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Elgar Enigma Variations
Elgar Enigma Variations
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- PHILADELPHIA OFCHESTRA
DANIEL BAFENBOiI\,4
,,ENIGMA" VARIATIONS, OP. 36-
1:30
§ Theme
@ Variation 4: W.M.B
@ Variation 5: R.P.A.
I Variation 6: Ysobel ...............
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Ohne die schôpferische Persônlichkeit von Edward Elgar
(1857-1934) fehlte der englischen Musik der entscheidende
gro8e Neugestalter von mehr als nur nationalem Interesse.
Anders als seine Zeitgenossen Parry (1848-1918) und Stanford
(1852-1924), deren musikalische Intentionen ebenso lauter
trvaren, wie ihr Schaffen anregend, aber nicht von weltweiter
Durchschlagskraft . getragen, vereinte der Autodidakt Elgar
nach langer Pause wieder den Typ des die Grenzen des Insel-
reiches überschreitenden künstlerischen Musikers. Nach der
Zeit von Henry Purcell (1659-1695) war die musikalische
Szenerie Englands durch einen vôlligen Mangel an Komponisten
von Rang gekennzeichnet, die nicht nur in England tâtig,
sondern auch dort geboren 'ÿvaren. Es gibt wohl kein anderes
gro8es Land in Europa, in dem die Gipfelleistungen ejnzelner
Epochen von isoliert voneinander entstandenl in den Zwischen-
râumen mu8te England um die Gunst auslândischer Musiker
buhlen; und hâtte England nicht manchem bedeutenden
Komponisten einen attraktiven Freiraum geboten (es sei hier
nur an Muzio Clementi [1752-1832l erinnert), so wâre es um das
Musikwesen des Inselreiches arg bestellt gewesen. England hat
freilich immer verstanden, die Phasen eigenen Mangels an
bedeutenden schôpferischen Musikern zu kompensieren - sei
es durch den weltweit renommierten Ausbau von Musik-
intrumentenfabriken, sei es auf dem Gebiet des musikalischen
Verlagswesens. Dadurch ist in England niemals eine Àrt
musischer Dürre entstanden; denn die Verlage brachten den
zahlreichen musikalischen Zirkeln ausgiebig neue und anregende
Materialien (Clementi etwa vermittelte die §7erke Beethovens).
Hinzu kam eine gro8e Anzahl qualifizierter Musikgesell-
schaften, die sich auf hôchstem Niveau um die Pflege der
1't
Musik (meist des Kontinents mangels eigener Masse) verdient
machten: ein Name wie Haydn sei hier nur als Stichwort
erwâhnt. - Gerade in einer Epoche der Besinnung auf nationale
Eigenstândigkeit auch in künstlerischen Dingen - und das
19. Jahrundert ist hier ein bedeutsamer Einschnitt in der
Bewufitseinsbildung der Vôlker wurde das Fehlen eines
Musikers besonders deutlich, in dessen §(/erk sich englische
Geistesart so deutlich widerspiegelte, da8 eine Identifikation
der Gebildeten des Landes auch mit einem Musiker stattfinden
konnte. Hatten die Englânder über Epochen hiriweg wahrlich
gro8e Maler und Literaten, so mu8ten sie bis zur zweiten
Hâlfte des vorigen Jahrhunderts 'warten, bis in Elgar ihnen
endiich ein - übrigens zudem noch katholischer - Komponist
den §(reg aus der sicherlich nicht selbstverschuldeten musischen
Enklave wies. Doch der Preis, den Elgar zahlen mufite, war
nicht gering: als zu der Generation gehôrig, der er nun einmal
unabânderlich zugeordnet war, und als Englânder hatte er
christkatholische Ideen mit den Forderungen eines staatskirch-
lichen anglikanischen Systems in Einklang zu bringen; und der
Tribut, den er, übrigens niemals aus Opportunismus, der
Monarchie zollte, erscheint uns heute gelegentlich et\ryas
suspekt. Demokratischen Mitteleuropâern der zweiten Hâlfte
des 20, Jahrhunderts sind daher gewisse Viktorianismen Elgars
nicht immer auf Anhieb verstândlich - und doch hat Elgar, den
man niemals einen ideologisch fixierten "Vorbeugungsmusiker"
nennen kann, den viktorianischen Geist subtil integriert und
dadurch überwunden. §7er seine beiden Sinfonjen op. 55
und op. 63 (CBS 76 247 und CBS 73 094) kennt, wird spùren,
wie Elgar in ungeheurer gedanklicher Konzentration die Tradi-
tion von Mendelssohn und Brahms zunâchst einmal umging
und den Geist von Liszt und §Tagner auf eigenstândige §7eise
so transformierte, daf3 er sich über jedweden Verdacht des
Epigonentums erhob. Darüberhinaus war Elgar als tiefreligiôser
und ethisch empfindsamer Mensch (man denke an sein macht-
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volles Oratorium "Der Traum des Gerontius") in der Lage, die
lange englische Vokaltradition aufgreifen zu kônnen. So steht
Elgar in seiner Zeit als Vermittler da: den Lândern des
Kontinents, vor allem Deutschland, vermochte er als eigen-
wertiger britischer Musiker zu begegnen,. den Landsleuten
hingegen als Komponist, der die bestem Tugenden des Konti-
nents zum Fundament seines eigenen schôpferischen lüTillens
unter EinschlufJ nationaler Traditionen vereinte, Es ist jedoch
bezeichnend fiir eine gewisse Zàhflüssigkeit und Immobilitât
des englischen Musiklebens - es hatte sich sehr an die Funk-
tionsfâhigkeit musikalischer Importe gewôhnt -, daB es bis zur
Jahrhundertwende dauerte, bis man Elgar als einen der ganz
Grofjen erkannte.
Das einzige Cellokonzert von Elgar, e-moll op. 85, entstand
wâhrend des Winters 1918/19 und wurde im August 1919
abgeschlossen. Elgar scfuieb damit ein §ü'erk, das sich würdig
in die karge Reihe wichtiger Cellokonzerte romantischer
Prâgung einordnete. Dort steht es an jüngster Stelle (wie sein
Violinkonzert op. 6l auf seinem Feld), vereinigt mit den
gro8artigen §(/erken von Schumann (op. L29, 1850) und
Dvorâk (op. 104, 1895), In seinem Sommersitz "Brinkwells"
besuchte ihn'wâhrend der Niederschrift des ôfteren der Solist
der Uraufführung, Felix Salmond, und gab Elgar noch Hin-
weise, die die technische DurcMührbarkeit und Spielmôglich-
keit betrafen, Gemeinsam musizierten Salmond und Elgar das
§7erk, und nach Abschlu3 der Reinschrift konnte der Kom-
ponist mit Recht seine Zufriedenheit ausdrücken: er nânnt es
"ein gro8es 'W'erk, gut und lebensfâhig". Elgar widmete das
Konzert seinen Freunden Sir Sindney und Frances Colvin,
Leider geriet die Uraufführung am 26. Oktober 1919 in der
"Queen's E{all" trotz des enthusiastisch agierenden Salmond
nicht wie gewünscht; denn es hatte sich nicht die Zeit zu
detaillierten Orchesterproben ergeben (im Rahmen des gleichen
Konzertes wurde noch, ebenfalls unter Elgars leitung mit dem
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London Symphony Orchestra "Der Traum des Gerontius"
aufgeführt), Schuld an der knappen Probenzeit war der
Dirigent Albert Coates, der Elgars Môglichkeiten wegen der
Aufführung von Skrjabins "Poème de l'extase" beschnitt. Doch
in der Folge erwies sich der Mi8erfolg der ersten Aufführung
als nicht weiter tragisch; denn man erkannte bald, daB Elgars
Cellokonzert zu den bedeutendsten der Gattung zu rechnen ist
und neben dem von Dvorâk bestehen konnte. Es ist nicht
uninteressant, daf3 Elgar Dvorâk auf3ergewôhnlich schâtzte; in
den Jahren 1884 (§Torcester) und 1886 (Birmingham) hatte er
sogar zweimal als Orchestergeiger unter Dvorâks Leitung
gespielt. Das viersâtzige \ÿerk verliert sich nicht in brillanter
Virtuositât; es ist ein im Ganzen stark introvertiertes Konzert,
dessen sprôde Schônheit einen eigenen, uns gelegentlich
fremden Stil verrât. Ahnlich wie in dem Violinkonzert op. 61
(CBS 76 528) findet sich auch im Finale des Cellokonzertes
eine begleitende Kadenz. Die Orchesterbehandlung von Elgar
ist, gemessen an seinen Orchesterwerken, zurückhaltender,
sparsamer, diskreter. So vermag der Solist sich freier zu
entfalten. - Ist der ktirrstlerische Ansatz von Elgar im ganzen
mehr in der Stilistik der Neudeutschen zu suchen, so hat der
Komponist nie den Fehler gemacht, und sich, wie manche
musische "Parteigenossen", auf die eine oder andere Seite
geschlagen: es verwundert daher nicht, daB der Geist Schu-
mannscher und Brahmsscher Orchestertechnik sich in den
"Enigma" (Ràtsel)-Variationen op. 36 in sublimierter Form
wiederfindet. Elgar komponierte diese Variationenkette über
ein eigenes Thema wahrscheinlich im Februar 1899 und
verôffentlichte die Partitur noch im selben Jahr. Die Urauffüh-
rung dieses einzigartigen §ÿ'erkes fand am 19, Juni 1899 unter
der Leitung des deutschen Dirigenten (und Elgar-Apostels)
Hans Richter in der LonConer St.. James Flall statt. In vierzehn
kunstvollen, oftmals Parallelen zu Richard Straussens Orchester-
technik aufzeigenden Variationen, gestaltet Elgar nach eigenen
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§Torten zwei "Geheimnisse": eines hôre man nicht ( !) -
Spekirlationen rankten sich um "Auld Lang Syne" und um
Chopins Nocturne g-moll op. 37 Nr. l, aber beide lassen sich
nicht schlüssig in die Musik einbeziehen (vgl. hierzu Art.
"Enigma-Variations" in Grove's Dictionary of Music and
Musicians, Bd.2' s1954, Seite 954 f). Das zweite "Geheimnis"
ist heute gelôst. Die Initialen, die jede Variation zieren, sind als
diejenigen von Freunden Elgars dechiffriert worden. So gibt
Elgar in ieder Variation ein musikalisches Portrât. Hier schlie8t
sich der Kreis zu der §Tidmung des §Terkes: "Dedicated to my
friends pictured within". Elgar schildert nicht nur §(resen,
sondern auch Gesten seiner Freunde und spielt - etwa wie in
Variation XI - sogar auf den Beruf an: Orgelpedale bezeichnen
George Robertson, seinerzeit Organist an der Kirche von
Hereford, Es ist ein musikalisches Râtselspiel, das E1gar betrieb,
wie einstens die mittelalterlichen Meister oder auch, romantisch
gesteigert, Robert Schumann.
Elgar elsT-1s34)
Cello Concerto / Enigma Variations