HQGRVNRSLVFKH
SR /LJDWXU
3URSUDQRORO
XQYHUWUlJOLFKNHLW
KlPRG\QDPLVFKHU
1RQ5HVSRQGHU
7.23 Aszites (hepatogen) 475
Kontrain
██ Absolut: kavernöse Transformation der Pfortaderthrombose; hepatopulmonales
dikationen TIPS Syndrom
██ Relativ: hepatische Enzephalopathie, Leberinsuffizienz (Bilirubin >3 mg/dl)
Nichtselektiver Betablocker:
██Propranolol (z. B. Dociton): Dosierung zur Reduktion der Herzfrequenz um 25 %
(einschleichend dosieren, Tagesdosis 80–120 mg), bei ausgewählten Patienten
mit guter Compliance und großen Varizen (Grad III/IV, vgl. Stadieneinteilung).
██Carvedilol (z. B. Dilatrend): in Studien in einer Dosierung von 12,5 mg (1-mal 1/
Tag) eingesetzt.
Varizenligatur: bei ausgewählten Patienten mit großen Varizen (Grad III/IV, vgl.
Stadieneinteilung) möglich als Primärprophylaxe.
Literatur Garcia-Tsao G, Bosch J. Management of varices and variceal hemorrhage in cirrhosis. N Engl J Med 2010;
362: 823–832
Garcia-Pagán JC, Caca K, Bureau C, Laleman W et al. Early use of TIPS in patients with cirrhosis and variceal
bleeding. N Engl J Med 2010; 362: 2370–2379
Rössle M. Der transjuguläre intrahepatische portosystemische Shunt (TIPS) bei der Ösophagusvarizenblu-
tung. S. 276–282 (Empfehlungen der Sektion Endoskopie der DGVS) (http://dgvs.de/media/5.6.TIPS.pdf)
Sauerbruch T, Schepke M. Primäre und sekundäre Prophylaxe der Ösophagusvarizenblutung. DMW 2004;
129: S68–70
Schepke M, Sauerbruch T. Einsatz der Endoskopie bei Patienten mit Ösophagusvarizen, S. 76–82 (Empfeh-
lungen der Sektion Endoskopie der DGVS) (http://dgvs.de/media/2.3.Oesophagusvarizen.pdf)
Schepke M. Stellenwert der medikamentösen Pfortaderdrucksenkung im Therapiekonzept der Varizenblu-
tung. DMW 2009; 134: 1823–1827
Tripathi D, Ferguson JW, Kochar N et al. Randomized controlled trial of carvedilol versus variceal band ligati-
on for the prevention of the first variceal bleed. Hepatology 2009; 50: 823–833
Patho ██ erhöhter hydrostatischer Druck durch portale Hypertension; Erhöhung des por-
mechanismus talvenösen Drucks führt zu einer Freisetzung von NO und Vasodilatation, die
eine vermehrte Natriumretention und einen Anstieg des Intravasalvolumens
auslöst (moderne Erklärung der alten „Underfill-“ und „Overflow“-Theorien)
██ erniedrigter kolloidosmotischer Druck bei Hypalbuminämie; Störung der Kapil-
larpermeabilität
██ Insuffizienz der Lymphdrainage
Klinische Zunahme des Bauchumfangs, häufig Nabelhernien, Luftnot (bei massivem Aszites).
Charakteristika
Diagnostik und Siehe Kap. 1.16 Aszites.
Differenzial
diagnose
476 7 Leber
Therapie Besteht in der Regel immer. Die Dringlichkeit der Therapie steigt mit zunehmender
indikation Symptomatik. Ziel ist die symptomatische Kontrolle, nicht das vollständige Ver-
schwinden des Aszites.
Therapie Parazentese: s. o.
versagen Peritoneovenöser Shunt (PVS): Gefahr der Gerinnungsstörungen, Infektion, Sep-
(diuretikare sis, Shuntversagen durch Verstopfen der Ventilkammer und Thrombosierung des
fraktärer venösen Schenkels, deshalb weitgehend verlassene Methode.
Aszites) Transjugulärer intrahepatischer Stentshunt (TIPS): zunehmend empfohlene Me-
thode beim diuretikarefraktären Aszites, in 66 % der Fälle totale Mobilisation des
Aszites. Kontraindikation bei chronischer hepatischer Enzephalopathie > Grad 1
und Serum-Bilirubin >5 mg/dl.
Lebertransplantation
Verlauf Auftreten von Aszites mit einer Letalität von 50 % in 2 Jahren behaftet.
Literatur Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, et al. S3-Leitlinie “Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
Syndrom”. Z Gastroenterol 2011; 49: 749–779
Zipprich A, Dollinger M. Leitliniengerechte Diagnostik und Therapie des Aszites. Gastro Up2Date 2011; 7:
205–222
7.25 Spontan bakterielle Peritonitis 477
Epidemiologie Tritt bei 4–10 % der Patienten mit Zirrhose auf. In der Mehrzahl der Fälle rechts-
seitig (70 %), seltener bilateral (18 %) oder linksseitig (12 %). I. d. R. Entwicklung des
Hydrothorax bei vorstehendem Aszites. In Einzelfällen ist ein Auftreten auch iso-
liert aufgrund des negativen intrathorakalen Druckes möglich.
Klinische Dyspnoe, Husten, Zeichen der dekompensierten Leberzirrhose, Zeichen der Über-
Charakteristika wässerung.
Diagnostik ██ Röntgen-Thorax
██ Ultraschall
██ Diagnostische Pleurapunktion mit Bestimmung der Zellzahl (mit Zelldifferen-
zierung) und Eiweißkonzentration unter sonografischer Kontrolle
Therapie ██ Medikamentöse Behandlung wie bei der Aszites (s. Kap. 7.23)
██ Bei Vorhandensein von Aszites zunächst Parazentese des Aszites
██ Bei weiter bestehenden Symptomen therapeutische Thorakozentese
–– max. 1,5–2 l/Punktion (ohne Volumensubstitution
Literatur García-Pagán JC, Caca K, Bureau C et al. Early use of TIPS in patients with cirrhosis und variceal bleeding. N
Engl J Med. 2010; 362: 2370–2377
Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, Wiest R, Appenrodt B, Bahr MJ, Dollinger MM, Rössle M, Schepke M.
S3-Leitlinie „Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales Syndrom“. Z Gastroenterol 2011;
49:749–779
Definition Bakterielle Entzündung der Peritonealhöhle ohne Hinweis auf eine anderweiti-
ge intraabdominelle Ursache der Infektion (z. B. Cholezystitis, Divertikulitis etc.),
Peritonealmetastasen oder Tuberkulose. Im Punktat >250 polymorphonukleäre
(PMN)-Zellen, d. h. neutrophile Granulozyten, pro mm3.
██Ein Bakteraszites ist definiert als mikrobiologischer Nachweis einer Kolonisation
des Aszites mit Bakterien ohne erhöhte PMN-Zahl im Aszites (<250 PMN/mm3).
Epidemiologie Im ambulanten Sektor liegt die Prävalenz einer spontanen bakteriellen Peritonitis
(SBP) bei asymptomatischen Patienten bei 3,5 %, im hospitalisierten Krankengut
bei 8–36 %.
478 7 Leber
Risikofaktoren:
██SBP in der Vorgeschichte
██gastrointestinale Blutung
██niedriger Gesamteiweißgehalt im Aszites (<1,5 g/dl)
██Bilirubinerhöhung (>3,2 mg/dl)
██Thrombozytopenie (<98 000/ mm3)
██steigender MELD-Score
██Einsatz von Protonenpumpenhemmern
Therapie Besteht in der Regel immer. Die Dringlichkeit der Therapie steigt mit zunehmen-
indikation der Symptomatik. Ziel ist die symptomatische Kontrolle und der Abfall der PMN im
Aszites <250/mm3.
Therapie ██ Chinolon oral (z. B. Ciprofloxacin (2×500 mg), Levofloxacin): nur bei ambulanter
unkomplizierter Erstmanifestation einer SBP
██ Cephalosporin der Gruppe 3a (Ceftriaxon (1×2 g), Cefotaxim): i. v.-Gabe bei kom-
plizierter SBP, sequenzielle Therapie bei klinischer Besserung möglich. Antibioti-
sche Behandlung auf 5 Tage bei klinischer Besserung und Nachweis eines PMN-
Abfalls im Aszites (<250/mm3), Einleitung der Sekundärprophylaxe
██ Sekundärprophylaxe: wegen einer Rezidivrate von 30–68 % innerhalb eines
Jahres mit Chinolon (Alternative: Trimethoprim-Sulfamethoxazol) empfohlen.
Die meisten Daten liegen für das Norfloxacin (400 mg/Tag) und Ciprofloxacin
(500 mg/Tag) vor. Bei Verbesserung der Child-Pugh-Klasse und/oder Resolution
des Aszites zeitliche Begrenzung sinnvoll.
Therapie Anpassung der antibiotischen Therapie nach Antibiogramm, wenn die PMN-Zahl
versagen im Aszites nicht unter 250 PMN/mm3 sinkt.
Verlauf Die Krankenhausmortalität einer ersten SBP-Episode liegt bei 10–50 %. Die 1-Jah-
res-Mortalität nach Auftreten einer ersten SBP wird mit 31–93 % angegeben.
Risikofaktoren:
██Alter
██Child-Pugh-Score
██Intensivaufenthalt
██Nosokomiale SBP
██Hepatische Enzephalopathie
██Serum-Kreatinin
██Serum-Bilirubin
Die Mehrzahl der Studien ist mit Chinolonen durchgeführt worden. Wegen der
besseren Bioverfügbarkeit ist Ciprofloxacin (500 mg/Tag) Norfloxacin vorzuziehen.
Möglicherweise ist Trimethoprim-Sulfamethoxazol ähnlich effektiv (Dauer: 3 Mo-
nate bietet Vorteil).
Literatur Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, et al. S3-Leitlinie “Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
Syndrom”. Z Gastroenterol 2011; 49: 749–779
Runyon BA. Ascites and spontaneous bacterial peritonitis. In: Gastrointestinal and Liver Disease (Feldman
M, Friedman LS, Brandt LJ, eds.) Saunders Elsevier, 9th ed. 2010
Epidemiologie Tritt pro Jahr bei 18 % der Patienten mit Zirrhose und Aszites auf.
–– Terlipressin: Beginn mit 2–4 mg/Tag über mindestens 3 Tage, Dosis bis zu
8–12 mg/Tag.
–– Kontraindikationen:
██ Arterieller Hypertonus
██ Symptomatische koronare Herzerkrankung
██ Herzrhythmusstörungen
██ TIPS: sollte bei allen Patienten mit HRS Typ I und Typ II erwogen werden
Literatur García-Pagán JC, Caca K, Bureau C et al. Early use of TIPS in patients witrh cirrhosis und variceal bleeding. N
Engl J Med. 2010; 362: 2370–2377
Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, et al. S3-Leitlinie “Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
Syndrom”. Z Gastroenterol 2011; 49: 749–779
Ginès P, Schrier RW. Renal failure in cirrhosis. N Engl J Med 2009; 361: 1279–1290
Epidemiologie Häufigkeit der subklinischen Enzephalopathie mit 40–70 % bei Patienten mit Leber-
zirrhose sehr hoch (Beeinträchtigung im Berufsleben, fragliche Fahrtauglichkeit).
Stadium IV Koma
Therapie Besteht auf jeden Fall bei manifester Enzephalopathie; die Therapie der subkli-
indikation nischen Enzephalopathie ist jedoch umstritten; hier muss allerdings beachtet
werden, dass bei den Patienten Einschränkungen in wichtigen Alltagsfunktionen
(Fahrtüchtigkeit) bestehen.
Therapie Lebertransplantation.
versagen
Verlauf Beim fulminanten Leberversagen ist die hepatische Enzephalopathie der für die
Prognose bestimmende Faktor (s. Kap. 7.27).
Literatur Appenrodt B, Trebicka J, Sauerbruch T. Komplikationen der Leberzirrhose. Dtsch Med Wochenschr 2011;
136: 1601–1604
482 7 Leber
Bass NM, Mullen KD, Sanyal A, Poordal F et al. Rifaximin treatment in hepatic encephalopathy. N Engl J Med
2010; 362: 1071–1081
Epidemiologie 200–500 Patienten pro Jahr mit akutem Leberversagen (ALV) in Deutschland (ge-
schätzte Zahl). Im Mittelmeerraum sind 40 % der ALV-Fälle auf hepatotrope Viren,
v. a. HBV, zurückzuführen. In Deutschland liegen nur spärliche Daten vor. An der
Medizinischen Hochschule Hannover wurden bei 102 Patienten (davon 72 % Frau-
en) als häufigste Ursachen das kryptogene ALV (21 %), die akute HBV-Infektion
(18 %) und die akute Paracetamol-Intoxikation (16 %) beschrieben.
Literatur Canbay A, Tacke F, Hadem J, Trautwein C et al. Akutes Leberversagen. Dtsch Ärztebl Int 2011: 108: 714–720
Hadem J, Schneider AS, Manns MP. Pathophysiologie und Therapie des akuten Leberversagens. GastroUp-
2Date 2009; 5: 69–88
Hadem J, Stiefel P, Bahr MJ et al. Prognostic implications of lactate, bilirubin, and etiology in German pati-
ents with acute liver failure. Clin Gastroenterol Hepatol 2008; 6: 339–345
7.29.1 Sarkoidose
Definition Granulomatöse Entzündung der Leber, bei ca. 60–70 % der Patienten mit Sarkoido-
se nachweisbar.
Pathologie Granulome in den Portalfeldern oder in den Azini, die aus mehrkernigen Riesen-
zellen, Plasmazellen und Eosinophilen bestehen; sehr selten Fibrose.
Langzeit ██ Portale Hypertension: sehr selten (<1 % bei Patienten mit Sarkoidose)
komplikationen ██ Budd-Chiari-Syndrom: in Einzelfällen beschrieben
Verlauf In der Regel besteht keine schwere Leberbeteiligung. In seltenen Fällen können In-
farkte, intrahepatische Blutungen, akute Cholezystitis und Thrombosierungen auf-
treten.
7.29.3 Amyloidose
Definition Ablagerung von Amyloid in verschiedenen Organen.
ström, idiopathisch
reaktiv (AA-Amyloid): bei chronischen Infektionen, beim Mittelmeerfieber
██
Amyloidose
Beta2-Mikroglobulin-assoziiert: bei Dialysepatienten
██
Klinische Symptomatik von Organbefall abhängig, bei Leberbefall Hepatomegalie und Ikte-
Charakteristika rus (letzterer erst in der Spätphase auftretend).
Klinische Ikterus.
Charakteristika
Diagnostik ██ Cholestaseenzyme (AP, γ-GT): erhöht
██ Serumbilirubin: erhöht
██ Transaminasen: normal oder leicht erhöht
██ Sonografie: zusätzlich zum Ausschluss einer biliären Obstruktion
Patho Toxische Leberschädigung (dosisabhängig): Bei der direkten Wirkung löst der che-
mechanismus mische Stoff oder sein Metabolit eine Schädigung struktureller zellulärer Bestand-
teile (z. B. von Membranen) aus, die zu einer Nekrose oder Steatose führt. Bei der
indirekten Wirkung werden Stoffwechselreaktionen beeinflusst, die neben der Ne-
krose auch Cholestase und Tumoren nach sich ziehen können.
Idiosynkratische Leberschädigung (dosisunabhängig): Schädigung über einen all-
ergisch-immunologischen Mechanismus oder eine abnorme Stoffwechselreaktion.
Chronische Schädigung:
██zytotoxische Form: chronisch aktive Hepatitis, Steatose, Fibrose, Zirrhose
██Lebertumoren: fokal noduläre Hyperplasie, Adenom, hepatozelluläres Karzinom
██cholestatische Form: Vanishing-Bile-Duct-Syndrom, cholangiozelluläres Karzi-
nom
██vaskuläre Form: portale Hypertension, Peliosis hepatis, „Veno-occlusive dis
ease“, Angiosarkom
7.30 Chemisch-toxischer Leberschaden 487
Ätiologie Stoffe, die eine chronische Erkrankung (Fibrose, Zirrhose) auslösen können: Arsen,
Chlornaphthalin, Dichlorbenzol, Dimethylnitrosamin, Dinitrotoluol, Eisen, Kadmi-
um, Kupfer, Phosphor, Tetrachlorethan, Tetrachlorkohlenstoff, Tetranitromethyla-
nilin, Thioacetamid, Trinitrotoluol, Vinylchlorid.
Diagnostik ██ Anamnese
██ Labor: Erhöhung von γ-GT, GPT, GOT, GLDH, AP
██ toxikologische Untersuchung: Serum, Urin, Messung am Arbeitsplatz
7.31 Vanishing-Bile-Duct-Syndrom
Definition Überbegriff einer Gruppe von biliären Erkrankungen, die durch einen progredien-
ten Verlust von intrahepatischen Gallengängen gekennzeichnet sind.
Therapie Behandlung der Grunderkrankung, weiterer Verlauf von der Grunderkrankung ab-
hängig.
7.32.1 Budd-Chiari-Syndrom
Definition Thrombotischer/nicht thrombotischer Verschluss der größeren hepatischen Venen
oder der V. cava inferior im Bereich der Leber.
Verlauf Chronischer Verlauf (ca. 60–65 %): Bei diesen Patienten steht die portale Hyper-
tension im Vordergrund wie bei fortgeschrittener Leberzirrhose, die in diesen Fäl-
len auch häufig vorliegt. Die Prognose ist von der zugrunde liegenden Erkrankung
und der Leberinsuffizienz abhängig.
Akuter Verlauf (ca. 30 %): Zunehmender Aszites und Hepatomegalie mit Ein-
schränkung der Leberfunktion ohne Leberkoma deuten auf einen akuten Verlauf
hin, der im Einzelfall auch spontane Remissionen zeigen kann.
Fulminanter Verlauf (ca. 5–10 %): Rasches Auftreten einer Enzephalo- und Koagu-
lopathie sind mit sehr schlechter Prognose vergesellschaftet und erfordert eine Le-
bertransplantation.
Literatur Michl P, Bilzer M, Waggershauser T et al. Successful treatment of chronic Budd-Chiari syndrome with a
transjugular intrahepatic portosystemic shunt. J Hepatol 2000; 32: 516–520
Plissier A, Valla DC. Budd-Chiari syndrome. Sem Liv Dis 2008; 259–269
7.32.2 Veno-occlusive-Disease
Definition Thrombotischer Verschluss der terminalen hepatischen Venolen, der Zentralvenen
und der Sinusoide.
490 7 Leber
Ätio Zytostatische Therapie (z. B. Actinomycin D/Vincristin bei Wilms-Tumor und ande-
pathogenese ren soliden Tumoren, Oxaliplatin), Bestrahlungstherapie, Knochenmarktransplan-
tation, orale Antikonzeptiva, Lupus erythematodes.
Differenzial Budd-Chiari-Syndrom.
diagnose
7.32.3 Pfortaderthrombose
Definition Bildung eines Thrombus in der Pfortader.
Epidemiologie Häufigste Ursache beim Kind ist die Infektion (Nabelvenenkatheter), beim Erwach-
senen die Leberzirrhose (ca. 25 %) bzw. nach Splenektomie (ca. 22 %). Nachweis ei-
7.32 Vaskuläre Erkrankungen der Leber 491
Literatur Spaander VM, van Buuren HR, Janssen HL. Review article: The management of non-cirrhotic non-malignant
portal vein thrombosis and concurrent portal hypertension in adults. Aliment Pharmacol Ther 2007; 26
(2): 203–209
7.32.4 Schockleber
Synonyma Leberinfarzierung, zentrilobuläre Nekrose, ischämische Hepatitis.
Patho Ursachen:
mechanismus ██Hypotension durch akuten Myokardinfarkt, Herzoperation, Sepsis, Blutung
██Trauma, Dehydratation, Insolation (Sonnenexposition), Verbrennung, Schlaf
apnoe-Syndrom
Epidemiologie Biochemisch bei 0,3–2,6 % aller Patienten, die wegen kardialer Probleme stationär
aufgenommen werden.
Klinische Symptomatik in erster Linie von ursächlicher Erkrankung abhängig, evtl. besteht
Charakteristika ein Ikterus.
Wegweisende ██ Transaminasen: deutliche Erhöhung von AST (GOT) und ALT (GPT)
Diagnostik ██ LDH: deutlich erhöht; Verhältnis ALT:LDH bei akuter Virushepatitis viel höher
492 7 Leber
Zusatz Retentionswerte: Erhöhung von Kreatinin und Harnstoff (Hinweis auf prärenales
diagnostik Nierenversagen bei Hypotension).
Verlauf In der Regel rasche Besserung bei effizienter Therapie der Grundkrankheit.
7.32.5 Stauungsleber
Definition Akute oder chronische Folge der Erhöhung des zentralvenösen Druckes über die V.
cava inferior und hepatischen Venen durch Rechtsherzinsuffizienz.
Patho Erhöhter zentralvenöser Druck führt zu einer Dilatation der Lebervenen (erhöhter
mechanismus Lebervenenverschlussdruck), was zu einem perisinusoidalen Ödem führt.
Pathologie Bei akuter Stauungsleber: Dilatation der Zentralvenen und der Sinusoide.
Bei chronischer Stauungsleber: Leberzellverfettung, zentrilobuläre Fibrose, Rege-
neratknoten („cirrhose cardiaque“).
Wegweisende ██ Sonografie: fehlender inspiratorischer Kollaps der V. cava inferior und Dilatation
Diagnostik der Lebervenen (>1 cm im Bereich der Einmündung)
██ Labor: Erhöhung von LDH, Bilirubin, GLDH, GOT, GPT
7.33 Lebertransplantation
Therapie Notfallindikation:
indikation ██Indikation zur Transplantation und Transplantationszeitpunkt sind beim ful-
minanten Leberversagen besonders kritisch; Indikation sollte bei zunehmender
hepatischer Enzephalopathie vor Stadium IV gestellt werden. Indikation nach
King’s-College-Kriterien bei Paracetamol-Intoxikationen gestellt, wenn pH-Wert
<7,3 oder INR >6,5 und Serumkreatinin >3,4 mg/dl. Bei anderen Ursachen soll
bei INR >6,5 transplantiert werden. Dies trifft auch zu, wenn 3 der folgenden
Kriterien vorliegen:
–– Alter <10 oder >40 Jahre
–– Ursache: Non-A-Non-B-Hepatitis oder medikamentös toxisch
–– Intervall Ikterus–Enzephalopathiebeginn >7 Tage
–– Bilirubin >20 mg/dl
██bei akutem Leberversagen infrage kommende Lebererkrankungen: fulminante
Virushepatitis, akuter Schub einer chronischen Lebererkrankung (z. B. Morbus
Wilson, Autoimmunhepatitis), Intoxikationen (z. B. Paracetamol), Schwanger-
schaftsfettleber, HELPP-Syndrom, Eklampsie, postoperative Reaktion
Elektive Indikation:
██ergibt sich durch zunehmende Leberzellinsuffizienz, Komplikationen der Le-
bererkrankung und zusätzliche spezielle Indikationen beim chronischen Leber-
versagen: chronische Hepatitis/Leberzirrhose unterschiedlicher Ätiologie (viral,
medikamenteninduziert, autoimmun, kryptogen), alkoholische Lebererkran-
kung, primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis, biliäre Atre-
sie, Budd-Chiari-Syndrom. Child-Pugh-Klassifikation inzwischen ersetzt durch
MELD-Score (Model for End-stage Liver Disease) wegen der ausschließlichen
Verwendung objektiver Parameter (Bilirubin, Kreatinin, INR)
██weitere Indikationen: nicht resezierbare Lebermetastasen (z. B. bei Gastrinom),
hepatozelluläres Karzinom, genetische Erkrankungen, Morbus Wilson, Alpha1-
Antitrypsin-Mangel, Tyrosinämie, Glykogenose-Typen I+IV, Hämochromatose,
homozygote Hypercholesterinämie, Crigler-Najjar-Syndrom I, Morbus Byler
Verlauf Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt bei 80–95 %. Die günstigsten Ergebnisse werden
bei der primär biliären Zirrhose erzielt. Schlechter sind die Ergebnisse beim fulmi-
nanten Leberversagen und bei malignen Erkrankungen wegen der Rezidive (5-Jah-
res-Überlebensrate ca. 20–30 %).
Literatur Canbay A, Tacke F, Hadem J et al. Akutes Leberversagen – Ein lebensbedrohliches Krankheitsbild. Dtsch
Ärztebl 2011; 108: 714–720
Königsrainer I, Li J, Ladurner R et al. Lebertransplantation – Indikationen, Ergebnnisse und aktuelle Ent-
wicklungen. Klinikarzt 2011; 40: 92–95
Schlitt HJ, Loss M, Scherer MN et al. Aktuelle Entwicklungen der Lebertransplantation in Deutschland:
MELD-basierte Organallokation und ‚incentives‘ für Transplantationszentren. Z Gastroenterol 2011; 49:
30–38
8.1.1 Anatomie
Gallengänge: Die Canaliculi sammeln die von den Hepatozyten produzierte Gal-
lenflüssigkeit, die dann von der perivenösen zur periportalen Zone in die Ductuli
und weiter in die intrahepatischen Ductus fließt. Ductus hepaticus dexter und sinis-
ter bilden bis zur Einmündung des Ductus cysticus den Ductus hepaticus communis,
der sich danach in den Ductus choledochus fortsetzt.
Gallenblase: Die Gallenblase (Vesica fellea) liegt dem Unterrand des rechten Leber-
lappens an. Sie besteht aus Fundus, Corpus, Infundibulum und Collum. Die Gallen-
blase ist über den Ductus cysticus, der über spiralig angeordnete Schleimhautfal-
ten (Heister) einen Verschlussmechanismus hat, mit dem Gallengangsystem ver-
bunden. Die Schichten der Gallenblase bestehen aus Mukosa, einer 2-schichtigen
Muscularis und Serosa.
Sphinkter Oddi: kurzstreckiger Komplex glatter Muskulatur, der den distalen An-
teil des Ductus choledochus, des Ductus pancreaticus und des „common channel“
umgibt.
8.2.1 Gallengangatresie
Definition Komplette oder partielle Obliteration der extrahepatischen Gallengänge.
Typ III Obstruktion des Ductus hepaticus communis, Ductus hepatici, perihiläre Fibrose
Pathologie Duktuläre Proliferation, biliäre Stase in Canaliculi und Hepatozyten, Zeichen der
biliären Zirrhose.
Klassifikation der anatomischen Varianten (nach Kawai) (Tab. 8.1).
Epidemiologie Häufigkeit: 1:10 000–15 000 der Neugeborenen. In einem Drittel der Fälle Ursache
für neonatalen cholestatischen Ikterus. Häufigste Todesursache einer hepatobili-
ären Erkrankung im Kindesalter und häufigste Ursache (ca. 50 %) für eine Leber-
transplantation. Mädchen insgesamt häufiger betroffen.
Wegweisende ██ Labor: erhöhtes Serumbilirubin (meist 6–12 mg% mit 50 % Anteil an konjugier-
Diagnostik tem Bilirubin) sowie mäßiggradige Erhöhung der Transaminasen und der AP
██ Sonografie
██ ERCP/PTC
Verlauf In einem Drittel der Fälle relativ guter Verlauf mit guter Leberfunktion und nor-
maler Entwicklung, in einem Drittel sofortige Lebertransplantation notwendig, in
einem Drittel schleichende Verschlechterung der Leberfunktion über Monate bzw.
Jahre und dann notwendige Lebertransplantation.
8.2.2 Gallengangszysten
Definition Kongenitale Anomalien des biliären Systems, welche die intra- und/oder extrahe-
patischen Gallengänge betreffen.
8.2 Hereditäre Erkrankungen der Gallenwege 497
Typ IV Multiple zystische Erweiterungen der intra- und extrahepatischen (Typ IVa) oder
isoliert der extrahepatischen Gallenwege (Typ IVb)
Epidemiologie 1:15 000 in Europa bzw. Nordamerika, 1:1000 in Japan; bei Frauen häufiger.
Manifestation in 70 % bis zum 10. Lebensjahr.
Therapie Chirurgische Exzision der Zyste und Rekonstruktion des extrahepatischen Gallen-
gangsystems, biliodigestive Anastomose.
Verlauf Auch nach dem chirurgischen Eingriff ist eine Überwachung wegen rezidivieren-
der Cholangitiden, Cholangiolithiasis und Pankreatitis sinnvoll.
Langzeit Im jugendlichen Alter kann ein Karzinom in der Zystenwand entstehen. Frühzeiti-
komplikationen ger chirurgischer Eingriff reduziert dieses Risiko.
8.2.3 Caroli-Syndrom
Synonym Gallengangzysten Typ V nach Todani (s. Kap. 8.2.2, Gallengangzysten).
Therapie Lebertransplantation.
versagen
Verlauf Prognose hängt von der Frequenz der cholangitischen Schübe ab, deren Verlauf
durch Leberabszesse, extrahepatische Abszesse, Cholangiolithiasis und Auftreten ei-
ner sekundären Amyloidose verschlechtert werden kann. Bei 7–15 % der Patienten
tritt ein cholangiozelluläres Karzinom auf.
Literatur Ulrich F, Pratschke J, Pascher A et al. Long-term outcome of liver resection and transplantation for Caroli
disease and syndrome. Ann Surg 2008; 247: 357–364
8.3 Gallensteinerkrankung
Wegweisende
██ Labor: GOT (ALT), AP, γ-GT, Bilirubin, Lipase
Diagnostik
██ Sonografie: Nachweis der biliären Obstruktion bzw. der Steine (Sensitivität nur
50 %), Methode der 1. Wahl bei Verdacht auf intrahepatische Steine.
██ ERC: indiziert bei hochgradigem Verdacht auf Gallengangssteine (z. B. bei Cho-
lezystolithiasis oder bei Zustand nach Cholezystektomie und erhöhten Choles-
taseenzymen oder dilatiertem Gallengangssystem), Sensitivität und Spezifität
>90 %
Therapie Bei biliärer Kolik: Spasmolytika (z. B. N-Butylscopolamin i. v.) in Kombination mit
peripher wirksamen Analgetika (Diclofenac, Indometacin, Paracetamol oder bei
starker Symptomatik Opiatderivate wie Pethidin, Buprenorphin i. v.).
Bei Choledocholithiasis:
██ERC mit endoskopischer Papillotomie (EPT) und Steinextraktion:
–– Methode der 1. Wahl bei Patienten mit Cholezystolithiasis und bei Zustand
nach Cholezystektomie, evtl. auch nach mechanischer Lithotripsie
–– Letalität bzw. Komplikationen der EPT: Letalität 0,2 %, Pankreatitis 0,4–2 %,
Blutung 1–4 %, Cholangitis bzw. Sepsis 0,1–0,8 %, Perforation 0,1 %
Verlauf In ca. 25 % Auftreten von Komplikationen (z. B. biliäre Pankreatitis, Cholangitis, Ik-
terus), in ca. 50 % Auftreten einer Symptomatik (z. B. Kolik). Spontane Steinpassage
möglich bei Steinen mit maximal 8 mm Durchmesser, selten Gallensteinperforation.
Prophylaxe Risiko von Rezidivsteinen bei 5–20 % nach EPT, keine gesicherte medikamentöse
Rezidivprophylaxe, leichte Reduktion der Rezidivrate in älteren, nicht überprüften
Studien durch Ursodesoxycholsäure beschrieben.
500 8 Gallenblase und Gallenwege
Lammert F, Neubrand MW, Bittner R et al. Kurzfassung der S3-Leitlinie der DGVS und DGVC zur Diagnostik
Literatur
und Behandlung von Gallensteinen. DMW 2008; 133: 311–316 (AWMF-Register-Nr. 021/008)
8.3.2 Cholezystolithiasis
Definition Gallensteine in der Gallenblase.
Epidemiologie Prävalenz in Mittel- und Südeuropa: bei Frauen >60 Jahre ca. 25–30 %, bei Männern
>60 Jahre ca. 15–25 %.
Wegweisende Sonografie: hohe Sensitivität zum Nachweis von Steinen (über 95 %), Darstellung
Diagnostik in verschiedenen Schnittebenen und zumindest 2 Patientenlagerungsvarianten,
Überprüfung der Mobilität der Steine.
██CT, MRT: nur bei Komplikationen
Differenzial Akute Pankreatitis, Magen- oder Duodenalulkus, akute Hepatitis, Leberabszess, Le-
diagnose bertumor, Pyelonephritis, Nephrolithiasis, Pneumonie, Appendizitis.
8.3 Gallensteinerkrankung 501
Therapie Eindeutige Indikation: bei Symptomen und/oder bei Vorliegen einer Porzellangal-
indikation lenblase oder von Gallenblasenpolypen >1 cm.
Empfohlene Indikation: im Rahmen großer abdomineller Eingriffe (z. B. Ileum-
bypass, ausgedehnte Dünndarmresektion), bei denen eine neuerliche Operation
erschwert ist und die mit einem erhöhten Gallenblasenstein-, Gallenblasenkarzi-
nom- bzw. Cholezystitisrisiko einhergehen, bei Gallensteinen >3 cm auch ohne kli-
nische Symptomatik.
Umstrittene Indikation: Therapiewunsch des asymptomatischen Patienten (s. Ver-
lauf).
Literatur Gottschalk U, Gottschalk E, Dietrich CF. Symptomatische Choledocholithiasis in der Schwangerschaft – Ein-
satz der Sonographie, ERCP und EUS. Z Gastroenterol 2010; 49: 452–460
Lammert F, Neubrand MW, Bittner R et al. S3-Leitlinie der Deutschen Geselllschaft für Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie zur Diagnostik und Be-
handlung von Gallensteinen. Z Gastroenterol 2007; 45: 971-1001 (AWMF-Register-Nr. 021/008, http://
www.dgvs.de/media/LL_Gallensteinleiden. pdf)
Neubrand MW, Sauerbruch T, Lammert F. Gallensteinerkrankungen – Update. GastroUp2Date 2009; 5:
281–301
Weismüller TJ, Lankisch TO. Gallenwegserkrankungen – neue Erkenntnisse und Entwicklungen. Dtsch Med
Wschr 2011; 136: 713–716
8.3.3 Mirizzi-Syndrom
Definition Sehr seltene Komplikation des Gallensteinleidens mit Kompression des Ductus
choledochus durch ein Konkrement im Ductus cysticus.
502 8 Gallenblase und Gallenwege
Patho Extraluminale Kompression des Ductus choledochus oder des Ductus hepaticus
mechanismus communis durch einen Stein im Ductus cysticus oder im Infundibulum der Gal-
lenblase.
Assoziierte Cholezystolithiasis.
Erkrankungen
Therapie Immer.
indikation
Literatur Wehrmann T, Riphaus A, Martchenko K et al. Intraductal ultrasonography in the diagnosis of Mirizzi syn-
drome. Endoscopy 2006; 38: 717–722
8.4 Cholezystitis
Patho Häufigster Mechanismus: Obstruktion des Ductus cysticus durch ein Konkrement,
mechanismus das über die Stase der Galle (Lecithin wird zu Lysolecithin umgewandelt) zu ei-
ner Freisetzung bzw. Aktivierung inflammatorischer Mediatoren (Prostaglandine)
führt.
Epidemiologie Unter den Erkrankten mit assoziierter Cholezystolithiasis (90 %) häufig jüngere
Frauen, unter denen ohne Gallensteine (akalkulöse Cholezystitis, 10 %) häufig äl-
tere Männer.
Wegweisende
██ Sonografie: Nachweis von Gallensteinen, Sludge, einer hydropischen Gallen-
Diagnostik blase, einer Gallenblasen-Wandverschwellung (ab 5 mm), von Aerobilie sowie
des Murphy-Zeichens: Druck durch Ultraschallsonde auf die Gallenblase mit
Schmerzangabe des Patienten
██ Labor: Leukozytose, Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP)
Zusatz CT: bei eingeschränkter Beurteilbarkeit des sonografischen Befundes und unkla-
diagnostik ren Fällen.
Differenzial Biliäre Kolik, akute Pankreatitis, Ulcus ventriculi/duodeni, akute Hepatitis, Leber-
diagnose abszess, Lebertumor, Pyelonephritis, Nephrolithiasis, Pneumonie, Appendizitis.
Literatur Lammert F, Neubrand MW, Bittner R et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten. Und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie zur Diagnostik und Be-
handlung von Gallensteinen. Z Gastroenterol 2007; 45: 971–1001 (AWMF-Register-Nr. 021/008, http://
www.dgvs.de/media/LL_Gallensteinleiden. pdf)
8.5 M
otilitätsstörungen des Ductus choledochus und
des Sphinkter Oddi
Patho Der Sphinktertonus der glatten Muskulatur (Hochdruckzone über 4–10 mm) um
mechanismus Gallengang, Pankreasgang und Papille („common channel“) ist durch Entzündung,
muskuläre Hypertrophie oder Fibrose in 60 % der Fälle verändert. 40 % der Fälle
weisen eine normale Histologie auf, was auf eine Motilitätsstörung hinweist.
Epidemiologie Bei ca. 4 % der Patienten mit Cholezystolithiasis sowie bei 9–11 % der Patienten
nach Cholezystektomie wird ein abnormer Basaldruck des Sphinkters gefunden.
Klinische Symptomatik:
Charakteristika ██abdominelle Schmerzen im rechten Oberbauch oder im Epigastrium, Dauer
Minuten bis Stunden oder Dauerschmerz mit episodischen Verschlimmerun-
gen, Ausstrahlung in Schulter oder Nacken, postprandial häufig Zunahme der
Schmerzen
██Übelkeit, Erbrechen
504 8 Gallenblase und Gallenwege
terien
Typ III: Patienten mit biliären Schmerzen ohne die oben genannten Kriterien
██
Therapie ERCP:
██mit EPT: ist Standardtherapie; Erfolgsrate bei Typ I 60–100 %, bei Typ II 60–90 %,
bei Typ III 10–50 %; allerdings relativ hohe Post-ERCP-Pankreatitisrate
██mit Ballondilatation: hohe Komplikationsrate
Injektion mit Botulinumtoxin: bisher experimenteller Ansatz.
Medikamente: Nifedipin: begrenzter Nutzen; Analgetika: zur Unterstützung.
Verlauf Erfolgsrate durch ERCP/EPT und Verlauf sind von der Selektion der Patienten ab-
hängig. Bei den Typ-III-Patienten ergeben sich Überschneidungen mit funktionel-
len Abdominalbeschwerden.
Literatur Dauer M, Lammert F. Motilitätsstörungen. In: Klinische Gastroenterologie (Hrsg. Messmann H). Stuttgart,
Thieme Verlag 2012
8.6 Cholangitis
Definition Entzündung der Gallenwege, in der Regel ausgelöst durch eine bakterielle Infek-
tion.
Patho Ursachen: Cholangiolithiasis (ca. 50 %), benigne Strikturen (ca. 30 %), maligne
mechanismus Strikturen (ca. 10 %); diagnostische Maßnahmen wie ERCP oder PTC (ca. 5 %); PSC,
Caroli-Syndrom, Sump-Syndrom u. a. (ca. 5 %).
Erreger (häufig mehrere Keime): E. coli (60 %), Klebsiella pneumoniae (35 %),
Streptococcus faecalis (25 %), Pseudomonas (20 %); CMV (bei HIV-Infektion), Kryp-
tosporidien (bei HIV-Infektion).
Klinische Charcot-Trias (in 70 % der Fälle): Fieber bzw. Schüttelfrost, Ikterus (ca. 80 %) epigas-
Charakteristika trische oder rechtsseitige Oberbauchschmerzen.
Wegweisende ██ Labor: Leukozytose, Erhöhung des Bilirubins, der AP, der γ-GT
Diagnostik ██ Sonografie: Nachweis einer biliären Obstruktion, von Gallensteinen, von intra-
hepatischen Abszessen
8.7 Benigne Neubildungen 505
██ ERCP: makroskopische Beurteilung der Galle, Nachweis der Obstruktion (s. The-
rapie)
Therapie Immer.
indikation
Therapie Operation: bei Hinweis auf akute Cholezystitis, bei Misslingen der interventionel-
versagen len Verfahren.
8.7.1 Gallenblasenadenom
Definition Zunächst gutartige Neubildung des Gallenblasenepithels.
Pathologie Solitär (in zwei Drittel der Fälle), multipel (in einem Drittel der Fälle): meist 2–5
Polypen.
Langzeit Gallenblasenkarzinom: bei 3–6 % aller Patienten mit Adenom >1 cm.
komplikationen
Literatur Kratzer W, Schmid A, Akinli AS et al. Gallenblasenpolypen: Prävalenz und Risikofaktoren. Ultraschall in Med
2010; 32: S68–S73
Therapie In der Regel ist keine Therapie erforderlich. Bei gleichzeitiger Cholezystolithiasis
Indikation zur laparoskopischen Cholezystektomie.
8.7.3 Cholesterinpolypen
Zufallsbefund bei Sonografie (echoreiche wandständige Formationen) oder im
Operationspräparat nach Cholezystektomie; insgesamt ohne weitere klinische Be-
deutung. Es kommt zur Infiltration der Lamina propria mit Lipid speichernden Ma-
krophagen, Größe meist <10 mm. In 20 % der Fälle solitär auftretend, bei 60 % der
Gallenblasenpolypen.
8.7.4 Gallengangpapillomatose
Sehr seltene angeborene Erkrankung, die durch multiple Wucherungen von intra-
luminalen Papillomen in den intra- und extrahepatischen Gallengängen charakte-
risiert ist. Klinisch kommt es zu Hepatomegalie und Ikterus, die Diagnosestellung
erfolgt über Sonografie, ERCP und Cholangioskopie (Histologie). Die relativ hohe
Entartungsrate der Papillome schränkt die Prognose erheblich ein. In Einzelfällen
wurden erfolgreiche Lebertransplantationen beschrieben.
8.8 Gallenblasenkarzinom 507
8.7.5 Papillenadenom
Benigne Gallengangstumoren sind selten. Die Diagnostik umfasst die Histologie
(Abgrenzung zum Papillenkarzinom), die ERC, Cholangioskopie und der intraduk-
tale Ultraschall. Als Therapie kommen die endoskopische Papillektomie oder die
Operation infrage.
8.8 Gallenblasenkarzinom
Pathologie Histopathologische Klassifizierung: Die Karzinome der Gallenblase und der ex-
trahepatischen Gallengänge können unterteilt werden: Carcinoma in situ, Ade-
nokarzinom (80 %), papilläres Adenokarzinom (5 %), Adenokarzinom, intestinaler
Typ, Siegelringzellkarzinom, muzinöses Adenokarzinom (5 %), Klarzelladenokarzi-
nom, adenosquamöses Karzinom, Plattenepithelkarzinom, kleinzelliges Karzinom
(Haferzellkarzinom), undifferenziertes Karzinom (10 %).
TNM-Klassifikation (7. Auflage, UICC 2009, mod. 2011) (Tab. 8.3, Tab. 8.4).
Epidemiologie Prävalenz: 0,5 % (in Autopsiestudien); Risiko für Männer mit Gallenblasensteinen
>3 cm 9- bis 10-fach erhöht; Altersgipfel in 7. Lebensdekade. In Deutschland er-
kranken jährlich ca. 4200 Frauen und 1800 Männer an Gallenblasen- oder extrahe-
patischen Gallengangskarzinomen. 70 % davon sind Gallenblasenkarzinome.
Assoziierte Risikofaktoren: Cholezystolithiasis (in 80 % der Fälle, v. a. bei Steinen >3 cm), Por-
Erkrankungen zellangallenblase (Karzinomrisiko 20–60 %), Gallenblasenpolypen (>10 mm), seg-
mentale Adenomyomatose der Gallenblase, Salmonellen-Dauerausscheidung, Po-
lyposis coli, chronisch-entzündliche Darmerkrankung.
T4 Tumor infiltriert Stamm der V. portae oder A. hepatica oder infiltriert 2 oder
mehr Nachbarorgane/-strukturen
N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
508 8 Gallenblase und Gallenwege
Stadium II T2 N0 M0
Stadium IIIA T3 N0 M0
Zusatz ERC/PTC: bei Ikterus, Nachweis einer Stenose des Ductus hepaticus communis
diagnostik
Therapie Operative Resektion: bei resektablem Tumor (potenziell resektabel 15–30 %).
ERC: mit Papillotomie und Platzierung einer Kunststoffprothese/Metallstents, bei
Ikterus und Aufstau der Gallenwege. Bei Misslingen PTCD.
Chemotherapie: keine adjuvante Chemo- oder Radiotherapie etabliert. Palliative
Therapieschemata (s. Kap. 8.9, Cholangiozelluläres Karzinom).
Literatur Schilling MK, Lammert F. Maligne Gallenwegstumoren (Cholangiokarzinome). In: Klinische Gastroenterolo-
gie (Hrsg. Messmann H). Stuttgart, Thieme Verlag 2012
Wiedmann MW, Mössner J. Aktuelle Diagnostik und Therapie der Gallengangskarzinome. GastroUp2Date
2008; 4: 171–192
Pathologie TNM-Klassifikation (7. Auflage, UICC 2009, mod. 2011) (Primärtumor: intrahepati-
sche Gallengänge Tab. 8.6, Tab. 8.7; Primärtumor: proximale Gallengänge Tab. 8.8,
Tab. 8.9; Primärtumor: distale extrahepatische Gallengänge Tab. 8.10, Tab. 8.11).
Genetik Überexpression von erbB2-Onkogen (bei ca. 70 % der Tumoren nachweisbar), Mu-
tation von K-ras-Onkogen (bei ca. 50 % der Tumoren), Expression des Myc-Gens
(annähernd 100 %), Expression des p53-Gens (50–80 % der Tumoren); insgesamt
ähnliche Befunde beim Pankreaskarzinom.
Epidemiologie In der Regel nach dem 60. Lebensjahr auftretend; Männer häufiger betroffen.
Typ IV Infiltrierendes Wachstum in beide Ductus hepatici mit Vorwachsen in die Seg
mentgallengänge
T4 Periduktale Invasion
N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
Stadium III T3 N0 M0
Stadium IVA T4 N0 M0
Jedes T N1 M0
T3 Tumor infiltriert unilaterale Äste der V. portae oder der A. hepatica propria
N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
Stadium II T2a–b N0 M0
Stadium IIIA T3 N0 M0
N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
8.9 Cholangiozelluläres Karzinom 511
Stadium IIA T3 N0 M0
Wegweisende ██ Sonografie: Nachweis der biliären Obstruktion. Darstellung des Tumors mit KM-
Diagnostik Sonografie
██ ERC mit EPT: mit Möglichkeiten der Diagnostik (Bürstenzytologie, Sensitivität
40–70 %) und Therapie (Einlegen von Stents), bei Misslingen perkutane transhe-
patische Cholangiografie (PTC)
██ Labor: deutliche AP-Erhöhung, Erhöhung von CA19-9 (in ca. 60 %)
██ CT, MRT, MRC
██ Endosonografie: bei Tumoren des mittleren und distalen Ductus hepatochole-
dochus, exaktes Staging möglich
Zusatz ██ Cholangioskopie
diagnostik ██ Intraduktaler Ultraschall
██ Staging-Laparoskopie
Therapie Kurativ:
██Operation: nur in 25 % der Fälle resektabler Befund, Operationstechnik von Lo-
kalisation des Tumors abhängig (proximal: Leberteilresektion, distal: Whipple-
Operation)
██Lebertransplantation: nur bei proximalen Tumoren, sehr enge Indikation
Palliativ:
██Platzierung von Kunststoff- oder Metallstents über ERC oder PTC
██Chemotherapie: Ansprechraten niedrig (20–35 %), bisher keine etablierte Thera-
pie, Versuch mit Capecitabin oder Gemcitabine (Gemzar). Kombination Cisplatin/
Gemcitabine effektiver als Monotherapie.
██Photodynamische Therapie: in einzelnen Studien als Erfolg versprechende pallia-
tive Therapie, Zugang über ERC
██Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
██Radiofrequenzablation (RFA)
ja nein
Cholangitis?
ja nein
ja nein
Resektabilität?
ja nein
Gallenwegsobstruktion?
ja nein
Literatur Gerhardt T, Rings D, Höblinger A et al. Combination of bilateral metal stenting and trans-stent photodyna-
mic therapy for palliative treatment of hilar cholangiocarcinoma. Z Gastroenterol 2009; 48: 28–32
Klebl F, Endlicher E, Kullmann F. Palliative Therapie von Gallengangs- und Gallenblasenkarzinomen. Z Gast-
roenterol 2006; 44: 587–598
Kolligs FT, Zech CJ, Schönberg SO et al. Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie von Gallengangskarzino-
men. Z Gastroenterol 2008; 46: 58–68
Valle J, Wasan H, Palmer DH et al. Cisplatin plus gemcitabine versus gemcitabine for biliary tract cancer. N
Engl J Med 2010; 362: 1273–1281
Wiedmann MW, Mössner J. Aktuelle Diagnostik und Therapie der Gallenwegskarzinome. Gastro Up2Date
2008; 4: 171–190
8.10 Papillenkarzinom
Pathologie Das Papillenkarzinom entwickelt sich häufig aus einem tubulovillösen oder villö-
sen Adenom.
TNM-Klassifikation (7. Auflage UICC 2009) (Tab. 8.12, Tab. 8.13).
N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
Stadium IIA T3 N0 M0
Literatur Jurowich C, Meyer W, Reichel M et al. Papillenkarzinom – Prognosefaktoren und Rückschlüsse zur angepass-
ten Therapie. Viszeralchirurgie 2001; 36: 29–33
Treitschke F, Beger HG, Meessen D et al. Gutartige Tumoren der Papilla Vateri. DMW 2000; 125: 1030–1034
Wiedmann MW, Mössner J. Aktuelle Diagnostik und Therapie der Gallengangskarzinome. GastroUp2Date
2008; 4: 171–192
515
Genetik Multiple endokrine Neoplasie Typ I: viele Mutationen auf Menin-Gen (langer Arm
des Chromosoms 11q11–q13) beschrieben, bisher keine Genotyp-Phänotyp-Kor-
relation nachweisbar.
Typ II: Defekt im RET-Protoonkogen auf Chromosom 10 (RET-Exon 10, 11 oder 13
bei Typ IIa bzw. Exon 16 in Typ IIb). Genetischer Test heute verfügbar, bei MEN-
2 entscheidend (dadurch Identifizierung gefährdeter Personen für medulläres
Schilddrüsenkarzinom).
Epidemiologie Insgesamt selten, Inzidenz ca. 5 Fälle, Prävalenz ca. 30 Fälle pro 100 000 Einwohner.
Prävalenz MEN-Typ 1 ca. 2 pro 100 000 Einwohner.
Primärtumor: Duodenum/Ampulle/Jejunum/Ileum
T1a <1 cm
T1b 1–2 cm
Für jedes T ist bei multiplen Tumoren „m“ hinzuzufügen. T0 = kein Anhalt für Primärtumor; Tx =
Primärtumor kann nicht beurteilt werden.
M1 Fernmetastasen
G1 <2 ≤2
G2 2–20 2–20
G3 >20 >20
1 10HPF : high power field = 2 mm2, wenigstens 40 Felder (bei 40-facher Vergrößerung ausge
wertet in der Region höchster Mitosedichte
2 MIB1-Antikörper; % von 2000 Tumorzellen in der Region höchster Kernfärbung
Alpha-Interferon:
██hemmt Hormonsekretion und Wachstum neuroendokriner Tumoren in 30–40 %;
Dosierung: 3-mal 3–5 Mio. E/Woche s. c. Kaum Daten für pegylierte Interferone.
„Off-label use“!
██Nebenwirkungen: initial grippeähnliche Symptome, Diarrhö, Übelkeit, Fieber,
Kopf- und abdominelle Schmerzen (durch 0,5–1 g Paracetamol deutlich zu redu-
zieren); im weiteren Verlauf Müdigkeit, Gewichtsverlust, Thrombo- und Leuko-
penie, Autoimmunerkrankungen, Depressionen; häufig Therapieabbruch wegen
Nebenwirkungen, daher geringere Bedeutung
Kombination aus beiden Substanzen: zusätzliche Gabe von Interferon bei The-
rapieversagen von Somatostatin-Analoga in einigen Fällen wirksam, Wirksamkeit
aber nicht gesichert. „Off-label-use“!
9.2 Funktionell inaktive neuroendokrine Tumoren 519
Tyrosinkinaseinhibitor Sunitinib:
██Dosierung 37,5 mg/Tag; nur für metastasierende, pankreatische neuroendokrine
Tumoren zugelassen.
██Nebenwirkungen: Diarrhö, Übelkeit, Hämorrhagien und Blutungen, Hypertonie,
Leuko- und Thrombopenie u. a.
mTOR-Inhibitor Everolimus:
Dosierung 10 mg/Tag; nur für metastasierende, pankreatische neuroendokrinen
██
Tumoren zugelassen.
Nebenwirkungen: Hautausschlag, Stomatitis, Aphthen, Ödemneigung, Diarrhö,
██
Übelkeit u. a.
Literatur Auernhammer CJ et al. Medikamentöse Therapie bei metastasierenden neuroendokrinen Tumoren des gast-
roenteropankreatischen Systems. Internist 2012; 53: 167–176
Pape UF et al. Neuroendokrine Neoplasien des gastroenteropankreatischen Systems. Gastroenterol up2date
2011; 7: 313–339
Perren A et al. Klassifikation und Pathologie gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumoren. Visze-
ralmedizin 2010; 26: 234–240
Ramage JK et al. Guidelines for the management of gastroenteropancreatic neuroendocrine (including carci-
noid) tumours (NETS). Gut 2012; 61: 6–32
Richtlinien der North American Neuroendocrine Tumor Society (NANETS). www.nanets.net
Richtlinien der European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS). http://www.enets.org/guidelines_tnm_
classifications.html
Rindi G, Klöppel G, Alhmann H et al. TNM staging of foregut (neuro)endocrine tumors: a consensus proposal
including a grading system. Virchows Arch 2006; 449: 395–401
Rindi G, Klöppel G, Couvelard A et al. TNM staging of midgut and hindgut (neuro)endocrine tumors: a con-
sensus proposal including a grading system. Virchows Arch 2007; 451: 757–762
Rinke A et al. Placebo-controlled, double-blind, prospective, randomized study of the effect of octreotide
LAR in the control of tumor growth in patients with metastatic neuroendocrine midgut tumors: A report
from the PROMID study group. J Clin Oncol 2009; 27: 4656–4663
Definition Endokrin nicht aktive Tumoren mit allen Charakteristika neuroendokriner Zellen;
teils Auftreten im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN); häufigste
Variante neuroendokriner Tumoren.
520 9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des Gastrointestinaltrakts
Genetik Zum MEN-Syndrom Tab. 9.5 und Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien.
Assoziierte NET Typ 1: chronisch atrophische Gastritis Typ A, Gastrinom bei MEN-Typ 1.
Erkrankungen
Klinische ██ abhängig von Lokalisation und Größe; kleine Tumoren: meist klinisch stumm;
Charakteristika Pankreaskopf: Ikterus; Dünndarm: mechanischer Ileus
Zusatz Ggf. Staging zur Evaluation der Resektabilität; falls Metastasen fraglich: DOTATA-
diagnostik TE-PET-CT (Detektion ansonsten nicht darstellbarer Metastasen).
Therapie Bei NET Typ 1/2 Verlaufsbeobachtung (ggf. Resektion bei Tumorgröße >2 cm), an-
indikation sonsten kurative Therapie, wenn möglich; in übrigen Fällen Therapie an sponta-
nem Wachstumsverhalten ausrichten, daher zunächst Verlaufsbeobachtung über 3
Monate sinnvoll (meistens auch bei metastasierenden Tumoren, außer wenn sehr
aggressives Wachstumsverhalten).
Verlauf NET Typ 1/2: meist mit benignem Verlauf, tumorbezogene Letalität gering (daher
keine aggressive Therapie).
Neuroendokrine Karzinome: abhängig vom Tumorstadium, Prognose ungünstig,
dennoch oft mehrjähriger Verlauf.
Literatur Goretzki PE et al. Chirurgie neuroendokriner Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems (GEP-NET).
Internist 2012; 53: 152–160
Pape UF et al. Neuroendokrine Neoplasien des gastroenteropankreatischen Systems. Gastroenterol up2date
2011; 7: 313–339
Scherübl H et al. Management of early gatrointestinal neuroendocrine neoplasmas. World J Gastroenterol
Endosc 2011; 3: 133–139
Richtlinien der North American Neuroendocrine Tumor Society (NANETS). www.nanets.net
Richtlinien der European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS). http://www.enets.org/guidelines_tnm_
classifications.html
522 9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des Gastrointestinaltrakts
9.3 Insulinom
Epidemiologie Inzidenz 4 Fälle pro 1 000 000 Einwohner pro Jahr; mittleres Lebensalter bevorzugt.
Klinische „Whipple-Trias“:
Charakteristika ██Hypoglykämie
██Symptome der Neuroglukopenie: abnormes Verhalten, Aggressivität, Ver-
schwommensehen, Parästhesien, Lähmungen, Krampfanfälle, Bewusstlosigkeit
██Besserung auf Glukose, Häufigkeit und Zeitpunkt (Tageszeit) hypoglykämischer
Episoden kann erheblich variieren; lange Latenz zwischen ersten Symptomen
und Diagnosestellung
Verlauf Rezidive kommen vor (ca. 5 %): verbliebenes Insulinomgewebe? Multiple Insulino-
me? Echter Zweittumor im Verlauf entstanden?
Literatur de Herder WW et al. Well differentiated pancreatic tumor / carcinoma: insulinoma. Neuroendocrinology
2006; 84: 183–188
Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
O’Toole D et al. ENETS consensus guidelinesfor the standards of care in neuroendocrine tumors: biochemi-
cal markers. Neuroendocrinology 2009; 90: 194-202
Kauhanen S et al. Fluorine-18-L-dihydroxyphenylalanine (18F-DOPA) positron emission tomography as a
tool to localize an insulinoma or beta-cell hyperplasia in adult patients. J Clin Endocrinol Metabol 2007;
92: 1237–1244
9.4 Zollinger-Ellison-Syndrom
Synonym Gastrinom.
Genetik Nur im Rahmen einer MEN (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).
Wegweisende ██ Anamnese: unter Therapie mit Protonenpumpenblockern (PPI) aber seltener di-
Diagnostik agnostiziert, da PPI-Bedarf nicht wesentlich höher als bei anderen Ulzera; ty-
pisch: rasches Rezidiv nach PPI-Pause
██ Endoskopie (Duodenalwand absuchen!)
██ Serumgastrin-Bestimmung
Zusatz ██ basale Säuresekretion: hohe Azidität, hohes Volumen, kaum stimulierbar durch
diagnostik Pentagastrin (s. Kap. 10, Funktionsuntersuchungen von Ösophagus und Magen)
██ Sekretin-Stimulationstest: bei unklarer Serumgastrinerhöhung; Problem: Se-
kretin schwierig zu beschaffen
██ Lokalisationsdiagnostik: Endosonografie, DOTATATE-PET-CT; andere Bildge-
bung (CT, MRT) einschließlich Angiografie meist wenig aussagekräftig
██ Weitere Labordiagnostik: Bestimmung von Calcium, Parathormon, Prolaktin
██ Genetische Untersuchungen: falls die Familienanamnese MEN-1 nahelegt
Therapie Ablative Therapien (TACE, RFA) bei Lebermetastasen (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prin-
versagen zipien).
Langzeit Peptische bzw. narbige Stenosen im distalen Ösophagus oder proximalen Duode-
komplikationen num (unbehandelt), ansonsten lokale Komplikationen durch Metastasen (v. a. der
Leber, Knochen).
Literatur Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
Jensen RT et al. Gastrinoma (duodenal and pancreatic. Neuroendocrinology 2006; 84: 173–182 (über www.
ents.org abrufbar)
Kulke MH et al. NANETS treatment guidelines. Well-differentiated neuroendocrine tumors of the stomach
and pancreas. Pancreas 2010; 39: 735–752 (über www.nanets.net abrufbar)
9.5 NET von Dünndarm und Dickdarm 525
Definition Neuroendokrine Tumoren des Gastrointestinaltrakts. Bei einem Teil der Patienten
kommt es zum Karzinoidsyndrom (s. Klinische Charakteristika).
Pathologie Noduläre Tumoren mit gelber Schnittfläche (hoher Fettanteil), auch bei kleinen Tu-
moren höherer Anteil mit Metastasen (primär in regionären Lymphknoten, häma-
togen v. a. in Leber); mikroskopisch überwiegend (pseudo)glandulärer oder trabe-
kulärer Aufbau, auch undifferenziert (anaplastisch); immunhistologisch alle Mar-
ker neuroendokriner Zellen (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).
Appendixkarzinoide meist <2 cm, selten maligne (Metastasen <5 %); Ileumkarzino-
ide mit hoher Metastasierungsrate (ca. 50 %).
Epidemiologie Appendix: Karzinoid bei 1 von 300 Appendektomien; weibliches Geschlecht leicht
bevorzugt.
Dünndarm: ca. ein Drittel aller Malignome des Dünndarms, nach distal zuneh-
mend.
Kolon: selten, meist im Zökum; Tumoren können größer werden, weil erst dann
Symptome auftreten.
Rektum: oft zufällig entdeckt (leichter Zugang).
Klinische Dünndarm bzw. rechtsseitiges Kolon: abdominelle Schmerzen (40 %; mehr diffus,
Charakteristika unspezifisch); intermittierende Obstruktion (25 %) durch Raffung am Mesenteri-
um; Fibrose, ggf. Metastasen; Okklusion und/oder Spasmen der vaskulären Ver-
sorgung.
In 20–30 % Karzinoidsyndrom (dann überwiegend (ca. 95 %) mit Metastasen, v. a.
der Leber):
██abdominelle Schmerzen (meist krampfartig), Diarrhöen (überwiegend wässrig)
██Flush: anfallsartige Gesichtsrötung, ggf. Teleangiektasien
██Bronchialobstruktion; Endokardfibrose
██Pellagra (Hyperkeratose und Hyperpigmentierung, selten)
Zusatz ██ Endoskopie (bei Sitz im Kolon; cave: meist submuköse Lokalisation); in Einzel-
diagnostik fällen: Röntgenuntersuchung des Dünndarms (Abknickung, Füllungsdefekt);
Angiografie.
██ Neuronspezifische Enolase (NSE) im Serum (aussagefähig meist nur bei metas-
tasierendem Tumorleiden)
Therapie Resektion: prinzipiell anstreben; ebenso bei lokoregionären und meist auch Fern-
metastasen sinnvoll. Stets parallel Cholecystektomie durchführen (Gallensteinbil-
dung unter Somatostatin-Analoga).
Symptomkontrolle und antiproliferative Therapie (bei metastasierenden Tumo-
ren, Karzinoidsyndrom (>90 % metastasiert); s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien):
██Somatostatinanaloga (v. a. bei ausgeprägtem Karzinoidsyndrom, wirkt auch an-
tiproliferativ)
██Interferon als Reservetherapie
██Radiofrequenzablation (RFA) bei wenigen Lebermetastasen
██(Chemo-)Embolisation der A. hepatica (bei ausgedehnter Lebermetastasierung)
██nuklearmedizinische Therapieverfahren
██chirurgische Tumorverkleinerung („debulking“)
██Chemotherapie (wenig wirksam)
██Versuch mit 5-HT3-Antagonisten (wenig Daten, keine Zulassung)
██Loperamid (Antidiarrhoikum)
██Codein (bei leichten Diarrhöen)
██Cholestyramin (bei chologener Diarrhö nach Ileumresektion)
██Theophyllin, Beta2-Sympathomimetika (bei Asthma)
Literatur Eriksson B et al. consensus guidelines for the management of patients with digestive neuroendocrine
tumors – well differentiated jejunal-ileal tumor / carcinoma. Neuroendocrinology 2008; 87: 8–19 (über
www.enets.org abrufbar)
Modlin IM, Kidd M, Latich I et al. Current status of gastrointestinal carcinoids. Gastroenterology 2005; 128:
1717–1751
Boudreaux JP et al. The NANETS consensus guidelines for the diagnosis and management of neuroendocrine
tumors. Well differentiated neuroendocrine tumors of the jejunum, ileum, appendix and cecum. Pancre-
as 2010; 39:753–766 (über www.nanets.net abrufbar)
9.6 Verner-Morrison-Syndrom 527
9.6 Verner-Morrison-Syndrom
Patho VIP stimuliert intestinale Adenylatzyklase, bewirkt über cAMP massive Volumen-
mechanismus sekretion (VIP wirkt analog zu Choleratoxin).
Klinische Massive wässrige Diarrhö stets über 700 ml/Tag (>3l/Tag in 70 %, individuell bis
Charakteristika 6–10l/Tag), Persistenz unter Fasten (sekretorische Diarrhö); aufgrund des erheb-
lichen Elektrolytverlusts allgemeine und insbesondere Muskelschwäche, Muskel-
krämpfe, gelegentlich Flush; in schweren Fällen Exsikkose und massive Hypokali-
ämie.
Wegweisende ██ VIP-Bestimmung im Plasma (>200 pg/ml): Methode in nur wenigen Labors ver-
Diagnostik fügbar; evtl. Bestimmung von Na+- und K+-Konzentration sowie Osmolarität im
Stuhl (Soll: [Na+]+[K+]×2 = Osmolarität; sonst andere osmotisch aktive Bestand-
teile im Stuhl!)
██ Falls unklar: Quantifizierung des Stuhlvolumens unter Fasten (cave: ausreichend
Flüssigkeit intravenös substituieren), bei Persistenz der Diarrhö Versuch mit Oc-
treotid (als Screening-Test vor aufwendiger VIP-Bestimmung)
██ Lokalisationsdiagnostik: s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien
Literatur O’Toole D et al. Rare functioning pancreatic endocrine tumors. Neuroendocrinology 2006; 84: 189–195
(über www.enets.org abrufbar)
Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
Kulke MH et al. NANETS treatment guidelines. Well-differentiated neuroendocrine tumors of the stomach
and pancreas. Pancreas 2010; 39: 735–752 (über www.nanets.net abrufbar)
528 9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des Gastrointestinaltrakts
9.7 Glukagonom
Pathologie Primärtumor im Pankreas; bei Bild des Glukagonomsyndroms (s. u.) nahezu kon-
stant metastasiert; Synthese anderer Peptide im Tumor häufig (pankreatisches Po-
lypeptid, Somatostatin, Insulin, Gastrin); extrapankreatischer Sitz selten; selten bei
MEN-1. Verminderung der Aminosäuren im Plasma pathophysiologisch wichtig.
Literatur O’Toole D et al. Rare functioning pancreatic endocrine tumors. Neuroendocrinology 2006; 84: 189–195
(über www.enets.org abrufbar)
Kulke MH et al. NANETS treatment guidelines. Well-differentiated neuroendocrine tumors of the stomach
and pancreas. Pancreas 2010; 39: 735–752 (über www.nanets.net abrufbar)
Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
Wermers RA et al. The glucagonoma syndrome. Clinical and pathological features in 21 patients. Medicine
(Baltimore) 1996; 75: 53–63
9.8 Somatostatinom
Wegweisende
██ Sonografie (ggf. mit Feinnadelbiopsie und Immunhistologie), Endoskopie (Duo-
Diagnostik denum)
██ Somatostatinbestimmung im Plasma: aufwendig und schwierig
Zusatz Ggf. Ergänzung durch andere Bildgebung (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).
diagnostik
Literatur O’Toole D et al. Rare functioning pancreatic endocrine tumors. Neuroendocrinology 2006; 84: 189–195
(über www.enets.org abrufbar)
Kulke MH et al. NANETS treatment guidelines. Well-differentiated neuroendocrine tumors of the stomach
and pancreas. Pancreas 2010; 39: 735–752 (über www.nanets.net abrufbar)
Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
Gastro
enterologische
Spezialdiagnostik
533
10 Funktionsuntersuchungen
von Ösophagus und Magen
H. Koop
Nach Abschluss erfolgen Auslesen der Daten in Computer, Ausdruck des pH-Profils
bzw. des Impedanzverlaufs, Berechnungen durch PC-gestützte Programme.
Normalwerte pH-Metrie:
██abhängig von individueller Methodik; generell wird Anteil der Zeit (in %) mit pH
<4 an der gesamten Messzeit angegeben, zusätzlich Zahl der Refluxepisoden >5
min. Getrennte Berechnung der Refluxzeiten in aufrechter und liegender Positi-
on sowie für die postprandialen Phasen
██Zeiten über 5–7 % mit pH <4 sind pathologisch; bei differenzierter Auswertung
zwischen aufrechter und liegender Körperhaltung niedrigere Normalwerte im
Liegen (10,5 versus 6 %; Schindlbeck et al. 1987)
Impedanzmessung:
██pH analog zu pH-Metrie; für Impedanzmessung sind Normalwerte noch nicht
allgemein verbindlich akzeptiert, ggf. abhängig von Durchführung und Gerät.
Für Interpretation der Messergebnisse bedeutsam scheint die (nachweisbare
oder fehlende) Korrelation zwischen subjektiv empfundenen Refluxepisoden
und nachweisbarer Regurgitation. Reproduzierbarkeit offenbar begrenzt, wei-
tere Studien notwendig.
Befund Neben den summarischen quantitativen Angaben (prozentuale Zeit mit pH<4)
interpretation kann auch die direkte Korrelation zwischen sauren Refluxphasen und Symptomen
(bei Markerbetätigung) geprüft werden (wichtig bei global normalen Zeiten mit
pH<4). Überlappung zwischen Gesunden und verschiedenen Schweregraden der
Refluxkrankheit ist groß.
Die Impedanzmessung kann Reflux differenzierter darstellen und in Kombination
mit pH-Metrie zwischen saurem Rückfluss, nicht oder schwach saurem Reflux und
Regurgitation von Luft unterscheiden. Relativ neues Verfahren, das neue Einblicke
in pathophysiologische Abläufe ermöglicht; klinische Konsequenzen aus individu-
ellen Messergebnissen derzeit noch nicht abschließend beurteilbar (z. B. hinsicht-
lich Indikation zu operativen Eingriffen).
Tipps und Tricks Bei großen Hiatushernien kann Messpunkt weit proximal im Ösophagus liegen
(keine konstanten Längen des Sondenvorschubs ab Nasenloch!). Gelegentlich ra-
diologische Kontrolle der Sondenlage erforderlich (kein pH-Sprung bei Achlorhy-
drie).
Literatur Schindlbeck NE et al. Optimal thresholds, sensitivity, and specificity of long-term pH-metry for the detec-
tion of gastroesophageal reflux disease. Gastroenterology 1987; 93: 85–90
Hirano I, Richter JE: ACG practice guideline: esophageal reflux testing. Am J Gastroenterol 2007; 102:
668–685
Shay S. A balancing view: Impedance-ph testing in GERD – limited role for now, perhaps more helpful in the
future. Am J Gastroenterol 2009; 104: 2669–2670
Gawron AJ, Hirano I. Advances in diagnostic testing for gastroesophageal reflux. World J Gastroenterol 2010;
16: 3750–3756
Weingart V, Allescher H-D: Impedanzmessung; Indikation und diagnostische Möglichkeiten. Gastroentero-
logie up2date 2012; 8: 265–276
10.3 Manometrie des Ösophagus 535
Indikation Überprüfung der Effektivität einer säurehemmenden Therapie (z. B. bei therapie-
refraktären Ulzera bzw. Ösophagitis trotz hochdosierter Protonenpumpenblocker-
Gabe), Beweis einer Achlorhydrie (bisher keine allgemein anerkannte Indikation
akzeptiert).
Durchführung Durchführung analog zur ösophagealen pH-Metrie (s. Kap. 10.1, pH-Metrie und
Impedanzmessung des Ösophagus), aber hier Elektrodenlage im Magen. Keine all-
gemein anerkannten Messpunkte (bei Sondenvorschub um 5 cm nach pH-Sprung
an Kardia ist sichere intragastrale Lage gegeben). Exakte Positionierung in be-
stimmter Magenregion (Antrum, Korpus) nur bedingt und unsicher möglich.
Befund Angestrebte pH-Anhebung anhand des pH-Profils ablesbar, ebenso deren Dauer in
interpretation Beziehung zum Zeitpunkt der Medikamentengabe. Intragastrales Volumen nicht
erfassbar, nur Azidität.
Fehler Bei Lage der Sonde in Mukosafalte (bei steifen Elektroden durch Verkantung mög-
möglichkeiten lich) falsch hoher (mukosaler) pH-Wert, daher Sondenkorrektur obligat.
Tipps und Tricks Bei ausgeprägter Säurehemmung ist kein pH-Sprung erkennbar zwischen Ösopha-
gus und Magen, dann ggf. radiologische Sondenkontrolle durchführen.
Indikation Verdacht auf Motilitätsstörungen des Ösophagus (siehe Kap. 2.4), präoperativ vor
Antirefluxchirurgie, Verdacht auf nicht-kardialen Thoraxschmerz (Einzelfälle).
Normalwerte Druck im OÖS 80–120 mmHg; Höhe der Amplituden im tubulären Ösophagus von
der Höhe des Messpunktes abhängig (Druck im distalen Ösophagus ist höher als
im proximalen Anteil). Druck im UÖS 10–25 mmHg.
Tipps und Tricks Platzierung des Manometriekatheters bei dilatiertem Ösophagus (Achalasie!) kann
schwierig sein (Katheter schlägt im Ösophagus um), ggf. Platzierung über Draht
(Seldinger-Technik).
Literatur Bredenoord AJ et al. Chicago Classification criteria of esophageal motility disorders defined in high resolu
tion esophageal pressure topography. Neurogastroenterol Motil 2012; 24 (Suppl. 1): 57 – 65
Clarke JO, Pandolfino JE: Esophageal motor disorders. How to bridge the gap between advanced diagnostic
tools and paucity of therapeutic modalities. J Clin Gastroenterol 2012; 46:442-448
10.4 Magensekretionsanalyse
Testprinzip Messung von Volumen und Azidität im aspirierten Magensaft basal (und nach Sti-
mulation).
Indikation Verdacht auf Zollinger-Ellison-Syndrom (und ggf. auf andere Formen der gastralen
Hypersekretion, ansonsten heute nicht mehr indiziert (und praktiziert).
Durchführung Beim nüchternen Patienten Platzierung einer Magensonde, Aspiration des Nüch-
ternsekrets (wird verworfen). Dann kontinuierliche Aspiration des Magensaftes in
2(–4) 15-min-Fraktionen. Anschließend Stimulation der Säuresekretion prinzipiell
möglich, aber Pentagastrin heute nur noch über internationale Apotheke erhältlich
(Histamin obsolet). Pentagastrindosis: 6 μg/kg KG als s. c. Injektion; Fortführung
der Aspiration über 1 h (vier 15-min-Fraktionen). Messung des Volumens und Tit-
ration jeder Magensaftfraktion gegen 0,1 N NaOH mittels Bürette.
Normalwerte Basaler Säureausstoß auf 1 h bezogen (bei zwei 15-min-Fraktionen muss Ausstoß
mit 2 multipliziert werden) ergibt „basal acid output“ (BAO); Normalwerte: <5–
10 mmol/h; basale Azidität: 50–80 mmol/l.
Stimulierte Säuresekretion:
██Summe der beiden höchsten Fraktionen mit 2 multipliziert = „peak acid output“
(PAO); Normalwerte: <60–70 mmol/h. Azidität bis 120 mmol/l
██Summe der 4 Fraktionen nach Stimulation = „maximum acid output“ (MAO);
Normalwerte: 50–60 mmol/h
Befund Hohe Basalsekretion (Volumen und Azidität) ergibt Hinweis auf autonome Stimu-
interpretation lation der Belegzellen; PAO spiegelt Parietalzellmasse wider.
10.4 Magensekretionsanalyse 537
Tipps und Tricks Während der Untersuchung Lagerung auf linker Seite (Magensaft sammelt sich
großkurvaturseitig).
538
11 Pankreasfunktionsdiagnostik
J. Mayerle
11.1 Allgemeines
Die Untersuchung der endokrinen und exokrinen Funktion dient als zweite Säu-
le der Diagnostik der chronischen Pankreatitis. Die exokrine Pankreasinsuffizienz
ist definiert als globale oder partielle Funktionseinschränkung der pankreatischen
Sekretion von Amylase, Lipase, Proteasen oder Bicarbonat. Die häufigsten Ursa-
chen für das Auftreten beim Erwachsenen ist die chronische Pankreatitis (s. Kap.
6). Die Bauchspeicheldrüse verfügt über eine außerordentlich große funktionelle
Reservekapazität. Klinische Symptome der exokrinen Insuffizienz treten erst bei
einem 90 %igen Funktionsverlust des Pankreas auf. Eine relevante Maldigestion
manifestiert sich nur bei etwa einem Drittel der Patienten mit chronischer Pank-
reatitis. Funktionseinschränkungen des Organs gehen den morphologisch fassba-
ren Veränderungen oft voraus. Die Sensitivität der Funktionsprüfung ist somit der
der bildgebenden Verfahren überlegen. Deshalb ist heute die Untersuchung der
exokrinen Pankreasfunktion ein fester Bestandteil der Diagnostik bei Pankreaser-
krankungen.
Zur Abklärung einer exokrinen Pankreasinsuffizienz werden direkte und indirekte
Methoden eingesetzt. Bei der direkten Untersuchung werden die Bestandteile des
Pankreassafts (Enzyme und Bicarbonat) über eine Duodenalsonde gesammelt und
quantitativ bestimmt, während indirekte Methoden über den Nachweis verminder-
ter Enzymkonzentrationen in Stuhl oder Serum oder über die Maldigestion synthe-
tischer Substrate für Pankreasenzyme auf eine verminderte exokrine Pankreasfunk-
tion schließen lassen. Nachteil der indirekten Pankreasfunktionsuntersuchung ist
die Tatsache, dass zwischen morphologisch bedingten und funktionellen Ursachen
nicht differenziert werden kann. Beispielhaft erwähnt sei hier die Gastrektomie, die
durch eine gestörte Koordination von Pankreassekretion und Magen-Darm-Passage
(pankreatikozibale Asynchronie) zum klinischen Bild einer exokrinen Pankreasin-
suffizienz führen kann, ohne dass ein primärer Organschaden vorliegt.
Ursachen einer Cave: kein Test kann eine exokrine Insuffizienz ätiologisch einordnen.
exokrinen Pank Globale Reduktion der Sekretion von Verdauungsenzymen:
reasinsuffizienz ██akute Pankreatitis (meist passagere Insuffizienz, Enzymsubstitution bessert
Symptome)
██chronische Pankreatitis
██tropische Pankreatitis (kalzifizierende Pankreatitis unklare Ätiologie mit Prädo-
minanz in Indien)
██Pankreaskarzinom (meist Pankreaskopfkarzinom mit Abflusshindernis)
██Zustand nach Pankreasresektion, Zustand nach Pankreastrauma (meist passager)
██angeborene erbliche Störungen:
–– Mukoviszidose (Mutationen im CFTR-Kanal, chronische Pankreatitis).
–– Shwachman-Diamond-Syndrom (exokrine Pankreasinsuffizienz mit Klein-
wuchs, Dysostosen und chronischer Neutropenie)
11.3 Indirekte Testverfahren 539
11.2.1 Sekretin-Pankreozymin-Test
Synonyme und Synonyma: Sekretin-Test, Sekretin-Cholezystokinin-Test, Sekretin-Caerulein-Test,
Testprinzip Pankreasfermentsonde
Die exokrine Pankreasfunktion kann über die Bestimmung von Enzymaktivitäten
und Bicarbonatmenge im Duodenalsekret nach Stimulation mit den Enterohor-
monen Sekretin (Secrelux in einer Dosierung von 1 CU/kg KG als i. v. Bolus) und
Cholezystokinin (in der Praxis verwendet wird das CCK Analogon Caerulein, Takus
25–100ng/kg KG) untersucht werden.
Durchführung Es wird eine mindestens zweilumige Sonde so platziert, dass der Magensaft mög-
lichst vollständig nach außen abgeleitet wird, um eine undefinierte Stimulation zu
vermeiden. Das zweite Lumen liegt vor dem Treitz-Band, sodass das Duodenalse-
kret in 15-min-Portionen aspiriert werden kann.
Durchführung Die Bestimmung von Elastase-1 im Stuhl erfolgt mittels ELISA, wobei kommerzi-
elle Testkits mit sowohl monoklonalen als auch polyklonalen Antikörpern gegen
humane Elastase-1 erhältlich sind. Da bei Elastase-Antikörpern keine Kreuzreak-
tivität mit der Elastase anderer Spezies besteht, ist ein Absetzen der Enzymsubsti-
tution beim Patienten vor der Elastasebestimmung im Stuhl nicht erforderlich. Zur
Bestimmung der Elastaseaktivität genügen kleinste Stuhlmengen (100 mg). Eine
Mehrfachbestimmung ist bei geringer Inter-Assay-Variabilität in der Regel nicht
erforderlich (8–15 %).
540 11 Pankreasfunktionsdiagnostik
11.3.2 Pankreolauryltest
Dieser Test ist in Deutschland zurzeit nicht verfügbar.
Testprinzip Das Testprinzip beruht darauf, dass das synthetische Substrat Fluorescein-Dilaurat
im Darm spezifisch von Pankreasesterasen gespalten wird.
Durchführung Der Patient nimmt die Substanz als Kapsel (0,25 mmol) mit einer definierten Test-
mahlzeit (40 g Weißbrot, 20 g Butter, 200 ml Tee) auf. Die Freisetzung und Resorpti-
on von Fluorescein nach Abspaltung im Duodenum durch eine pankreatische Cho-
lesterolesterase wird photometrisch im Serum nach bestimmten Zeitintervallen
bestimmt. Für die Durchführung ist ein Absetzen der oralen Pankreasfermentsub-
stitution notwendig.
11.3.3 Stuhlfettbestimmung
Durchführung Die Steatorrhoe als klassisches Symptom der exokrinen Pankreasinsuffizienz wird
nach einer Phase konstanter oraler Fettzufuhr von etwa 80–100 g/Tag im vom Pa-
tienten über 3 Tage gesammelten Stuhl untersucht.
Auswertung Bei einer exokrinen Pankreasinsuffizienz mit mehr als 90 % Funktionsverlust steigt
die ausgeschiedene Fettmenge pro Gramm Stuhlfeuchtgewicht messbar an (Fett-
maldigestion). Leichte und mittelgradige Pankreasfunktionseinschränkungen wer-
den klinisch meist kompensiert. Einschränkung: die Stuhlfettbestimmung wird
nur noch sehr selten von einem Labor angeboten.
Literatur Hahn J-U, Bochnig S, Kerner W et al. A new fecal elastase 1 test using polyclonal antibodies for the detection
of exocrine pancreatic insufficiency. Pancreas 2005; 30: 189–191
Lankisch PG, Dröge M, Hofses S et al. Steatorrhoea: You cannot trust your eyes when it comes to diagnosis.
Lancet 1996; 347: 1620–1621
Lankisch PG, Schmidt I, König H et al. Faecal elastase 1: not helpful in diagnosing chronic pancreatitis associ-
ated with mild to moderate exocrine pancreatic insufficiency. Gut 1998; 42: 551–554
Löser C, Möllgaard A, Fölsch UR. Faecal elastase 1: a novel, highly sensitive, and specific tubeless pancreatic
function test. Gut 1996; 39: 580–586
Schneider A, Funk B, Caspary W et al. Monoclonal versus polyclonal ELISA for assessment of fecal elastase
concentration: pitfalls of a new assay. Clin Chem 2005; 51: 1052–1054
Keller J, Aghdassi AA, Lerch MM, Mayerle JV, Layer P. Tests of pancreaticexocrine function - clinical signifi-
cance in pancreatic and non-pancreaticdisorders. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2009; 23: 425–439
541
12 Leberfunktionstests
K. Beckh
12.1 Galaktose-Eliminationskapazität
Durchführung Intravenöse Gabe einer 40 %igen Galaktoselösung (0,5g/kg KG), Messung der Ga-
laktosekonzentration im Blut über 120 min, Berechnung der verstoffwechselten
Menge an Galaktose.
12.2 MEGX-Test
Testprinzip Intravenöse Injektion von Lidocain, hepatische Metabolisierung des Lidocains (über
Cytochrom P450), Messung des Metaboliten Monoethylglycinxylidid (MEGX).
Durchführung Injektion von Lidocain (1 mg/kg KG) über 2 min i. v., Blutentnahmen nach 15 und
30 min.
542 12 Leberfunktionstests
12.3 Methacetintest
Durchführung Orale Gabe des 13C-markierten Methacetins (2 mg/kg KG), Atemproben vor und
20 min nach Gabe, Analyse mit Massen- oder Infrarotspektrometrie.
Befund DOB bei 20 min <25 Δ‰ zuverlässiger Parameter hinsichtlich des Vorliegens einer
interpretation Zirrhose.
Literatur Holtmeier J, Leuschner M, Schneider A et al. 13C-methacetin and 13C-galactose breath tests can assess re-
stricted liver function even in early stages of primary biliary cirrhosis. Scand J Gastroenterol 2006; 41:
1336–1341
Klatt S, Taut C, Mayer D et al. Evaluation of the 13C-methacetin breath test for quantitative liver function
testing. Z Gastroenterol 1997; 35: 609–614
Schneider ARJ, Caspary WF, Stein J. 13C-basierte Atemtests in der Leberfunktionsdiagnostik. Z Gastroenterol
2004; 42: 269–275
543
Indikation G-FOBT als Screening-Untersuchung (jährlich ab dem 50. Lebensjahr) für kolo-
rektales Karzinom (KRK) mit nachgewiesener Senkung der Mortalität um ca. 15 %
(nach Leitlinie KRK der DGVS 2008: G-FOBT, da I-FOBT im Screening nicht ausrei-
chend getestet. Neue Leitlinie KRK vermutlich mit Empfehlung für I-FOBT). Wenn
Koloskopie als Screening-Methode gewählt wurde, entfällt der FOBT für die nächs-
ten 10 Jahre.
Durchführung G-FOBT: Mit Guajakharz imprägniertes Filterpapier wird mit Stuhlprobe versetzt;
nach Trocknung werden auf der Rückseite 2–3 Tropfen Entwicklerflüssigkeit auf-
gebracht und Verfärbung beobachtet (typischerweise pseudopodienartige Diffusi-
on). Rehydratation der Tests führt zu höherer Sensitivität bei reduzierter Spezifität
(wird nicht empfohlen). Da Tumoren intermittierend bluten können, sollte der Test
an mehreren aufeinander folgenden Tagen durchgeführt werden.
Befund Ein positiver Testausfall sollte komplette Koloskopie (nach Möglichkeit einschließ-
interpretation lich des terminalen Ileums) nach sich ziehen, ggf. mit Proktoskopie.
Schmiegel W et al. S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom. Z Gastroenterol 2008; 46: 1–73 (www.dgvs.de)
Literatur
Hol L et al. Screening for colorectal cancer: randomised trial comparing guaiac-based and immunochemical
faecal occult blood testing and flexible sigmoidoscopy. GUT 2010; 59: 62–68
545
14 Dünndarmfunktionsdiagnostik
I. Koop
14.1 H2-Atemtests
14.1.1 Grundlagen
Allgemeines Kohlenhydrate werden im Dünndarm resorbiert. Erfolgt dies nicht, werden sie im
Kolon bakteriell gespalten und als H2 abgeatmet. Sind Bakterien im Dünndarm vor-
handen, werden Kohlenhydrate bereits hier gespalten.
Durchführung Nach Einnahme der Testsubstanz Messung des exhalierten H2 in der Ausatemluft in
einem Gerät mit elektrochemischer Messzelle.
Fehlerquellen ██ Störfaktoren: vor und/oder während des Tests essen, trinken, rauchen, Kaugum-
mi, Bonbons, körperliche Bewegung
██ falsch niedrige H2-Exhalation: Antibiotika, Abführmaßnahmen, auch nach Ko-
loskopie, Nikotin und körperlicher Aktivität (reduzieren adäquate Exhalation),
reduzierte Kohlenhydrataufnahme (Diät)
██ frühzeitige H2-Exhalation: bakterielle Fehlbesiedlung (sehr früher H2-Anstieg),
beschleunigte Magenentleerung (z. B. nach Billroth-I- oder -II-Resektion), feh-
lende Mundhygiene (kann durch antibakterielle Mundspülung verbessert wer-
den), fehlende Nahrungskarenz, Stuhl-pH-Erhöhung (Mg-Sulfat), verstärkte Auf-
nahme von Kohlenhydraten/Stärke/pflanzlichen Fasern, Zöliakie
██ H2-Non-Producer: ca. 10 % der Bevölkerung kann im Kolon Kohlenhydrate nicht
zu H2 spalten; sämtliche H2-Tests bei diesen Personen nicht verwertbar
Literatur Keller J et al. Klinisch relevante Atemtests in der gastroenterologischen Diagnostik. Z Gastroenterol 2005;
43: 1071–1090
Lembcke B. Resorptionstests. In: Classen M, Siewert JR, Hrsg. Gastroenterologische Diagnostik. Stuttgart:
Schattauer; 1993
Goshal U. Howtointerpret hydrogen breathtest. J NeurogastroenterolMotil 2011; 17: 312–317
546 14 Dünndarmfunktionsdiagnostik
14.1.2 Laktose-H2-Atemtest
Testprinzip Oral verabreichte Laktose kann bei Laktasemangel nicht gespalten werden, gelangt
ins Kolon, wo Bakterien H2 abspalten. Gleichzeitig fehlt der normalerweise vor-
handene Blutglukoseanstieg. Durch die Messung von H2 kann der konventionelle
Laktosebelastungstest (ohne H2-Messung) in seiner Sensitivität deutlich gesteigert
werden, da bereits geringe Mengen (2 g) Laktose im Kolon zur H2-Exhalation füh-
ren.
Befund ██ Anstieg der H2-Exhalation >20 ppm pathologisch, in der Regel ab 30 min; Maxi-
interpretation malwerte liegen um 200 ppm.
██ Laktoseintoleranz: wenn gleichzeitig Beschwerden wie Durchfall, Bauch-
schmerzen, Blähungen auftreten.
██ Laktosemalabsorption: H2-Exhalation >20 ppm ohne Symptome.
Tipps und Tricks Der Patient sollte während des Tests Ruhe einhalten.
Liegt eine klinisch signifikante Laktoseintoleranz vor, treten typische Beschwerden
wie Durchfall (30 %), Blähungen, Flatulenz und Bauchschmerzen auf; daher immer
auch nach Symptomen während des Tests fragen. Ohne Beschwerden während des
Tests ist pathologische H2-Exhalation nicht als klinisch relevantes Ergebnis zu in-
terpretieren.
14.1.3 Glukose-H2-Atemtest
Testprinzip Oral verabreichte Glukose wird bei bakterieller Fehlbesiedlung des Dünndarms
nicht resorbiert, sondern bakteriell gespalten. Dadurch kommt es zur H2-Exhalati-
on in der Ausatemluft. Da Glukose außer nach ausgedehnter Dünndarmresektion
immer resorbiert wird, ist der Test pathognomonisch für bakterielle Fehlbesied-
lung.
Befund H2-Werte von 12–20 ppm zeigen eine Metabolisierung durch Bakterien an, Werte
interpretation >20 ppm sind pathologisch; Sensitivität: 62–91 %, Spezifität: 75–100 %.
Tipps und Tricks Bei fraglich positiven Befunden Wiederholung des Tests:
██mit Laktulose
██nach antibiotischer Therapie
14.1.4 Laktulose-H2-Atemtest
Testprinzip Der nicht resorbierbare oral verabreichte Zucker Laktulose wird erst im Kolon
von Bakterien metabolisiert. Die steigende H2-Exhalation zeigt den Zeitpunkt des
Übertritts ins Kolon an (Mund-Zökum-Transit). Bei sehr frühzeitiger H2-Exhalation
kann dies ein Hinweis auf eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms sein.
Normalwerte Der erste dauerhafte Anstieg der H2-Exhalation >20 ppm korreliert mit der An-
kunftszeit der Laktulose im Zökum (normalerweise 60–120 min nach Trinken der
Lösung).
Befund Erhebliche Streubreite, in der Regel signifikanter H2-Anstieg zwischen 30 und 150
interpretation min. Früherer H2-Anstieg signalisiert bakterielle Fehlbesiedlung im Dünndarm,
aber große Überlappung zwischen normalen und pathologischen Werten.
14.1.5 Fruktose-H2-Atemtest
Testprinzip Bei reduzierter Aufnahme von Fruktose erfolgt der Transport bis ins Kolon mit
nachfolgender H2-Exhalation.
Befund Anstieg der H2-Exhalation >20 ppm ist pathologisch, jedoch nur mit Auftreten ab-
interpretation domineller Symptome.
Fehlerquellen Siehe Kap. 14.1.1, Grundlagen. Frühzeitiger H2-Anstieg bei bakterieller Fehlbesied-
lung, Dünndarmerkrankungen oder beschleunigtem Transit.
Tipps und Tricks Fruktose wird über GLUT-5 resorbiert. Sorbit hemmt, Glukose fördert Absorption.
Daher wird Saccharose häufig vertragen. Therapeutischer Hinweis: Äpfel und Bir-
nen beinhalten am meisten Fruktose.
Pathologische H2-Exhalation klinisch nur relevant, wenn gleichzeitig Abdominal-
symptome bestehen.
Normalwerte Normal: <24 ml/Tag ohne Diarrhö, <56 ml/Tag mit Diarrhö.
Fehler
██ Diarrhö
möglichkeiten
██ pH <3,5 im Magen degradiert Alpha1-Antitrypsin (daher nur bedingt verwertbar
bei Morbus Ménétrier)
██ Blut im Stuhl führt zu falsch hohen Alpha1-Antitrypsin-Werten
██ unterscheidet nicht zwischen gastralem und intestinalem Eiweißverlust
Tipps und Tricks da aufwendige Untersuchung, die nur in wenigen Labors durchgeführt wird, zu-
nächst Ausschluss anderer Ursachen, vorher immer Dünndarm- bzw. Magenbiop-
sie durchführen
██ zur Bestimmung der Alpha1-Antitrypsin-Clearance bei Morbus Ménétrier sollte
ein H2-Rezeptor-Blocker zur Verhinderung der Alpha1-Antitrypsin-Degradation
durch Magensäure gegeben werden
Literatur Strygler B et al. α1-Antitrypsin excretion in stool in normal subjects and in patients with gastrointestinal
disorder. Gastroenterology 1990; 99: 1380–1387
14.3 Dünndarmmanometrie
Literatur Keller J et al. IntestinaleMotilitätsstörungen (S3-Leitlinie der DGVS). Z Gastroenterol 2011; 49: 374–390
Seidl H. et al. Chronisch intestinale Pseudoobstruktion. Z Gastroenterol 2008; 46: 704–711
Wissenswertes
553
15.1 Einleitung
Ziel Voll bilanzierte Ernährung über den Magen-Darm-Trakt. Das Ziel kann eine par-
tielle oder ausschließliche, eine vorübergehende oder dauerhafte enterale Sonde-
nernährung sein.
Im Vergleich zu parenteraler Ernährung ist die enterale Applikation der einfachere
Zugangsweg für Nährstoffe und Medikamente verbunden mit weniger Komplika-
tionen, Aufrechterhaltung der Darmintegrität mit Mukosabarriere und geringeren
Kosten. Bei Komplikationen durch enterale Sondenernährung oder Kontraindikati-
onen ist eine parenterale Ernährung (s. u.) indiziert.
Indikation Bei Patienten, die nicht essen/trinken können bzw. nicht essen/trinken wollen (ins-
für enterale besondere Patienten mit Demenz) ist unter Beachtung der Grunderkrankung, de-
Sonden ren Dauer und Prognose, der Entscheidungsfähigkeit des Betroffenen und unter
ernährung Einbeziehung des sozialen Umfelds über die Indikation zu entscheiden (auch Pati-
entenverfügung mit Aussagen über „künstliche Ernährung“ beachten).
554 15 Enterale und parenterale Ernährung
Vorausset
██ ausreichende Funktionsfähigkeit des Magen-Darm-Trakts
zungen für
██ gefahrlose Anlage einer Sonde: nasogastral, nasojejunal, perkutane endoskopi-
enterale sche Gastrostomie (PEG) oder perkutane enterale Jejunostomie (PEJ); s. „Wahl
Sonden der Applikationsart“
ernährung
Erkrankungen, neurologische Schluckstörungen: Morbus Parkinson, zerebraler Insult, zerebrale
██
Wichtig: In jedem Fall individuelle Entscheidung mit und für den Betroffenen!
Nasojejunale Sonde:
██wie nasogastral, unter Röntgendurchleuchtung langsames Vorschieben der Son-
de bis in das aszendierende Duodenum bzw. in die 1. Jejunumschlinge; Prokine-
tikum kann hilfreich sein (Metoclopramid 10 mg i. v.); alternativ: endoskopische
Platzierung
██Infusionsgeschwindigkeit und -menge: immer als kontinuierliche Infusion mit
Pumpe: 1. Tag: 20 ml/h, jeden Tag um 20 ml/h steigern bis zur gewünschten
Kalorien- und Flüssigkeitszufuhr oder bis Nebenwirkungen (Durchfall, Bauch-
schmerzen) auftreten (aufgrund der hohen Osmolalität der Sondennahrung ist
langsame Steigerung von Volumen und Kalorienmenge notwendig), maximal
120 ml/h
██Bei Intensivpatienten/Beatmung: Mehrlumensonde mit Möglichkeit des Ablaufs
von Mageninhalt und – bei vorhandener Dünndarmperistaltik – gleichzeitiger
jejunaler Nahrungsapplikation
PEG/PEJ:
██Aspirationsgefahr bei Nichtbeachtung der Wahl der Applikationsart
██Infektion im Bereich der Sondendurchtrittsstelle, Leckage an der Mageneintritts-
stelle, Peritonitis: Indikation für Entfernung der PEG/PEJ!
██Langzeitkomplikation: Einwachsen der PEG-Halteplatte in die Magenwand und
Okklusion der Sonde: „burried bumper“. Die eingewachsene Halteplatte kann
meistens endoskopisch mit Nadelmesser/Papillotom u. ä. herausgeschnitten
werden, ansonsten chirurgische Entfernung
Definition Komplette oder partielle Nährstoff- und Flüssigkeitsapplikation über einen peri-
pheren oder in der Regel zentral liegenden Venenkatheter.
Vorgehen ██ Zeitpunkt für Beginn der parenteralen Ernährung festlegen (wenn Vorteile grö-
ßer als Risiken und Nachteile), Notwendigkeit der parenteralen Ernährung im
Verlauf überprüfen
██ Ort der Applikation:
–– periphere Verweilkanüle: Limitation sind Venentoxizität durch Glukose-,
Elektrolyt- und/oder Aminosäurelösungen. Maximal 1000 kcal/24 h appli-
zierbar, Haltbarkeit der Kanüle <3 Tage
–– zentraler Venenkatheter: V.jugularisinterna (selten externa), V. subclavia
–– implantierter Venenkatheter (Port-Katheter)
██ Festlegung der gewünschten Volumen- und Kalorienmenge (28–32 kcal/kg
KG/24 h)
██ Auswahl der Präparate: bevorzugt All-in-one-Systeme (Mehrkammerbeutel)
–– Protein: Beginn mit 0,8 g/kg KG/24 h, Schwerstkranke bis 1,5 g/kg KG/24 h.
Bei kritisch Kranken ab dem 5. Tag der parenteralen Ernährung Glutaminzu-
satz (0,3–0,6 g/kg KG/24 h)
–– Kohlenhydrate: 3–4 g/kg KG/24 h Glukose, maximal 5 g/kg KG/24 h bei
Schwerstkranken.
–– Fett: 1 g/kg KG/24 h, niedriger Anteil an n-6 ungesättigten Fettsäuren
–– Elektrolytausgleich
–– Vitamine: vom ersten Tag an Cernevit 5 ml tgl. (plus Konakion 5 mg 1-mal/
Monat); alternativ Vitalipid N Adult oder Frekavit fettlöslich 10 ml tgl. plus
Soluvit N Adult oder Frekavit wasserlöslich 10 ml tgl.
–– Spurenelemente: vom ersten Tag an Addel N oder Tacitrans plus oder Tracutil
tgl. 1-mal
██ Monitoring möglicher Komplikationen
Literatur Schütz T et al. Subjective Global Assessment – eine Methode zur Erfassung des Ernährungszustands. Aktuel
Ernähr Med 2005; 30: 43–48
ESPEN-Leitlinien enterale Ernährung – Zusammenfassung. Aktuel Ernähr Med 2006; 31: 196–210 www.
dgem.de/material/pdfs/ESPEN_LL_deutsch.pdf
Koletzko B et al. Leitlinie parenterale Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin . Aktuel
Ernähr Med 2007; 32(1): S1–S133
Plauth M. Parenterale und enteraleErnährung. Gastroenterologie up2date 2010; 6: 133–148
Löser K. Perkutane endoskopische Gastrostomie. http://www.dgvs.de/media/5.2.PEG.pdf
559
Diarrhö:
██Flüssigkeitszufuhr (u. U. intravenös), Elektrolytausgleich, Loperamid per os, bei
intraktablen Diarrhöen Octreotid (z. B. 2- bis 3-mal 50–100 μg/Tag s. c.), evtl.
Opiumtinktur z. B. 3-mal 5–15 °##; Vermeidung saurer, fetthaltiger und ballast-
stofreicher Speisen, Alkohol, Koffein, Milch, keine Prokinetika.
██Stationäre Behandlung indiziert bei intraktablen Diarrhöen, Exsikkose, man-
gelnde Nahrungs-/Flüssigkeitszufuhr
██Patienten mit Diarrhöen und Neutropenie sind besonders gefährdet
Literatur http://www.krebsgesellschaft.de/download/ll_o_09.pdf
Preiß JC et al. Onkologie 2011/12. Zuckschwerdt-Verlag. Unentgeltlicherhältlich unter www.ribosepharm.de
Andreyev HJN et al. Practice guidance on the management of acute and chronic gastrointestinal problems
arising as a result of treatment for cancer. GUT 2012; 61: 179–192
16.2 Nausea und Emesis 561
Tab. 16.2 Akute Phase (bis 24 h nach Verzögerte Phase (ab Stunde 24 bis Tag 5
Emesisprophy Chemotherapie) nach Chemotherapie)
laxe.
Verabreichung der Prophylaxe vor Beginn
der Chemotherapie
5-HT3-Rezeptorantagonist (5-HT3-RA)
●●Granisetron 2 mg p. o./1 mg i. v.
●● Ondansetron 16–24 mg p. o./8 mg i. v.
●● Tropisetron 5 mg p. o. i. v.
●● Dolasetron 200 mg p. o./100 mg i. v.
●● Palonosetron 0,25 mg i. v.
●● Dexamethason 8 mg p. o. i. v.
●● keine Routineprophylaxe
●● keine Routineprophylaxe
Literatur http://www.krebsgesellschaft.de/download/ll_o_03.pdf
Matzdorff, A. J et al. Onkologie 2012/13 – InterdisziplinäreEmpfehlungenzurTherapie. Zuckschwerdt-Verlag.
www.ribosepharm.de
16.4 Sonstiges
Literatur www.asco.de
www.krebsgesellschaft.de/download/ll_n_04.pdf
564
Sachverzeichnis
A –– rektaler 212 Aderlass 436, 439
AA-Amyloid 307, 484 –– subphrenischer 32, 407 Adhäsion, Dünndarm
AAPC s. Polyposis, adenomatöse, Abwehrspannung, obstruktion 288
familiäre, attenuierte 244 abdominelle 35, 282 Adipositas 469
Abdomen Acetylcystein 482 Adrenalin 110, 124
–– akutes 31, 35, 40 Achalasie 21, 24, 64, 67 AEG-Tumor 136, 137
––– Diagnostik 36 Achlorhydrie 112, 114, 115, 527, Aerophagie 37, 128, 130
––– Divertikelperforation 282 534 Aethoxysklerol 328
––– entzündlich bedingtes 35 Aciclovir 78, 404, 405 Afferent-loop-Syndrom (Syndrom
––– bei Immunsuppression 37 Acne inversa 324 der zuführenden Schlinge) 146,
––– intoxikationsbedingte 36 ACPO (Akute kolonische 147
––– Ischämie, mesenteriale, Pseudoobstruktion) 293 AFP (α-Fetoprotein) 424, 456,
akute 302 Adalimumab 217 457, 460
––– Magenwandriss, verätzungs Addison, Morbus 315 Agammaglobulinämie, X-chromo-
bedingter 144 Adefovir dipivoxil 392 somal assoziierte 314
––– bei Morbus Crohn 215 Adenokarzinom Aganglionose s. Hirschsprung,
––– Ulkusperforation 121 –– anales 331 Morbus
––– Ursache –– Dünndarm 251, 252 Agranulozytose 219, 386
–––– extraabdominelle 36 –– duodenales 252 AIDS 78, 79
–––– retroperitoneale 36 –– gastrales (s. auch Magen –– Darmfehlbesiedlung,
–– aufgetriebenes 459 karzinom) 137 bakterielle 165
–– gespanntes 199 –– kolorektales 260 –– Infektion, intestinale 201
–– Perkussion 33 –– ösophageales (s. auch –– Megakolon, toxisches 230
–– überblähtes 286, 289, 293, 294 Ösophaguskarzinom) 82, 88 –– Tumor 275
Abdomensonografie 34, 40, 129, ––– Grading 89 Akanthozytose 237
159 ––– Gruppeneinteilung, Akrodermatitis 167, 212
–– Colitis ulcerosa 224 prognostische 90 Akutphaseprotein 421, 548
–– Divertikulitis 282 ––– lokal fortgeschrittenes 90 Alagille-Syndrom 429
–– Gastroenteritis, ––– lokal inoperables 90 AL-Amyloid 307, 484
eosinophile 233 ––– metastasierendes 90 Alaninaminotransferase 382, 385,
–– Ileus, mechanischer 287 ––– Präkanzerose 83 442
–– Ischämie, mesenteriale, ––– Regression 90 Albendazol 195, 197, 202, 415,
akute 303 ––– TNM-Stadien 89 416
–– Magenkarzinomnachweis 137 –– Pankreas (s. auch Pankreas Albumingehalt im Aszites 49
–– bei Malabsorptionssyndrom 167 karzinom) 367 Albuminsubstitution 479
–– Megakolon, toxisches 229 Adenom 239, 241, 258 –– bei Parazentese 476
–– Morbus Crohn 213 –– duodenales 131, 243, 244 Albuminurie 212
–– Zöliakie 208 –– Entartungsrisiko 241 Alkalische Substanz, Ösophagus-
Abdomenübersichts –– gastrales 131, 136 verätzung 143
aufnahme 34, 40 ––– endoskopische Schlingen Alkalose 381
–– Darmmotilitätsstörung 290 abtragung 132 Alkoholabbau 381, 467
–– Ileus, mechanischer 286 ––– maligne Transformation 131 Alkoholabusus
–– Kolitis, ischämische 306 –– hepatisches s. Leberadenom –– Hepatitis C 398
–– Marker-Technik 107 –– intraepitheliale Neoplasie 240 –– Leberzirrhose 468
–– Megakolon, toxisches 229 –– kolorektales –– Pankreatitis 343, 355
–– postnatale 160 ––– flaches 244 Alkoholdehydrogenase 381
Abdominalorganherniation vor ––– Karzinomrisiko 259 Alkoholhepatitis 467, 482
die Bauchwand 161 –– ösophageales 91 –– anikterische 468
Abetalipoproteinämie 236, 426 –– pankreatisches 373 –– chronische 468
Abszess –– serratiertes 241, 245 –– fulminante 468
–– chirurgische Eröffnung 330 ––– sessiles 241 Allergen 98
–– intraabdomineller 212, 283 –– tubuläres 241 –– Nachweis 321
–– ischiorektaler 330 –– villöses 239, 241 Allergenprovokation,
–– Morbus Crohn 219 Adenom-Karzinom-Sequenz 252, koloskopische 174
–– pelvirektaler 330 258, 368 Allergie 233
–– perianaler 212, 329, 330 Adenomyomatose der Gallen –– Soforttyp, Nahrungsmittel
–– perityphlitischer 276 blase 506 unverträglichkeit 172
Sachverzeichnis 565
Allergische Erkrankung 117 Anale Erkrankung Antazida 73, 76, 111, 116
Allergische Reaktion –– sexuell übertragbare 322 Antibiotikatherapie
–– Askaridenbefall 195 –– virusbedingte 322 –– akute Pankreatitis 351
–– Schistosomiasis 196 Analekzem 320 –– bakterielle Darmfehl
Allgrove-Syndrom 64 –– atopisches 320 besiedlung 165
ALM (adenoma-like-mass) 228 Analfalten 319 –– Caroli-Syndrom 498
Alopezie 248 Analfissur 326 –– Clostridium-difficile-
Alpha-1-Antitrypsin –– akute 326, 327 Infektion 187
–– im Serum 421 –– chronische 319, 326, 327 –– Leberabszess 407
–– Substitution 421 Analfistel 329, 330 –– Ösophagogastroduoden
Alpha-1-Antitrypsin-Clearance –– extrasphinktäre 329 oskopie 61
–– endogene 235, 236 –– Farbmarkierung 329 Antidepressiva 129, 130
–– fäkale 548 –– intersphinktäre 329 –– trizyklische 68
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel 420 –– operative Sanierung 330 Antigen
Alpha-1-Globulin-Fraktion 421 –– submuköse 329 –– karzinoembryonales 460
Alpha-Interferon 518 –– suprasphinktäre 329 –– Nahrungsmittelallergie,
ALT (Alaninaminotransfera- –– transsphinktäre 329 Sofort-Typ 172
se) 382, 385, 442 Analkanal 317 Anti-HAV-IgM-Nachweis 384
AMA (antimitochondriale Analkarzinom 330 Anti-HBc 390
Antikörper) 463 –– kloakogenes 330 Anti-HBc-IgM 386
Amine, biogene –– Lymphknotenbeteiligung 332 Anti-HBe 387, 390
–– Intoleranz 172, 173 –– TNM-Klassifikation 331 Anti-HBs 387
–– Mastozytoseauslösung 176 Analsphinkter 317 Anti-HDV 399, 400
Aminosäuren 154, 379 –– Botulinumtoxininjektion 327 Anti-HDV-IgM 399
Aminosäurenkonzentration im –– Kneifbelastungstest 333 Anti-HEV 401
Serum 424 –– Manometrie 262 Anti-HEV-IgM 401
Aminosäurenstoffwechsel, –– pharmakologische Antihistaminika 176, 464
Leberfunktion 379 Relaxation 327 Anti-HSV-IgM 404
Aminosäurenstoffwechsel –– Pressbelastungstest 333 Anti-IgA-Antikörper 314
störung 423 Analthrombose 325 Anti-Interleukin-5-Antikörper,
Amitriptylin 68 Analvenenthrombose 325 monoklonale 99
Ammoniak 381, 482 Anämie 166, 199, 298 Antikoagulation 491
Amöbenabszess der Leber 192, –– aplastische 386 Antikonzeptiva, orale 447, 448, 450
410 –– megaloblastäre 115, 148, 198 Antikörper
Amöbenenteritis 411 –– perniziöse 115 –– antimitochondriale 463
Amöbenruhr 192 –– sideroblastischer 342 –– antinukleäre 462, 463
Amöbiasis 192 Anaphylaxie, Nahrungsmittel –– gegen glatte Muskulatur 462,
Amoxicillin 114, 123 allergie 174 463
Amoxicillin/Clavulansäure 165 Anastomose –– monoklonale, gegen
Amphotericin B 80, 203 –– biliodigestive 372 Interleukin-5 99
Ampicillin 183 –– ileorektale 245 Anti-Phospholipid-Syndrom 312
Ampullektomie 514 –– jejunokolische 304 Antirefluxoperation 75
Amsterdam-Kriterien, ANCA 313 Antirheumatika, nicht
kolorektales Karzinom 258 Anderson, Morbus 417, 419 steroidale 299
Amylase 340 Angina abdominalis 304, 305 –– Darmschleimhaut
Amyloidose 307 Angio-CT 34, 36, 303, 305, 311 schädigung 299
–– dialysebedingte 307 –– Blutungsabklärung 30 –– Ulkusrisiko 124
–– gastrointestinale 144, 307 Angiodysplasie 126, 127 Anti-TNF-α-Therapie 468
–– hereditäre 484 Angiosarkom, hepatisches 459 Antrummühle 103
–– Leberbeteiligung 484 Ankylostoma duodenale 196 Anus, imperforierter 162
–– Magenbeteiligung 144 Ann-Arbor-System, Lym- APC-Gen 243, 244
–– neuromuskuläre 144 phom 256 Aphthen
–– Ösophagusmotilitätsstörung 69 Anodermentfernung 332 –– Behçet, Morbus 230, 231
–– primäre 144, 307 Anonyme Alkoholiker 363 –– orale 560
–– sekundäre 144, 307, 498 Anorektum 317 –– ösophageale 100
ANA (antinukleäre –– Läsion, NSAR-bedingte 300 Apolipoprotein-C-II-
Antikörper) 462, 463 –– Schließmuskelsystem 317, 318 Defizienz 345
Analabszess 329, 330 Anorektumerkrankung 43 Appendektomie 277
–– intersphinktärer 330 Anorexia nervosa 346 Appendixkarzinoid 525
–– submuköser 330 Anorexie 49 Appendixkarzinom 272
–– medikamentenbedingte 49 Appendixlumenobstruktion 276
566 Sachverzeichnis
Appendix vermiformis 151, 153 Asthma bronchiale 313 Ballonsonde bei Ösophagus
Appendizitis 276 –– refluxassoziiertes 72, 73 varizenblutung 62
–– akute 36 Asynchronie, pankreatikozi Bannayan-Riley-Ruvalcaba-
–– atypische 276 bale 538 Syndrom 247
–– gangränöse 276 Aszites 47, 117, 357 Bannayan-Zonana-Syndrom 247
–– perforierte 276, 277 –– bakterieller 477 Bariumschluck 67
–– rezidivierende 277 –– Ernährung 476 Barrett-Epithel 71, 83, 88
–– Schmerzlokalisation 32, 276 –– hepatogener 48, 475 Barrett-Frühkarzinom 83
Aprepitant 562 –– Labordiagnostik 49 Barrett-Ösophagus 71, 76, 80, 82
AP s. Phosphatase, alkalische –– Malabsorptionssyndrom 166 –– DGVS-Leitlinie 83
Arbeitskreis der Pankreat –– maligner 372 –– endoskopisch verdächtiger 80
ektomierten 364 –– nephrogener 48 –– Karzinomentstehung 88
Argon-Plasma-Koagulation, –– Neugeborenes 424 –– Klassifikation 80
endoskopische 110 –– pankreatogener 48 –– mikroskopischer 81
Arias-Syndrom 431 –– peritoneal bedingter 48 –– mit intraepithelialer
Arsenexposition 459 –– Punktion 476 Neoplasie 82, 83
Arteria ––– diagnostische 48 Barrett-Ulkus 71
–– gastrica dextra 102 –– tumorbedingter 47 Barron-Gummibandligatur 328
–– gastricoepiploica 102 Atemtest 107 Basalmembran 153
–– gastroduodenalis 102 Atherosklerose 304 Bassen-Kornzweig-Syndrom 426
–– hepatica 378 Atosil 561 Bauchschmerzen 30
––– Aneurysma 492 Atresie, intestinale 159, 160 –– akute 30
––– Verschluss 492 Auerbach-Plexus 103, 151, 153 ––– linksseitige 306
–– mesenterica Augenhintergrund-Spiegelung 243 –– Appendizitis 276
––– inferior 151, 300, 302 Autoantikörper, Colitis –– chronische 34, 35
–––– Durchblutungsstörung 304, ulcerosa 224 –– Churg-Strauss-Syndrom 313
305 Autoimmuncholangitis 463 –– Colitis ulcerosa 222
––– superior 103, 151, 300, 302 Autoimmunerkrankung 115 –– Crohn, Morbus 211
–––– distale, fehlende 160 Autoimmunhepatitis 206, 212, –– Darmvolvulus 157
–––– Duplexsonografie 305 396, 461 –– Diarrhö 39
–––– Thrombose 301 –– Score-System 462 –– diffuse 32, 289
–––– Verschluss 301, 303 –– Serologie 462 –– Divertikulose 280
–– rectalis superior 317, 318 Autoimmunpankreatitis 365 –– Gastroenteritis,
Arteriae gastricae breves 102 –– HiSORT-Score 366 eosinophile 233
Arterienverschluss, –– Rückfallrate 367 –– Ileus, mechanischer 286
embolischer 301, 302 –– Vorgehen bei Verdacht 367 –– Ischämie, intestinale,
Arthritis Autoimmunthyreoiditis 206 chronische 305
–– axiale 220 Azathioprin 209, 216, 218, 219, –– Karzinoid 525
–– Colitis ulcerosa 221, 223 225, 462 –– Karzinom, kolorektales 261
–– Morbus Crohn 212 Azetylsalizylsäure 228, 299 –– kolikartige 435
–– reaktive 191 –– Ulkusrisiko 124 –– Lokalisation 32, 35
–– rezidivierende 198 Azidose 381 ––– atypische 37
–– rheumatoide 486 Azinuszellkarzinom 373 –– Malabsorptionssyndrom 166
––– Ösophagusmotilitäts Azol-Antimykotika 80 –– Mastozytose, systemische 175
störung 68 Azole 325, 415, 416 –– Meckel-Divertikel 156
5-ASA 225, 226 –– Megakolon, toxisches 229
5-ASA-Klysma 224, 226 –– Pankreatitis 346, 354
5-ASA/Mesalazin 224 –– Peutz-Jeghers-Syndrom 246
B
5-ASA-Rektalschaum 224 –– Pseudoobstruktion, kolonische,
Backwash Ileitis 222, 223
5-ASA-Suppositorium 226 akute 294
Baclofen 23
Ascaris lumbricoides 194, 414 –– Reizdarmsyndrom 177
Bakteriämie
Askariasis 414 –– Typen 31
–– Campylobacterinfektion 184
Askariden 194, 414 –– Whipple, Morbus 199
–– Shigellenenteritis 185
Askarideneier im Stuhl 414 Bauchwanddefekt 161
Balantidium coli 195
Aspartataminotransferase 382, Bauchwandhernie 278, 279
Ballondilatation
442, 443 Bauchwandschmerz 33
–– Magenausgang 109
Aspergillose 410 Becher-Zellen 152
–– unterer Ösophagussphinkter 65
Aspiration 56, 64 Becherzellkarzinoid 272
Ballonendoskopie
Aspirationsembolektomie 303 Beckenbodendyssynergie 333, 334
–– Polypennachweis 239
AST (Aspartataminotrans Beckenbodenfunktions
–– Tumordiagnostik 252
ferase) 382, 442, 443 störung 332
Sachverzeichnis 567
Dünndarmkarzinom 250, 251, 252 –– Morbus Crohn 118 Eisensubstitution 149, 219
–– 5-Jahres-Überlebensrate 253 –– schneeweißes 237, 426 Eisentoxizität, hepatische 437
–– Resektion 253 Duodenummukosa 102 Eiweißmangelödem 166
–– Staging 252 Duodenumverätzung 143 Eiweiß s. auch Protein
–– TNM-Klassifikation 253 Durchblutungsstörung, Eiweißverlust
Dünndarmläsion, NSAR intestinale 300 –– enteraler 248
induzierte 299 Durchfall s. Diarrhö –– fäkaler 548
Dünndarmlymphom 251 Durchwanderungsperitonitis 288, –– gastrointestinaler 234
Dünndarmmanometrie 549 302, 306 –– intestinaler 145, 307
Dünndarmmotilität 156 Dysostose, metaphyseale 342 Eiweißverlust-Enteropathie 548
Dünndarmmotilitätsstörung 314 Dyspepsie 107, 127 –– Lymphangiektasie,
Dünndarmneurofibrom 250 –– funktionelle 127 intestinale 235
Dünndarmoberfläche, resorptive, Dysphagie 19, 20, 72, 86 Eiweißverlust-Gastroentero
verminderte 165 –– akute 97 pathie 234
Dünndarmobstruktion 252 –– bolusbedingte 97 Eiweißzufuhr, erhöhte 235
–– kompensierte 288 –– oropharyngeale 19, 20 Ekzem, perianales 320
–– komplette 288 –– ösophageale 19, 20, 68 –– kumulativ-toxisches 320
Dünndarmpolypen 239 –– Ösophagusdivertikel 55 Elastaseausscheidung im
Dünndarmpouch 265 –– Ösophaguskarzinom 84 Stuhl 167, 539
Dünndarmresektion 304 –– Ösophagusmotilitätsstörung 64 Elastografie, transiente 470
Dünndarmschlingen ––– hyperkontraktile 67, 68 Elektrolytsekretion,
–– aufgestellte 286 –– Pillenösophagitis 93 intestinale 154
–– distendierte 287 –– Pseudodivertikulose, Elektromyografie 319
Dünndarmtumor 251 ösophageale 55 Embolisation, transarterielle 518
–– Histologiegewinnung 252 –– Ringe, ösophageale 58 Emesis s. Erbrechen
–– neuroendokriner 251 –– Webs, ösophageale 58 Endobrachyösophagus 80
Dünndarmüberbesiedlung, Dysplasie, arteriohepatische 429 Endometriose 316
bakterielle 198 D-Zelle 152 Endoskopie 34
Dünndarmwand 151 –– Amyloidose 308
Dünndarmzotten 152 –– Dumping-Syndrom 146
–– Atrophie 198, 205 –– Fremdkörperbergung 98
E
Duodenalatresie 160 –– Gastroenteritis,
Ebola-Virus-Erkrankung,
Duodenalbiopsie 167, 200, 236, eosinophile 117, 233
Hepatitis 406
237, 290 –– Hämangiomnachweis 249
E-Cadherin-Gen 137
–– Lambliennachweis 411 –– Hämatemesisabkklärung 26
ECF-Chemotherapieschema 140
–– Zöliakie 206 –– Hiatushernie 57
Echinococcus
Duodenaldivertikel 104, 163 –– Karzinoidnachweis 526
–– granulosus 415
–– extraluminales 104 –– Magenausgangsstenose 108
–– multilocularis 416
–– Herniation 104 –– Magenentleerung 26
Echinokokkose
–– intramurales 104 –– Magenlymphom 142
–– alveoläre 416
–– juxtapapilläres 104, 163 –– Malabsorptionssyndrom 167
–– zystische 415
Duodenalkarzinom 244, 252 –– Megakolon, toxisches 229
ECL-Zell-Karzinoid 115, 520, 521
–– 5-Jahres-Überlebensrate 253 –– Ösophagitis, eosinophile 99
EC-Zellen 152
Duodenalpolyp 131, 132 –– Ösophaguskarzinom 84, 88
Efferent-loop-Syndrom (Syndrom
Duodenalschleimhautdefekt 121 –– Ösophagustumor, benigner 91
der abführenden Schlinge) 147
Duodenalsekret, Lamblien –– Ösophagusvarizenblutung 60
EHEC (enterohämorrhagische
nachweis 411 –– Ösophagusverätzung 96, 97
Escherichia coli) 185, 186, 187
Duodenalstenose –– Refluxkrankheit 73
EIEC (enteroinvasive Escherichia
–– Gastroenteritis, eosinophile 117 –– Tumor, nichtepithelialer,
coli) 186
–– Pancreas anulare 341 mesenchymaler, gastro
Einlauf 44
–– proximale 108 intestinaler 135
Einschlusskörperchen, PAS-
Duodenaltumor, peripapillärer 252 –– Ulkus 121
positive 315
Duodenalulkus s. Ulcus duodeni Endosonografie 343, 358
Eisenabsorption 155
Duodenalwand 102 –– Gallensteinnachweis 499
Eisenabsorptionsstörung 148
Duodenopankreatektomie, –– Gastroenteritis,
Eisenindex, hepatischer 437
partielle 371, 514 eosinophile 117
Eisenmangel 83, 155, 166
–– pyloruserhaltende 371, 514 –– Karzinom, kolorektales 262
Eisenmangelanämie 57, 72, 126
Duodenum 102, 151, 152 –– kontrastmittelverstärkten 369
–– nach Magenresektion 148
–– Funktion 103 –– Magenkarzinomnachweis 137
–– polypenbedingte 239
–– Gefäßversorgung 102 –– Magenlymphom 255
Eisenspeicherkrankheit 437
–– Innervation 103 –– Ösophaguskarzinom 84
572 Sachverzeichnis
Klatskin-Tumor 508, 513 Kolonkarzinom (s. auch Karzinom, Koproporphyrie, hereditäre 435
Klippel-Trenaunay-Weber- kolorektales) 258 Koproporphyrin-Ausscheidung im
Syndrom 249 –– Chemotherapie, adjuvante 267 Urin 432
Klistier 44 –– bei Colitis ulcerosa 228 Koprostase 288
Knochenmark –– Nachsorge 270 Kortikosteroide s. Glukokortikoide
–– Hypoplasie 342 –– nicht polypöses, Kost
–– Mastzelleninfiltration 175 hereditäres 258, 260, 261 –– ballaststoffarme 220, 227
Knochenszintigramm 262 ––– Bethesda-Kriterien 259, 260 –– ballaststoffreiche 44, 280
Knodell-Index, Hepatitis-C- ––– Nachsorge 271 –– galaktosefreie 420
Aktivität 396 –– pT1-Tumor 265 –– glutenfreie 208
Knollenblätterpilzvergiftung 482 –– Resektionsausmaß 264 –– laktosefreie 310
Koagulationsnekrose 143 –– serratierter Pathway 242 Kostaufbau bei akuter
Kohlenhydratabsorption 154 Kolonleiomyom 249 Pankreatitis 351
Kohlenhydrate, Ernährung, Kolon-Manometrie 44 Kreatininkonzentration im
parenterale 557 Kolonmotilität, Regulationsim Serum 479
Kohlenhydratmalabsorption 37 balance 294 Krebsinformationsdienst 272
Kohlenhydratstoffwechsel Kolonpseudoobstruktion, Kryoglobulinämie 386, 394
–– Lebererkrankung, akute 293 Krypten
hereditäre 417 Kolonschleimhaut –– Analkanal 317, 329
–– Leberfunktion 379 pigmentierung 316 –– Dickdarm 153
Kokzidioidomykose, Kolonsegment, abnorm –– Dünndarm 152
Leberbefall 410 langes 162 Kryptokokkose 410
Kokzidiomykose, AIDS- Kolonstenose 224, 226 Kryptosporidieninfektion
assoziierte 203 Kolonteilresektion 294 –– AIDS-assoziierte 202
Kokzygodynie 336 Kolon-Transitzeit- –– ösophageale 78
Kolektomie bei Colitis Bestimmung 44, 290 Kupferausscheidung im Urin 439,
ulcerosa 225 Kolontumor, submukosaler 249 440
Kolik, biliäre 499 Koloskopie 40, 129, 131 Kupferexkretion, biliäre 439
Kolitis –– bei Colitis ulcerosa 228 Kupfergehalt, hepatischer 440
–– antibiotikaassoziierte 187 –– Karzinom, kolorektales 239, Kupferspeicherkrankheit 439
–– ausgebrannte 227 259, 262 Kupffer-Zellen 378
–– hämorrhagische 186, 187 –– Karzinomnachweis 240 –– HIV-1-Virus 405
–– infektiöse 215 –– Karzinom-Screening 241 –– Leishmanienbefall 412
–– ischämische 301, 304, 305 –– Leiomyom 249 –– Proliferation 404, 412
–– kollagene 232 –– Morbus Crohn 221 Kurzdarmsyndrom 160
–– lymphozytäre 232 –– Pneumatosis cystoides
–– mikroskopische 206, 232 intestinalis 251
–– pseudomembranöse 187 –– Polypennachweis 239
L
–– ulzeröse 192, 306 –– Qualitätsmerkmale 239
Lactatdehydrogenase 491
Kollagenablagerung 232 –– virtuelle 259
Lactitol 481
Kollagenose Kolostoma, endständiges 265, 297
Lactulose 481
–– Einteilung 309 Koma, hepatisches 483
Laktasemangel 154, 165, 173, 248
–– Ösophagusmotilitätsstörung 68 Kondylom, spitzes 322
Laktatazidose 417
Kolliquationsnekrose 143 Konglomerattumor 204
Laktose-H2-Atemtest 545, 546
Kolon Konjunktivitis 212
Laktoseintoleranz 37, 154, 173,
–– Aganglionose, totale 291 Kontaktekzem, allergisches,
198, 248, 546, 548
–– MALT-Lymphom 254 perianales 320
Laktosemalabsorption 546
Kolonadenom 243 Kontinenz 318
Laktulose 44
Kolonadenome, multiple 245 Kontinenzerhaltung 317
Laktulose-H2-Atemtest 545, 547
Kolonbiopsie 232 Kontinenzorgan 318
Lambliasis 191
Kolonblutung 28 –– Innervation 317
–– Leberbeteiligung 411
Kolondilatation (s. auch Mega –– Knickverschluss 318
Lanreotid 518
kolon) 293 –– Schwellverschluss 318
Lansoprazol 74, 130
–– nicht obstruktive 229 –– Tamponierverschluss 318
Laparoskopie
Kolondrüsen, zystisch –– Verschluss
–– Karzinom, hepatozelluläres 456
dilatierte 250 ––– muskulärer 317, 318
–– Leberzirrhose 470
Kolonhämangiom 249 ––– vaskulärer 318
Laryngitis, posteriore 72
Koloninterposition zwischen Kontinua 184
Laryngoskopie 96
Leber und Zwerchfell 162 Kontrasteinlauf 158, 287
Laserlithotripsie, intra
Kolonischämie 301, 305 Koordination, antroduodenale,
korporale 499
gestörte 106
Sachverzeichnis 579
–– chronische 390, 395, 400 Whipple, Morbus 198 Zökumvolvulus 157, 159
––– Schwangerschaft 446 –– Leberbeteiligung 409 Zöliakie 205, 465
–– Transmission, vertikale 445 –– Rezidivrate 200 –– Antikörpernachweis 207
Vitamin A 155, 380 –– ZNS-Beteiligung 200 –– atypische 208
Vitamin-A-Mangel 166, 167 Whipple-Operation 362, 371, –– Diagnostik-Schema 207
Vitamin B12 511, 514 –– Ernährungsberatung 208
–– Absorptionsstörung 148 Whipple-Trias 522 –– HLA-Assoziation 205
–– Substitution 148 Whitehead-Operation 332 –– klassische 208
Vitamin-B12-Gabe 115, 140 Wien-Klassifikation, Morbus –– latente 208
Vitamin-B12-Mangel 115, 166 Crohn 211 –– Marsh-Einteilung 205
–– Fischbandwurmbefall 195 Wilson, Morbus 397, 439 –– refraktäre 208, 209
–– Sprue, tropische 198 –– Schwangerschaft 446 –– Screening 209
Vitamin-B-Mangel 167 Windverhalt 286 –– silente 208
Vitamin C, retardiertes 176 Wismut 123 –– Symptome
Vitamin D 155, 381 Wolman-Krankheit 425 ––– extraintestinale 206
–– Absorptionsstörung 148 Wood-Lampe 321 ––– gastrointestinale 206
Vitamin D3 bei Cholestase 470 Wurmbefall 111 ––– kutane 206
Vitamin E 155 –– Therapie 208
Vitamine ––– Indikation 208
–– Ernährung, parenterale 557 ––– medikamentöse 209
X
–– fettllösliche 155, 380 –– Therapieversagen 209
Xanthomatose, zerebroten
––– Substitution 360, 423 –– transiente 208
dinöse 426, 428
–– wasserlösliche 380 Zollinger-Ellison-Syndrom 120
Xanthome 417, 426, 429
Vitamin K 155, 381 –– Magensekretionsanalyse 536
XELOX-Chemo
Völlegefühl 127 Zotten, intestinale 152
therapieschema 269
Vollwandexzision, rektale 265 Zuckeraustauschstoffe 37
Xipamid 476
Vollwandplikation 75 Zuelzer-Wilson-Syndrom 291
Xylosetest 117
Volumenersatz 61 Zusatznahrung, orale 554
Volvulus 32, 105, 157 Zwerchfelldefekt 105
Von-Meyenburg-Komplex 452 Zwerchfellhernie 277, 278
von Recklinghausen, Morbus 250 Y Zwerchfellruptur 278
Yersinia Zwergbandwurm 197
–– enterocolica 189 Zwergfadenwurm 197, 415
–– pseudotuberculosis 189 Zylinderepithelmetaplasie 80
W
Yersiniose 189 Zylinderzellmetaplasie 71, 81
Waardenburg-Shah-Syndrom 292
Y-Roux-Anastomose 75, 116 Zystadenokarzinom,
Waardenburg-Syndrom 292
muzinöses 373
Waldenström, Morbus 144
Zystadenom
Walze, intraabdominal
–– muzinöses 377
tastbare 212 Z
–– seröses 376
Waschmaschinenphänomen 208 Zellen
Zystenleber 451, 452
Wasserabsorption, –– enterochromaffine 152
Zystizerkose 197
intestinale 153 –– enteroendokrine 152
Zystoskopie 262
Wassermelonenmagen 28, 125, Zellweger-Syndrom 428
Zytokin, Th2-proin
126, 472 Zenker-Divertikel 54, 55
flammatorisches 117
Wassersekretion, intestinale 154 Zink 441
Zytomegalievirus-Infektion 229
Wasting-Syndrom 201 Zinkmangel 212
–– AIDS-assoziierte 202
Watson-Miller-Syndrom 429 Zirrhose, biliäre 428, 429
–– gastrale 111
WDAH-Syndrom 527 –– primäre 206, 461, 462, 463, 465
–– Hepatitis 403
Webs, ösophageale 58 ––– Stadien 463
–– Kolitis 230
Wegener-Granulomatose 309, –– sekundäre 415, 497
–– ösophageale 78
313, 486 Zökostoma 294
–– pränatale 403
Weil, Morbus 408 Zökum 151
Zytostatika 490
Weizenkleie 280 Zökumdilatation 286